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Sonntags-Ausgabe tsr Leipzig und Vorort« zweimol H«NE in» Kant gebrach! monatlich M. 2 00, »lekiellädrltch Äl. SL0 ,Lr Add-Irr monatlich M. l.7S: dnrch nnler» aatroSrtig«» Filialen lnl Kan« gebracht monatlich M. LLS, »lertrl- ltdrllch Är.a^U: durch dl« Post lnnerhald Deullchland« Delami-Antaad« «Pirat Ich Ai. 2L5. nlerlellSbrlich M. 6.75; Morpen-Aulpad« M. Adead-Autgab« M. 0,80, Sonntagr-Aotgad« M. U^ü monatlich lansichllehlich Postdestellgedühr). Hauptschristlelter: Dr. Erich Everkh, Leipzig. hmrdels-IeUuns -üntsblaU des Rrrtes und des poUreumues der Stndt Leipzig 112. Jahrgang Anzeigenpreis: VW Anzeigen ». Behörden im amtU L«ii di« tloionelzeii« SV Pt, » an«» Ps.: dleln« Anzeigen di« Xolonelzetl» Ai Pt. »n»»ört» «s Vt« Vrtcheti»anzeta«n mit Piatzoorichritten im Prell« «rdSdt. Belingen: Detamiaullaa« Al. 7.— da« ianiend ausichi. Poftgediihe. Ein,« n»m«r I» Pt- — Sonn- und Arstiag« l- p». F«r»t»"ch Anichian Ar. I<»SL il SN.» uad I4<> «t. — Postich«chdont» 7LN Echrtstl«il»»g und EilchösllftrII« ZohanniSgatt« Ae.S» Verlag: Dr. Reinhold L 8«.. Leipzig. Nr. 152 Sonntag, den 24. März 1918 Der erste Teil der Schlacht beendet Ein erheblicher Teil des englischen Heeres geschlagen 'vtb. Berlin, 23. März abends. (Amtlich.) Der erste Teil der Großen Schlacht in Frankreich ist beendet. Wir haben die Schlacht die Monchy— Lambra i—S t. Ouenti n—L a Före gewonnen. Ein er heblicher Teil des englischen Heeres ist geschlagen. Wir Kämpfen etwa in der Linie nordöstlich von Bapaume— Peronn e—Ham. Schneller, als man eS in der Heimat erwartet hatte, ist ein erster ganz großer Erfolg der deutschen Offensive errungen: Der erste Teil der großen Schlacht in Frankreich ist beendet. DaS Wort Schlacht kommt in unseren Heeresberichten nicht eben oft vor, und in diesem Falle sollen die Worte «Große Schlacht" etwas Einzigartiges bedeuten, denn sie sind als Eigenname gemeint (das Wort Große ist im Bericht groß geschrieben). Der erste Teil ist beendet, wieviele Teile folgen werden, weiß man nicht, aber den ersten haben wir «gewonnen", wie der Heeresbericht rund hcrauSsagt. Und ein Teil des englischen Heeres ist nicht nur zurückgedrängt, sondern geschlagen, und zwar ein erheblicher Teil! DaS ist ein Palmsonntagsgeschenk des deutschen Heeres an das deutsche Volk, das dieses mit ernster Freude und heißer Dankbarkeit vergelten wird. Daß etwas Großes in Aussicht war, konnte man schon dem gestrigen Heeresbericht aus der Angabe entnehmen, daß der Kaiser selber die Führung habe. Immer, wenn der Monarch im Heeresbericht genannt wurde, war etwas Besonderes zu erwarten öder erreicht. Bisher aber hieß es dann immer nur: «unter den Augen des Kaisers". Diesmal handelt es sich also um mehr. Wenn der Kaiser auch in den nächsten Lagen im Heeresbericht erscheint, kann man sich auf einen schnellen Fortgang gefaßt machen. An einem guten Fortgang zweifelt kein Mensch in Deutschland. Oesterreichisch-rmgarischer Heeresbericht Wien, 23. März. Amtlich wird gemeldet: ImWesten wurde ein großer Erfolg errungen. Bon den übrigen Fronten nichts Neues. Der Chef des GeneralfiabeS. Englischer Heeresbericht vom 22. März morgens. Der Kampf . auerle in der letzten Nacht bis zur späten Stunde auf der ganzen Front zwischen Oise und Sensöefluh an. Unsere Truppen halten dem Feinde in ihren Kampfstellungen stand. Bei den gestrigen Angriffen bot die dichkgeballte feindliche Infanterie unserem Gewehrfeuer und Maschinen gewehren und der Artillerie ein gutes Ziel, woraus unsere Truppen großen Vorteil zogen. Alle Berichte melden außerordentlich schwere Verluste des Feindes. Heute früh entwickelten sich noch keine ernsten Kämpfe, es werden jedoch schwere Kämpfe