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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140430017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914043001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914043001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-30
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Morgen - Ausgabe »»kL». kür Leipzig un» Vorort, Surck» «mfer« rrka« oezu gspre»^ r. UN» Speöttrure rmaltSgii» in» hau» grbrachtr monatlich 1.2S M-, »tertryührllch r.7S M. Set »rr S«schitft»st»ll», unser» Zilialen «n» fluogadestrUen adgekolt: monatlich IM..vierteijührlich Z M. vurch »l« Post: innerhalb veutschlanS» unü »rr »rutschen Kolonien monatlich 1.S4 IN., vlerteliährlich ».so M.. «»»schlteAUch postdestrUgel». Vas Leipziger Lagedlatt erscheint werktags rmal.Sonn.u.Zeiertags lmal. In Leipzig, Sen Nachbarorten un» »en Drten mit eigenen Ztltalen wir» »t« stdenSousgade noch am flbenü Se» Erscheinens in» Haus geliesert. »rrltner Neüoktion: Jn üen?«lten 17. Zernspre»^stns»luft: Moabit Nr. 447. /trntsblaL des Rates und despolrzeurrrrtes der Stadt Lerpzrg NeSaktion an» Geschäftsstelle» Zohannisgass« Nr.». * Zernsprech'stnschlug Nr. 14042, 14S4Z an- I4»44. ISS. Jahrgang stozeigenpr-Is-: Ä' von auswürt» so Pf., Ncklamen 1.24 ist., klein, Anzeigen »ieprtitzrilc nur ropf.d.wl«Serhol.Nad.,7nseratr oon vehorüen im amNichrnL,il»ir Petit» zetl« S0 Pf. Geschaftoanzetgcn init plahvorschrift »m Preise erhöh«. Nodatt nach Loris, veilagen: Gelamtausl.SM.üa»Lausenü ausschl. Postgebühr. Nnzrigen-Nanohmr: Zohannisgasse». bei sSmtltrhen !>liolcn »es Leipzig« LagrdlaNes un» allen /innonccn»E>cprüitionen »eo Sn» un» stuolan»»«. Geschäftsstelle für Veriin u.oie pr.0ran»endurg virrkkionwalterZliegei. Serli« w 10 Margarcihrnstrahe S. Zernsprcw« stnschluh: Lüyow S47I Nr. 216 1914 Vonnersisg, Sen 30. lipril. Vas wichtigste. * Dir Leipziger Stadtverordneten be- sMosscn in ihrer gestrigen Sitzung die Einrichtung einer Pflichtfortbild ungsschule für die schulentlassenen weiblichen Angestellten in Handel und Gewerbe, sowie einer fakultativen Fort bildungsschule für Haustöchter und Dienst mädchen. lS. Ber.) * Ueber den Erwerb des Pvli zei gt und st ücks in der W ä ch t e r st r a ß e in Leipzig durch den Staat ist zwischen der Stadtgemeindc Leipzig und dem Staatsfiskus ein Vertrag abgeschlossen worden. (S. Letzte Depeschen.1 * In der Ersten Kammer wurde am Mittwoch der Gesetzentwurf über die Gewährung von S ch u l b e i h i l f c n gegen .1 Stimmen, darunter Oberbürgermeister Dr. Dittrich- Lcipzig, angenommen. (S. Ber.) * Im Reichstag wurden nm Mittwoch die Erörterungen über die Impffragc fort gesetzt, nachdem vorher der Nachtragsetat an die Budgetkommission verwiesen worden war. (S. Art. u. Ber.) * Großadmiral von Köster hat aus An las; seines 70jährigen Geburtstages große Aus zeichnungen erfahren. (S. Pol. Nebers.) * Griechenland hat die Räumung von Südalbauicn vollständig beendet und Anweisung erteilt, jeden weiteren Aufstand zu verhindern. zS- Ausl.) * In den mexikanischen Vermitt ln n g s v c r h n n d tu n g e n ist ein Still stand cingctretcn. (S. bei. Art.) * Tas neue Schüttc-Lanz-Luft- schiff „8. I,. II" erlitt bei seiner gestrigen Lan dung nach einer 20 Stundenfahrt in Leipzig einen Unfall. (S. Sp. u. Sp.) Oesterreich, -le Saltanstaaten un- Sie Weltlage. Graf Bcrchtvlo im Ausschuß der R e i ch s r a t sd e l e g a r c v n e u. In Wien wird zwar zurzeit ohne Parla ment mit Hilfe des Notparagraphrn regiert; aber die sogenannten Delegationen tagen. Ein merkwürdiger Zustand. Die Delegationen und doch uicyts anderes als Parlamentsausschüsse, gestellt von den beiden Häusern des österreichi schen Reichsrates und den beiden des ungarischen Reichsrates. Sic sollen die