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„Welßeritz-Zeitung" «-scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljährlich 1 M. LS Psg., zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan- ftaltcn, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmh-MiW. Amtsblatt Inserat«, welche bei der bedeutenden Auflage de« Blattes -ine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder der«, Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im ^edaktionellM Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche UmtshaupLmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnk in Dippoldiswalde. Nr. 39. Dienstag, den 31. März 1885. 51. Jahrgang. Zum v«. Geburtstage -es Fürsten Bismarck. „Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmen den Ofens, saß der redliche Tamm." Dieser Anfang des bekannten, den 70. Geburtstag feiernden Gedichts, fällt jedem Deutschen unwillkürlich ein, sobald von einem 70. Geburtstag die Rede ist. Unwillkürlich stellen wir uns einen Siebenziger als mit vollem Rechte ausrnhend von den Strapazen des Lebens vor, Dank dem Psalmensänger als einen Menschen, der die Lebensgreuze erreicht hat. Wie so ganz anders aber ist Fürst Bismarck, der deutsche Reichskanzler, als „der redliche Tamm" des Dichters, als der Mann, an den König David gedacht. Ein Siebenziger — aber hoch ausgerichtet steht er da, und sein Donnerwort ergreift die ganze Versamm lung der Erwählten der Nation, reißt hin das Publi kum, das der Unterhaltung halber in den Reichstag gekommen ist, zu verbotenem und daher um so charak teristischerem Applaus, erschüttert den Leser seiner Worte in Palast und Hütte im ganzen deutschen Reich und wo nur die deutsche Zunge klingt und hat ent scheidenden Einfluß auf die Entschließungen fremder Negierungen. Ein Siebenziger, und er faßt und führt Pläne aus, die, ob mehr oder weniger dem Vater lande nützlich, doch so außerordentlich und gigantisch sind, daß außer ihm kein Deutscher, selbst in der Blüthe seines Lebens, sie auch nur zu denken gewagt haben würde. Man niag über die Kolonialpolitik und über das, was mit derselben in Zusammenhang steht, denken wie man will, großartige, auch nicht entfernt an einen „auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens" sitzenden Greis erinnernde Kühnheit, Geistes schärfe, Eigenthümlichkeit der Anlage und Ausführung kann ihr kein Sterblicher jetzt oder in der Zukunft ab sprechen. Dieser Mann, der noch in seinem 70. Jahre die Geschicke eines ganzen Welttheils in noch nie dage wesener Weise geordnet, der dem deutschen Reiche mit einem Federzuge unermeßliche Gebiete unterwirft, der deutschen Unternehmungslust neue Bahnen eröffnend, den Gesichtskreis des ganzen Volkes und jedes einzelnen Deutschen erweiternd, ist es, der Deutschland aus dem Elend daheim und der schmachvollen Stellung, die es anderen Nationen gegenüber einnahm und deren moralische wie materielle Nachtheile jeder Deutsche, der für kürzere oder längere Zeit im Auslande weilte, zähneknirschend fühlte, befreit und zur tonangebenden Macht im Nathe der Völker gemacht hat. Nicht einen Deutschen giebt es, der ihm das nicht dankte, nicht einen Menschm, der ihn nicht, er mag wollen oder nicht, deswegen bewunderte. Daß alle Welt, daß namentlich die Deutschen an dem Tage, an welchem dieser so überaus verdienstvolle Mann seinen 70. Geburtstag feiert, das Jahr beginnt, in welchem er sein 50 jähriges Amtsjubiläum feiern wird, dieses Mannes mit Lob und Liebe gedenkt und seines Ruhmes voll ist, wer wollte sich