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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. . Verantwortlicher Redakteur: Julius Brauu in Freiberg. /XÜ Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. 5 Uhr für dm Jahrgang Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- I FHFH/? R0 I andern Tay. Preis vierteljährNch 2 Mari 25 Pf., rnm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile » H FHOO» zweimonatlich 1M. 50 Pf. und einmonatlich 75 Pf. oder deren Raum 15 Pf s LVW Nachbeftellunge« «ts den Monat September werden zum Preise von 75 Pfg. von alle« kaiserlichen Postanstalten sowie von de« be kannten Ausgabestelle« und der nnterzeich«ete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Vaterlandsliebe und Weltbürgerthum. In der nächsten Zeit schickt sich das deutsche Volk wiederum an, den Tag festlich zu begehen, an welchem die bonapartistische Herrlichkeit dem gemeinsamen Ansturm der deutschen Heere auf dem Schlachtfelde von Sedan erlag. Trotz vieler Stimmen, welche es für bedenklich erklärten, diesem Kampftage die Bedeutung eines nationalen Festes zu verleihen und dadurch die Erinnerung an den Völker zwist immer wieder wachzurufen, hält das deutsche Volk fest an dieser nun seit 15 Jahren stets mit gleicher Be geisterung begangenen Feier und thut recht daran. Wenn romanische Nationen Revolutionstage alljährlich als National- feste feiern und Frankreich zur Centenarfeier des Bastillen sturmes, dem die Hinrichtung einer Tochter Maria Theresias bald genug folgte, sogar eine Weltausstellung ankündigt, kann Niemand es dem deutschen Volke verdenken, wenn es den Tag feiert, an dem es kämpfend und siegend erst recht der Kraft bewußt wurde, die ihm die Eintracht verliehen. Seit jenem Tage sind dem Deutschthum mächtige Schwingen gewachsen; seit jenem Tage rühmt sich der Deutsche nicht nur in der Heimath, sondern auch in allen Welttheilen seiner Sprache, seiner Sitten, seines Volksthums; seit jenen Tagen ist der deutsche Mann im Ausland wahrhaft geachtet und wo nicht geliebt, so doch gefürchtet. Einem Volke, dessen Zersplitterung so lange von böswilligen Nach barn hämisch mißbraucht wurde, wäre es selbst nicht zu verdenken, wenn es wie ein bekannter römischer Cäsar spräche: „Oävriut, llum naoturrnt! Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten!" Lange genug hat man den Deutschen Mangel an nationalem Selbstgefühl vorgeworfen und mancher gute Patriot mit Neid auf jeden Engländer geblickt, der stolz auf seine Heimath sich als Bürger der selben überall als unantastbar ansah und ansehen durste. Nicht ohne Bewunderung erfuhr man noch in den letzten Tagen, wie der texanische Redakteur Cutting als einzelnes Glied des nordamerikanischen Frei staats selbst dem wahrscheinlich gerechten Haß seiner mexikanischen Nachbarn in El Paso unerreichbar blieb und auf Reklamation seiner Regierung freigegeben werden mußte. Seit dem Sedanstage ist auch der Deutsche sicher, überall von der Rc chsregierung wirksam in seinen Rechten geschützt zu werden und braucht keine Unbill mehr mit demuthsvollem Schweigen zu ertragen. Ohne Blut und Eisen wäre das nationale Selbstgefühl in den Deutschen schon deshalb nicht zu erwecken und zu entfalten gewesen, weil demselben bisher ein weltbürgerlicher Zug hindernd entgegenstand. Das leichte Erlernen fremder Sprachen, die rasche Aneignung fremder Sitten, die selbst lose Bewunderung fremder Vorzüge sind Eigenthümlichkeiten, die, an sich schätzenswerth, doch manche schlimme