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Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenftein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rüßdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 101. Mittwoch, den 4. Mai 18L7. Windrichtung um West. Witterungsausfichten für den 4. Mai: Theils heiteres, vorwiegend trübes, regnerisches Wetter mit etwas sinkender Tagestemperatur. "Waldenburg, 3. Mai 1887. Der unter russischem Einfluß stehende Brüsseler „Nord" constatirt in einem Artikel, betitelt „Berich tigungen", die unparteiische Haltung der russischen amtlichen lind halbamtlichen Presse bei Beurtheilung des Zwischenfalles Schnebele, wobei er zugiebt, daß auch in Rußland Organe sich gefunden haben mögen, die vorschnelle und voreingenommene Urtheile gefällt hätten. Der „Gaulois" vom 28. April habe sich phantastischen Stegreifübnngen hingegeben, wenn der selbe behauptete, der russische Gesandte in Paris habe Flourens nicht verheimlicht, daß die Sprache der russischen Presse im Besonderen einen Einfluß in Ber lin habe ausüben müssen, der die von Frankreich an genommene Haltung nur habe verstärken können. Der Gesandte Rußlands ist nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Ansicht über den Zwischenfall' in Pagny zu äußern. Die sonst stramm bismarckfeindliche Wiener „Neue Freie Presse" schreibt: „Durch sein Verhalten in der Affaire Schnebele hat Deutschland dargethan, daß es an die Möglichkeit einer Bekehrung der Franzosen noch immer glaubt. Es hätte nach der Maxime han deln können: Sei im Besitze und du wohnst im Recht"; es hat von dieser Maxime um des Friedens willen abgesehen und die Berufung der Franzosen auf das Völkerrecht respectirt. Der Polizist von Pagny dankt es der deutschen Friedfertigkeit, daß man ihn laufen ließ. Aber damit ist au den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nicht viel geändert. Erst wenn inan in Paris sich vergegenwärtigen wird, daß es sich nicht um die Befriedigung der nationalen Eitel keit, nicht um die ephemere Genugthuung, in einem einzelnen Falle Recht behalten zu haben, sondern daß es sich um etwas bei weitem Größeres, um die Her stellung loyaler und dauerhafter nachbarlicher Beziehun gen zu Deutschland handelt, erst dann wird gesagt werden können, daß die Lehre, welche der Zwischenfall von Pagny zurückläßt, nicht verloren gewesen. Der Vogesen-Hypnotismus, die leidenschaftliche Weigerung des Verzichtes auf die verlorenen Provinzen, die krank hafte Sehnsucht nach dem Unwiederbringlichen muß aufhören, ein Element der populären wie der officiellen Politik Frankreichs zu sein, damit endlich die constante Gefahr eines deutsch-französischen Zusammenstoßes aus dem Sorgenregister der Welt verschwinde. Und von welcher Seite man auch die Episode Schnebele betrachte, sie hat für Frankreich die unvortheilhafte Folge, daß seine Verantwortung um ein Beträchtliches gewachsen ist. Von Deutschland wird man es jetzt nicht mehr bezweifeln, daß es die Selbstverleugnung besitzt, auch den Schein eines diplomatischen Rückzuges nicht zu scheuen, wenn es sich um die Erhaltung des Friedens handelt. Frankreich muß dies erst erweisen, und es kann diesen Beweis am wirksamsten führen, wenn es den Umtrieben seiner unverbesserlichen Patrioten, welche die Beunruhigung Elsaß-Lothringens bezwecken, katego risch Einhalt gebietet. Geschieht dies nicht, so kann der Affaire Schnebele eine andere folgen, welche we niger glatt verläuft, welche möglicherweise die ge schlossene Pforte des Janustempels aufstößt, und dann wird die furchtbare Verantwortung nicht auf Deutsch land, sondern auf Frankreich fallen. Die echten fran zösischen Patrioten, nicht jene, welche sich nach dem Beispiele der Deroulede und Consorten als solche aus schreien, verstehen ohne Zweifel, was eine solche Ver antwortung bedeutet; es kommt nur darauf an, daß alle besonnenen Elemente in Frankreich von ihr durch drungen werden. Führt der Ausgang der Affaire Schnebele auch nur ein kleines Stück Weges nach die sem Ziele hin, so wird der Commissär von Pagny unvergeßlich bleiben, als ein Werkzeug des Geistes, der das Böse will und das Gute schafft." Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing Sonnabend Mittag den Staatssekretär von Bötticher. Wie nachträglich be kannt wird, hat derselbe dem Monarchen über den Stand der Vorarbeiten des Nord-Ostseecanals Bericht erstattet. Am Montag nahm Kaiser Wilhelm den Vortrag des Grafen Perponcher entgegen und arbei tete darauf längere Zeit mit dem Geheimrath von Wilmowski. Am Nachmittag ertheilte der Monarch dem Oberpräsidenten von Schlieckmann eine Audienz und unternahm darauf eine Spazierfahrt. Vor dem Diner hielt Graf Herbert Bismarck Vortrag. Heute : Dienstag wird sich der Kaiser bei günstigem Wetter nach Potsdam begeben und der Besichtigung des ersten Garde-Regiments z. F. beiwohnen. Die kronprinz- liche Familie hat von Ems ans Limburg besucht und ist festlich empfangen. Unter Führung des Bischofs wurden die Stadtkirche und der Dom besichtigt. Zu einer Jagd auf Rehböcke werden der Prinz Wilhelm von Preußen und der Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein auf Schloß Primkenau erwartet. Die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen ist von Rom nach Capri abgereist. Der deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster, j ist am Sonntag nach einer Conferenz mit dem Reichs- j kanzler auf seinen Posten zurückgereist. i Es wird ausdrücklich betont, daß die Budgetcom- s Mission des Reichstages die großen Forderungen des i Nachtragsetats nach den vertraulichen Mittheilun- - gen des Kriegsministers einstimmig angenommen - hat. Auch Centrum und Freisinnige waren dafür, j Ein irrsinniger Zimmergeselle versuchte Montag i früh in das kaiserliche Palais in Berlin einzu dringen. Von Polizeibcamten wurde er festgehalten und zur Wache gebracht. Ein hinzugeruiener Arzt constatirte gemeingefährliche Geistesstörung und ordnete die Einberufung in die Charitee an. In Stettin sind, der „Pommerschen Reichspost" zufolge, 18 der freisinnigen Partei angehörige Per sonen in Untersuchung gezogen, weil sie vor der Reichs tagsstichwahl zu Gunsten des freisinnigen Candidaten mittels Flugblattes ein gefälschtes Telegramm socialdemokratischer Reichstagsabgeordneten verbreitet haben sollen. Ueber die neue Branntweinsteuervorlage wird mitgetheilt: Der Hauptgedanke besteht in Folgendem: Ein bestimmtes, nach dem Consum in Norddeutschland bemessenes Quantum der Spiritusproduction soll einer Consumsteuer von 50 Mark pro Hektoliter unterlie gen. Die über dieses Quantum hinausgehende Pro duction soll mit 70 Mark pro Hektoliter besteuert iverden. Den süddeutschen Staaten ist gegenüber der Concurrenz der norddeutschen Brennereien dadurch ein Vortheil zugesichert, daß der Steuersatz für das die geringere Steuer zahlende Quantum niedriger gegrif fen ist. Auf Befehl des Kaisers wird zum 1. Juni d. I. der Stab der 32. Infanterie-Brigade von Trier nach Saarbrücken verlegt. Nach kaiserlicher Bestimmung sind bei den Infante rie-Regimentern zu 4 Bataillonen, soweit dieselben nicht Füselier-Regimenter sind, sowie bei den Infanterie- Regimentern 135—138 die Mannschaften sämmtlicher Bataillone „Musketiere" zu benennen. Monsignore Galimberti reist am Dienstag nach Wien ab, um den Cardinal Vanutelli dort als Nun tius abzulösen. Der Prinz-Regent von Bayern hat dem bisheri gen päpstlichen Nuntius di Pietro in München das Großkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone persönlich überreicht. Die französische Regierung erließ ein Rundschreiben an ihre Grenzbeamten, welches diesen die äußerste Vorsicht und Correctheit im Amtsverkehr mit ; den Deutschen vorschreibt. — Wenn die Herren cor- rect handeln, brauchen sie gar nicht vorsichtig zu sein. Wir thun Niemand etwas! Die Gerüchte über Vorbereitungen, betreffend die Verhängung des Kriegszustandes in Elsaß- Lothringen, treten wieder stärker auf. Man spricht bereits von der Fertigstellung des kurzen Entwurfs, der nur noch der Unterschrift des Kaisers harre. In elsässischen Kreisen will man nicht recht an die Nach richt glauben, da ja schon ein thatsächlich sehr strenges Regiment im Reichslande besteht. Dem Reichstage ist ein Gesetzentwurf, betr. die Rechtsverhältnisse der kaiserlichen Beamten in den Schutzgebieten, sowie die Nachtragsconvention zur deutsch-rumänischen Handelsconvention zugegangen. Das preußische Abgeordnetenhaus überwies am Montag den Nachtragsetat für 1887 88 der Budgetcommission zur Vorberathung. Dann wurden Anträge und Petitionen erledigt. Nächste Sitzung: Donnerstag 11 Uhr. (Antrag von Minnigerode betr. Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle.) Frankreich. Die vom Journal „France" geplante Schnebele- Demonstration ist, wie sich voraussehen ließ, zu Wasser geworden. Schnebele hat auf höhere Weisung an den Herausgeber des Blattes ein Schreiben gerich tet, in welchem er denselben ersucht, von der Subscrip- tion für ein Ehrenlegionskreuz in Brillanten Abstand i zu nehmen, da er Geschenke dieser Art weder annehmen ! könne, noch wolle. Bei einer Deputirtenersatzwahl in Toulouse siegte der Radikale Calvinhac mit 2000 Stimmen über seinen monarchistischen Gegenkandidaten. Der Pariser „Figaro" schreibt, Schnebele habe einem seiner Mitarbeiter versichert, er sei auf fran zösischem Boden verhaftet. Nun geht doch die Lügerei schon wieder los. Glücklicherweise hat die letzte Note der Reichsregierung über die Freilassung Schne- bele's gewaltigen Eindruck in Paris gemacht und der Glaube an die Klatschereien der Revancheblätter ist etwas in Mißkredit gekommen. Die Pariser Stadtanleihe von 10 Millionen ist 29mal überzeichnet. Italien. Ein Privattelegramm der „Voss. Ztg." aus Rom meldet: „Nach dem officiellen Bericht betrugen im italienischen Staatsschatz vom I.Juli 1886 bis 31.März 1887 die ordentlichen Einnahmen 1,083,801,000 Lire, im Vorjahre 1,066,779,090 Lire, die außer ordentlichen Einnahmen 112,803,700 Lire, im Vorjahre 176,523,769 Lire; in der letztgenannten Summe sind für Eisenbahnen 14,804,500 Lire enthalten, welche in diesem Jahre nur 10,400,000 Lire betragen. Der Tresor verfügte zu Ende März über 129 Millionen