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Verantwortlicher Redacteur: Earl Ichne in Dippoldiswalde. Nr. 69 Sonnabend, den 19. Juni 1886 52. Jahrgang. läge, und sind mithin deren Chancen im Senate sehr ungünstige, indessen steht zu erwarten, daß sich die genannte Körperschaft unter dem Drucke der öffent lichen Meinung wohl zum Anschlüsse an das Kammer votum in der Prinzenfrage noch wird entschließen müssen. England. Die englische Wahlbewegung hat mit dem Wahlmanifest Gladstone's an seine Wähler in Midlothian eine energischere Förderung erfahren. Das Manifest ist ganz und gar der Vertheidigung der irischen Politik Gladstone's gewidmet und legt in un zweideutiger Weise var, daß der englische Premier nicht gesonnen ist, von seinen auf Irland bezüglichen Plänen auch nur um ein Jota zurückzuweichen. Offenbar wird diese Kundgebung den Mittelpunkt der ganzen Wahlkampagne bilden, und mit berechtigter Spannung darf man deren Ausgang entgegensehen. Spanien. In Spanien geben die Regierungs blätter ernstlichen Besorgnissen wegen eines karlistischen Putsches Raum. Man bemerkt, daß in den baskischen Provinzen viele junge Leute im Alter von 15 bis 20 Jahren ihr Domizil verlassen, ohne daß man wüßte, wohin sie sich begeben, und die Wahrschein lichkeit liegt allerdings nahe, daß sie sich an versteckten Punkten zur Bandenbildung sammeln. Die Regierungs behörden in den baskischen Provinzen sind angewiesen, das Treiben der Kvrlisten sorgfältig zu beobachten, auch die Kommandeure der dortigen Regimenter haben auf einen eventuellen Putsch bezügliche Instruktionen erhalten. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 18. Juni. Wie wir zu unserer Freude hören, hat Herr Amtsrichter Klemm die Coop- tationswahl in den Vorstand des Zweig-Vereins'der evangelischen Gustav-Adolf-Stiftung für Dippol diswalde angenommen, so daß der Vorstand des ge nannten Vereins nunmehr besteht aus den Herren: Pastor Hoffmann-Reinhardtsgrimma als Vorsitzender, Diak. Keil-Dippoldiswalde als dessen Stellvertreter, Aktuar Kindermann als Kassirer, ferner Schuldirektor Engelmann-Dippoldiswalde, Pastor Helm-Johnsbach, Amtsrichter Klemm und Seifensieder Lommatzsch-Dip poldiswalde, Pastor Märkel - Reichstädt, Bürgermeister Voigt-Dippoldiswalde. — In der der heutigen Nummer beiliegenden Unterhaltungs-Beilage unseres Blattes bringen wir unter dem Titel „Margarethe von Pflugk" eine in teressante Geschichte aus der Reformationszeit unserer Nachbarstadt Frauenstein, und glauben wir uns damit den Dank der Bewohnerschaft derselben zu erwerben. Gleichzeitig wollen wir nicht verfehlen, an dieser Stelle auch auf den Artikel in der Monats-Beilage „Was fehlt unfern sämmtlichen Gemeindefeuerwehren?" hin zuweisen; derselbe ist jedenfalls geeignet, viele gegen den hiesigen Feuerwehrbezirksverband aufgetauchte Be denken zu zerstreuen und viele Gemeindefeuerwehren zum Beitritt zu diesem Verbände zu veranlassen. — Zur Erledigung kommt die Schulstelle in Ober- Reichstädt; Kollator die oberste Schulbehörde; Ein kommen — außer freier Wohnung — 1000 M. Ge- - halt (mit 100 M. persönliche Zulage); 100 M. für Heizung (zur Hälfte je für Schulstube und Lehrer wohnung), 75 M. Honorar für Fortbildungsschule, 10 M. für Heizung und Beleuchtung beim Fort bildungsunterrichte, in Summa 1185 Mark. Bewer bungsgesuche auch musikalisch geprüfter Lehrer sind bis 30. Juni bei dem kgl. Bezirksschulinspektor Mus- Hacke in Dippoldiswalde einzureichen. WendischcarSdorf. Am 12. Juni Mittags in der 12. Stunde verunglückte der beim Neubau des Jäppelt'schen Wirthschaftsgebäudes beschäftigte Maurer Heinrich Geier aus Großölsa dadurch, daß derselbe beim Passiren der Baubrücke in's Schwanken gerieth und durch den Fall in eine Tiefe von nur 2'/» m sich innere Verletzungen zugezogen zu haben scheint. 'JNstdÄe' aMMH bedeutenden Auflage des Blattes ein« sehr wirk same Verbreitung finden, »erden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im revaktionellen Th eile, die Spaltenzeil« A> Pf«. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die erschütternde Schlußkata strophe, mit welcher das in Bayern spielende Drama seinen vorläufigen Abschluß gefunden hat, der frei willige Tod König Ludwigs in den Wellen des Starnberger See's, beherrscht noch fortwährend die öffentliche Meinung im deutschen Vaterlande. Das entsetzliche Ende des Monarchen, dessen Name mit der Wiederausrichtung des deutschen Reiches auf immerdar in ruhmvollster Weise verknüpft sein wird, hat aller orten das tiefinnigste Bedauern hervorgerufen, und begreiflicher Weise ist namentlich an den deutschen Fürstenhöfen die Theilnahme an dem traurigen Vor gänge eine große. Ueber die Einzelheiten desselben ist bereits vom Telegraphen eingehend berichtet worden, und können wir umsomehr von einer Wiedergabe der selben an dieser Stelle absehen, als der genaue Her gang der Katastrophe wohl für immer unaufgeklärt bleiben wird, denn der einzige Mitbetheiligte und Zeuge, der unglückliche Medizinalrath von Gudden, hat ja selbst hierbei den Tod gefunden. Allseitig wird man aber nach dem Ueberwinden des ersten Eindruckes des tragischen Ausganges König Ludwigs zu der Ueberzeugung gelangen, daß für den beklagens- werthen Monarchen der rasche Tod eine barmherzige Erlösung von immerwährendem geistigen Siechthum bedeutete, zumal da das einen Tag nach dem Ableben des Königs veröffentlichte ärztliche Gutachten denselben als unheilbar geisteskrank erklärte. Inzwischen ist die Leiche des Herrschers nach der Residenzstadt München übergeführt und daselbst in der alten Hofkapelle auf gebahrt worden; die feierliche Beisetzung findet voraus sichtlich an diesem Sonnabend statt. Im Münchner Ge meindekollegium gab Bürgermeister Ur. Erhardt am Dienstag in tiefempfundenen Worten den Gefühlen der Trauer über das tragische Geschick, das König Ludwig beschicken, Ausdruck, zugleich mit der Ver sicherung, daß das Bayernvolk auch in dieser Zeit der schweren Prüfung in Liebe und Treue an dem ange stammten Fürstenhause und der Verfassung festhalten werde. Einstimmig beschloß die Versammlung, der Königin Mutter in einer Adresse, dem Prinzregenten Luitpold durch eine Deputation das innigste Beileid der Stadt München zum Ausdruck zu bringen. — Der unerwartete Tod König Ludwigs II. hat in der Nachfolge und Regentschaft in Bayern insofern Ver änderungen hervorgerufen, als Prinz Luitpold nun mehr im Namen des jüngeren Bruders König Lud wigs, des Prinzen Otto, die Regierung führen wird, und ist Letzterer als Otto I. bereits zum König pro- klamirt worden. Geboren am 27. April 1848, ist der nunmehrige bayerische Herrscher schon seit Jahren geistesgestört und deshalb unfähig, die Regierungs geschäfte selber zu führen; gleichwohl mußte er nach den Bestimmungen der bayerischen Verfassung zum König proklamirt werden. Bis jetzt weilte er vorzugs weise in einem einsamen Waldschlößchen unweit von Fürstenried. — Auch die bayerischen Kammern sind jetzt der Regentschaftsangelegenheit und den mit ihr verknüpften tragischen Vorfällen näher getreten. Am Dienstag begann die außerordentliche Session der Reichsrathskammer, und waren in der Eröffnungs sitzung sämmtliche Prinzen des Königshauses anwesend. Präsident von Franckenstein hielt eine ergreifende Trailerrede über den Hintritt des Königs, und Na mens des Ministeriums gab Minister von Lutz dessen Empfindungen tiefster Trauer Ausdruck, alsdann verlas er die Botschaft des Regenten, in welcher der selbe bei den Kammern die Anerkennung der Regent schaft beantragt. Zugleich enthält die Botschaft die Mittheilung, daß die Minister zu weiteren Aufschlüssen ermächtigt seien. Herr von Lutz beantragte, diese Aufschlüsse in geheimer Kommissionsberathung geben zu dürfen, andernfalls könnte er sich nur für geheime Plenarberathung erklären. Auf Antrag des Präsi denten wurde ein aus zwölf Mitgliedern bestehender Ausschuß gewählt, dessen Verhandlungen alle Reichs- räthe