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Fernsprecher- Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜs Wilsdwff UNd LlMgegtNd P-stscheckk-nt-Dreien 2840 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meitzen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger ««d Drucker: Arthur Zschunke iu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide d» Wilsdruff. Nr. 96 Dienstag de« 25. April 1922. 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Mittwoch den 26. April vormittags 9—1 Uhr Ausgabe aer neuen NohIendesugsWsme für kleingewi-rbiiche Beustd» Wilsdruff, am 22. April 1SLS. »» Der Stadtrat. haben im „Wilsdruffer Tage blatt", das einen weitver- zweigtenu. kaufkräftigen Leser kreis besitzt, große Wirkung Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Botschasterkonferenz hat der deutschen Regierung eine Note übersandt, in der die Kontrolle über Heer, Marine und Luftfahrt neu geregelt wird. * Reichskanzler Dr. Wirth und Minister Dr. Rathenau wur den in Genua vom Köllig von Italien empfangen. * Der Reichspräsident hat den neu ernannten Botschafter von Amerika, Houghton, zur Entgegennahme seines Beglaubigungs schreibens empfangen. * Der Reichs-Landbund wendet sich in einer Entschließung scharf gegen jede Wiederholung der Getreideumlage. * In dieser Woche begeben sich der belgische und französische Äriegsminister nach Koblenz und von da nach Duisburg und Ruhrort. * Die französische Delegation in Genua hat gegen die deutsche Antwort und den deutsch-russischen Vertrag formell Einspruch erhoben. * Nach einer russischen Blättermeldung sind in Moskau die Mörder des ehemaligen deutschen Gesandten, Grasen Mirbach, verhaftet worden. Paris gegen Genua. Kein Zweifel, die Konferenz von Genua ist, nach der mühseligen Beilegung des sogenannten deutschen Zwischen falles, in eine neue Krise hineingeraten. Frankreich steht aus dem Sprung, einen Dolchstoß gegen die Konferenz zu führen, und es scheint im Augenblick nur das eine noch nicht festzustehen, auf welchem Wege diese Absicht ausge- sührt werden soll. Wieder über den deutschen Sünden bock herzufallen und ihn für alles Unglück verantwortlich zu machen, geht nicht mehr an, nachdem Lloyd George auf dem großen Journalistenempfang den Streit um den deutsch-russischen Vertrag vor den Ohren der ganzen Welt als beigelegt bezeichnet hat. Möglich, daß er sich dabei der ausdrücklichen Zustimmung feiner französischen Konfe renzkollegen nicht vorher vergewissert hat; er wird dann dazu schon seine guten Gründe gehabt haben. Jedenfalls mutz jedes Aufbegehren Frankreichs gegen den Vertrag von Rapallo sich nunmehr gegen den britischen Premier minister und gegen die überwiegende Mehrheit der Konfe renz kehren, während Deutschland und Rußland, gedeckt durch die zustimmende Aufnahme unserer Note von seiten der führenden Konferenzmächte, in die zweite Reihe zu- rücktreten dürfen. Das Bewußtsein dieser Schwäche ihrer Position scheint denn auch die französischen Staatsmänner einiger maßen in Verwirrung gebracht zu haben. Mehr und mehr heißt es, daß Barthous Rolle in Genua so gut wie aus gespielt sei, da er es nicht verstanden habe, die Beilegung des deutschen Zwischenfalles ohne eine gleichzeitige Zu rückziehung des Vertrages von Rapallo zu verhindern. Wieder wird angekündigt, daß Poincarö in höchsteigener Person nach Genua eilen werde, um die verfahrene Sache nach Möglichkeit noch einzurenken. Und um die Verlegen heit zu verbergen, in der man sich befindet, wird mit wichtigtuerischer Miene eine Inspektionsreise angekündigt, die der französische und der belgische Kriegsminister in der kommenden Woche nach dem besetzten