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IM* Zweites Blatt. -UW .»--MErUfM"'»''''"'''"'»''''"—-.-""-"'.'NMNMIIITTssMINII» Wochenblatt für ür die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiundvierzigster Jahrgang. Erscheiul iv»chentllch S Mal Li«nSt«g und Freitag.) LtonnementspreiK »ierteljährlich 1 Mark, tine einzelne Nummer k.stet^IO Ps. Znseratenannahme «»ntagS u. Donnerstags »iS Mitte, 12 Uhr. 2« Erscheinr wöchentlich 2 Mat (DienStag und Freitag AbvnnementSprei» vierteljährlich I Marr Ein« einzelne Nummer kostest» Pf. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Nr. 16. Freitag, den 23. Februar 1883. Tagesgeschichlc. Berlin, 20. Febr. Ein denkwürdiges Ereigniß für den Reichs tag war es, daß Se. Maj. der Kaiser am Sonntag in den Räumen des Parlamentshauses erschien, die er bisher nur einmal, nämlich bei der Einrichtung des provisorischen Reichstagsgebäudes und vor der Benutzung, desselben, betreten hatte. Sein zweiter Besuch galt der Besichtigung des im Foyer aufgestellten Modells für das neue Reichstagsgebäude. Zu seinem Empfange hatten sich der Staatsminister Scholz, als Vertreter des Reichskanzlers, und der Prä sident v. Levetzow eingefunden. Außerdem waren noch anwesend der Geh. Oberregierungsrath Nieberding, welcher im Reichsamr des Innern das Referat über die Reichstagsgebäudefrage hat, der Regie- rungs- und Baurath Busse, sowie der Bureaudirektor Geh. Rechnungs- rath Knack und der Architekt Wallot. Bald nach 2 Uhr Nachmittags fuhr Se. Maj. an der Treppe im Hausflur vor, begleitet vom Ge nerallieutenant Grafen v. Lehndorff. Se. Maj. erschien im einfachen Jnterimsrock, nur mit dem eisernen Kreuz dekorirt. Einen stattlichen Eindruck machten die paarweise an den verschiedenen Thüren postirten Huissiers, zu denen nur Leute ausgewählt waren, die 1870/71 mildem eisernen Kreuze dekorirt wurden. Im Foyer nahm der Kaiser das Modell des Reichstagsgebäudes auf das Eingehendste in Augenschein. Se. Maj. zeigte sich auch bei Betrachtung der Wallotschen Skizzen und Zeichnungen bereits so gut unterrichtet, daß es kaum einer Er läuterung bedurfte. Ueber die Wallotsche Fayade und den Kuppelbau äußerte der Kaiser seine volle Befriedigung, warnte aber vor über triebenem Luxus bei der Ausführung des Gebäudes im Innern, wie man ihn jetzt vielfach bei Privatbauten in einer das Maß überschrei tenden Weise finde. Demnächst betrat der Kaiser auch den Sitzungs saal. dessen Beleuchtungsverhältnisse er mit den für das neue Gebäude geplanten verglich. Bei Besichtigung der im Foyer gleichfalls ausge stellten Entwürfe betrachtete Se. Maj. die Medaillons an den Wänden und verweilte namentlich bei dem Bilde Ernst Moritz Arndts, unter welchem die Worte stehen: ,.Das ganze Deutschland soll es sein." Der Kaiser unterhielt sich mit allen Anwesenden auf das Freundlichste und schied nach etwa dreiviertelstündigem Aufenthalt wieder aus dem Hause. Prinz Friedrich Leopold, Sohn des Prinzen Friedrich Karl, er lernt gegenwärtig nach der im Hohenzollernhause herrschenden Sitte, wonach jedes männliche Mitglied desselben sich auf ein Handwerk ver steht, die Schlosserei, und ist zu diesem Zwecke eine Art Schlosserwerk statt in einem Zimmer des Prinzen eingerichtet worden. Der „Moniteur de Rome" veröffentlicht Briefe des Papstes an den Kaiser Wilhelm vom Dezember und Januar. Der letzte Brief, welcher die Antwort auf des Kaisers Schreiben vom 22. Dezember enthält, vatirt vom 30 Januar und besagt, die Kaiserliche Antwort habe die Hoffnung des Papstes bestätigt, den Streit einer Lösung ent- gegengesührt zu sehen, da der Kaiser zu einer Aenderung der gegen wärtigen Gesetzgebung geneigt sei. Der Papst