gemeinsamen An gelegenheiten des Reiches behandeln nnd sind in sofern eilte Vertretung der Reichseinhcit. Aber sie tagen getrennt. So will es nun einmal die Verfassung. Es ist bezeichnend, daß trog der bösen Zeltumstände die Tagung der Delega tionen freundlich begrüßt wird. Nicht trotz, son dern wegen der allgemeinen politischen Ver stimmung wenden sich die Blirke mit einiger Zu versicht auf dieses „Rumpfparlament", wie man es mit einem gewissen Rechte bezeichnen könnte. Hier wenigstens steht die Regierung Rede und Antwort, hier reden die Vertreter des Voltes, richtiger der Völker, und hier kann einige Klar heit zwischen Regierung und Parlament über die Richtlinien der Politik der Monarchie her gestellt werden. Das Ereignis oes Tages ist die einleitende Rede des Leiters der auswärtigen Politik, des Grafen Berchtold, im Ausschuß für aus wärtige Angelegenheiten der östcrrei ch i s ch e n Delegation. Mittwoch nachmittag trat sie zusammen, und schon liegt eine ausführliche Wie- Vergabe seiner Ausführungen vor. Vorher gegangen war der Empfang der Delegationen durch den Erzherzog Franz Ferdiuau d in Budapest. Die Ansprache des Erzherzogs (in unserer gestrigen Abendausgabe mitgeteilt) war bemerkenswert durch ihren zuversichtlichen Ton und den Hinweis auf die Vermehrung der Ma rine. ES versteht sich von selbst, das; die Aus führungen des Grafen Berchtold sich im gleichen Sinuc bewegten, doch finden sich bei der Betrachtung der Tatsachen und Vorgänge genug Einzelheiten, die wegen ihrer Wichtigkeit eine eingehende Würdigung rechtfertigen. Der Mi nister führte aus: Nach bewegten Zeiten ist unter dem Einfluß des allgemeinen Fricdensbedürsnisjes eine Periode fühl barer Beruhigung in den internationalen Beziehun gen cingetreten, in der sich der Liquidationsprozcß der überstandenen weltgeschichtlichen Ereignisse, wie die daraus sich ergebende politische Neuorientierung schrittweise vollzieht. Die Schöpfung eines selb ständigen albanischen Staatswesens hat durch den Regierungsantritt des Fürsten Wil helm seine Bollendunq erfahren, und der Umstand, daß der neue Landesherr vom albanischen Volke mir ungeteiltem Enthusiasmus ausgenommen wurde und daß sämtliche Großmächte ihn sympathisch begrüßt haben, bildet ein günstiges Vorzeichen für das Gelin gen seiner erhabenen Mission. Die bisher unge klärte Lage in dem Albanien zugesprochcnen Teile von Epirus ist allerdings geeignet, den leitenden Faktoren in Durcrzzo ernste Sorge zu bereiten. Schließlich hatte die griechische Negierung gebeten, daß es ihr ermöglicht werde, die erregte Bevölkerung des an Albanien gelangenden Teiles von Epirus durch die im Namen Europas zu gebende Versiche rung zu beruhigen, daß ihre Rechte und Frei heiten entsprechend sichergestellt werden sollen. Wir haben gemeinsam mit Italien nicht gezögert, in Athen mündlich beruhigende Mitteilungen zu machen, was von der griechischen Regierung dankbar quittiert wurde und letztere in die Lage setzte, in der Kammer beschwichtigende Erklärungen äbzugeben. Nach längeren Verhandlungen zwischen den einzel nen Kabinetten ist cs auch gelungen, den Text einer an Griechenland zu richtenden Note fest zustellen, die inzwischen in Athen überreicht und von der griechischen Regierung mit der Versicherung be antwortet worden ist, daß die Weisung wegen Eva kuierung sofort ergehen werde. Mit der vollkomme nen Räumung des albanischen Gebietes wird aber eine wesentlich klarere Situation geschaffen sein, in dem einerseits der albanischen Regierung die Mög lichkeit gegeben wird, die Ordnung in ihrein Gebiete wiederherzustellen, andererseits den Aufständischen jede Illusion über die Haltung der griechischen Re gierung genommen würde. ..Da die Neueinteilung Len ethnischen Verhältnissen zum Teile nicht gerecht geworden