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das zweite Thema, das von der Klarinette vorgesungen wird. Nach heroischen, aber auch besinnlichen Auseinandersetzungen verklingt der Satz piano. Die frische, würzige Herbheit dieses Allegro ist zuweilen mit einer Bergwanderung durch den Hochwald verglichen worden. Im schlichten C-Dur des Andante-Satzes klingt es wie eine Volksweise auf. Variationen, in schlichtester Faktur, schließen sich an. Ein trauermarschähnlicher Seitengedanke in der Klarinette wendet die Stimmung ins Melancholische. Auch später taucht er noch einmal auf. Mit schmerzvoll-chromatischen Gängen schließt der Satz. Einen eigenartigen Intermezzocharakter besitzt der dritte Satz (Poco Alle- gretto). Die Violoncelli beginnen mit einer weitgesponnenen, sehnsuchtsvollen Melodie, danach duettieren Violinen und Celli, Im Mittelteil (quasi Trio) wechselt satte Streichermusik mit tänzerischen Bläserrhythmen. Das Horn bringt die Anfangsmelodie. Die Grundhaltung des Ganzen wird von einer gewissen tänzerischen Schwermut bestimmt. Den bedeutendsten Satz der Sinfonie stellt, wie schon angedeutet, das Finale (Allegro) dar, das im drohenden Unisono des f-Moll-Themas einsetzt, um rasch den ersten heftigen Steigerungen und Entladungen zuzustreben. Verschiedenste Motive werden miteinander gekoppelt. Auch das trauermarschähnliche Thema aus dem langsamen Satz erscheint wieder. Nachdem sich erregte Balladen stimmung ausgebreitet hat, ertönt ein jubelnd sich aufschwingendes, befreien des Hornmotiv in Trioien, das vom ganzen Orchester autgenommen wird. In trotziger Kampfesstimmung bei meisterhafter Kontrapunktik, mit der die Themen miteinander verknüpft werden, geht die Entwicklung bis zur Reprise. Dann aber tritt eine lyrische Beruhigung der Stimmung ein, bei Tempoverbrei terung wird ungebrochenes F-Dur erreicht. Das Motto-Motiv und das ins Sanfte gewendete Hauptthema des ersten Satzes haben das letzte Wort. Pianissimo, träumerisch klingt die Sinfonie aus. Doch nicht Resignation, sondern Trösten wollen ist das Fazit des Werkes, das durch die Schlichtheit seiner Sprache und Mittel so nachhaltige Wirkung erzielt. Wenn Felix Mendelssohn Bartholdys Instrumentalschaffen - ab gesehen vom e-Moll-Violinkonzert — bisher viel zu wenig beachtet wurde, so hat das seine Ursachen. Die nachlassende Wertschätzung durch die bürger liche Musikwissenschaft hat bewirkt, daß sich die Konzertwelt nur für wenige Hauptwerke des Komponisten interessierte. Daher blieb ein beachtlicher leil des Werkbestandes unveröffentlicht und fand erst nach 1960 in der neuen Leipziger Mendelssohn-Ausgabe einen festen Platz. Andererseits wurde einigen Kompositionen der Weg in den Konzertsaal auf Grund musikkritischer Fehl einschätzungen erschwert. Ein solcher Fall dürfte beim 2. Klavierkonzert d-Moll op. 40 vor liegen. Sicher ist es nicht als Weiterentwicklung der beiden vorangegangenen Werke (Mendelssohn hatte bereits vor dem sogenannten 1. Klavierkonzert g-Moll op. 25 als Knabe im Jahre 1822 ein Klavierkonzert in a-Moll geschrie ben) zu bewerten, und wenn es Robert Schumann als „flüchtig heitere Gabe" bezeichnete, so meinte er damit, daß wir hier nicht ein Stück mit großen Problemstellungen erwarten dürfen. Diese Grundstimmung wird aber um so verständlicher, wenn wir uns das Entstehungsjahr 1837 vergegenwärtigen. Die glücklichen Tage der Hochzeitsreise mit Cäcilie Jeanrenaud haben sich in der unbeschwerten Atmosphäre des am 19. Oktober 1837 im Leipziger Gewandhaus durch den Komponisten selbst erstmals gespielten Werkes nieder geschlagen. Und es ist daher nicht verwunderlich, wenn im virtuos ange stimmten Einleitungssatz