Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 fÜk WWdmff Uttd IlMgtgMd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts -u Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke i« Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i« Wilsdruff. Nr. 103 Donnerstag den 4. Mai 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * PoincarS ist unter gewissen Vorbehalten mit einer Zusam menkunft der Signalarmächte vor dem 31. Mai einverstanden. * Ein Teil der deutschen Delegierten und Sachverständigen wird in den nächsten Tagen von Genua nach Berlin zurück kehren. *- Tschitscherin protestiert in einem Brief an Bärthou gegen die Auffassung, der Rapallovertrag enthalte geheime Bündnis- Paragraphen. * Die Reparationskommisston soll zu der Ansicht gekommen sein, daß die von Deutschland gegebenen Mitteilungen über Steuer- und Verwaltungsreformen nicht als ausreichend zu betrachten seien. - * Im englischen Unterhaus erklärte Chamberlain, die eng lische Regierung sei nicht bereit, mit Frankreich gemeinsame Sache zu machen, falls dieses sich Lazu entschließen sollte, das Ruhrgebiet zu besetzen. Nachmachen! Wenn schon Berlin, die Hauptstadt des Deutschen Reiches, in seinem neuen Jahresvoranschlag mit einem Milliardendefizit auswarten kann, obwohl die wirtschaft liche Lage seiner arbeitsamen Bevölkerung, der Stand von Handel und Verkehr, die Fremdenindustrie und das Ver- gnüguugsgewerbe als verhältnismäßig günstig bezeichnet werden dürfen, so kann man sich ungefähr ein Bild davon machen, wie es mit den Finanzen leistungsschwacherer Ge meinden, und gar erst mit denjenigen des Deutschen Reiches, steht. Seitdem das Reich sich aus Grund der Wei marer Verfassung zum Hauptkostgänger des deutschen Vol kes aufgeworfen hat, muß es nicht nur seine eigenen, un geheuerlich angewachsenen Bedürfnisse aus reichseigenen Mitteln bestreiten, sondern hat darüber hinaus noch Länder und Gemeinden mit erheblichen Anteilen von seinen Steuereinnahmen zu speisen. Und jeder Tag bringt ihm neue Forderungen dringlichster Art von dieser Seite her, ohne daß die eine Hand, die geben soll, recht weiß und wissen kann, wo die andere Hand die angeforderten Be träge hernehmen könnte. Steuern, immer wieder Steuern, lautet die Parole; und doch mutz, kaum datz ein Steuer programm auch nur auf dem Papier beschlossen ist, schon wieder ein neues entworfen werden. Was in Berlin jetzt zum Beispiel nur an verschiedenen Arten von Miets steuern erhoben werden soll, das stellt insgesamt eine Be lastung der Bürgerschaft dar, wie sie auf einem Einzel- gebieft selbst bei Berücksichtigung der heutigen Geldent wertung, unerhört zu nennen ist. Und auf welche Steuer gedanken das Reich in seiner beispiellosen Not schließlich noch verfallen wird, das ist vorerst gar nicht abzusehen. Das ist die gegenwärtige Lage in Deutschland. Wie hebt sich von diesem dunklen Hintergrund die Finanzlage des britischen Reiches ab! Gewiß, auf Rosen ist man dort auch nicht gebettet, und wir bekommen es jetzt alle Tage zu hören, wie sehr namentlich die briti sche Geschäftswelt unter dem Druck des daniederliegenden Handels zu leiden hat. In Kreisen der Londoner City bereitete sich schon ein kleiner Gewittersturm gegen die Negierung vor, weil man nicht sicher war, ob sie nun end lich mit einer Verringerung des Budgets und mit einem Abbau der Kricgssteuern den Anfang machen würde. Jetzt ist der Schatzsekretär Sir Robert Horne mit seinem ange kündigten Voranschlag vor das Unterhaus getreten, und siehe da, die Regierung hat sich eines Besseren besonnen. Die Ausgaben sind von 1650 500 000 auf 910 Millionen Pfund Sterling zurückgegangen, und die Einkommensteuer soll demgemäß um ein Schilling pro Pfund herabgesetzt werden. Auch die Zölle auf Tee, Kakao, Kaffee und Zi chorie