ist, hat sich diese politische Umgestaltung nicht ohne jene tief bedauerlichen Begleiterscheinun gen vollzogen, die am Balkan erfahrungsgemäß zu den Aktionsmitteln der nationalen Propaganda ge bären. Es ist zu hoffen, daß dieses mit den ethischen Grundbegriffen des modernen Staatswesens unver einbare Vorgehen nicht in die neue Acra hinüber genommen werde. Der von der Londoner Reunion beschlossene Minoritätenschutz sollte als Warnungs zeichen dienen. Unser Verhältnis zu den einzelnen Staaten der B irt k a n h a I b i n s e l ist von größrein Wohl wollen für die freie und selbständige Entwickelung dieser uns unmittelbar benachbarten Sta-alswesen be seelt, und wir wollen der Hoffnung Raum geben, daß die friedliche Regenerie rung s 0 r b e i t. der sie sich nun nach Lem blutigen und verlustreichen Kriege oer jüngsten Vergangenheit hingeben wallen, der weiteren Aus gestaltung unserer Beziehungen zu denselben förder lich sein werde. Serbien hat sich während der Belkankriege neuerdings überzeugen können, daß wir feiner Entfaltung weitgehendes- Entgegenkommen bezeigen. Wenn sich das Verständnis hierfür bisher immer noch nicht durchringen konnte, so soll uns dies nicht in der Richtlinie irremachcn, unter selbstver ständlicher Wahrung unserer eigenen Jntereßen tun lichst freundschaftliche Beziehungen zum benachbart'n Königreiche zu pflegen. Im Vordergründe dirjer Be ziehungen stehen gegenwärtig die Verhandlungen, welche in der Frage der Orientbahnen nut der Königlichen Regierung eingeleitct worden sind. Die Betriebsgefellfchaft, in welcher das österreichisch ungarische Kapital die Majorität hat, har bei der serbischen Regierung das Verlangen gestellt, daß der Betrieb der Bahnlinien, die nach Ausbruch des Balkankriegcs von der serbischen Armee okkupiert waren, der Gesellschaft zurückgegeben weröe. Ser bischerseits sind Schwierigkeiten erhoben worden, die Belgrader Regierung hat sich aber bereit erklärt, über die ganze Materie in Verhandlungen einzu treten, die im März dieses Jahres eröffnet wurden und derzeit noch im Zuge sind. Wir haben stets gejucht, gute Beziehungen m:t unserem montenegrinischen Nachbar- staate zu unterhalten. Die abgelauscnc Krise hat gegen "uferen Willen wiederholt Divergenzen der Ausfajj. g zwischen uns gezeitigt. Wir wollen hoffen, Laß nun, wo die montenegrinische Regierung die Absicht bekundet hat, die Londoner Beschlüsse zu respektieren und mit Albanien korrekte Beziehungen zu pflegen, unser freundschaftliches Verhältnis nicht nur keine weiteren Störungen erleide, sondern sich fortschreitend ausgestalten werde. Der zweimalige Verlauf der Sobranjewahlcn hat den Nachweis geliefert, daß Bulgarien nach der Enttäuschung, die der Ausgang der Krise hrnterlassen hat, bemüht ist, die Schäden der Kriegspertode wett- zumachcn, was wir nur mit Sympathie begleiten können. Bei dein Bestreben, die neuerworbenen Ge biete sich anzupassen und kulturell zu heben, wird unsere tunlichste wirtschaftliche Unteystützua«g dem Königreiche auch weiterhin nicht fehlen, tlebcr eine engere Gestaltung des handelspolitischen Verhältnisses ist schon zwischen den Regie rungen Fühlung genommen worden, wenn auch in folge der zweimaligen Wahlen usw. noch keine kon kreten Verhandlungen ausgenommen werden konnten. Die zeitweiligen Schwierigkeiten in bezug auf die Konstituierung Albaniens und dessen südliche Ab grenzung können unserem auf der Grundlage gemein samer Interessen ruhenden freundschaftlick-en Ver hältnisse zu Griechenland keinen Abbruch tum Es war für mich von großem Werte, gelegentlich des Besuches, den Herr Venizelos im Februar in Wien abstattcte, bestätigt zu finden, daß in Athen unsere guten Dispositionen für Griechenland nicht mißverstanden und richtig bewertet werden. Seither haben wir Verhandlungen