Folgen zeitigten. Vielfach hat man vergessen, daß Kosmopolitismus und Patriotismus in mancher Beziehung unvereinbare Dinge sind nnd daß man über eine weltumfassende philo sophische Anschauung nicht die nächsten Pflichten vergessen dürfe, die wir in erster Linie dem Vaterlande schulden. Die enge Verbindung, die zwischen den Bürgern eines und desselben Staates besteht, ist sicher heiliger als das, was uns mit der ganzen Menschheit verbindet. Unmöglich können wir das Vertrauen, diejenige Theilnahme und Hilfsbereitschaft, die wir unseren Landsleuten zollen, allen Bewohnern der weiten Erde cutgcgenbringen oder von Denen erwarten, die nicht unsere Sprache sprechen, nicht dieselbe Heimath und dieselben Sitten wie wir haben. Gerechtigkeit und Menschlichkeit ist man freilich auch dem Fremdesten schuldig, aber diese Gefühle sind lange nicht so inniger Natur als diejenigen, die mau Denen gegenüber empfindet, die in einem Lande mit uns geboren, lange Zeit mit uns dieselbe Scholle bewohnen und die letztere allezeit mit Gut und Blut gegen fremde Angriffe zu "vertheidigen bereit sind. Wer zu viel umfaßt, hält schlecht fest; deshalb ist cs mit der Lehre des Wellbürgerthums meist sehr schlecht bestellt. Viele, welche sich Kosmopoliten nennen, dürfen mit Recht behaupten, daß ihnen die fremdesten Menschen ebenso nahe stehen, wie ihre Mitbürger und Landsleute, weil diese ihnen ebenso gleichgiltig sind als die fremdesten Menschen. Wer Niemand liebt, wird freilich keine ungerechte Vorliebe hegen. Die Sozialdemokratie neigt entschieden zum Weltbürger thum und geht von dem irrigen Grundsätze aus, daß die Nichtbesitzenden aller Völker einander näher stehen als den Besitzenden ihrer eigenen Nationalität. Die deutschen Ar beiter, welche aus Frankreich ausgetrieben wurden, die deutschen Seeleute, welche von den irischen Matrosen ge- mißbandelt werden, wenn sie auf englischen Schiffen Be schäftigung suchen, die czechischen, polnischen und italienischen Arbeiter, welche auf deutschen Werkstätten scheel angesehen werden, wissen recht gut, wie es mit der Verbrüderung der Arbeiter aller Völker bestellt ist. Je mehr sich die deutsche Arbeiterschaft von Denen lossagt, die sie vaterlandslos machen möchten, je mehr sie selbst nach Seßhaftigkeit und Frieden mit dem Staat und den Unternehmern strebt, desto mehr werden sich die Sozialreformen vervollständigen lassen, welche bestimmt sind, die Lage der deutschen Arbeiter vor allen Wechselfällen des Lebens zu sichern. Die Leute, die man ihnen als Bourgeois verlästert, sind ihre Landsleute und Brüder, die sich mehr und mehr ihrer Pflichte» gegen die arbeitende Bevölkerung bewußt werden. Sie empfinden es, was auch dem deutschen Arbeiter mehr und mehr zur Herzenssache werden muß: „ An's Vaterland, an's theure schließ' Dich an; das halte fest mit Deinem ganzen Herzen! Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft!" Wohl giebt es auch ein berechtigtes Weltbürgerthum, aber das ist ein solches, mit dem sich die glühendste Vater landsliebe vereinen läßt. Das sind die großen Heilswahr- heiten, die allen Völkern gepredigt worden sind, um sie auf verschiedenen Wegen zu einem großen und erhabenen über irdischen Ziele zu führen; das ist die allgemeine, allum fassende Menschenliebe, die dem Leidenden, dem Dürftigen, dem Mitleidswerthen gegenüber nicht nach Abstammung, Bekenntniß, Sprache und Sitten fragt, das ist die inter nationale Bedeutung der Wissenschaft, die wie eine milde Mutter nichts für sich