Rheingebiet an treten sollen. Gleichzeitig hat man bei dem Vorsitzenden der Genua-Konferenz förmlichen Einspruch gegen den In halt der deutschen Antwortnote erheben lassen, diesmal mit der Begründung, daß der deutsch-russische Vertrag gegen die Bedingungen von Cannes verstoße. Der Ver sailler Fricdensvertrag scheint also jetzt auch für Frank reich nicht mehr als verletzt zu gelten. Die Bevollmäch tigten der Großen und der Kleinen Entente, in deren Namen der geharnischte EtztsPruch gegen den deutsch- russischen Vertrag ergangen war, sollen zu einer neuen Besprechung über die Lage einberufen werden; eine Forderung, der der italienische Ministerpräsident Wohl oder übel wird entsprechen müssen. Ihm und feinem aus wärtigen Kollegen Schanzer wird dann die Aufgabe zu fallen, den französischen Einspruch so oder so ans der Welt zu schaffen, denn in erster Reihe waren es die italienischen Staatsmänner, die sich um die Beilegung des deutschen Zwischenfalles die größte Mühe gegeben haben, und die sich durch eine nachträgliche Sprengung der Konferenz am schwersten getroffen fühlen müßten. Hier wirb wieder ein mal guter Rat teuer fein, indessen darf nicht übersehen werden, daß die Stimmung in der französischen Öffentlich keit am Ende der zweiten Genua-Woche länge nicht mehr so einheitlich war wie zu ihrem Beginn, und daß es schon ganz besonderer Anstrengungen des Herrn Poincarö be dürfen würde, wenn er die Meinung der Welt für einen schroffen Bruch in Genua gewinnen wollte. Es kommt hinzu, daß auch in der russischen Frage offenbar scharfe Gegensätze zwischen der englischen und der französischen Auffassung vorhanden sind. Auch hier scheint Lloyd George bereit zu sein, die Streitaxt endlich zu be graben, wenn nur die Russen in einigermaßen verständiger Weise die Hand zum Frieden bieten. Frankreich dagegen rückt feine Vorkriegsforderungen an den ehemaligen Ver bündeten mit so großer Begehrlichkeit in den Vorder grund, daß der Instinkt der Sowjetleute sich unfehlbar dagegen aufbäumen muß. Ist schon genügend kostbare Zeit mit der Behandlung dieser Frage in Genua ver trödelt worden, so läßt sich kaum absehen, wie man über haupt zum Schluß kommen will, wenn nicht auch in diesem Falle der Stärkere endlich einmal nachgibt. Frankreich führt Wohl seine Großmut ebenso wie seins Friedensliebe immer nur im Munde, ist dabei aber jeden Augenblick bereit, mit der Faust dreinzuschlagen, wenn es ihm ein mal nicht gelingt, durch seine hochtönenden Phrasen die Welt feinen grenzenlosen Machtinteressen gefügig zu machen. Die Ruffen fühlen heute so wie wir Deutsche, daß die Franzosen es sind, die aus nacktem Eigennutz die Welt nicht zur Ruhe kommen lassen wollen, und so ist neben der Gemeinsamkeit unserer Wirtschaftsinteressen in diesem Punkte auch eine Art Gefühlsgemeinschaft zwischen Deutschland und Rußland entstanden, die sich, es mag uns nun passen oder nicht, schon in sehr naher Zeit vielleicht entscheidend zu bewähren haben wird. * Der Kanzler gegen die Vogel-Strauß-Politik. Reichskanzler Dr. Wirth hielt anläßlich eines Empfanges der deutschen Kolonie durch den deutschen Botschafter in Rom eine Ansprache, in der er zmmchst betonte, daß alle Genueser Arbeiten nur Stückwerk bleiben, solange durch dieAbwesen - h eit Amerikas nicht der ganze Wiederaufbau der gesamten Weltwirtschaft ins Auge gefaßt werden kann. Den deutsch- russischen Vertrag rechtfertigte er durch den Hinweis darauf, daß das Londoner Memorandum allein das endgültige Todesurteil über jeden Wiederaufbau Rußlands bedeutet hätte und wir außerdem in eine Schuldknechtschaft auch nach Osten geraten wären. Durch den Vertrag haben wir den Ring der