Stilmittel und Rhythmen seiner Jugendzeit auftauchen. Die drei Sätze gehen ineinander über — wie in einer großen Fantasie. Dem lyrischen Adagio, einem stimmungsvollen „Lied ohne Worte", folgt das rasante Finale, ein temperamentvoller Abschluß, in dem Solist und Orchester unbe kümmert miteinander wetteifern. Sind die meisten Werke Max Regers auch ohne Programm entworfen, so war er doch in keinem Falle Gegner der Programmusik: „Jede Musik, ob absolut oder sinfonische Dichtung, ist mir willkommen, wenn sie eben Musik ist", schrieb er einmal. So beweist er seine Meisterschaft auch in Werken programmatischen Charakters, wie in den heute erklingenden Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin op. 12 8. In dieser Komposition, die 1913, am Vorabend des ersten Weltkrieges, entstand und schon zu den Ufern einer neuen Klassizität vorstößt, kommen Reger die reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Instrumentierung zugute, die er als Generalmusikdirektor in Meiningen hat machen können. Seine Tonsprache nähert sich — von seinem Standpunkt - der eines Impressionisten wie Debussy. Den malerischen Vorwürfen Arnold Böcklins (1827—1901) entsprechend, sind die vier Bilder mehr epischen als dramatischen Charakters. Im ersten Stück „Der geigende Eremit" bevorzugt Reger natürlich die Streicher: über einem gedämpften und einem nicht gedämpften Streicherchor erhebt sich der ausdrucksvolle Gesang der Solovioline. Häufige Steigerungen und Vermin derungen des Tempos intensivieren das sehnsuchtsvolle Gebet, an dem die Holzbläser auf dem Höhepunkt Anteil nehmen. Zart, wie das Stück begann, endet es auch. Gegensätzlich ist das zweite Bild „Im Spiel der Wellen", wo man im bewegten Hin und Her romantisch sagenhafte Meeresbewohner wie Tritonen und Najaden sich tummeln sieht. In ständig sich auf und ab bewegenden Figuren der Holz bläser und Streicher scheinen die Wellen auf uns zuzukommen, Gischt spritzt auf, dann beruhigt sich das Meer wieder ein wenig. Erst am Schluß, in einem kleinen Adagio-Nachsatz, findet das harmonisch bewegte Spiel ein Ende. Ganz auf romantische Stimmung ist der dritte Satz „Die Toteninsel" gesteht. Nach einem gedämpften Beginn erheben Flöte und Englischhorn ihren traurigen Gesang. Schroff ragen Tuttiklänge heraus, gleich den Riffen der unheimlichen Insel. Trompeten und Hörner mahnen. Nach einer großen Steigerung endet auch dieser Satz im Pianissimonebel. Einzig der letzte Satz „Bacchanal" ist dramatischer Natur. In ihm setzt Reger alle instrumentatorischen, aber auch kontrapunktischen Künste ein, um ein überzeugendes, wenn auch manchmal etwas lautstarkes Bacchusfest musikalisch zu beschwören, wobei dem Schlagzeug besondere, oft solistische Aufgaben zufallen. VORANKÜNDIGUNGEN: Mittwoch, den 1., und Donnerstag, den 2. November 1972, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Dmitri Baschkirow, Sowjetunion, Klavier Werke von Mendelssohn Bartholdy, Beethoven und Franck Freier Kartenverkaul Freitag, den 17., und Sonnabend, den 18. November 1972, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 4. KONZER1 IM ANRECHT C und 4. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Bernard Flavigny, Frankreich, Klavier Werke von Brahms und Reger Anrecht C und B Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1972/73 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in Mendelssohns 2. Klavierkonzrt schrieb unser Praktikant Andreas Glöckner vom Fachbereich Musikwissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Druck: veb polydruck, Werk 3 Pirna - 111-25-12 3 ItG 009-109-72 (•biilharnrromi 3. KONZERT IM ANRECHT C UND 3. ZYKLUS-KONZERT 1972/73