darüber wundern? Das wahre Wunder ist vielmehr, daß eine so geniale Persönlich keit mit so glänzenden Verdiensten um Welt und Vaterland, in seinem eigenen Vaterlande, unter seinen von ihm wie noch von keinem Staatsmanne mit Wohl- thateu überhäuften und geradezu beglückten Lands leuten, Anfeindung und Widerstand finden kann. Nun, am 70. Geburtstage des Fürsten Bismarck kann sich afle Welt überzeugen, daß jeder Deutsche wohl weiß, was er au seinem Bismarck hat, und ein Lorbeerblatt wird ihm selbst vom vorgeschrittensten Oppositionsblatt nicht vorenthalten werden. Daraus werden Freunde und Förderer der Bismarckscheu Politik hoffentlich entnehmen, daß die Gegner derselben Gegner sind, weil sie eben eine entgegengesetzte Ueberzeugung haben, sich vergegenwärtigen, daß für seine Ueber zeugung Niemand kann und ihr gemäß zu handeln Jeder die Pflicht hat, und nicht mehr Diejenigen als Reichsfeinde und Landesverräther zu verurtheilen, die anders denken und anders handeln. Die Gegner der herrschenden Politik hinwiederum werden am 70. Ge burtstage des Reichskanzlers in einem Maße wie noch nie Gelegenheit haben, einzusehen, wie Vieles sie mit ihren politischen Gegnern gemeinsam an ihm zu loben haben, wie viele Vorzüge und Verdienste sie bei dem einen Manne vereint mit gleichem Enthusiasmus, mit gleicher Dankbarkeit anerkennen. Am 70. Geburtstage seines großen Kanzlers wird vielleicht das deutsche Volk zu der Erkenntniß kommen, daß es selbst einem Genie wie Bismarck, unmöglich gelingen konnte. Allen Alles recht zu machen. Aber am 70. Geburts tage seines großen Kanzlers wird das deutsche Volk ein Zeugniß ablegen, daß derselbe Vielen Vieles recht gemacht hat, sehr Vielen sehr Vieles recht gemacht har, und gleichzeitig auch Zeugniß für sich ablegen, daß es schließlich doch nicht das undankbare Volk ist, das selbst mit einem Bismarck nicht zufrieden kein kann. Wird wirklich, wie zu hoffen und zu wünschen ist, der 70. Geburtstag des Reichskanzlers oder durch den selben ein derartiges Befsereinanderverstehen, eine ge wisse Annäherung der verschiedenen politischen Parteien in Deutschland herbeigeführt, dann hat sich Fürst Bis marck durch seinen 70. Geburtstag ein nicht geringes Verdienst um das Vaterland erworben, um das er sich ohnehin schon sehr verdient gemacht hat. Und eben weil er sich so sehr um sein Vaterland verdient gemacht, wünschen ihm aufrichtigst alle Deut schen, gleichviel welcher Partei sie angehören mögen, daß er nicht nur noch lange lebe, sondern auch, daß er noch lange dem Staate, dem er bereits 50 Jahre gedient, und dem Reich, daß Ft selbst geschaffen, weiter dienen, noch lange, lange am schaumbespritzten, wogen gepeitschten Steuer auszuhalten die Kraft haben möge, an welchem er so viele Jahre schon gestanden und Haß, aber noch mehr Liebe und unendlichen Ruhm erworben, dem Vaterlande und der Welt genützt hat. -Lokates und Sächsisches. Dippoldiswalde, 30. März. Vorige Woche fanden in hiesiger Stadtschule die zahlreich besuchten Oster- prüfungen statt. Erfreulicherweise konnte man unter den Zuhörern auch solche wahrnehmen, die ge wöhnlich nicht in der Lage sind, eine oder ein paar Arbeitsstunden zu opfern. Muß es doch Lehrern und Schülern stets eine Freude sein, wenn sie sehen, wie ihre Arbeit mit Theilnahme betrachtet und seitens des Hauses nach Möglichkeit unterstützt wird. Als eine Unterstützung aber müssen wir es ansehen, wenn wenigstens eins von den Eltern es möglich macht, dabei zu sein, wenn ihre Kinder von dem Erfolge der Jahresarbeit