Schuldknechtschaft, der uns bedrohte, vermieden. Wei terhin spielte der Kanzler deutlich auf die Wiedergntmachungs- svage an, indem er sagte, diejenigen Fragen seien die wichtig sten, von denen man hier nicht spricht. Dadurch, daß man den Kopsin den Sand st eckt, kann man diese Tatsachen nicht aus Ler Welt schaffen. Der Reichskanzler erinnerte in diesem Zusammenhang an die Antwort der Bank von England, wo nach unter den gegenwärtigen Zahlungsbedingungen Deutschland nicht kreditfähig sei. Deutschland ist, so schloß' er, kein politisches Chaos, sondern bei allen tiefen Meinungsverschiedenheiten gibt es für dieses schwerge prüfte Volk ein gemeinsames Ziel, nämlich die Wiederaufrich tung -der politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit im Rahmen der europäischen. Eine bedeutungsvolle Stimmenthaltung. Aus den zahlreichen Kommisstonssitzungen in Genua, in denen viele Spezialfragen eingehend erörtert werden, ist eine Abstimmung in Ler zweiten Unterkommission der Wirtschafts kommission hervorzuheben. Dabei handelte es sich um eine die gewerblichen Schutzrechte betreffende Bestimmung der Londoner Sachverständigenvorschläge, wonach im allgemeinen die durch Krieg und Revolution beeinträchtigten Schutzrechte wieder hergestellt werden, -wonach aber die zu ungunsten Deutschlands im Versailler Vertrage vorgesehenen Aus nahmen von diesem Grundsatz bestehen bleiben sollen. Die deutsche Delegation hat in dieser Sitzung die Erklärung abgegeben, daß sie es nicht für gerechtfertigt halte, wenn Deutschland hierbei durch den Vorbehalt des Versailler Ver trages einseitig zu seinen Ungunsten ausgenommen werde. Da her bleibe der deutschen Delegation nichts übrig, als sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten. Das gleiche tat auch der österreichische Vertreter, welcher sich der deutschen Erklärung ausdrücklich angeschlossen hatte. Königsbesuch in Genua. Die Beratungen der Konferenz erfuhren am Sonn abend eine Unterbrechung durch den Besuch desita lienischen Königs, der auf einem Kriegsschiff im Hafen eintraf und von der Bevölkerung und den Truppen begeistert begrüßt wurde. Er empfing sämtliche Dele gationen. Auch Reichskanzler Dr. Wirth und Dr. Rathenau, sowie Tschitscherin waren vom König eingeladen, ihm an Bord seines Schiffes einen Besuch abzustatten. Nie zukünftige EnisniekMirMe. Neue Lasten gegen einige Erleichterungen. Die Botschasterkonferenz in Paris hat dem deutschen Botschafter eine Note überreicht, die sich mit der Regelung der Militär-, Marine- und Luftsahrkontrolle besaßt. Der erste Teil der Rote beschäftigt sich mit den Garantien sür Durchführung der Bestimmungen des Friedensvertrages über die Lustschifsahrt. Danach find 13 Offiziere, so wie 22 Unteroffiziere und Mannschaften der Alliierten als überwachunaskomitee voraeseben. Mit Ermächtigung des Vorsitzenden dürfen sie jede Fabrik oder Anlage für das Flugwesen und alle Anlagen für Herstellung, Lagerung oder Verkauf von Luftfahrzeuggerät besuchen und besichti gen. Unterhalt und Kosten tragen die Regierungen. Drosselung deutscher Arbeit und Erfindung. Die Deutschland nach den ausgestellten Richtlinien belassenen Maße, Geschwindigkeiten und Vorrichtungen, die künftig die Höchstgrenze der deutschen Luftfahrtechnil darstellen sollen, bedeuten ungefähr die Mindest- grenze der Leistungsfähigkeit der ausländischen Flug zeuge. Nur durch die Geschwindigkeit ist der Luftverkehr den anderen Verkehrsmitteln überlegen. Die uns erlaubte Geschwindigkeit für Flieger von 170 Kilometern ist bereits erreicht und überschritten. Verbesserungen des deutschen Materials sind daher in absehbarer Zeit aus geschlossen. Der Aktionsradius