werden um eine Kleinigkeit ermäßigt. Damit nicht aenng, werden auch Erleichterungen für die Besteuerung de- Gesellschaften und diejenige des ländlichen Eigen tums vorgenommen. Vor allem aber will man auch den matt gewordenen Po st Verkehr durch Herabsetzung der Taren wieder ausmuntern. Postkarten, Drucksachen und Briefe werden einem verminderten Porto unterworfen, in der Hoffnung, daß so der Umsatz und im Endeffekt damit auch der Überschuß wieder größer wird. Also der umge kehrte Weg wie bei uns. Hier jagt eine Portoerhöhung die andere; kaum daß man daneben hier und da einige geringfügige Ermäßigungen vorsieht, um das Publikum siicht ganz und gar und in allen seinen Teilen zu ver ärgern. Die britische Verwaltung geht wie immer, wenn sie sich erst einmal zur Umkehr entschließt, mit großer Ent schiedenheit vor. Sogar die Sonntagsleerung der Brief kästen, die man sich im Kriege auch abgewöhnt hatte, wird wieder eingeführt. Kein Wunder, daß dieser Voranschlag des Schatzsekretärs im Unterhause mit vielem Beifall aus genommen wurde, und daß der Schatzsekretär selbst, so eben aus Genua zurückgekehrt, mit heiterer Zuversicht dem Parlament nun gegenüberirat. Auch bei uns gibt es Sachkenner, die der Regierung raten, es einmal mit oer gleichen Medizin zu versuchen; uns das Leben durch Herabsetzung von Gebühren und Tarifen zu erleichtern, anstatt es immer unleidlicher zu machen. Das Defizit ist sie bisher auf diese Weise nicht losgeworden, im Gegenteil, es hat inimer beängstigenderen Umfang angenommen. Lockert man dagegen die Fesseln, die uns jetzt auf Schritt und Tritt einschnüren, so wird unser Lebensmut steigen, die Verkehrslust sich heben, die Schretvsreuvrglett wieder zuneymen uno so trotz matzrger Sätze der Ertrag im ganzen den Finanzbedürftnssen der Reichskasse vielleicht eher entsprechen, als es jetzt der Fall ist. Es ist nur zu fürchten, daß sich in der deutschen Ver kehrsverwaltung nicht so bald wieder ein Stephan oder ein Podbrelski findet, der sich Manns genug fühlte, so waghalsige Wege zu beschreiten. Briefe hin und Briefs her. k'Dre Auseinandersetzung mit den Russen in Genua. Wenn es der Sinn einer großen Konferenz ist, daß die Teilnehmer von Mund zu Mund ihre Ansichten aus tauschen und rascher zu Beschlüssen kommen, als es auf dem sonst üblichen Wege des diplomatischen Notenwechsels möglich ist, so entsprechen die jetzt eingerissenen Verhand lungsmethoden in Genua recht wenig den Absichten, die man auf einer solchen Zusammenkunft verfolgen muß. Gerade als befände man sich Hunderte von Meilen weit in den verschiedenen Hauptstädten voneinander entfernt, ver kehrt man in den brennenden politischen Streitfragen zumeist auf brieflichem Wege miteinander, was nicht gerade ein Zeichen für gutes Ein vernehmen ist. Die Russen haben die allierten Verhandlun gen über Rußland durch die überraschende Eingabe ihres ursprünglichen Memorandums durchkreuzt, was den Präsidenten der Konferenz zu einer schleunigen Rück frage veranlaßt hat. De Facta schreibt an Tschitscherin, er sei über die Verhandlungen der Alliierten natürlich un richtig informiert worden, und er fragt ihn, ob cr wirk lich auf der Verteilung des russischen Memorandums an die Konferenzteilnehmer bestehen wolle. Ein zweiter Brief wechsel hat zwischen Tschitscherin und Barthou stattgefunden. In dem ausführlichen Schreiben, das Tschi tscherin an Barthou richtete und das dieser der politischen Unterkommission vorlegte, weist der Führer der russischen Abordnung auf das nachdrücklichste alle Gerüchte zurück, nach denen der mit Deutschland abgeschlossene Vertrag von Rapallo irgendeine Spitze gegen eine andere Macht habe oder irgendeine Geheimklausel politischer, mili tärischer oder anderer Natur enthalte. Tschitscherin be tont bei dieser Gelegenheit, datz