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Der Endkampf lm Haag Die „Mobil stenmg" im Vordergrund - Die Amerikaner werden befragt VormMer und Schäkel muh dem Saug berufen Im Haag, lü. Jan. Die Verhandlungen Uber die Mobilt- eruugSfrage sind auch tm Lause der heutigen Bvrmittagö- hung der sechs Mächte nicht zu einem Abschluß gekommen, eine gewisse Annäherung liegt insofern vor, als von deutscher Leite das Zugeständnis angebotcn worden ist, wäh rend der Zeit vom 3l. Januar 1930 bis l. April 1031 keine Rctchsanleihe im Auslande auszulegen unter der Voraussetzung. daß für den Bedarf der Reichsbahn und der Reichopost an Anlethcinittcln in der Zwischenzeit aus reichende Vorkehrungen getroffen werden. Um die dahin gehenden Fragen zu klären, ist der Generaldirektor der Deut, scheu Neichöbahiigescllschaft, Dr. Dorpmllller, nach dem Haag berufe» morden, der morgen vormittag hier eintrcfsen wird, ferner auch der Reichspostminister Schädel, sowie mehrere andere Sachverständige. Mit Rücksicht daraus ist die nächste Sitzung der sechs Mächte zur Weiterbehandlung der Mobilisierungs- sragc aus morgen nachmittag 5 Uhr festgesetzt worden. Entsprechend einem Vorschläge des NclchSftnanzmInisterS Dr. Moldcnhaiier wird in der Zwischenzeit mit den Bank- experten, insbesondere mit dem amerikanischen Vorsitzenden des Organisattonskomitces für die BIZ.» Reynolds, Fühlung genommen, um über die praktischen Fragen der Anleihebegebnng zu verhandeln. Dabei handelt es sich um die erste Tranche tn Höhe von voraussichtlich 800 Millionen Reichsmark und um die von der Gegenseite. Insbesondere von dem französischen Sachverständigen Laverv«, anerkannten Anlrthebedürfnlsse der Reichsbahn und der NeichSpost in Höhe von etwa S09 Mil lionen Reichsmark. Das VerhaudlungSkap'tel „Liquidation der Vergangen heit steht zunächst noch offen, da die Mobilisierungssragc, die von vornherein «ine für Frankreich entscheidende war. zunächst tm Vordergründe steht. » Die Verhandlungen in der Mobilisierungsfrage haben die Tatsache tn den Vordergrund treten lassen, daß die Mobi lisierung der deutschen Reparationsbonds letzt tm wesent lichen von dem amerikanischen Kapitalmarkt abhängig und daher die endgültige Regelung ohne amerikanisch« Mitwirkung überhaupt undenkbar ist Ja den Vordergrund ist also die entscheidende Frage ge treten. ob die Unterbringung der deutsche» Reparationsbonds «ach den bisherigen Ergebnissen und insbesondere den poli tischen Beschlüssen der Haager Konferenz noch als sicher «nzu- sehen ist Es besteht der Eindruck, daß die Abänderungen des Aonngplanes und die Beschlüsse der Haager Abmachungen «Icht obne Rückwirkungen aus den interuationaleu Kapital- «arkt sein werden. « In der SanktionSsrage bestätigt sich die gestern schon hier verbreitete Nachricht, bah Snowdc» in letzter Minute den Versuch gemacht hat. die Klage vor dem Haager Gerichtshof und noch mehr die etwaige HandlungSsreiheit einer einzelnen Macht iFran^rcichs zu bestreiten. Er blieb damit aus der hier von England seit Jahren ver- s folgten grundsätzlichen Linie. Darauf aber geschah da» Un glaubliche. das; Dr. Wirth dem srauzösjschen Ministerpräsi denten Tardieu darin beipflichlete, daß auch eine einzelne Macht tn Zukunft dieses Recht haben solle. Als Snowden das hörte, zog er seinen Einspruch ironisch lächelnd zurück: »Sie wolle« eS sa nicht anders . . .