erwartet. Englischer Bericht vom 22. März abends: Heute morgen nahm der Feind seine Angriffe in großer Stärke nahezu auf der ganzen Schlacht front wieder auf. Der heft ge Kampf sand in unserer Schlachtstellung statt und dauert noch an. Der Feind hat an gewissen Stellen einige Fortschritte gemacht, an anderen wurden seine Truppen durch unsere Gegenangriffe zurückgeworfcn. Unsere Verluste waren unvermeidlich beträchtlich, doch nicht a.ußer Verhältnis zu der Größe der Schlacht. Nach den Berichten von allen Teilen der Sch achtfront sind die fe nd- i.chen Verluste andauernd sehr schwer. Das Vordringen erfolgte überall unter großen Opfern. Unsere Truppen Kämpfen mit der größten Tapferkeit. Wo alle Nangkiassen und Soldaten jeder Waffengattung sich so tüchtig gezeigt Haden, ist es in diesem Stande der Schlacht schwierig, Einzelfälle hervorzuhcben. Ungewöhnliche Tapferke-1 zeigten jedoch die Truppen der 24. Division durch zähe Verteidigung von Levergnier und die 3. Division, die unsere Stellung bei Lroisilles und nördlich von diesem Orte gegen wiederholte Angriffe behauptete. Sehr tapfer kämpfte auch die 5l. Division an der Straße Bapaume—Cambrai gegen wiederholte Angriffe. Feststellungen im Laufe der Schlacht er gaben, daß der felndüche Angriff von etwa 40 deutschen Divisionen er- öffnet und durch zahlreiche Artillerie, die durch österreichisch-ungarische Batterien verstärkt war, unterstützt wurde. Verschiedene andere deutsche Divisionen haben seitdem an dem Kampfe keilgenommen, und weitere treffen auf dem Kampfgclände ein. Weitere Kämpfe sehr schwerer Natur stehen bevor. Französischer Heeresbericht vom 22. März abends: Ziemlich umfang reiche Tätigkeit der Artillerie am Vormittage, heftigere am Nach- Mittage, besonders an verschiedenen Punkten nördlich vom Damenwege, bet Courcy und La Pompelle und in der Champagne. Südlich Maron- villers blieben drei feindliche Handstreiche nördlich Souatn und östlich vom Mont Teton ergebnislos. Von dem übrigen Teile der Front ist nichts zu melden. Am 21. März wurden nach Kämpfen mit unseren Fliegern zwei deutsche Flugzeuge zerstört und vier schwer beschädigt. Außerdem wurden drei feindlich« Flugzeuge durch unsere Abwehr geschütze abgeschofsen. Stschakow besetzt Basel, 23. März. (Eigener Drahlberlchi.) Nach einer Havasmeldvag ans Petersburg haben die Deutschen am 21. März 01 fchako besetzt. Otschakow, eine Stadt in dem Gouvernememnt Cherson, liegt an der Mündung des Dnjepr in das Schwarze Meer und hat ungefähr 11000 Einwohner. Die Stadt hat einen Ausladehafen für große Handelsschiffe. Die Schlacht im Westen Trotz der gewaltigen Ausdehnung der Kampffront vollzieht sich die ganz« Operation in mustergültiger Ordnung. Der Betritt auf den rück wärtigen Verbindungen uad Straßen, die neuerdings im Rücken der stürmenden Truppen liegen, verlauft ohne jede Störung. Die Wege sind meist schon wieder freigemacht und schadhafte Stellen beschottert. Eisenbahnlruppen sind rastlos an der Arbeit, unablässig drängen Truppen : ud Kolonnen nach vorn. 3n frohen Gesängen äußert sich die Freude .'er Truppen über die Erfolge, nicht minder über die zahlreich vor befundenen Vorräte an Lebensmitteln, wollenen Decken und Pelzwesten, reich letztere ihnen nachts gute Dienste leisten. , Der erste Tag Als das Trommelfeuer am Morgen des 21. März seine dicht«« Ge- ictwßgarben vorverlegt, glühen die Geschützrohre. In den Datterie- i..uloea verdichlet der Pulvcrdompf der Abschüsse den Rebel derart, daß »an nicht von einem Geschütz zum andern sehen kann. Die AagriffS- arrillerte schoß in dichtem Nebel ihr Programm ad, aber Ziel und Feuer- cmpo waren so genau berechnet, daß der Angriff vom Welter «n- -r'.hängig blieb. Di« erste englische Stellung ist