Rechenschaft ablegen. Am zahlreichsten waren die Turnprüfungen besucht, bei welchen die Zu schauer auf der Tribüne keinen Platz fanden, sondern theilmeise die verfügbaren Räume im Saal einnehmen mußten. Und wir hoffen, daß nicht nur die Turn- prüsungen, sondern auch die in den übrigen Unterrichts gegenständen, wie nicht minder die Ausstellung der von den Schülern gefertigten Arbeiten den Schulfreund überzeugt haben werden, wie Lehrer und Schüler ihre Arbeit mit Fleiß und Verständnis; erfaßt und ausge führt haben. — Bei der gleichfalls einer sehr zahl reichen Zuhörerschaft sich erfreuenden Entlassungsfeier am Freitage hielt Herr Kantor Hellriegel die warm vom Herzen kommende Abschiedsrede, in welcher er im Anschlüsse an Jes. 41, 10 die Mahnungen durchführte: Fürchte dich nicht (u. vor den Schwierigkeiten des Berufs, b. vor den Versuchungen zur Sünde, o. vor den Trübsalen des Lebens), unv weiche nicht (n. von dem ernsten Streben nach Vervollkommnung, b. vom Pfade der Tugend (Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Sitt samkeit und Bescheidenheit), o. vom Gebet). — Nach dem noch 2 Knaben und 2 Mädchen im Namen der Abgehenden, bez. Bleibenden gesprochen hatten, voll zog Herr Schuldirektor Engelmann, die ausgesprochenen Dankesworte, Bitten und Versprechungen der Schüler im Anschluß an die Abschiedsrede erwidernd, die Ent lassung. Es wurden 24 Knaben und 29 Mädchen entlassen, eine der schwächsten Ziffern, die seit der Neu organisation vorgekommen. Nur 1883 waren noch 3 Entlassene weniger. — Der 8. Jahresbericht der landwirthschaft- lichen Winterschule zu Freiberg, welcher das Schuljahr 1884/85 umfaßt und welcher zugleich als Einladung, zu den Dienstag, den 31. März, statt findenden Prüfungen dient, enthält für unfern länd lichen Leserkreis manches Interessante. Die innere Einrichtung als bekannt voraussetzend, wollen wir nur berichten, daß von den 52 Schülern 17 aus der Amts- hauptmannschast Freiberg, 12 aus der Amtshaupt mannschaft Dippoldiswalde, 8 aus der Amtshaupt mannschaft Meißen, 5 aus der Amtshauptmannschaft Flöha, 4 aus der Amtshauptmannschaft Dresden-Alt stadt, je 3 aus den Amtshauptmannschafteu Döbeln und Marienberg gebürtig sind. Aus der Stadt Dip poldiswalde besuchen 2, aus Oberhäslich 1 Schüler die Anstalt. — Gestern wurden in hiesiger Stadtkirche 70 Kin der, 28 Knaben und 42 Mädchen durch Herrn Super intendent Opitz konfirmirt. — Erledigt die zweite Lehrer- und Kantorstelle in Glashütte; Kollator die oberste Schulbehörde; Ein kommen, exkl. freier Wohnung und anrheiligem Honorar für Fortbildungsschule, 840 M. vom Schulamte und 390 M. 48 Pf. vom Kirchendienste; Bewerbungsge suche sind bis 14. April bei dem königl. Bezirksschul inspektor in Dippoldisivalde einzureichen. Arauenstein, 29. März. Ein großes Un glück konnte in der Nacht des vergangenen Donners tag passiren. Der Geschirrführer des Gastwirths und Votenfuhrmanns Kolbe ist zu dieser Zeit im trunknen Zustande die steile, von Frauenstein ins Gimmlitzthal führende Straße hinabgefahren, ohne den Wagen ein zuschleifen. Infolgedessen ist der Wagen über den Abhang gerathen und umgestürzt. Nach an die Nath- hauswache gelangter Anzeige verfügte man sich an Ort und Stelle und fuhr den Wagen zu seinem Be sitzer. Seitwärts vom Wege fand man den betrunknen Geschirrführer. Derselbe hat jedenfalls Hilfe hole» wollen und ist dabei zu Falle gekommen. Hoffentlich zeigt sich bei den Pferden, welche im erhitzten Zu stande längere Zeit in der kalten Nachtluft haben stehen müssen, kein Nachtheil.