mit der griechisä>en Regie rung einaelcitet, welche den Abschluß eines neuen Handelsvertrages, einer Schiffahrts- und Eiscnbahnkonvention zum Gegenstände Haden. Wir hegen den Wunsch, daß die Türkei, die trotz der in dem gewaltigen Kriege mit den auf strebenden christlickzcn Balkanstaaten erlittenen Ein buße ein starkes Element im nahen Oriente geblieben ist. ihren Besitzstand konsoli dieren werde. Unsere Interessen sind in diesem Be lange sowohl politischer als auch wirpchaftlicher Natur. Durch Fortentwicklung unseres freundschaft lichen Verhältnisses zur Hohen Pforte werden wir diesen wohlverstandenen Interessen am besten dienen. In Rumänien haben sich während und nach der Balkankrise Strömungen wahrnehmbar gemacht, die, von einer offenbar mißverständlichen Auffassung unserer Haltung während der Krise ausgehend, zeit weilig einen unfreundlichen Charakter gegen die Monarchie angenommen haben. In seiner Rede vom :t. Januar d. I. ist der damalige Regierungschef Herr Majorescu derartigen Tendenzen entgegen getreten und hat die oorgebrachten Angriffe gegen die Monarchie als völlig unbegründet zurüstgewiesen, wofür übrigens auch die Veröffentlichungen des rumä nischen Gründliches wie unseres Rotbuches hin reichende Belegmateriale liefern. Wenn wir auch unser Auge den erwähnten Vorgängen nicht ver schließen wollen, so sind wir anderseits überzeugt, daß kein ernster Politiker des benachbarten König reiches daran denken könnte, die großen Vorteile aufs Spiel zu setzen, welche die bisher unterhaltenen engen und freundschaftlichen Beziehungen zu uns dem Laude gebracht haben. Auch die jetzige rumä nische Negierung hat wiederholt ihr aufrichtiges Be streben bekundet, den bisherigen vertrauensvollen Charakter der gegenseitigen Beziehungen in der Zu kunft zu erhalten. Auf das Verhältnis unter den Groß- m achte n übergehend, möchte ich vor allem betonen, daß der Dreibund, welcher seine feste Fügung in den Wechselfüllen der Balkankrisc» neuerdings er wiesen hat, unverändert die Grundlage unserer Außenpolitik bildet. Mit war mer Sympathie sind bei uns die Besuche begrüßt wor den, welche Kaiser Wilhclm, der erlauchte Ver bündete unseres erhabenen Monarchen, in Schön brunn und Miramar abgcstattct hat, Besuche, die aus persönlichen Freundschaftsgefühlen entspringen, die aber gleichzeitig von dem innigen Bundesverhält nis zwischen den beiden zentralen Mächten sinn fälligen Ausdruck geben. Kurze Zeit darauf habe ich das Vergnügen gehabt, den italienischen Ni i n i st c r des Aon ß e r n inAbbazia begrüßen zu können. Die wiederholten Aus sprachen, zu weichen diese Begegnung Gelegenheit gab, haben mich in der Ucberzcuaung bestärkt, daß die im nahen Orient eingetretencn Wandlungen neue Interessengemeinschaften zwischen den leiden Verbündeten begründet haben und daß die diesfalls von jcd-in Teile inaugurierte Politik uns aus gleiche Pfade zu gemeinsamer Arbeit zu- sammensüyrt. Die Resultate, welche diese Orien tierung bereits sowohl für die Erhaltung des euro tz ä i ; ch e n Friedens als auch für die Sicherung der Freiheit und des Gleichgewichtes im Adriatischen Meere ergeben hal>en, find von weiten Kreisen der Bevölkerung in der Monarchie und in Italien nach ihrem vollen Werte eingeschatzt worden und erscheinen dazu angetan, die eingc- schlagene Richtung zu rechtfertigen, die wir auch cm gegenseitigen vertrauensvollen Einvernehmen weiter hin verfolgen wollen. Auf das politische Gleich st c w i ch t s s y st c m zwischen den Großmäch ten ist der Verlaus der Balkankrisc nicht ganz ohne Rückwirkung geblieben. Wenn auch die oeden Mächtegruppen als solche sortbestehen uno dieses System in der Behandlung europäischer Fragen nach wie vor in Erscheinung tritt, so ist doch auch auf die jem Gebiete eine gewisse