wird derart begrenzt-, daß nicht einmal die Grenzen Deutschlands ohne Zwischen landung von Berlin aus erreicht werden können. Die Nutzlast, die mitgenommen werden kann, wird unter ge wissen Voraussetzungen auf 600 Kilogramm eingeschränkt. Das Ausland geht heute schon über das Dreifache von 600 Kilogramm. Der Bau von Luftschiffen ist sozu sagen unmöglich gemacht. Das Ausland kann außerdem beute hinter jedes deutsche Fabrikationsgeheimnis kommen. Abbau überflüssiger Kontrolle. Die Erleichterungen, welche die Note für Deutschland ankündigt, bestehen in folgendem: Die Marine-Kontroll kommission soll in absehbarer Zeit vollständig abberusen werden, die Militärkonttollkommission dagegen soll (wis die Lustfahrtkommission) durch ein Garantiekomitee ab gelöst werden, dessen Kosten und Unterhaltung nicht mehr Deutschland, sondern die alliierten Mächte selbst tragen. Die Tätigkeit der zahlreichen Ententemilitävon denen zwei Generäle an Einkommen aus dem deutschen Reichs säckel mehr beziehen als das gesamte ReichskabinKt mit Einschluß des Reichspräsidenten, soll zu Ende gehen. Hunderte von unnütz verschleuderten Millionen werden dadurch erspart. Die beiden Garantiekomitees werden vorgesehen mindestens für die Zeit bis Zur Räumung der Kölner Besatzungszone, die nach dem Frievensvertrag fünf Jahre nach feinem Inkrafttreten erfolgen soll. Es wird in der Note zum ersten Male offiziell anerkannt, daß diese Frist zu laufen begonnen hat. ' Die schwebenden Geschäfte, die noch von den bisheri gen Kommissionen abgewickelt werden sollen,sind spätestens bis zum 1. Oktober dieses Jahres zu erledigen. Von der deutschen Regierung wird verlangt, daß sie diese Forde rungen anerkenne, sür angemessene Unterkunft des Komi tees sorge, ihnen die diplomatischen Vorrechte und das Recht der Exterritorialität einräumen und ihnen eine amt liche Stelle bezeichne, welche die deutsche Regierung gegen über dem Komitee vertritt. Der Vorschlag solcher Komi tees, der offenbar als Erleichterung gemeint ist, bedeutet eine Neuerung gegenüber dem Vertrag von Versailles, denn darin ist von einer solchen Einrichtung keine Rede. MUHeZugeWMlffe und Se-ingungen Mitarbeit am Wiederaufbau. — Formelle Anerkennung. Nach der deutschen Antwortnote ist in Genua nun auch die mit Spannung erwartete Antwort der Russen auf das von den Alliierten überreichte Memorandum ver öffentlicht worden. Am 15. April hatte LloydGeorge in Ergänzung der bekannten großen Londoner Denkschrift über den Wiederaufbau den Russen noch eine kurze Note übergeben, in der die Alliierten sich mit Rücksicht auf die ernste wirt schaftliche Lage Rußlands bereit erklärten, die russischen Kriegsschulden in einer gewissen Höhe abzu schreiben und die ausgelaufenen Zinsen zu ermäßigen. Dagegen könne hinsichtlich der Schulden und finanziellen Verpflichtungen, die Rußland fremden Staatsangehörigen gegenüber hat, und des Rechts solcher fremden Staats angehörigen auf Rückgabe ihres Eigentums oder Schaden ersatz kein Entgegenkommen gezeigt werden. Nunmehr hat Tschitscherin sich in der Antwortnote mit diesen Be dingungen imwesentlichen einverstanden er klärt. Jedoch fordert er seinerseits, daß die russischen Kriegsschulden und die Zinsenrückstände aller Schulden vermindert werden und daß ein angemessener fi nanzieller Beistand Rußland bewilligt werde, um ihm zu helfen, aus feiner gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage so schnell wie möglich herauszukommen. Die russische Regierung ist ferner bereit, den vormaligen Eigentümern die Nutznießung ihrer nationalisierten oder beschlagnahm ten Güter wieder zu geben, oder ihren berechtigten Forde rungen Genüge zu tun. Ein