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WeWtz-MW Verantwortlicher Redacteur: Päul Jehne in Dippoldiswalde. 56. Jahrgang. Sonnabend, den 28. Juni 1890. Nr. 75. Inserate, wckhe v«t d« bedeutenden Auflage des Blatt-S eine sehr wirk, same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder verea Raum berechnet. — Ta- / bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionelle» Theile, die Spaltenzeil« LOPsg. lvte „Wei-eritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei ¬ mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2b Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- ltalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- Amtsblatt , für die Königliche AmtshaupLmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Der neue preußische Finanzminister vr. Miquel. Die Ernennung des bisherigen Oberbürgermeisters von Frankfurt a. M. und Reichstags-Abgeordneten vr. Miquel zum preußischen Finanzminister muß als ein Ereigniß angesehen werden, welches nicht nur für Preußen, sondern auch für das ganze Deutsche Reich von hoher politischer Bedeutung ist und hoffentlich auch von entsprechenden finanzpolitischen Erfolgen für Preußen und das Reich begleitet sein wird. Mit l)r. Miquel tritt zum ersten Male ein wirklich her vorragender parlamentarischer Führer in das preu ßische Ministerium ein und es wird durch diese bloße Thatsache allein schon genügend bewiesen, von welchen glückverheißenden Gesichtspunkten der Kaiser und König Wilhelm II. die Auswahl seiner ersten Nathgeber trifft, vr. Miquel ist aber nicht nur einer der hervorragendsten Parlamentarier Deutsch lands sondern er gilt auch als einer der klügsten politischen Köpfe der Gegenwart und hat im preußi schen Landtage, im deutschen Reichstage, sowie auch im preußischen Staatsrathe bereits die schönsten Be weise seiner außergewöhnlichen politischen Begabung geliefert, vr. Miquel war bisher auch einer der ersten Führer der nationalliberalen Partei in ihrer heutigen Verfassung, aber man würde sehr irren, wenn man annehmen wollte, daß die politische Meinung vr. Miquels von einer Parteischablone oder von theoreti scher Weisheit wesentlich beengt und beeinflußt würde, vr. Miquels geniale, kühl berechnende politische Urtheils- kraft steht vielmehr in allen Fragen der praktischen Politik über den Parteien und über jeder hergebrachten Schulmeinung. Auch was die politische Erfahrung anbetrifft, so wird so leicht keiner der am Ruder be findlichen deutschen Staatsmänner einen reicheren politischen Erfahrungsschatz aufweisen können, als vr. Miquel. Im Jahre 1829 zu Neuenhaus in Hannover geboren, wurde vr. Miquel nach beendigtem Studium der Rechtswissenschaften zunächst Rechtsanwalt in Göt tingen und Wortführer des dortigen Bürgenkollegiums. 1864 wurde Miquel in die hannoversche Kammer ge wählt und zeigte er schon damals ein scharfes Urtheil über Finanzen und Verwaltungsangelegenheiten. 1865 wurde Miquel Bürgermeister von Osnabrück und seit 1867 ist er fast ununterbrochen Mitglied des preußi schen Staatsrathes gewesen. Vom Jahre 1879 bis jetzt befand sich vr. Miquel auch in der hervorragen den Stellung des Oberbürgermeisters von Frankfurt am Main und hat dort auf den Gebieten der Stadt verwaltung, der ArbeitS-, Credits- und Wohnungs- Verhältnisse ganz Hervorragendes geleistet. Der große Scharfblick, die Vielseitigkeit und das über alle Ein seitigkeiten erhobene Urtheil Miquels haben diesem Staatsmann, wie man behauptet, bereits seit Jahr und Tag die Gunst des Kaisers im hohen Grade er worben und alle Stimmen sind auch darüber einig, daß vr. Miquel der rechte Staatsmann sein wird, um die schwierigen finanzpolitischen Reformen, welche für Preußen und das Reich zu lösen sind, mit schöpferi scher Thatkraft durchzuführen. Bei der heutigen Lage der politischen Dinge liegt ja auch geradezu der Schwerpunkt auf dem finanziellen Gebiete, denn von diesem aus wird ja gegenwärtig in einer ganz enorm hohen Weise Militärwesen, Sozialpolitik und Wirth- schastswesen beeinflußt, zumal auch die Stellung des preußischen Finanzministers als Mitglied des Bundes- rathes mit dem Gange der Reichspolitik auf dem finanz politischen Gebiete verbunden ist. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 27. Juni. Die Hoffnung, welche man seit Dienstag auf einen Umschwung des Wetters gesetzt hatte, sollte sich gestern glänzend erfüllen. Wir hatten den ersten, warmen und Hellen Eommertag, der auch bis um Mitternacht treulich aushielt. Diese Gunst des Himmels kam der Ausführung des vom Gewerbeverein geplanten Ausflugs nach Meißen zu statten. Wohl 130 Mitglieder und Gäste hatten sich in der sonnigen Morgenfrühe mit vortrefflicher Laune am Bahnhofe eingefunden und nahmen an der Exkursion theil. Bereits gegen 9 Uhr traf der von dem Vorsitzenden des Meißner Brudervereins, Herrn Tuchhändler Hofmann, empfangene Zug in Meißen ein, wo das erste Ziel der Burgkeller war, in dessen schattigem Garten die mitgebrachten oder mit Mühe requirirten Schrippen verzehrt und dem Meißner Schieler vorläufig auf den Zahn gefühlt wurde. Daß diese „Probe" auch bezüglich anderer Sorten zur Zu friedenheit ausgefallen sein mußte, konnte man aus der im Laufe des Tages mehrfach zu beobachtenden Erneuerung derselben entnehmen. An das Frühstück schloß sich nun in 3 Führungen die Besichtigung der deutschen Burgenperle, der Albrechtsburg, die sich im Sonnenglanze noch einmal so schön, auch im Innern, darstellte. Auch dem Dome sammt Thurm statteten Viele einen Besuch ab. Inzwischen war die Mittags zeit herangekommen, die die Ausflügler im Garten restaurant Säuberlich zu gemeinsamem Mahle vereinte. Stellte auch die Unzulänglichkeit der Bedienung die Geduld manches hungrigen Magens hart auf die Probe, so entschädigte später dafür die Güte des Dargebotenen, während über die Pausen..mancher Trinkspruch und gute Schluck hinwegzuhelfen versuchte. '/,3 Uhr war der Besuch der Porzellanmanufaktur im Triebischthale im Programm angesetzt, an welchem jedoch nur ein Theil der Vereinsmitglieder theilnahm, da viele bereits früher von der Herstellung und Ausstellung des welt berühmten „Meißner Porzellans" Kenntniß genommen hatten. Ein anderer Theil besuchte die erst seit Mon tag in Betrieb gestellten Eiswerke (Herstellung künst lichen Eises), deren gern gestattete Besichtigung in hohem Grade interessant war. Schließlich fand im schattigen Kaisergarten eine Vereinigung statt, bis der Zug um 7 Uhr 5 Min. den Rest der Ausflügler nach Dresden entführte. Zwar hatte der Meißner Bruderverein in zuvorkommender Weise bei einem von dem neuen Stadt musikdirektor Stahl im Kaisergarten angesetzten Abend- concert auf ein gemüthliches Beisammensein gehofft; das leider ohne Kenntniß von diesem Unternehmen festgesetzte Programm vereitelte jedoch die Ausführung dieser freundlichen Absicht. In Dresden besuchte ein Theil der Ausflügler die Theater, ein anderer den iw Wiener Garten stattfindenden Liederabend des Dres dener Lehrergesangvereins, ein anderer das Concert auf der Elbterraffe. Eine Vereinigung an einem Orte erwies sich bei der Ueberfüllung der Lokale und aus andern Gründen als unausführbar. — Befriedigt von den gehabten Eindrücken, unter denen der des Wetters von besonderem Werthe war (obschon er eine Anzahl der Vereinsmitglieder wegen der Heuernte ab gehalten hatte), kehrten die Ausflügler gegen 1 Uhr müde in die Heimath zurück. Nächsten Sonnabend will, wie wir hören, Herr Schuldirektor Rasche mit den Knaben der 1. Klaffe das gleiche Ziel zu einem Ausfluge wählen. Wir wünschen ebenso heiteres Wetter wie gestern. — Wie uns von unterrichteter Seite mitgetheilt wird, kommt das von Seiten des Männergesangvereins in Kreischa für Sonntag, den 13. Juli, geplante größere Eängerfest leider in Wegfall. Kreischa war voriges Jahr gelegentlich des Copitzer Sängerfestes von der „Freien Männergesangvereinigung" als Vorort ge wählt worden. Unterdessen hat der Männergesang verein Kreischa Mitgliedschaft im „Elbgausängerbund" erlangt