Entspannung fühl bar geworden. Bereits in der letzten Dele gationstagung konnte ich darauf Hinweisen, daß E n g- land seine Stimme in enstcheiocnden Momenten wiederholt in aus gleichen dem Sinne ver nehmen ließ und nicht wenig zur friedlichen Aus tragung der auigetauchten Differenzen b-eigetragen hat. Wir können in der damals und seither beobach teten Haltung Englands das Bestreben wahrnehmen, ähnlichen Gefahren für die Zukunft vorzubeugen, wie sic die Ereignisse der jüngsten Vergangenheil für Len europäischen Frieden im Schoße trugen. Eine solche Politik ist geeignet, Mißverständnisse, Vie sich zwisci>en den beiden Mächtegruppen einstellcn können, zu be seitigen und dadurch die Mängel, welche der prak tischen Betätigung eines starren Gleichgewichts systems anhaften, einigermaßen auszugletchen. Was speziell unsere Beziehungen zu England anbelangt, entsprechen diese dem Geiste traditio neller Freundschaft, der die Monarchie mit dem Königreich verbindet. Der längere Besuch, den das britische Mittelmeeracschuxrder in unseren adriatifchcn Küstenplätzen äbzustatten sich auschickl, wird uns Gelegenheit geben, diesen überlieferten Gc fühlen Ausdruck zu leihen. Unser Verhältnis zu Rußland trägt andauernd freundschaftlichen Charak ter. Bei den ausgesprochen friedlichen Ten denzen der Politik des Zarenreiches und den großen kulturellen Aufgaben, welche sich die russische Volkswirtschaft vorgestern hat, glauoen wir einer weiteren vertrauensvollen Ausgestaltung unserer Beziehungen entgegensetzen zu können. In Worten tiefempfundener Bewunderung hat kürzlich der französische Ministerpräsident bei der Buc>- getberatung in der Kammer der hohen Weisheit ge dacht, mit welcher unser erhabener Herrscher die Ge schicke der Monarchie leitet. Diese sympathische Kundgebung hat bei uns aufrichtige Genugtuung hervorgerufen. Wir wollen das als ein schätzens wertes Symptom erblicken für den Wunsch der fran zösischen Regierung, mit der Monarchie freundschaft liche Wechselbeziehungen zu pflegen, denen man bei uns stets hohe politische Bedeutung für die friedliche Fortentwicklung des internationalen Lebens zugcmcsscn hat. Wie aus dem Vorstehenden erhellt, sind die Be ziehungen der Monarchie zu den einzelnen Mächten durchaus befriedigender Natur. Nach den Anfeindungen, welchen wir in den heißen Tagen der schweren Balkankrisc wegen Wahrung der elemen tarsten Lebensintcresscn der Monarchie von manchen Seiten ausgesetzt waren, hat das nüchterne Urteil immer mehr die Oberhand gewonnen, daß die Monarchie in einer Epoche allgemeinen Umsturzes im nahen Oriente, hart an unseren Toren als stark konservativer Machtfaktor, als Element der Ordnung und Ruhe, als Bollwerk des Friedens ausgetreten ist. Um diese Stellung im Herzen eines militärisch ge rüsteten und schlagfertigen Europas auch weiterhin zu bewahren, sind große Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Opserwilligkeit der Monarchie gestellt, und es wird die Aufgabe der maßgebenden staatlichen und gesellschaftlichen Faktoren zu bilden haben, diesem Umstande durch verdoppelte Sorge für die Fortentwicklung aller volkswirtschaftlichen Vor aussetzungen Rechnung zu tragen. Die Aufschließung weiterer Gebiete in d«en anderen Weltteilen, die sich die europäischen Mächte in den abgelaufcnen Jahr zehnten nutzbar machten, hat neue Werte gebildet und neue Horizonte eröffnet, die auch bei uns dem schaffenden Erwerbsgeijtc Arbeit und Verdienst in Aussicht stellen. Das also ist das Bild, das Graf Berchtold mir fleißiger Hand znsammeustellte. Hoffent lich malt sich nicht bloß in seinem Kopf das Bild der Welt so freundlich. Bald genug wird er zu höreu bekommen, daß er mit lichten Far ben zu freigebig umgegangeu sei. In der Tat kann man sich des Eindruckes einer etwas zu wohlwollenden