Volltext Seite (XML)
Entwicklung der Durchführung, deren Schluß jedoch von dem prägnanten Seiten thema bestimmt wird. Die Reprise ähnelt stark der Exposition. Der zweite Satz ist ein verhaltenes Larghetto. Das Hauptthema bringen die Streicher, es wirkt graziös-ironisch. Ein Streicher-Pizzikato bildet den Mittelteil. Danach wird das Hauptthema figuriert, und mit der Wiederholung der schreitenden Anfangstakte verklingt der Satz. Eine elegante Gavotte, stilisiert nach dem Muster des 18. Jahr hunderts, schließt sich an. Sonatenartige Form besitzt wieder das Finale (Molto vivace). Die kurze Durchführung wird vor allem getragen durch kontrapunktische Verarbeitung der Motive des Haupt- und Seitensatzes. Alexej Dawidowitsch Matschawariani, neben Taktakischwili und Mschwelide einer der bekanntesten grusinischen Komponisten, wurde am 23. September 1913 in Gori (bei Tbilissi) geboren. 1936 absolvierte er sein Mu sikstudium am Konservatorium Tbilissi, wo er anschließend bis 1940 eine Aspiran tur in der Kompositionsklasse von Professor Peter Rjasanow innehatte. Später wurde er Assistent, Dozent und schließlich Professor für Komposition am gleichen Institut. Matschawariani, der mit dem Titel „Verdienter Künstler der Grusinischen SSR" ausgezeichnet wurde und als Vorsitzender des sowjetischen Komponisten verbandes in Grusinien sowie als Mitglied des künstlerischen Beirates beim gru sinischen Kulturministerium wirkte, trat bereits während seiner Studienjahre am Konservatorium mit einer Reihe von Kompositionen hervor. Sehr volkstümlich wurde das 19'41 entstandene Klavierstück „Chorumi" (grusinischer Kriegstanz), das von vielen Pianisten ins Repertoire aufgenommen wurde. Besondere Erfolge errang der Komponist mit seinem Klavierkonzert (1944), mit dem heute erklingen den Violinkonzert und mit der zweiaktigen Oper „Mutter und Sohn", die 1944 in Tbilissi uraufgeführt wurde. In allen Werken Matschawarianis, zu denen noch zwei Sinfonien, mehrere sinfonische Dichtungen, das Ballett „Othello" (1957), Oratorien, Chorwerke, Lieder und Klavierkompositionen sowie zahlreiche Film- und Bühnenmusiken gehören, zeigt sich die außerordentlich starke Verbunden heit des Komponisten mit der Volksmusik, mit Volkslied und -tanz seiner grusini schen Heimat, deren Elemente den tragenden Untergrund seines gesamten Schaffens bilden. Das 1950 entstandene, erfolgreiche Violinkonzert erfreut durch die Volkstümlich keit und Einfachheit der musikalisch-inhaltlichen wie der formalen Gestaltungs weise. D-Moll und D-Dur, im langsamen Satz g-Mo!l, sind die Grundtonarten des traditionell dreisätzigen Konzertes, dessen Themenmaterial stark von grusi nischer Folklore geprägt wurde. Nach kräftigem Orchesterbeginn setzt das Solo instrument im ersten Satz (Allegro) energisch ein, von Streichern und Holzbläsern begleitet. Diesem Hcuptthema, das sogleich virtuos entwickelt wird, folgt poco meno mosso (weniger schnell) ein zweites gegensätzliches Thema, dessen lyrische Kantilene wiederum der Solovioline übertragen ist. Rhythmisch-energische und lyrisch betonte Teile wechseln nun im Verlaufe des Satzes einander ab. Einer virtuose geigerische Aufgaben bietenden Kadenz folgt ein Nachsatz, der noch einmal beide Hauptgedanken bringt. Mit einer langsamen, weichen Streicher einleitung setzt der zweite Satz (Andante sostenuto) ein. Geruhsam und innig stimmt die Solovioline eine Hemdländisch anmutende Weise an, später sekundiert von Klarinette und Horn. Der romantischen Stimmungen Ausdruck verleihende Satz weist auch leidenschaftliche Steigerungen auf. Der lebendige Finalsatz (Allegro vivo) lebt ganz vom Rhythmus. Nach stürmischem Orchestertutti beteiligt sich der Solist virtuos und mit rhythmischer Prägnanz am musikalischen Ge schehen des Satzes, der schwungvoll beschlossen wird, Peter Tschaikowski, der große russische Meister, schrieb wie Beethoven