behält, sondern ihre Errungenschaften allen Nationen, allen Menschen mitzutheilen strebt, um den geistigen Fortschritt zu fördern, das Leben zu veredeln und zu verschönen, um neue Steine zu setzen an den Bau der Kultur, an dem Jahrtausende hindurch die Besten arbeiten, ohne ihn vollenden zu können. Wer in diesem Sinne Kos mopolit ist, der wird deshalb niemals gleichgiltig gegen seine Familie, seine Landsleute, sein Vaterland werden; der wird über das weite Unendliche das nahe Gute nicht ver gessen. In der Mitte liegt das Wahre; deshalb muß man sich ebenso vor dem Partikularismus hüten wie vor dem Welt bürgerthurm. Es giebt ja Kirchthurmspolitiker genug, die noch immer meinen, das deutsche Reich umfasse so viele Millionen verschiedenartiger Bewohner, daß in diesen ein rechtes Ge fühl der Zusammengehörigkeit niemals wirksam werden könne. Die zur Zeit bestehende politische Vereinigung sei nur das Ergebniß großer geschichtlicher Ereignisse, im Grunde bleibe doch Jeder der besonderen Art des Stammes treu, dem er entsprossen. In Wahrheit haben die großen geschichtlichen Ereignisse bereits die Deutschen einander viel näher ge bracht als sie je waren und ist die Liebe zum großen deutschen Vaterlande gar nicht behindert worden durch die Treue für das angestammte Fürstenhaus und das eigentliche Geburtsland der einzelnen Staatsbürger. Wer treu und edel im engen Kreise der Familie wirkt, der thut es auch im weiteren Kreise der Gemeinde, des Vaterlandes, des Reiches. Das starke Bewußtsein der gegenseitigen Verpflichtungen, das sich in kleinen Verhältnissen herangebildet hat, kommt auch später dem Gemeinsinn für einen viel weiteren Kreis zu Gute. Kein Tag ist so geeignet, uns zwischen Weltbürger thum und Pfahlbürgerthum jv recht auf den wahren Weg zur schönsten Vaterlandsliebe zu führen, als der von Sedan. Gute Bürger unserer Stadt, treue Sachsen, und begeisterte Deutsche fühlen wir an dem Tage keinen Haß, keine Ver achtung gegen andere Nationalitäten, sondern nur innige Freude darüber, daß Deutschland jetzt ein großes und schönes Ganzes bildet, einen Kranz, von dem Niemand mehr unbestraft eine Blüthe herabzureißen wagen kann. Wir fühlen aber auch, daß gerade im Deutschthum die wahre und edelste Humanität stets gepflegt werden kann und daß jeder rechte Deutsche berufen ist, ein Mensch zu sein, dem nichts Menschliches fremd ist! Tagesschau. Freiberg, den 27. August Große Bedeutung legt man allgemein der jetzt in Franzen S- bad statlfindenden Zusammenkunft zwischen dem deutsche« Reichskanzlei und dem russischen Minister des Aeußern, v. Giers, bei, weil sich annehmen läßt, daß dort Abmachungen über die Zukunft Bulgariens und den etwaigen definitiven Rücktritt des Fürsten Alexander getroffen werden. Der euro päische Friede ist erst dann völlig gesichert, wenn Rußland sich wieder mit den mitteleuropäischen Mächten verständigt und sich zu einem Ausgleich mit England bereit zeigt. Fürst Bis marck ist gestern Nachmittag 2'/i Uhr in Franzensbad einge- troffen und am Bahnhofe von der Familie des russischen Mi nisters v. Giers begrüßt worden, während Giers selbst ihm bis nach Eger entgegengereist war. Fürst Bismarck fuhr mit dem Minister v. Giers und die Fürstin mit der Frau v. Giers nach dem mit österreichischen und deutschen Flaggen, sowie mit Blumen geschmückten Hotel Hübner, wo für den deutschen Reichskanzler und dessen Gefolge der erste und zweite Stock reservirt war. Das Diner fand um 5 Uhr Nachmittags bei dem Minister v. Giers statt, worauf