Ausmachung nicht recht erwehren. Ist es wirklich richtig, von einer allgemeinen E n t spannn n g zu reden? Das Wort mag stimmen, wenn mau den gegenwärtigen Zustand vergleicht mit dem Druck, der wahrend der Baltaukriege aus Europa lag. Es war natur gemäß, das; eine Abspannung folgen mußte. Aber eine En t spannung im Sinne eines wirklich befriedigenden Ausgleichs? Wird der Hinweis aus das freundschaftlich und friedlich gesinnt'c Rußland ohne jeden Zweifel ausgenommen wer den? Doch ivie mau sich zu diesen oder jenen Einzelheiten stellen mag: im ganzen wird dieser Grundriß der Lage für den Augenblick wenig stens gute Dienste tun. Graf Berchtold hatte für alle eine milde Gabe; dein teilt er Blu men, jenem Früchte aus, nnd unter all den mit so viel Wohlwollen behandelten Staaten, ob groß, ob klein, ist keiner, der Grund hätte, Widerspruch zu erheben. Nachtragsetat, Impfzwang un- preußischer Kultusetat. (Stimmungsbilder aus den P arlamc n t e n.) O Berlin, 20. April. Der Reichstag hat heule zunächst ein knap pes Stündchen der Beratung de s N a ch - tragsctats gewidmet. Dieser Nachtrags etat enthält, wie wir schon vor ein paar Tagen hier milteilteu, eine Forderung, die an das viel erörterte Gruudstüctsgeschäfl der Militärverwal lang antnüpst. Kurz vor der Ostervertagung war das Grundstück, aus dem mau, ohne den Reichstag zu fragen, dem Militärlabiuelt einen 'Neubau errichtet Halle, dem Reichsschatzamt über wiesen worden, und mau hätte annehmeu müssen, das; die Angelegenheit damit fürs erste erledigt sei. Jetzt überrascht die Regierung uns mit dem Verlangen, das; das Grundstück doch der Militärverwaltung überantwortet werde und das; in das Gebäude, das nun einmal zu diesem Ende geschaffen wurde, der Gebieter des Mili- tärtabiuetts mit seinem Stabe einziehe. For mell mag die Regierung im Rechte fein. Juri stisch wird sich gegen ihr Vorgehen wohl nicht viel eiuweuden lassen, dennoch bleibt — das darf ruhig ausgesprochen werden — der Handel über die Maßen unbehaglich. Herr von Falte uh ahn verteidigte mit viel Tempera ment und sicher nicht ohne Geschick die Forde rung der Regierung, gelobte auch für die Zu- tunft jede mögliche Besserung und hütete sich sorgfältig, den Reichstag irgendwie zu verletzen. Trotzdem: es bleibt ein Rest zu tragen peinlich. In der Erörterung nahmen nur der Sozial demokrat Stückten und für den Fortschritt Herr Liesching das Wort. Beide wiesen, wenn auch natürlich im Tonfall verschieden, das Verlangen ab. Daun ward der Nachtragsctat der Budgetkommissiou überantwortet, und nun wird der Handel wohl losgehcn. Das Zen trum, sagt inan, sei einstweilen gegen die For derung, aber mau nimmt an, es wird mit sich reden lassen. Fragt sich nur, welchen Kaufpreis die Regierung zu entrichten haben wird. Her nach wendete mau sich wieder dem anscheinend unerschöpflichen Thema vom Impfzwang zu und unterhielt sich darüber, sintemalen es doch ein angebrochener Nachmittag war, bis in den Abend. Heute beteiligten sich an der Aussprache auch der Präsident des Reichsgesundhcitsamts Bum m und in vorgerückter Stunde Gras Po l' a d 0 w s k h. Morgen nachmittag hofft man zu versichtlich, wenn auch erst um die l. oder ü. Stunde, die Erörterung unserer auswärtigen Politik beginnen zu können. Für morgen ist dann wohl auch die Rede des Reichskanzlers zu erwarten. Im preußischen Abgeordneten haus hatte man derweil das komplementäre Grundstücksgeschäft behandelt: Den Ankauf eines Grundstücks aus dem Besitz der Militärverwal tung, um darauf den Mitgliedern der zweiten preußischen Kammer einen Garten zu errichten. Auch hier hatte die Regierung nicht viel Glück, denn der konservative Sprecher äußerte sich bc- merkenswert ablehnend. Tann war man wieder
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