und Brahms lediglich ein Violinkonzert, das allerdings wie deren Werke gleich falls zu den Glanzstücken der internationalen romantischen Konzertliteratur ge hört. Dos in Ausdruck und Stil charakteristische, eige iwüchsige Werk, in D-Dur stehend, wurde als op. 35 Anfang März 187'8 in Clärens am Genfer See begon nen und zwei Wochen später bereits vollendet. Tschaikowski widmete das ausge sprochene Virtuosenstück ursprünglich dem Geiger Leopold von Auer, der es aber zunächst als unspielbar zurückwies und sich erst viel später für das Werk einsetzte. Die Uraufführung wagte schließlich Alexander Brodski am 4. Dezember 1879 in Wien unter der Leitung Hans Richters. Unfaßbar will es uns heute erscheinen, daß das Werk vom Publikum ausgezischt wurde! Die Presse war geteilter Mei nung. Der gefürchtete Wiener Kritiker Dr. Eduard Hanslick, Brahms-Verehrer und Wagner-Feind, beging mit seiner Rezension des Tschaikowski-Konzertes wohl einen seiner kapitalsten Irrtümer. Er schrieb u. a.i „Da wird nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebleut. Ob es überhaupt möglich ist, diese haarsträubenden Schwierigkeiten rein herauszubringen, weiß ich nicht, wohl aber, daß Herr Brodski, indem er es versuchte, uns nicht weniger gemartert hat als sich selbst . . . Tschaikowskis Violinkonzert bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken(l) hört." Haarsträubend, schauerlich mutet uns heute dieses Fehlurteil Hanslicks an, das der Komponist übrigens jederzeit, auswendig aufsagen konnte, sosehr hatte er sich darüber geärgert, während das Konzert inzwischen längst zu den wenigen ganz großen Meisterwerken der konzertanten Violinliteratur zählt. Das Werk wird durch eine kraftvolle Männlichkeit im Ausdruck, durch eine straffe Rhythmik gekennzeichnet und ist betont musikantisch ohne Hintergründigkeit, Pathos oder Schwermut. Die Quellen, aus denen Tschaikowski hier u. a. schöpfte, sind das Volkslied und der Volkstanz seiner Heimat. Betont durchsichtig ist die Instrumentation, die beispielsweise auf Posaunen verzichtet. Aus der Orchester einleitung wächst das großartige, tänzerische Hauptthema des stimmungsmäßig einheitlichen ersten Satzes (Allegro moderato) heraus, das dem ersten Teil des Konzertes, teils im strahlenden Orchesterklang, teils in Umspielungen der Solo violine, seine faszinierende Wirkung verleiht, während das zweite, lyrische Thema demgegenüber etwas in den Hintergrund tritt. Auf dem Höhepunkt des Satzes steht eine virtuose Kadenz des Soloinstrumentes, dem das ganze Konzert über haupt höchst dankbare Aufgaben bietet. Der zweite Satz (Andante) trägt die Überschrift: Canzonetta. Kein Wunder, daß das Hauptthema innigen Liedcharakter besitzt und die Stimmung dieses Satzes weitgehend trägt, ohne dem geschmeidigen Seitenthema größeren Raum zu geben. Unmittelbar daran schließt sich das Finale (Allegro vivacissimo) an, das vom Solisten ein Höchstmaß an geigerischer Virtuosität in Kadenzen, Passagen, Flageoletts usw. verlangt. Das formale Schema des Satzes ist etwa mit ABABA zu umreißen. Beide Themen haben nationales russisches Profil. Das erste wächst aus der übermütigen Orchestereinleitung heraus, das zweite, tanzartige, wird von Baßquinten begleitet. Unaufhörlich stellt der Komponist die Themen vor, elegant und formgewandt variiert. Strahlend endet der temperamentgeladene Schluß satz des Konzertes, das zweifellos eine der überragendsten Kompositionen Tschai kowskis ist. Urte Härtwig / Dr. Dieter Härtwig Vorankündigung■ 29. Mai 1965, 18.00 Uhr, Dresdner Zwinger 30, Mai 1965, 18.00 Uhr, Schloßpark Pillnitz 1. Serenade Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solisten: Werner Metzner, Dresden, Klarinette Helmut Radatz, Dresden, Fagott Werke von F. Schubert, C. Stamitz und J. Brahms Freier Kartenverkauf! 10. Z YK LUs K 0 N z E R j 1964/65 |ll 9 14 EMZ 565 5 It-G 009/38/65