habe Herrn v. Schl'özer durch Jakobini eine Note zugestellt, worin der Entschluß ausgedrückt sei, den Bischöfen zu gestatten, die Wahl neuer Seelsorger der Regie rung anzuzeigen, ohne eine vollständige Aenderung der bestehenden Ge setze abzuwarten. Der Papst verlange jedoch, daß die Maßregeln gemildert werden, welche die Ausübung des geistlichen Amtes und die Ausbildung des Klerus verhindern. Nach den letzten Nachrichten aus Paris wäre ein neues Mini sterium endlich gebildet. Die Ablehnung des Prätendentengesetzes, auch in der Form des Antrages Barbey, durch den Senat, hat in Deputirtenkreisen eine ungeheure Aufregung zur Folge gehabt. Unter dem Eindruck derselben hat sich I. Ferry mit dem Präsidenten Grevy verständigt und nach Rücksprache mit seinen politischen Freunden die Bildung 'des neuen Kabinets angenommen. Ferry hatte sich in der Kammer für den Antrag Barbey, der einen Ausgleich mit den Auf fassungen der Senatsmehrheit bezweckte undHoffen ließ, ausgesprochen. Jetzt, nachdem der Senat mit einer geringen Majorität jenen Kom promiß abgelehnt hat, ist demnach Ferrys Ernennung zum Premier ein gegen den Senat erfolgter Entschluß. Präsident, Ministerium und Deputirtcnkammer stehen jetzt der Mehrheit des Senats, die der Füh rerschaft Leon Says und Waddingtons im entscheidenden Augenblick gefolgt ist, gegenüber. Dasselbe Gesetz kann in nächster Zeit nicht wieder eingebracht werden. Es scheint aber, daß Ferry, bevor er das Ministerium übernahm, mit seinen politischen Freunden und unter den Fraktionen der Linken überhaupt eine Art Vereinbarung dahin getroffen hat, gegen die Prätendenten, d. h. bei der gegenwärtigen Lage der Dinge gegen die Orleans, auf Grund der be stehenden Gesetze und des Verordnungsrechtes im Wege von Dekreten mit Entschiedenheit vorzugehen. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte er — wenigstens für die nächste Zeit — eine allerdings im Uebrigen keineswegs feste oder gar homogene Mehrheit für sich haben. Wad dington und Say haben als Führer der orleanistischen Partei den Haß der Republikaner der Linken in starkem Grade auf sich gezogen, und so lange sie im Senat den Ausschlag geben, wird sich auch nur ein leidliches Verhältniß zwischen beiden gesetzgebenden Körperschaften Frankreichs kaum anbahnen. Man darf daher, allem Anschein nach neuen Zuckungen in der inneren Entwicklung unseres Nachbarstaates entgegensetzen. Das größte und schönste Provinztheater Ungarns, das in Arad befindliche, ist am 18. Februar vollständig ein Raub der Flammen geworden. Im Jahre 1874 während der Anwesenheit des Kaisers eröffnet, wurde es mit einem Kostenaufwand von 700 000 Gulden hergcstellt. Seither war es eine der wenigen Zufluchtsstätten der deutschen Muse in Ungarn. Unter Direktor Mannsberger gab dort eine aus 73 Köpfen bestehende deutsche Gesellschaft ihre Vorstel lungen. Nach ein Uhr Mittags loderten plötzlich aus dem Fenstern und aus dem Dach Flammen heraus. Trotz baldigen Eingreifen der Feuerwehr war die Rettung unmöglich. Zuerst stürzte der Kron leuchter nieder, unmittelbar darauf das Blechdach, Alles mit sich be grabend. Mit ungeheurer Anstrengung gelang die Rettung der Bi bliothek und Garderobe. Menschenleben sind nicht verloren. Der Theatermaler Faludy war in der dritten Etage bei Ausbruch des Feuers beschäftigt. Er sprang beherzt von dort ins Springtuch, wo bei er sich nur leicht verwundete, ebenso retteten sich zwei Feuerwehr leute. Abends standen nur noch die kahlen geborstenen Mauern. Ver sichert war das Gebäude mit 130 OM Gulden. Das Theater faßte 1400 Personen. Als neulich der Postwagen nach Sissack in Kroatien fuhr, blieben die Pferde an einer Brücke