verschwunden, statt ihrer vehnt sich ein weites ödeS Trichterfeld. Ileberall Reste der Draht- .Mdernisse, zerfalleue Stolleneingäng«, zusammengeschossene Block- . üuser. An den meisten Stellen werden die eingetrommellen Gräben überrannt. Die Ueberlebenden der Besatzung kommen den Deutschen cutgcgengelaufeu, waffenlos und die Hände hoch. An anderen Stellen wehrt sich der Engländer mit aller Zähigkeit, > bei Epähy, dessen Dorfrand er bis zum Abend erbUtert verteidigt, aber weiler südlich wird Lempife, Ronssoy, Hargicourt und ijlleret Pontru« genommen. Die Sturmtrupp«« Haden Mit un- cglicher Mühe das Trichterfeld überwunden und stürmen jetzt über di« . igelkelte« westlich der genommenen Dörfer, deren Lecker und Wiesen h längst in eine öde Steppe wandelten. Dl« Engländer suchen in der Artilleriestellung sich zu sehen; das Gelände begünstigt sie, die nach Westen ansteigenden Hügelketten geben i' nen eine bester« Fernsicht. Allein ihre Artillerie ist noch zu nieder- r kämpft, um die Infanterie wirksam zu unterstützen. Dagegen drängen ?:e deutschen Batterien nach. Roch liegt Feuer auf dem Trichter gelände, da baue« die Pioniere breite Straßen durch die Schlamm bildnis, und noch am ersten AagrisfSlag« folgt die Artillerie den Sturm ruppe«. An mehreren Stellen wird die Artillerieschuhstellung durch brochen. Noch am sinkenden Abend werden die abgelegenen Ruinen von Templeaux mitsamt den stark auSgedauten Sleinbrüchen ge nommen. Zweiter Tag Heller Sonaeaschein begünstigte am zweiten Grohkamps- iag« den Fortgang der deutschen Offensive zwischen Searpe und Oise. Aas der ganzen Angriffsfront dringt die ficgenlschlostene deutsch« In- ianleric unaufhaltsam vor. DaS deulsche Artilleriefever hatte seine Wirkung getan. Die in vielen Monaten angelegten starken Hinderniste waren zerstört, die englische« Gräde» waren i« Gräber verwandelt. All« logen voll Toter. Während dl« ersten Linien teilweise nur dünn besetz! waren, leistet« der Engländer in feiner zweiten Stellung tavferen Widerstand, der in erbittertem Ringen gebrochen wurde. Die Unter stände mußten in heißem Nahkampf Mann gegen Mann genommen werden Hier zeigt« sich die 1lebrrlepenh«it der deuNcken Infanterie i» bestrm Licht«. Die «nerwartet einsehende äußerst wir kungsvoll« deutsch« ArULerjoorberettung ließ die G«-ea»irk>»n der englischen Batterien nur ganz allmählich auf kommen. So blieben die deutschen Verluste überraschend gering. In der eroberten zweilen englischen Stellung waren vielfach dichtmasfierte Gegenangriffe abzuwehren, deren zwei am 21. März abends in Gegend SoignieS und nach Eroberung deS Dorfes Vaulx-Vraucourt unter Einsetzung zahlreicher Tanks erfolgte. 16 Tanks wurden durch Arlilleriefeuer, weitere durch In fanterie und Minenwerfer zerstört. Ungewöhnlich schwer bluteten die Engländer während ihrer vergeblichen Gegenangriffe. Beute und Zahl der Gefangenen wachsen ständig. Ein einziges deutsches Regiment nahm bei Monchy 39 Geschütze. Beim Vordtngen über die Höhen südlich Maissemy stießen die deutschen Slurmtruppen in feindliche Batterien. Nachdem drei von ihnen gesprengt waren, wurde eine weitere im Ab fahren zusammengeschoste«. Auf der ganzen Front griffen unsere Schlachlflieger erfolgreich in den Kampf ein und belegten aaS- ^ebig die feindlichen Bahnhöfe von LhaulneS, Roye und Royon mit Bomben. Gute Treffer auf einfahrende Züge sowie große Explosionen auf dem Bahnhof Lompidgne wurden beobachtet. Weitere starke Explosion«« in Richtung des Dorfes BehanieS be- stäligten die gute Wirkung unseres Fernfeuers, daS ooa Artillerie fliegern vortrefflich unterstützt wurde. Die Fliegcrtätigkeit auf der Kampffront beginnt erst, wenn der dichte Nebel weicht, der bisher bis Mittag anhielt. Von der von den