beide Minister mit ihren Familien längere Zeit auf dem Balkon verweilten und sich erst um 7 Uhr trennten. Außer dem russischen Botschafter in London, v. Staal, sind auch der russische Botschafter in Paris, Baron v. Mohrenheim, und die russischen Gesandten in Kopenhagen und Washington, Graf Toll und v. Sturm, in Franzensbad eingetroffen. Von russi scher Seite wird angenommen, daß Fürst Alexander keine Lust verspüren werde, nach Bulgarien zurückzukehren, und daß es deshalb dem Minister v. Giers in Franzensbad gelingen werde, sich mit dem deutschen Reichskanzler über die Wahl einer dem russischen Kaiserhause nahestehenden Persönlichkeit zum künftigen Fürsten Bulgariens zu einigen. Selbstver ständlich richten sich die Blicke der Russen dabei auf den Fürsten von Montenegro. Man glaubt in Petersburg, daß eS möglich sein werde, die Zustimmung Deutschlands und Oester reichs zu dieser Kandidatur durch das Einverständniß Ruß lands mit der Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich zu erlangen. Giers soll dem deutschen Reichskanzler die Versicherung ertheilen, daß das Petersburger Kabinet auf richtig die Erhaltung des Friedens wünscht und, soweit die Wiederherstellung seines Einflusses in Bulgarien dadurch nicht tangirt wird, im vollen Einvernehmen mit den Nachbarmächten handeln will. In der deutschen Reichshauptstadt traf gestern Mittag 1 Uhr der König von Portugal ein und wurde von dem deut schen Kaiser, dem deutschen Kronprinzen, den Prinzen Wilhelm und Leopold von Preußen, dem Erbprinzen von Meiningen und dem Prinzen von Hohenzollern, sowie von der Generalität und den Hofwürdenträgern auf dem festlich ge schmückten Bahnhofe empfangen. Daselbst war eine Ehren kompagnie des Gardesüsilierregiments mit der Fahne und der Musik ausgestellt, welche bei der Ankunft des Königs die portu giesische Nationalhymne anstimmte. Nach dem Abschreiten der Front der Ehrenkompagnie und der Vorstellung des beiderseitigen Gefolges begab sich der deutsche Kaiser mit dem König von Portugal in einem vierspännigen Galawagen nach dem königl. Schloß, wo die deutsche Kaiserin den hohen Gast begrüßte. Aus dem ganzen Wege wurden der Kaiser und der König von Portugal von der Volksmenge mit lebhaften Hochrufen begrüßt. Der deutsche „Reichsanzeiger" veröffentlicht das deutsch englische liebereinkommen vom 27. Juli, und 2. August 1886 wegen der weiteren Abgrenzung der westafrikanischcn Schutz gebiete an dem Guinea-Golf und wegen der Gewährung der gegenseitigen Handels- und Verkehrsfreiheit daselbst. Ferner meldet der „Reichsanzeiger", daß sieben preußischen Bahnen Anträge wegen Ankaufs durch den Staat gemacht worden sind. Der vom preußischen Staate zu zahlende Kaufpreis wird sich auf rund 98 Millionen Mark belaufen. Da der angebotene Preis für mehrere der in Frage kommenden Eisenbahnen be trächtlich niedriger ist, als der letzte Kours der Aktien war, so steht dahin, ob die betreffenden General-Versammlungen das Aner bieten annehmen. Mit Erwerbung der fraglichen Bahnen, der Aachen-Jülicher, Angermünde - Schwedter, Berlin-Dresdner, Dortmund - Gronau - Enscheder, Marienburg - Mlawka-, Nord hausen - Erfurter, Oberlausitzer und der ostpreußischen Südbahn, würde die Verstaatlichung der preußischen Bahnen zu Ende gesührt werden. Im Auftrage des österreichUch-UNgarUche« Mini steriums des Aeußern weist das ministerielle „Wiener Fremden blatt" die gehässige Behauptung einzelner BMter zurück, wonach diejenigen Kabinett, welche, wie das. „Fremdenblatt"