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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumerationS- Preis 22z Sgr. (z Tblr.) vierteljädrliM, 3 THIr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prönumerirt aus diese- Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (FricdrichSsir. Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 130 Berlin, Freitag den 29. Oktober 1841. Polen. Aus Kraszewski's Wolhynischen Rcisebildcrn. Wolhyniens Schicksal wurde erst bei der Vereinigung Litthauens Mit Polen entschieden; bis dahin ging dieses Land von Hand zu Hand und wechselte zuletzt zwischen ver Herrschaft der Russischen Fürsten und der Polnischen Könige. Wenig später waren in dem selben die Spuren der Kosaken-Anfälle eben so sichtbar, als vorher die des Kampfs zwischen Kasimir mit Lubart. Nach Litthauens Vereinigung mit Polen dauerte noch ein langer Zwist darüber, ob Wolhynien sich zur Krone oder zu Litthauen zählen sollte; beide Länder erhoben Rechte an die Provinz, brachten die Zeugnisse der Chroniken, und auf den Reichstagen wurde hart gestritten. König Wladislaus gab 1434 dem Wolhynischen Adel vollkommen gleiche Rechte mit dem Kronadel; Stephan Batory bestätigte diese Gleich stellung bei seiner Krönung 1576. Siegmund August erkannte Wolhynien als zur Krone gehörig. Unter dem Jagielloncn Kasimir wurde es von Polen getrennt und mit Litthauen vereinigt. Dieser Zustand dauerte bis zur Union von 1569, und nach vielen Streitig keiten kam Wolhynien wieder an die Krone. Seit dieser Zeit er losch das Wolhynische Marschall-Amt, und eS folgte der Rang der Wvjewoden, Kastellane rc. Regiert wurde es nach Litthauischem Statut. Die Wojewodschaft Wolhynien zerfiel in drei Kreise: den Luzker, Wlodzimierser und Krscmienienzer. Die vor den Reichstagen abzu- haltenden Landtage wurden in Luzk zusammenberusen, wo man sechs Abgeordnete wählte, deren Zahl sich nachher auf drei reduzirte. DaS Wappen des Landes war ein weißes Kreuz in rothem Felde; 1589 wurde der Polnische Adler hinzugefügt. Unter den Wolhynischen Wojewodcn treten als die Ersten hervor: die Fürsten - Familien Czartoryski, Korezki, Wischniowiezki, Sanguschko, Potocki. Wolhynien mit der Ukraine und Podolien ist nicht ohne Grund als die fruchtbarste aller Polnischen Besitzungen berühmt gewesen. Seine großen ährenbcdeckten Ebenen, die von einer vcrhältnißmäßig kleinen Bevölkerung bearbeitet werden, ernährten nicht nur das hier her zusammenströmende Gesindel, sondern belebten auch den Gctraide- handel auf dem Schwarzen und Baltischen Meere. Die Fruchtbarkeit Podoliens, der Ukraine und Wolhyniens ist allbekannt. Mcicrdcrg hatte Zeit genug, sie auf seiner Reise kennen zu lernen, und fremde Schriftsteller haben viel davon gefabelt. So schreibt Gratian, daß der kaum einmal vom Pfluge berührte Boden funfzigfach lohne; Miechowita spricht von einer zweifachen Aerndte bei einmaliger Aussaat. Indessen haben wir die letztere Erscheinung auch in Podolien, wo, wenn das überreifte Getraide sich verschüttet, im folgenden Jahre oft eine zweite reiche Aerndte gemacht wird. Andere schrieben von Gräsern, welche Manneshöhe überragen, und erdichten eine Vegetation, daß ein Pflug, der einige Tage im Felde bleibt, mit Gräsern umwachsen ist. Wolhynien gewährt verschiedene nützliche Pflanzenarten, beson ders sind schon früh seine TabackS-Pflanzungen bekannt, die I>«rb» cruciü, berba «ana und berba «anvta genannt, deren anfänglicher Gebrauch der Grund einer lebhaften Polemik wurde, wogegen auch in Polen viel geschrieben worden. Wolhynien mid die Ukraine bauten zuerst Taback, später Preußen. Der Preis für ein Pud Taback war im Jahre 1721 zehn Kaisergroschen. RzontschinSki citirt eine in Wolhynien ausgegrabenc fette Lehm art (vmwlia terra), woraus Pfeifen gemacht wurden. An vielen Orten gräbt man weißen, rothen, gelben Thon und GipS, Eisen und selbst Bernstein. Meth und Wachs sind Ausfuhr-Artikel nach Schlesien und Preußen. Reichliche Wolle liefern die großen Schafheerdcn in den Karpaten. Unter den Thierarten erwähnt RzontschinSki einer dort so be nannten Hadina, welche von den Bewohnern sehr gefürchtet wird. -,3hr Vaterland — sagt er — ist Wolhynien; sie hat einen grün lichen Schnabel, ist von der Größe einer GanS, Füße und Zunge sind schwarz, der Schwanz ist der einer Schlange und endet in einen Pfeil." Diese Beschreibung erinnert an die Eidechsen bei Johnston und anderen alten Naturalisten. Die Hadina fliegt und läuft auf den Feldern. Man erzählt von diesem Geschöpfe Wunderbares genug. Trotz der Freigebigkeit des Bodens, kommt dort doch oft Hun gersnoth vor. >699 starben die Menschen vor Hunger, und die Spuren der Hungersnoth waren noch sieben Jahre nachher sichtbar. Im Jahre 1605 traf das Land ein Erdbeben, daß die Geräthe von den Tischen fielen und die schlafenden Menschen anS den Betten. 