* Ferner werden formelle Aeußcrungcn eines der fran zösischen Hauptdelegierten llber die Lanktionsfrage berichtet: „Es war für «ns wichtig, jede Formulierung, in der di« GlLudigerrnächte als ei« einziger Block betrachtet wurde», auSzuschalten, und e» war ebenso wichtig, Deutschland dazu zu bringen, die Legitimität der vollen Handlungsfreiheit der Gläubtgcrmächtc im Falle der Zerstörung des Noungplancs anzucrkennen. Eine Bezugnahme auf die Interessen des Artikels des Ver sailler Vertrages würde keinerlei wertvolle Garantie für uns gebracht haben, da diese Artikel tn Wirklichkeit schon durch das Londoner Protokoll vom August 1924 abgeändert worden sind. Es mar vielmehr vorzuHlehen, a» ihre Stelle ein viel einfacheres und viel wirkungsvolleres System zu setzen." — „Dadurch", so schreibt „Journal des D c b a t s". „daß eine formelle Bezugnahme aus den Vertrag von Versailles fehlt, erhält Deutschland eine Genugtuung für sein Selbstgefühl. Frankreich dagegen erwirvl da» Recht, ganz allein auch eventuelle SanktloySmaßnahmeu vorznnchmen. Darin besteht eine volle Kompensation. DaS gestern Unter zeichnete Schriftstück schließt gegebenenfalls jede Berufung auf den Kalloggpakl «ad ans da» VvlkerbuubSstatnt au». Der Kelloggpakt kann nicht tn Frage kommen, da es sich dann nicht um einen Kriegsfall handeln würde. Der Völker- bundsrat aber, der dazu einen einstimmigen Beschluß fassen must, mürbe ebensowenig die zu Sanktionen schreitende Macht aushalten können. Außerdem würde die große Mehrheit seiner Mitglieder sich ebenfalls vor dem Spruch des Haager SchtedsgerichtShoseS beugen." jstlne Etnigima über die Sslrrkkiralienen Sonnabend «och kein Sonscrcnzschluß? In Konferenzkretsen sind im Laufe des Donnerstag Zweifel darüber aufgctaucht, ob der bisher als gesichert an gesehene Abschluß der Konferenz am Sonnabendabend tat sächlich ermöglicht werben wird. Abgesehen von der MobiltsierungSsrage finden erst Sonnabend vor mittag die Beratungen zwischen den sechs einladenden Mächten und den kleinen Mächten über deren Be teiligung an der endgültigen Regelung der NeparationS- srage mit Dculsch'and statt. Ebenso zeichnen sich tn den Ost- reparattonsfragen noch immer keine Möglichkeiten einer Einigung ab. Louchenr erklärte der Presse, eine Einigung sei al» anSgeschlosieu anznschc». Die Verhanbsnngen hierüber würden in Pari» nach dem Abschluß der Haager Kouferenz weiter fortgesetzt werden. Mau würbe zum Schluss« eine gemeinsame Erklärung der kleinen Mächte auf der einen, Oesterreich, Ungarn und Bul- garten aus der anderen Seite aufsetzcn, in der der gegen sätzliche Standpunkt beider Gruppen sestgestellt werden würde. Der Reue Plan vor -em Reichstag Gin Weißbuch über -en Haag Berlin, lü. Jan. Wie der „Demokratische ZeitungSbtenst" berichtet, wird die NeichSrcglcrung bald nach dem Abschluß -er Haager Konferenz dem Reichstage ein Weißbuch über -cn Verlaus der Verhandlungen vvrlcgcn Ferner werde» auch mit möglichster Beschleunigung die abgeschlossenen Ver. träge in GcscheSsorm gebracht» um daun vom Reichstage ratifiziert zu werden. Es handelt sich dabei ein mal. ähnlich wie beim Domesabkommen, um das Schluß- Protokoll der Haager Konferenz, dem als Anlage die ein zelnen Abkommen betgesügt werden. Schließlich wirb -em Reichstage auch noch der Roten» »echfel »uterbreltet werbe«, der heute mit den einzelnen Negierungen gepflogen morde» ist. Während Im Jahre 1934 das Hauptabkommen über die Re parationsleistungen zwischen der Rcparationskommission und Deutschland beschlossen wurde, handelt es sich setzt um einen Vertrag zwischen