der Vertrag nur bezwecke, zwischen zwei Staaten, die miteinande im Kriege gestanden hatten, in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der Menschheit friedliche Beziehungen herzustellen. Das Schreiben ist in entgegenkommendem, versöhnlichen! Geiste gehalten und Barthou versichert denn auch in seiner Ant wort, daß er die Aufrichtigkeit der Absichten, die den Brief der russischen Delegation inspiriert haben, keineswegs in Zweifel ziehe, aber er müsse ebenso betonen, datz auch Frankreich gegenüber der russischen Nation, die während dreier Jahre sein treuer Verbündeter im Kriege gewesen ist, Gefühle treuer Freundschaft bewahre. Die Russen hatten in ihrem vorangegangenen Briefe nämlich ungefähr das Gegenteil behauptet. * Schulden und Privateigentum. Die Regelung der Schulden zwischen den Regierungen der Entente und Rußland sowie die Frage der Sicherung des Privateigentums in Rußland sind die beiden Kern fragen, welche das neue Memorandum der Alliierten über Rußland behandelt. In der englischen Fassung schlägt dieses Memorandum u. a. folgendes vor: Die Sowjetregierung und die anderen Regierungen kom men überein, daß bestimmte Summen bezüglich jedes Landes festgesetzt werden sollen, die als bestehende finan zielle Verpflichtungen gelten sollen. Die Frage, was für eine Verminderung an dem Betrage der Schuld und an den zu zahlenden Zinsen der während des Krieges gewährten An leihen erfolgen kann, soll einem Schiedsspruch unterwor fen werden. Die bestimmten Summen, die in Übereinstim mung mit diesem Artikel festgesetzt sind, sollen alle anderen An sprüche außer den in den folgenden Artikeln aufgestellten aus löschen. Die Verbindlichkeiten der russischen Sowjetregierung tollen in entsprechendem Maße vermindert werden. Um die Wiederaufnahme der Tätigkeit ausländischer Ge schäfte in Rußland zu ermutigen, soll in den Fällen, in denen der frühere Eigentümer nicht imstande ist, den Rechtsbesitz in Rußland in der früheren Weise wieder zu übernehmen, es ihm sreistehen, den Gebrauch des Eigentums in Rußland in Form einer Konzession wieder zu übernehmen. Wenn das aber unmöglich ist, soll er entweder durch Gewährung des Genusses eines ähnlichen Eigentums oder in Bonds entschädigt werden, deren Betrag von einem gemischten Schiedsgerichtshof festgesetzt wird. Die „Meistbegünstigung". Bei den Kommissionsverhandlungen in Genua über die Zollfragen, bei denen auch der deutsche Staats sekretär Hirsch mehrere Anträge einbrachte, gab der Ver treter Englands folgende aufsehenerregende Erklärung ab: Es bleibe nur die Wahl zwischen einer entschlosse nen Rückkehr zu der liberalen Politik gegenseitiger Meistbegünstigung oder einer dauernden Spaltung der Welt in eine Unzahl von Staaten, die einander trotz for mellen Friedensschlusses mit Zollmauern und Einfuhrver boten bekämpfen. Die englische Delegation sehe in einer Rückkehr zum Grundsatz der allgemeinen Meistbegünstigung nichts anderes, als die logische Folge der bisher gefaßten Beschlüsse zur Erleichterung des Handels. Oie Anleihefrage. Verständigung über den 31. Mai? Nach Blättermeldungen aus Genua haben dort Ve- fprechungen stattgesunden, um zu einer direkten finanziellen Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich zu gelangen. Diese Verhandlungen, an denen auch ein Vertreter des Bankiers Morgan teilgenommen haben soll, hätten sich auf der Basis einer provisorischen Lö sung bewegt und zwar durch Auflegen einer internatio nalen Anleihe, durch die die dringendsten Ansprüche Frankreichs zunächst befriedigt werden sollten. Es scheint, als ob diese Meldung den Tatsachen vorauseklt. Man glaubt an anderer Stelle, daß die Anleihefrage vermutlich erst den Gegenstand der Beratungen der am 8. Mai in Paris zusammentretenden Anleiheausschüsse des Nepara