1620 bemerkte man in Lemberg, Kamienz und Halicz leichte Er schütterungen; 1789 waren sie in Wolhynien so stark, daß Häuser davon barsten; 1801 trafen kurze Schläge die Gegend von Konstan tinou; das letzte von 1838 wurde durch den größten übrigen Theil Europa'» gespürt. Auch von der Pest wurde das Land wiederholt heimgesucht; ferner erlitt eS häufige Wasserschäden; >710 waren die Heuschrecken in solcher Menge im Lande, daß sie frische Saaten abnagtcn und selbst in die Häuser drangen. RzontschinSki berichtet unter vielem Wunderbaren, daß im Jahre 1704 sich auf den Häusern rothe Linien an verschiedenen Orten, zu derselben Zeit und in gleicher Höhe von der Erde, ge zeigt hätten. Wolhynien — haben wir schon gesagt — gehörte auch den Russischen Fürsten. Den Namen des Landes leitet Naruschewicz vom Schlosse Wolyn her, wo heute eine Burg nahe bei Räbinschov am Bug steht. Nach seiner Ansicht kamen im vierten und fünften Jahr hundert von der Wolga (Wolha) die Wolänier. Konstantin Porphyro- genetoS zählt im zehnten Jahrhundert die hiesigen Völkerschaften auf, nämlich: Oerdlenim, Orugubicsni, LUIlini (Wolhynicr), l^erenmni. Wolhynien war und ist noch das Land der Magnaten; erst jetzt fangen ihre ungeheuren Güter an, sich etwas zu verkleinern und m kleine adlige Besitzungen zu zersplittern. Früher gab es hier nichts Gewöhnlicheres, als Fürsten, Grafen und Prätendenten des Grafen- TitelS; überall sah man diese Herren mit neunperligen Kronen im Wappen. Die bedeutendsten Familien hatten hier ihren Ursprung, ihre Schlösser, nach denen sie sich nannten, und ihre ausgedehnten Güter. Es giebt wenig Kleinadel; die Dörfer sind von geringem Umfange, die Häuser selbst sehr bescheiden. Das Land wimmelt von den hochgeborenen und erlauchten Herren; der Titel ist in Wolhynien etwas äußerst Wichtiges, er ist aber auch etwas Ge wöhnliches und manchmal ein sehr unbequemes Ding. Der Reisende sieht überall Paläste, Parks, moderne Wagen, schöne Gespanne, und daneben genug Arme und Bedrückte, die nur die Fruchtbarkeit des Bodens rettet, und zwar gegen den Willen der Herren, die sich nm die Existenz des Bauern selten kümmern; davon giebt'S wenig Aus nahmen. Die Sitten des Adels tragen insgemein den Stempel des Magnatismus. Niemand will geringer seyn alS der Andere oder sich ärmer zeigen; Jeder treibt Aufwand in Wagen, Livreen, im Hause, in der ganzen Lebensweise. Kein Wunder also, wenn sich da» Vermögen verringert und jene Magnaten in ihrem Alter bei ihrem Wappen darben, wenn man die leeren Paläste zerfallen sieht und dort Tod, wo vor kikrzcm noch ein glänzendes Leven herrschte. Die dasige Welt ist sehr modern; die Orakelsprüche der Pariser Journale weiß sie hochzuschätzen, spricht über neue Literatur, mag sich gern gut zerstreuen und hauptsächlich inS Ausland reisen. Bücher find hier, wie in vielen anderen Gegenden, größtentheils ein bloßes Möbel im Salon; unaufgeschnitten und bestäubt stehen sie in bester Symmetrie zum Beschauen da. Man hat sie des Wohl- anstandeS wegen — und hat sie überall, aber das Bedürfniß, zu lesen, fühlt das Publikum nur in geringem Grade. Was die Polnische Literatur betrifft, so kann der Wolhynier wegen seiner Entfernung von Warschau und Wilna, diesen beiden Hauptheerden der Literatur, etwas Neues selten schnell erhalten und bemüht sich auch selten darum. Die Sprachkundigeren, namentlich die, welche Französisch sprechen,, lassen sich zur Lektüre Polnischer Bücher nicht herab. „Quelle iüee! ein Polnisches Buch lesens un xouc exrraonlinmre!" sagen sie und vcrurtheilcn mit einem Hohn lächeln die ganze Polnische Schriftstellerei. Viele Wolhynische Magnaten haben schöne Bibliotheken, kostbare Gemälde, aber noch kostbarere Paläste, prunkvollere Parks, deren Instandhaltung um so schwieriger ist, da die Schönheit mit so vielen Geschmacklosigkeiten und Kritiken zu kämpfen hat. Das HochzeitS-Ceremoniell geschieht in Wolhynien meistens mib ungeheurem Aufwand und mit Beibehaltung aller alten Sitten; aber die Jugend hcirathet nicht sämmtlich, nicht, wie im ehrbareren Litthauen, wo durch die Ehe der Mensch erst vollständig wird. Ich weiß nicht, ob man diese Antipathie gegen den Ehestand dem Einfluß der Literatur des litten Jahrhunderts, die noch stellenweise ihre Verehrer hat, oder den Französischen Romanen des listen Jahrhunderts oder einem anderen Umstande zuschreiben soll. Die Jünglinge wollen erst vollkommen austoben. Und wenn sie auSgetobt, die Gesundheit durch