Deutschland und den Gläubigermächten. Dicker Vertrag wird die allgemeinen Zahlungsbedingungen, wie sie lm Uoungplan vorgesehen sind und die grundsätzlichen Bestimmungen über Moratorium. Revision usw. enthalten. Weiterhin werden neben den retn finanziellen Be stimmungen tn dem Sch'ußprototoll auch dle Formulierungen politischen Inhalts enthalten sein, u. a. die Er klärung über die Rheinlandräumnng. sowie ein Abkommen »wischen Deutschland und den VcsatzungSmächten. Ueber den Erlaß einer Amnestie ist zwischen Deutschland und de« Besatzung-Mächten in Koblenz verhandelt worden. , Endlich wird sich der Reichstag noch mit einem Ab- kommen über die Sachlieferungen zu beschäftigen haben, so- wie mit dem Vertrage über die Errichtung der Inter nationalen Bank. Während tm allgemeinen die Aon ngpla» gesetzt eine Veränderung tm Reichstage nicht mehr erfahren dürften, ist zur Zeit noch zwctselhast, ob beim Reich sbankgeseh noch Bestimmungen etngcsügt werden sollen, bte über den Bericht des Organ sationö» komltccs hinausgehen. Die ReichStagsver Handlun gen über dle ?joungplangesctze sollen so schnell wie möglich stattsinden. Es ist sicher anzunehmen, daß die große Aussprache durch eine Rede de» Neichsanßen. Ministers Dr. <k « rti« » erdffnel wirb. Die Gesetze werden dann vom Auswärtigen Ausschuß wciterbcraten. Da aber zu AbänberungSan trägen, von etntgen Ausnahmen abgesehen, keine Möglichkeit vorhanden ist, nimmt man an, daß die Beratung im Aus wärtigen Ausschuß sich nicht lang« htnziehcn wird, so daß mit einer Natifizterung der Noungplangesche durch den Reichstag zu Beginn des Monats Februar zu rechnen wäre. Sie -»titsch-polnlscheit RlsvekM-tM sellürl Berlin, 19. Jan. Die tn Genf gepflogenen Be sprechungen zwischen den Führern der deutschen und der polnischen Delegation, zwischen SiaatSsckrctär v. Schubert und dem polnischen Außenminister Zaleski. bezogen sich tn erster Linie aus da» sogenannte LtquibterungSabkom- men. Alle hinsichtlich der Auslegung diese» Abkommens auf- getauchten Zweifel und Mißverständnisse wurde« dabel »eklärl. .. Die Sanktionsformel Maßgebende Blätter de» deutschen NegierungSblocks hatten vor der Haager Konferenz klipp und klar erklärt, daß sich tm Reichstag keine Mehrheit für den Boungplan finden werde, wenn über dt« SanktionSsrage nicht etnwandsrete Klarheit in dem Sinne erzielt sei. daß dieses SonderkriegS- recht für Frankreich mit der neuen Tributregelung au» der Weit geschasst werde. An diese eindeutige Stellungnahme muß man setzt erinnern angesichts der Zustimmung der deut schen Delegation zu einer Sanklionssormel, die unter mancherlei Windungen und Drehungen die französischen An sprüche aus dem Versailler Vertrag bestätigt. Schon setzt klingen in derselben NegierungSpresie neue Töne an, die den vor der Konferenz eingenommenen Stand punkt abschwächen sollen. Mit zunehmender Hcstigkett wird der Versuch gemacht, der Sanktionsfrage die Spitze ab- zubrcchen und sie zu bagatellisieren als eine Angelegenheit zwischen den französischen und deutschen Nationalisten, die wegen ihrer „praktischen Unmöglichkeit" für die Realpolitik belanglos lei. Das ist die These, die der „Vorwärts" in die Worte vom „Papterdolch der Sanktionen" gekleidet hat. mit dem die Hugenbergleute angeblich den Uoungplan ln letzter Stunde zu Fall bringen wollten. Demgegenüber muß daraus hingewiesen werden, daß es die französischen Minister Tar- dieu und Brianü waren, die diese Frage in der Wcihnachts- dcbatte der