tionsausschusses bilden wird. P o in c a r 6 hat in einer Prcfsebesprechung geäußert, es sei keineswegs ausgemacht, daß der Wiedergut- machungsausschuß am 31. Mai ein Versagen Deutschlands feststelle. Man müsse mit der Möglichkeit rechnen, daß der Ausschuß das provisorische Moratorium um einige Monate verlängere. Aus der Umgebung Poincarös verlautet, daß er gegen eine Beratung der Alliierten vor dem 31. Mai nichts ein- zuwenden habe, wenn die Zusammenkunft nicht in Genua oder in der Umgebung von Genua stattfinve und wenn über die Beschlüsse der ReparaÄonskommission nicht ver handelt werde. Der Präsident Millerand soll übri gens nicht geneigt sein, nm der Ruhrbesetzung willen mit den Bundesgenossen zu brechen. Es sei keineswegs aus- f geschlossen, daß bei den Beratungen Poincarss und d Bart-Hous eine gemäßigtere Haltung verabredet werde. * Barthou abgereist. Nach mehrfacher Verzögerung ist Barthou nun tat sächlich von Genua nach Paris gefahren, um dort Bericht zu erstatten. Er wird am Sonnabend wieder in Genua erwartet. In dieser Zwischenpause will auch Lloyd George Genua verlassen, aber nicht zu einer politischen Reise, sondern, wie es scheint, nur zu einem Ausflug nach Florenz. Dann sollen die Besprechungen über den „Got - tes frieden" wieder ausgenommen werden. Poin- carö hat in Paris zu dieser Frage inzwischen geäußert, die französische Regierung sei zur Unterzeichnung des Paktes bereit, falls er das Recht der verbündeten Regie- j cunyen auf eventuelle Verhängung von Sanktionen j im Falle einer Verletzung des Versailler Vertrages durch Deutschland nicht antaste. Ore Ssuifche Gchuwfrags vor Gericht. Der einseitige Spruch von Versailles. Z München, 2. Mai. Bei der Fortsetzung des zurzeit in München verhan- delteu Prozesses wegen der bekannten Veröffentlichungen von Dokumenten über den Kriegsausbruch gab der Pri vatkläger folgende beachtenswerte Erklärung ab: „Wenn Eisner die Dinge bekannt gewesen wären, die den Herren Sachverständigen heute bekannt seien, so würde er nach seiner Überzeugung gleichfalls eine andere Auf fassung von der Schuldfrage erlangt haben. Er würde vielleicht sich nicht von Deutschlands Schuldlosigkeit haben überzeugen lassen, aber jedenfalls den einseitigen Schukd- spruch von Versailles gleichfalls als ungerecht und unbe gründet erkennen. Nach diesen Erklärungen des Klägers wird Wohl nicht anzunehmen sein, daß sich das Gericht auf den Standpunkt stellen wird, den augeklagten Redakteuren seien schwere Strafen aufzuerlegen für die Behauptung, es habe sich bei den Veröffentlichungen Eisners um Leichtsinn oder Fälschung gehandelt. MßLertmgs§rklänmg ZM ZeiimMnsi Unrichtige Darstellungen. Berlin, 2. Mai. Zu den Enthüllungen des Herrn Prof. Wollf in Dresden über gewisse vertrauliche Rundschreiben an sächsische Handelskammern in rezug auf Maßnahmen gegen die Papiernot der Zeitungen erläßt das Reichswirtschafts ministerium eine amtliche Erklärung. In dieser Erklärung heißt es, datz in den Tageszeitungen auf Grund des von Prof. Wollf veröffentlichten vertraulichen Berichts der ge meinsamen Geschäftsstelle der sächsischen Handelskammern gegen den Referenten im ReichLwirtschaftsmmisterium, Oberregierungsrat Dr. Feßler, der Vorwurf erhoben wurde, er habe versucht, Handelskammern zu Protesten gegen die von den Zeitungsverlegern geforderte Zwangs wirtschaft zu veranlassen. Diese Darstellung ist unrichtig, sagt die Regierungserklärung weiter. Oberregiernngsrat Feßler habe bei einem gelegentlichen Zusammentreffen mit dem Leiter der Geschäftsstelle auf dessen Mitteilung, datz die Leipziger Handelskammer gegen zwangswirifchaftliche Maßnahmen auf dem Druckpapiergebiete in einer Eingabe Stellung genommen habe, und datz diese Eingabe dem Reichswirtschaftsministerium unterbreitet werden sollte.