Engländern laut gerühmten Beherrschung der Lust ist jedoch nichts zu bemerken. Jetzt, wo die Engländer ihre F ugfolge nicht mehr in einer schmalen AngrissSsront markieren können, kommt die bester« Aus bildung der deutschen Flieger voll zur Geltung. Mit den ersten Sonnen strahlen sind die ersten Flieger da. Ein englisches Flugzeug taucht über den auf Roisel marschierenden Kolonnen auf, aber schon ist «in Viertel dutzend deutscher Jagdflieger hinter ihm her, und nun braust «S von allen Seiten: ein volles Durcheinanderschwirren zahlloser Flugzeuge. Rasch vorgeworfene Flakgeschütze beginnen ihr wütendes Gekläff. Die Luftkämpfe entscheiden sich rasch: auf vier abgeschofsen« Eng ander komm» ein Deutscher. Der Vormarsch geht weiter, ungestört von eng lischen Luttangegriffen brechen die dentschen Schlachtgeschwader vor. Ihre Maschinengewehre knattern gegen die Bedienung englischer Batterien, ihre Bomben fallen unter marschierende Kolonnen, auf Feldbaracken und Feldlager. Di« Ausklärungsstoffeln aber melden Rückzug dichtgedrängler englischer Masten auf Pöronne. Das Urteil Stegemanns Bern, 23. März. (EigenerDrahtbericht.) Zum Be ginn der deutschen Offensive bemerkt der Milltärkritiker des .Bund": Es ist nicht gesagt, daß die Angriffe, die am 21. März nach einer verhältnismäßig kurzen Artillerievorbereitung sichtbar geworden sind, schon auf den Durchbruch der englischen Linien an gelegt waren. Man muh vielmehr demit rechnen, daß eine deutsche Offensive nicht am ersten Tage in vollem Umfang in die Erscheinung tritt, ja, daß nicht einmal mit Sicherheit behauptet werden kann, der Abschnitt zwischen Oise und Searpe sei dem Hauplangriff vorbehalten worden, obgleich es so au "sieht, als hätte die deutsche Heeresleitung wirklich die klassische Naht stelle westlich der Oise hierzu ausersehen. (Weitere Berichte siebe Seite 3.) , Die Stunde und ihr Gebot L. L. Die Gedanken der Heimat sind bei dem kämpfenden Heere. Das ist zwar im Laufe des langen Krieges so oder ähnlich oft und gelegentlich wohl auch phrasenhaft ausgesprochen worben, heut aber ist es strengste Wahrheit. Es konnte nicht immer durch diese 3N Kriegsjahre hin in allem Ernste zutrcffen; dazu war die Zeit zu lang und das Bild, das viele zu Hause von dem Leben draußen hatten, zu unwirklich. Auch hatte man sich bald daran gewöhnt, den stärksten Teil des Volkes jenseits der Grenze zu misten, und nicht immer war Kampf an jeder Front. Zudem for derte das Leben in der Heimat, das ja zum guten Teil im Dienste der Front steht, sein Recht und hatte seine Pflichten. Stellen weise freilich vergaß man schier, daß überhaupt Krieg war. Doch sotten heute davon keine Einzelbilder gegeben werden, die Stim mung ist nicht dazu angetan, man freut sich lieber, daß es jetzt ganz anders ist. Heute sind nicht allein wieder Großkampftage an einer Rie senfront, an der ausschlaggebenden Front des aanzen Krieges; heute steht nicht bloß die Entscheidung in dem Wclkbebcn bevor; heute wird nicht nur um die Zukunft des Vaterlandes und des Heimatvolkes gerungen: Sondern — das müssen wir zur Ehre des Heimatvolkes sagen — über alledem vergißt es keinen Augen blick das Schicksal der fechtenden Söhne und Brüder unseres Volkes selber! Zu ihnen geht der Gedanke, ihnen strömt das Gefühl zu, Gefühle der Besorgnis, des Segnens, der Liebe und der Hoffnung. Diese Empfindungen gelten den einzelnen, den nächsten eines jeden, sie gelten aber auch allen, die uns im ge wöhnlichen Leben fern stehen und gleichgültig sein würden. 