plötzlich stehen. Der Postillon und der Begleitungsmann stiegen ab, um nach dem Hinderniß zu suchen, wurden aber sofort von auflauernden Räubern niedergeschlagen und ermordet. Die Räuber zogen die Uniformen der Ermordeten an und fuhren den Wagen stundenweit durch mehrere Dörfer, dann plünderten sie ihn, nahmen 15 OM Gulden mit sich und ließen Pferde und Wagen stehen. Es waren Bauern, von denen jetzt drei entdeckt und in Haft sind. Als der Iwan in der Sultan-Moschee in Konstantinopel am Freitag das Gebet für den Sultan zu lesen begann, stürzte sich ein Sofia auf denselben und spaltete ihm mit dem Rufe: „Was, du willst für einen Mann beten, der das Land in das Verderben gestürzt hat!" den Kopf. Er wurde verhaftet. New-Ao rk, 21. Februar. Gestern entstand durch ein unbedeu tendes Feuer eine Panik in der hiesigen deutschen katholischen Schule, in welcher 5M Mädchen und 2M Knaben von 4—12 Jahren, den niederen Klassen angehörend, sich befanden. Von den Kindern, welche auf den Treppen eingeklemmt waren, sind 15 getödtet und 6 verletzt worden. Die Mütter stürzten in die Schule, um ihre Kinder zu retten. Aus Nordamerika liegen jetzt ausführlichere Mittheilungen von der großen Ueberschwemmungsnoth vor. Die schreckliche Ausdehnung der Ohio-Ueberschwemmungen nimmt, wie der amerikanische Bericht erstatter der „Times" berichtet, die öffentliche Aufmerksamkeit voll ständig in Anspruch. Infolge der erneuten heftigen Regengüsse sind die Flüsse wieder angeschwollen. Der Ohio, welcher am Mittwoch bei Cincinnati unbedeutend zu fallen begann, fing am Donnerstag wieder an zu steigen und erreichte eine Höhe von 20 Metern, bei weitem der höchste bekannte Stand. Man schätzt den bis jetzt ange richteten Schaden schon auf sechs Millionen Dollars. Der gesammte Eisenbahnverkehr ist eingestellt, sämmtliche Fabriken sind geschlossen und 9M0 Arbeiter feiern. In Cincinnati, Covington und Newport hat eine allgemeine Schließung der Fabriken stattgefunden. Die Hilfs vereine sind angestrengt thätig, denn die Noth der Armen ist groß. Die Stadt hat eine Anleihe von IM OM Dollars ausgenommen, um der drückendsten Noth abzuhelfen. Newport am Kentuckyufer ist in ähnlicher Weise überschwemmt und bittet um Hilfe. Einer Bekannt machung des Bürgermeisters zufolge sind 30M Familien nothleidend. Der Dampferverkehr auf dem Ohio ist eingestellt, da keine Landungs stellen vorhanden sind. Es herrscht ausgezeichnete Ordnung; sogar die Verbrecher sind durch die schreckliche Noth eingeschüchtert. Auf dem Ohio treiben hölzerne Häuser und alle Arten von Trümmern umher. Ein in seiner Wiege friedlich schlafender Säugling ward aus einem der vorüberschwimmenden Häuser genommen und in dem katho lischen Waisenhause untergebracht. Ganze Schaaren von Ratten, die aus ihren Schlupfwinkeln vertrieben worden, schwimmen auf dem Flusse, in den sie durch die Strömung aus den überflutheten Straßen getrieben werden. Am Donnerstag Morgen vor Tagesanbruch sand m dem Keller eines Hauses des unter Wasser stehenden Distrikts von Cinclnyati eine Kloakengasexplosion statt, welche das Haus zerstörte und 16 Personen unter den Trümmern begrub. Nach mehrstündiger Arbeit wurden drei todt, drei schwer und mehrere andere leicht verletzt aus dem Schutt gezogen. Die Schule» und Kirchen von Cincinnati sind mit obdachlosen Personen überfüllt. In der Nacht zum Freitag stellte sich in dem unteren Ohiothale sowie auch in Kairo heftiger Re gen ein. Der Mississippi fährt fort zu steigen und dürfte gegen Mon tag bei Memphis den Gefahrpunkt erreichen. Vaterländisches. — Meißen. Superinterdenl Dr. Kunze ist am 19. Februar von einem schweren Schlaganfall getroffen worden. Der verehrte