Pariser Kammer zur Beschwichtigung ängstlicher Gemüter In ihrer Opposition aufgerollt und damit zu einem Hauptpunkt der Haager Konferenz gemacht haben. In dieser Lage mußte die deutsche Delegation wohl oder übel den Kamps ausnehmen, und daß sie ihn nicht im Sinne der deut schen Interessen bestanden hat, bas beweisen schon die Pariser Siegcsfansarcn über die angenommene Lösung. Ebenso ge fährlich ist der zweite Versuch, der vereinbarten Sanktions- sormel eine Auslegung für den deutschen Hausgebrauch zu geben nach dem bekannten Motto: Es wird schon nicht so schlimm werden. Nach den schlechten Erfahrungen, die wir schon gemacht haben — das Nuhrgcbiet wurde bekanntlich wegen einiger nicht gelieferter Telegraphenstangcn besetzt -. haben wir alle Ursache, uns genau und gründlich die Be deutung des neuen Zugeständnisses zu überlegen, bevor das letzte und entscheidende Wort gesprochen ist. Auf die Gefahr der AuSlegungSdtfferenzen. btc durch dle abweichende Abfassung des deutschen und des fran zösischen Textes entstehen können, hat unser Haager Kor respondent schon htngcwtesen. Natürlich hält sich Frankreich an das entscheidende Wort .„Zerstören", das tn der deutschen Fassung mit „Zerreißen" wicdergcgebcn ist. Im deutschen Sinne bedeutet das. daß die .HandlungSsreiheit" der Gläu biger erst In dem wirklich „äußersten Fall" gegeben tst, daß sich eine deutsche Regierung aus politischem Widerstands willen vom Aoungplan loösagt nud seine weitere Erfüllung glattweg verweigert. Die französische Auffassung des Wortes „ck^truirv" aber läßt es zu. daß irgendwelche Komplikationen im Ablaus des BoungpIaneS. die ans Deutschlands wirtschaft lichem Unvermögen beruhen, unter das Damoklesschwert der SanktionSdrohung gestellt werden. Denn irgendwie wird bei ZahlungSstockungcn immer der „böse Wille" des Schuldners beargwöhnt werden können. Wir brauchen z. B nur unsere innere Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht so zu führen, wie es nach Ansicht der Gläubiger geschehen müßte, damit sie zu ihren Reparationen kommen. Und daß es über kurz ober lang zu solchen Verwicklungen mit Zahlungsstockungen kommen muß. bas misten wir sicher, das haben uns alle, auch die youngplansreundtichcn Sachverständigen, Immer bestätigt. Was nützen uns da alle Redensarten von „Treu und Glau ben" und die Versprechungen, baß unter dem Regime des NoungplaneS die Befugnisse der Gläubigermächte nach seinen Bestimmungen begrenzt sind, wenn es jedem ein zelnen von diesen freisteht, Dculkchland des „Zerstörungs- willenS" am Voungplan zu verdächtigen und einen Prozeß herbclzuführen, an dessen AuSgang jene Handlungöfrcihcii stehen kann, die darin besteht, daß man tn Deutschland ein brechen und Krieg führen darf, ohne daß solche feindliche Handlungen nach deutschem Anerkenntnis als Krieg gelten dürfen. Wenn auch bei normalen Schwierigkeiten mit dieser Möglichkeit nicht gerechnet zu werden braucht, so bleibt doch der politische Druck bestehen, der, von der Sankttons- formel ausgehend, immer aus der Durchführung des Young- planes lastet. Daß diese neue Regelung abereinercinwirtschast- ltche sein soll, außerhalb der politischen Sphäre, war ihr Sinn und Zweck. Mit der Sanktionsdrohung ist somit der ganze Plan verfälscht. Er ist aus den Kops gestellt und hat die mo ralische Basis, von der Dr. Schacht sprach, vollständig ver loren. Und noch mehr als da»! Die Haager SanktionSformck wirft auch bas ganze Gebäude der tn den letzten Jahren müh-