und hat ihm nun dessen Vorsitzender in dieser Angelegenheit Schwierigkeiten bereitet, wodurch sich der Verein veranlaßt gefühlt hat, das Sängerfestprojekt vollständig aufzugeben. — Die österreichischen alten Guldennoten verlieren am künftigen 1. Juli vollständig ihre Giltig keit. Wer also seinen Vorrath an dergleichen Bank noten nicht zu werthloser Makulatur verfallen lassen will, der versäume die letzte Gelegenheit nicht, sich ihrer mit Beschleunigung zu entledigen. Reichstädt. Kurz nach 9 Uhr am Donnerstag Abend entstand im Wohnhause des in der Nähe des mittleren Gasthofes gelegenen Gehöftes des Guts besitzers Püschel ein Schadenfeuer, wodurch dasselbe nebst dem angebauten Schuppen in Asche gelegt wurde. Außer der Orts- und der Spitze der Freiwilligen Feuerwehr sind noch die Spritzen der Gemeinden Berreuth, Sadisdorf und Beerwalde, nebst der Land- spritzen-Abtheilung oer Freiwilligen Feuerwehr Dip poldiswalde am Brandplatze erschienen und sämmtlich in Thätigkeit getreten, um das durch die herrschende Windrichtung gefährdete Scheunengebäude zu erhalten, was auch gelang. Der Kalamitose hat glücklicher weise versichert, zu bedauern ist aber, daß außer fast sämmtlichem Mobiliar auch 2 Kälber, 7 Gänse und sämmtliche Hühner in den Flammen umgekommen sein sollen. Die Entstehungsursache des Brandes ist zur Zeit noch unbekannt. H Poffendorf. Im Monat September d. I. wird sich wieder einmal bei uns und in den umliegenden Ortschaften militärisches Leben, freilich nur auf gau kurze Dauer, entwickeln. Anläßlich der um diese Zeit stattfindenden Truppenübungen sollen in unserem Orte ungefähr 12 Offiziere, 135 Mann, 98 Pferde Ein- quartirung erhalten. 5? Kreischa. Der schönen Sitte des Gräber schmückens wurde am Johannistage auch bei uns wieder in umfassendster Weise Erfüllung gebracht. Mit Krän zen und sonstigen Blumenspenden beladen, zog Alt und Jung zu den Grabhügeln der Entschlafenen und brachten dort das sinnige Liebesopfer, das berufen ist, ein Bindeglied zwischen dem Diesseits und Jenseits zu bilden und dabei alles Gute wieder lebendig wer den zu lassen, das wir von Jenen genossen, die nun zum Todesschlummer in der kühlen Erde gebettet liegen. „Friede sei mit Euch!" so flüstert es uns entgegen aus den Cypressenzweigen und Rosenbüschen und ver gessen werden im Angesichte der irdischen Vergänglich keit all' der Streit und die Kämpfe, die im öffentlichen Leben die Menschen so oft trennen und verfeinden. Nach der Witterung der letzten Tage mußte die Be fürchtung auskommen, daß die Weihe des Johannis tages durch Sturm und Regen getrübt würde, zu all gemeiner Freude kamen zu dem Fest der Sonnenwende doch noch einige wahrhaft erquickende Wärmestrahlen und ein Stückchen blauer Himmel. Kreischa. Am Mittwoch Mittag ereilte den hiesigen Fleischereibesitzer Kirstenpfad ein unerwartetes Unglück. Als derselbe am Parkhotel auf seinen Wagen gestiegen war, schwitzte er das Pferd, das in folgedessen ausschlug und die Wagendeichsel zerbrach. Bei Instandsetzung derselben schlug das Pferd aber mals aus und zerschmetterte dem Geschirrführer den linken Fuß vollständig, sodaß sich dessen sofortige Ueberführung in's Stadtkrankenhaus nach Dresden nöthig machte. S Glashütte. Die schöne Sitte, am Johannisfest die Gräber zu schmücken, hat seit 2 Jahrzehnten auch hier ihren Einzug gehalten. Ganze Körbe voll Blumen und Kränze wurden im Laufe des Tages auf den Gottesacker getragen, die Gräber der Heimgegangenen Lieben zu schmücken. Die eigentliche Feier Abends >/»8 Uhr wurde durch einen Gesang des Kirchenchores: „Wiedersehen, o wie klingt das Wort so schön" ein geleitet. Herr Pastor Gast hielt hierauf von der Terrasse des Gottesackers aus die Trostrede an die Erschienenen, deren wohl gegen 1000 waren. Nicht allein vom Orte, sondern auch von der näheren Um gebung hatten sich Viele zu der schönen Feier ein gefunden. Nach Beendigung der eindringlichen Rede schloß ein Gesang diese Feier. Dresden. Das kgl. Justizministerium hat auf die