unter strengster Geheimhaltung beiwohnen können. Am Donnerstag trat auch die Abgeordneten kammer zusammen, um zunächst ebenfalls über die Regierungsvorlage, betreffend die Einsetzung der Re gentschaft, Beschluß zu fassen. An der schließlichen Zustimmung der Kammern ist natürlich nicht zu zwei feln. — Die Sektion der Leiche Ludwigs II. hat hochgradige Veränderungen degenerativer Natur am Schädel, sowie am Gehirn und den Gehirnhäuten er geben, welche Veränderungen theils auf eine abnorme Entwickelung, theils auf chronische Entzündungsvor gänge älteren und jüngeren Datums zurückzuführen sind. Die Ansicht, daß der Geist des unglücklichen Monarchen schon Jahre hindurch mehr oder weniger umnachtet gewesen ist, hat demnach durch die Sektion ihre Bestätigung gefunden. — Die aufregenden Vor gänge in Bayern lassen für die Besprechung der ander weitigen innerdeutschen Angelegenheiten diesmal nur wenig Raum übrig, doch liegt auch zur Stunde nur wenig vor. Zu erwähnen ist die Rückkehr des Reichs kanzlers von Friedrichsruhe nach Berlin, und bringt man dieselbe theils mit den Ereignissen in Bayern, theils mit der bevorstehenden Fortsetzung der parla mentarischen Thätigkeit zusammen. Es heißt jedoch, daß der Aufenthalt des Fürsten Bismarck in Berlfir nur ein kurzer sein werde; über seine diesjährigen Badereisen ist noch nichts Sicheres bekannt. Belgien. Wenngleich die Psingstfeiertage in Belgien ohne die angekündigt gewesenen großen Ar beiterkundgebungen verlaufen sind, so präsentirt sich doch die Lage in diesem Lande fortgesetzt in gerade nicht besonders günstigem Lichte. Der am Pfingst sonntag in Brüssel stattgefundene Kongreß der Dele- girten der belgischen Arbeitervereine hat für den 15. August eine große Manifestation zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts und im Falle des Verbots derselben eine sofortige allgemeine Niederlegung der Arbeit in Aussicht gestellt — Grund genug zu neuen Besorgnissen. Dieselben erscheinen um so gerecht fertigter, als am Dienstag die Arbeit in den Kohlen gruben von Flenu fast vollständig eingestellt worden ist. — Die am Pfingstsonntag stattgefundenen Stich wahlen zur belgischen Deputirtenkammer sind in Ver- viers und Mons für die Liberalen günstig verlaufen, da hier deren Kandidaten wiedergewählt wurden, da gegen verloren sie in Chaleroi ihren bisherigen Sitz. Die neue Kammer wiro im Ganzen 98 Katholiken und 40 Liberale und Radikale zählen, so daß also das klerikale Ministerium Bernaert in derselben über eine geradezu erdrückende Mehrheit verfügt; eine Wen dung zu Gunsten des Liberalismus muß für die nächsten Jahre als ausgeschlossen betrachtet werden. Bulgarien. Zur Orientfrage liegt heute die be deutsame Nachricht von dem in Sofia stattgefündenen Zusammentritte der bulgarischen Sobranje oder Na tionalversammlung vor. Fürst Alexander eröffnete die Versammlung mit einer Rede, welche das An denken an die Heldenthaten der bulgarischen Armee in dem Kampfe mit Serbien preist und auch die Hin gebung und den Patriotismus des Bulgarenvolkes rühmend anerkennt. Die ganze Rede zeugte von un verkennbarem Stolze auf die Errungenschaften der bulgarisch-rumelischen Union. Der Fürst wurde bei seinem Erscheinen wie bei seinem Weggange aus der Versammlung von den Deputaten begeistert begrüßt. Frankreich. Die Ausweisung der Thronpräten denten aus Frankreich droht plötzlich in dem Senate ein ungeahntes Hinderniß zu finden. Am Dienstag wählten die Bureaux des Senats die Kommission zur Vorberathung der Prinzenvorlage, und ergab sich, daß sechs Kommissionsmitglieder Gegner und nur drei Mit glieder für die Ausweisung der Prinzen sind. Die Gesammtabstimmung in den Bureaux selbst ergab 116 Stimmen gegen und 109 Stimmen für die Vor tvk' „Wei-eritzSeitung'« «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern Iv Pfg. — Alle Postan kalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Ichtkitz-ZkltW Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein