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Rr. 107. Zehnter Jahrg. Mstinol: Lhltch pckh 7 vhr. Inserate Werve« au-enommeu: bt»Lre«d»v,S»«n- t«g» bi, Mittag» 1L Uhr: Marieustraßc 1>. M,^ig in dies Blatte, ha« jetzt i« 11,000 Exemplare« erscheint, siuden eine ersolgreich« Verbreitung. 4. Montag. 17. April 18« L5onne«en1: «ertrljLhrltch SV Agv. »ei nnerttgeldlicher Ar- ftnrng in'« Hm». Durch die «önigl. viertrltiihrlich LS Rgr Stuzewr Nummer» 1 Ngr. TaMatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mktredacteur: Theodor Drobisch. Anseratenpretse: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" dir Zeile r Ng r. Druck and Eigenthum der Heeau«geb«r: Elkpfch 6k Nelchardt. — Verantwortlicher Nedacteur: IltUUS Neichakdt. Dresden, de« 17 April — rz. Die am Charfreitage dichtgefüllten Räume der Krenzkirche gaben abermals Zeugniß, daß in der Bevölkerung Dresden» der Sinn für religiöse Erbauung noch lebendig vor handen ist. Das Schweigen der Orgel, sowie die übrige An ordnung des Gottesdienstes bot an diesem Tage der Musik, insbesondere dem Chorgesang, die beste Gelegenheit, auf die versammelte Gemeinde erhebend einzuwirken. Unter Leitung des H>rrn Musikdirektor Otto kam diesmal da» Oratorium „Christi Grablegung", dessen Text aus Klopstock's Messia« entnommen und von Sigism. Neukomm, einem Schüler Haydn's, in Musik gesetzt ist, zur Aufführung. Obgleich dieses Werk schon vor 40 Jahren componirt wurde, so wird eS doch wegen seiner Schwächen, Mangel an Chören und zu viele Recitative, selten zu Gehör gebracht. Die Compositionen NeukommS, von denen „der Ost.rmorgen" am bekanntesten, unterscheiden sich im Allgemeinen mehr durch fließende Melodien und ungesuchte Harmonien als durch künstlerische Tiefe und ergreifende Ge walt. Noch am meisten wirkte das Finale des Oratoriums mit dem zarten Sopransolo und Chor „Lispelt Harfen", dem durch contrapunktische Behandlung sich auszeichnenden Terzett ,Fklaget ihm nach" und dem Schlußchor mit Fuge. Sowohl die Solis, als auch die Chöre wurden recht brav ausgeführt, den tiefsten Eindruck machten aber die trefflich schattirten Ge sänge „licvs quomoöo moriivr' von Händl (gen. Gallus) und „ävv verum corpus" von Mozart. — — Nachdem die Leipziger Vuchdruckereibesitzer überein gekommen sind, einen Tarif auf den Minimalsatz von 27 Pfennigen pro Tausend n auszustellen und dies zur Kenntniß der feiernden Gehilfen gekommen ist, sollen diese den Beschluß gefaßt haben, an ihrer Forderung von 30 Pfennigen festzu halten, so daß an eine baldige Einigung wohl nicht gedacht werden kann. Uebrigens hört man von verschiedenen Seiten, daß bishrr feiernde Gehilfen zur Arbeit zurückkehren; so soll sich die Zahl der wieder arbeitenden Gehilfen bei BrockhauS von 11 auf 34 (incl der zugereisten) erhöht haben, und ähnlich in anderen Druckereien. (L. N.) — Am Charfreitag Abend hat auf der Prießnitzbrücke bei« Linckeschen Bade ein Exceß und Menschenauflauf deshalb pattgefunden, weil drei Handlungscommis neben einander auf dem Lroittoir gegangen, ohne dem Publicum auszuweichen. Ein beurlaubter Reiter, welcher ihnen entgegen gekommen, hat das Trottoir nicht verlassen und auf die, in Folge des Gewitterregens sehr schmutzig gewordene Straße gehen wollen «nd deshalb versucht, sich an den drei jungen Leuten vorbei zudrängen und desha'b den einen davon auf die Seite gescho ben. Sofort hat er einen Hieb mit dem Stocke auf den Kopf bekommen, worauf es zu weiteren Tätlichkeiten gekom men, in Folge deren der Soldat mehrere Bisse in den kleinen Finger der linken Hand erhalten hat. — Eine Anzahl Mitglieder des Maurer- und Zimmer- gesellsn-LereineS haben beschlossen: unter sich einen gemein schaftlichen Bauhandwrrker-Bildungsverein zu gründen. Auf gabe desselben ist: Mitglieder, beziehendlich Schüler, mit dem Wiffenswcrthesten im Baufach und den in Verbindung stehen den Wissenschaften theoretisch und praktisch vertraut zu machen, überhaupt die Interessen ihres Standes zu wahren und zu fördern. Es ist bereits ein Comite vorhanden und mit Entwerfurg der Statuten beschäftigt. — Wir werden von der Redaktion des „Boten aus der sächsischen Schweiz" um die Bemerkung ersucht: daß die scharfe Kritik über die Gedichte von Julius Schanz zuerst in obgr- dachtem Blatte gestanden und von da in die Berliner Börsen- Zritung übergegangen s>i. — Am 13. d. M. Nachmittags brannte das zur herr schaftlichen Ziegelei zu Riederrödern gehörige Wohnhaus to tal nieder. Dem Ziegelmeister, Bewohner diese- Hauses, ver brannte der größte Theil seiner Habe; derfllbe war während des FeurrauSbruches abwesend und befand sich «nd dessen hochschwangere Frau mit den Kindern und der Magd zu Hause. Die gedachte Ziegelei liegt zwischen Radeburg und Debra im Aklde isolirt. — Lin aus Dresden steckbrieflich verfolgter Kaufmann Schieb«, der an Hamburg betroffen und ari.etirt worden, ward am 14. d früh von zwei sächsischen Polizei-Angestellten von Hort «bgeholt. — 1- Lteffentliche Gerichtsverhandlungen vom IS. April, tks liegen heut vier Gerichtsverhandlungen vor, von denen die erste geheim abgemacht wird. Die Sache war schon einmal zur Verhandlung gekommen, aber damals ver tagt worden. Die Anklage ist gegen Fried rich Wilhelm Loch mann gerichtet und lautet auf thätlichen Ang riff auf di« Scham haftigkeit I»« erster Instanz war Lochmann zu einer drei wöchentlichen <iiefängnißstrafe verurtheilt worden, wogegen er Einspruch erhr ben. Heute wurde er klag-- und kostenfrei ge sprochen. — In der zweiten Sach?, die eine sonderbare Jahr marktsscene aus Tharand liefert, spielt ein Dresdner Flei- schergrselle die Hauptrolle und um ihn herum finden wir eine zufchauende Menge in einer Anzahl von mehr als 200 Per sonen, aus welcher hie und da blanke Gensdarmenhelme im Sonnenlicht glänzen. Es war Jahrmarkt. Der hiesige Flei schergeselle Carl Wilhelm August Ehrlich, 24 Jahre alt und noch nicht bestraft bisher, hatte sich eine Mulde auf die Schulter gelegt und trug Würstchen zum Verkauf herum. Es war dies am 6. Februar 1865. Der Tag war kalt. Ehrlich heizte inwendig, wie er selbst zugesteht, mit Nordhäuser meh rere Male ein. Die so entstandene Glühbitze verursachte ein Schwachwerden der Sinne und Ehrlich fiel oft mit seiner Mulde und dem würzigen Inhalte zu Boden, wir hören, daß er sich mit seinen Würstchen auf dem Straßen Pflaster im wah ren Sinne des Wortes herumwälzte. Natürlich waren wäh rend dieses Herumwälzens auch einige Würste verloren gegan gen, da sich in der Nähe auch Affenpinscher sehen ließen. Diese Verluste mochten den Ehrlich geärgert und ihn verführt haben, mehr zu trinken, als er brauchte. Da sich um den „Wälzen den" «ine jubelnde Menge versammelt hatte, so schien es dem Gensdarm Brendel endlich doch Zeit zu sein, diesem „Wälzen" rin Ende zu machen. Er ging hin und da er sah, in wel chem Zustande Ehrlich sich mit seinen Würsten befand, blieb nichts andres übrig, als eine sichere Unterbringung des Be trunkenen zu besorgen. Da kam Brendel aber schön an. Ehrlich, den Gensdarmen sehend, der ihm, wie es heißt, blos zum „Auszurauschen" verhelfen wollte, widersetzte sich sofort Allem, was Bendel thun wollte. Fortwährend schrie er: „Von einem gemeinen Gensdarmen lasse ich mir nichts sagenl" Dabei schlug er um sich herum, den Gensdarm auf die Brust, faßte ihn an der Gurgel und auch den Helm finden wir auf der Straße neben der Mulde wieder. Es wurde ein Dienst mann geholt. Der Gensdarm wollte mit Ehrlich allein fer tig werden, der Dienflmann sollte die Mulde tragen und die zerstreuten Würstchen zusammenholen und nachtragen. Aber Brendel wurde mit Ehrlich nicht fertig, der Gensdarm Mor- genstrrn aus Potschappel mußte zu Hilfe eilen. Aber auch diese Zwei wurden nicht fertig, bis endlich 5 bis 6 Mann sich über den Angetrunkmen hermachten, ihn emporhoben und so nach dem Polizeigefängniß schwebend trugen. Aber trotz dem, daß er getragen wurde, schlug er fortwährend dennoch mit Armen und Beinen, soweit er sich irgendwie losmachen konnte, um sich herum. Das Alles kam nun zur Anzeige und zur Bestrafung. Ehrlich erhielt 6 Wochen Gefängniß und wurde verurtheilt, die ganzen Kosten zu tragen, wogegen er im Allgemeinen Einspruch erhob. Zwanzig Tage saß er in Haft, diese wurden ihm auch als verbüßt angerechnet Herr Staatsanwalt Held erklärte, daß, da gegen die Schuldfragen kein Einspruch er hoben sei, sondern nur gegen die Höhe der Strafe, so stelle rr die Abfassung des Uitels zweiter Instanz in's Erm.ssen der Richter. Der Gerichtshof erkannte, daß Ehrlich nur mit 4 Wochen Gefängniß wegen Widersetzlichkeit zu bestrafen sei. — Die dritte Verhandlung dreht sich wiederum um eine Wi dersetzlichkeit, deren der Handarbeiter Carl Wilhelm Sachse von hier beschuldigt ist. Man hatte ihn in erster Instanz zu 4 Wochen Gefängniß und Tragung der Kosten verunhnlt. Er erhob Einspruch und verlangte, daß zwei neue Zeugen abgehört werden sollten, was aber nicht geschah. Die Ge schichte spielt in der Nacht des 17. Oktobers 1864, Morgens in der zweiten Stunde. Zwei Nachtwächter sind es, John und Ruhland, die auf der Weißeritzstraße und zwar in der Nähe des Hauses Nr. 13 ihre nächtliche Thätigkeit entwickeln. Der Grund zu dieser Scene war. wie die Acten erzählen, daß ein Mensch zum Hause hinausgeschmissen wurde, der nicht hineingehörte. Sachse hatte sich hii.eingemischt und die Wäch ter geschimpft. Der „Hinausgeschmissene" hatte bei dem Ma növer seinen Hut verloren und diesen verlangte er. Da die Wächter sich nicht dazu hergeben wollten, den Hut zu holen und zu suchen, so wurde Sachse böse darüber und soll die Wächter „gemeine Kerls" geschimpft haben. Das stellt er in Abrede, rr will blos gesagt haben: „Arretiren Sie doch lieber den HerrnI Wenn Sie sich so benehmen, das ist gemein!" Beim Arretiren soll er auch um sich herumgeschlagen haben. Sachs« ist in dieser Art von Vergehen schon rückfällig; denn beim Militär erhielt er einmal wegen Widersetzlichkeit 2 Jahre und 10 Monate Militärarbeitshaus, außerdem saß er auch wegen Bedrohung gegen einen Oberen im strengen Arrest. Der Herr Staatsanwalt beantragte die Bestätigung des ersten Bescheides. Sie erfolgte. — Zum Schluß sei noch einer ge ringfügigen Privatanklagesache zu erwähnen. Das Dienst mädchen Henriette Friederike Petzold hat ihren Dienstherr», den Gutsbesitzer Heinrich Hänichen zu Prohlis verklagt, aber nicht» auSgerichtet; denn Hänichen wurde freigesprochen und sie als Klägerin zu Tragung der Kosten v-rurtheilt. Dagegen erhob sie heute Einspruch. E» handelt sich im Ganzen um Beleidigung, die in einer Scene auf dem Hofe des Hänichffchen Gutes zu Prohlis vorgefallen sein soll. Der Gerichtshof hatte aber die Klage der Petzold für eine ungerechtfertigte ge halten und deshalb den Hänichen freigesprochen. Hänichen hatte auch Alles fast, was die Petzold gegen ihn auSgrsagt, entschieden in Abrede gestellt. Der Gerichtshof bestätigt heut zwar das erste Erkenntniß, befreit aber die Petzold von Tra gung der Kosten. — 4 Gestern am ersten Osterfeiertage zogen die ersten Gäste in die neue große Bierhalle in der ehemaligen Raths baderei ein. Alles war festlich decorirt, Riesenguirlanden schwebten im überglasten Hofraume und die Insignien de» Königs Gambrinus waren im Thorweg in großartigem Maß stabe