3m Alltag ist der Mensch kaum starker, lebhafter und warmer An teilnahme an einer großen Maste fähig, sie ist zu unpersönlich für das Gefühlsvermögen des einzelnen; mit der Erweiterung des Kreises, dem Gemütsbewegungen gelten, verschwimmen und zer fließen sie. In Zeiten aber wie der heutigen erlebt ein jeder eine Weitung seines eigenen Ichs, da spürt er, wie er sich wirklich einer unvorstellbar zahlreichen Menge gegenüber verpflichtet und ihr dankbar fühlt, — weil jeder aus ihr für uns tut, was er tut. Es sind die stärksten aller denkbaren Tatsachen, Todesgefahr und Todesbereilschafk, die den Kämpfern das herzliche Mitgefühl der Heimat sichern. Läßt uns schon sonst der Tod selbst eines gleich gültigen Menschen nie gleichgültig — um wieviel mehr ergreift dieser Todesmut von Männern, die nicht nur für uns, son dern an unserer Stelle zu sterben bereit sind! Von dieser allerein- fachsten, aber auch allergewaltigsten Erfahrung aus hat mancher durch den Krieg überhaupt zum ersten Male verstehen gelernt, was Nakionalgefühl ist, nämlich Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität mit dem ganzen Volke, also noch etwas anderes als Anhänglichkeit an Heimat und Vaterland. Vaterlandsliebe haben vor dem Kriege viel mehr Deutsche gekannt als National gefühl; dieses ist gar nicht Wenigen erst in dem Gedanken an die Kämpfer und ihr stellvertretendes Opfer aufgegangcn! Denen draußen freilich steht jetzt wohl das Vaterland, die Heimat mehr vor Augen als das Heimatvolk, für das sie ja nicht umgekehrt die gleichen Regungen empfinden können, wie wir für sie. «Unser blühendstes Leben für deinen dürrsten Baum, Deutsch land!" — so sang der Arbeiterdichter Karl Bröger, als er selber draußen in der Reihe stand. Jetzt werden sie dort das Bild der Heimat vor sich haben, in der sich soeben die Bäume begrünen und die ersten Vogelstimmen erwachen; dieses Frühlingsbild des deutschen Landes schwebt ihnen draußen vor der Seele und gibt ihren Seelen Auftrieb. Es ist etwas anderes, ob man in Kälte, Nüsse und Schlamm eines lichtlosen Winters oder in der ersten Sonne des neuen Jahres kämpft. Freilich, sie wissen nur davon, daß es hinten jetzt dergleichen gibt, sie haben dort vorn nicht viel davon. Um so strahlender erscheint ihnen die Heimat, um so lieber hoffen sie, sich jetzt endlich die Rückkehr zu erkämpfen. Um so mehr werden sie das Leben, das ihnen gefährdet ist, lieben, ober sie werden den Tod deshalb nicht mehr scheuen als bisher. «Das Leben lieben und den Tod nicht scheuen", das ist ja die ruhig ernste Stimmung da vorne. Die Heimat aber lebt in der Karwoche. Die Stimmung ist doppelt ernst. Seelische Fäden gehen von den Vortagen des kirch lichen Festes zu der Karwoche des Vaterlandes hinüber und her- über; das Erleben beider vertieft sich gegenseitig. Wenn man sich diesmal glückliche Feiertage wünscht, so besag! das Wort «glücklich" nicht zuletzt, daß die Familie des anderen wohlbehal- ten, ohne schwere Verluste über diese Prüsungszeit Hinwegkommen möge; ui.d wenn eine Versamnlung sich vertagt etwa ein Parla ment oder sonst ein kleinerer Kreis, versäumt der Vorsitzende nicht, der Ostern des Vaterlandes zu gedenken. Die Haltung un seres Volkes in dieser Woche wird würdig sein. Darüber hinaus aber müssen wir in dieser Zeit auch mehr tun als sonst; dos ist nicht bloß Pflicht, das ist für jeden an ständigen Menschen jetzt mehr als je ganz einfach Bedürfnis. Wir vermögen ja freilich vergleichsweise wenig zu tun, aber was wir können, das sotten wir auch tun. Die Front draußen kann in ihren schweren Stunden noch mehr innerliche Festigung gebrauchen als ihr unsere ernste Stimmung, als das Bild der erwachenden Heimatnatur und des Osterfestes, wie es die Heimat feiert, bieten. Da muß es ein seelisches Stärkungsmittel ersten Ranges sein, wenn sic hört, daß die diesmalige Volksanleihe, entsprechend den unvergleichlichen Umständen, unter denen sie zur Zeichnung aufgelegt wird, auch un-