angebracht. Die Lokalitäten find sämmtlich hell, luftig und geräumig, und hat somit Herr Debus, der Pächter, dem Publikum ein neues Elysium eröffnet, das sich auch durch seine Billigkeit in den Preisen auszeichnet. Ueber das Innere nächstens noch ein Paar Worte. — 4 Das Seeungeheuer bei Tolkewitz Denke sich der Leser hinaus in die Ferne und zwar wenige Tage zurück, als noch der Spiegel der Elbe sich bis zur 8 an der Brücke erhob. Da rauschten die Wasser in der stromaufwärts ge legenen Gegend auS den Usern heraus und in die Ebene hinein. Manch' stiller Elbhecht mußte nolons volons die Reise querfeldein mitmachen, über Stoppel und Wiesen, durch Wald und Gestrüpp. So drang auch die Elbe zwischen Blasewitz und Tolkewitz aus den waldumkränzten Ufern her aus und ergoß sich über das einsame Thal, durch welches die von Dörflern so stark betretene Landstraße nach Dresden sich hinzicht. Es war Nacht — dunkle Nacht, nur hie und da lachte ein matter Mondstrahl durch das graue Gewölk und zuckte leise über die schwergeschwängerte Wasserfläche hin weg. Kein Laut war vernehmbar, die Nachtwächter der Ortschaften kauerten sich still in irgend eine beliebig« Ecke, nur hie und da unterbrach ein lebensüberdrkssiger Kettenhund durch seine bellende Appellation an das Schicksal die nächtlichen Stille. Da plötzlich tritt der Mond aus einem Wolkenloche heraus und beleuchtet im Nu eine Straßenbar- riere, welche bei Tolkewitz aus der überschwemmten Landstraße herausguckt. An diese Barriere gelehnt, ragt aus der Tiefe des Wassers ein Körper hervor, festgeklammert an die Bar riere, still, bewegungslos, aber furchtbar. Ob Mensch, ob Thier — das läßt der flüchtige Mond nicht erkennen. Die Kunde davon fliegt in's nahe Dorf! Man rüstet sich aus zum Fange jenes Ungeheuers, um dessen unteres Ende zwei neugierige Krebse und einige verhungerte Elbhechte natur geschichtliche Studien anstellen. Gedanken an die berüchtigte Seeschlange, an den Meerwolf durchkreuzten das Hirn der Dörfler — aber Tolkewitz sollte nicht den Lorbeer da- .' von tragen, jenes Ungeheuer zuerst gefangen zu haben. Nur ein lebendiger Tambour war's, der im Schlaftrunk den Heimweg angetreten und das nasse Bett gefunden, in dem er, an die Barrieren gelehnt, aufrecht stand und eingeschlafen war. Die Wellen der Elbe kräuselten schäumend um seine Hüften, spielende Schnecken suchten in den Taschen zwischen leerem Portemonnaie und Taschenmesser ein flüchtiges Versteck. Al» die Dörfler das vermeintliche Seeungeheuer dem schauerlichen, kalten Wasserbett entführten, riß der Mond noch einmal den Wolkenschleier von seinem milden Antlitz hinweg und lächelte ein schelmisches „Gute Nacht" hernieder. * Zwei Roman-Opfer. Der Capitän des von Calcutta in England angekommenen Schiffes „John Allen", berichtet, daß er zwei seiner Midshipmen durch Roman-Lectüre verloren habe. Die Knaben hatten Alexander Duma»' „Monte Christo" gelesen und den Entschluß gefaßt, sich ge meinschaftlich nach einem Monte Christo umzuschen, um di«, Romantik des Helden der DumaS'schen Phantasie in Wirklich keit und Person zu durchleben. In der Stille der Nach führten sie ihren Entschluß soweit aus, daß sie mit einen Schwimm-Apparat über Bord sprangen, um sich an ein- i ihrem Vorhaben entsprechende Insel treiben zu lassen. Obgleich. « der Capitän zwei Tage lang kreuzte, konnte er doch von der^ romantischen Jünglingen nichts entdecken. Er hält e» sü ,j wahrscheinlicher, daß sie von Haifischen verschlungen Word« , seien, als daß sie eine für ihre Experimente passende Jnso!,j gefunden haben. ^ 1,1» »A k von Or. n IVellsr svn , Waisenhaus straße8,I.,tägl v. 9 -Nu. 3—4v/j Bodenbacher Bier Niederlage. * Rampeschestraße Nr. 8. (Töpfchen 2 Ngr.) .«4 Wiesenthorfiraße 11. Dresden.