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Amtsblatt für die königliche» Md Müschen Behörde« za Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redakteur Julins Braun in Freiberg. 1 r« / k andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mart 25 Pf., "v— -Z-V * « zweimonatlich IM. 5VPf. u. einnumaN. 75 Pf- - 31.Iahrga»,. - Dienstag, den 22. Juli. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom- - men und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle 1 oder deren Raum 15 Pfennige. - v Fürst Lirmark uud dir National-Liberalen. Noch kurz vor Schluß des Reichstages hielt Fürst Bis marck eine Rede, auf welche zur Orientirung über unsere politische Lage noch ost wird zurückgegriffen werden müssen. LaSker bezeichnete diese Rede mit Recht als eine Aus- einandersetzung zwischen dem Reichskanzler und der national- liberalen Partei. Bei Betrachtung derselben heben wir von vornherein als erfreulich hervor, daß der Reichskanzler die Erregung, welche ihn zuweilen beherrscht und die nach den heftigen Kämpfen der letzten Wochen wohl zu erklären ge wesen wäre, bemeistert hat und daß er alles, was ihn von seinen bisherigen Freunden trennt, so sachlich als nur mög lich behandelte. Auch die Thatsache können wir als erfreulich charak- terisiren, daß Fürst Bismarck sich in den bestimmtesten Ausdrücken gegen die ihm zugeschriebene Absicht einer Re aktion erklärte und die Befürchtungen, die in dieser Hin sicht laut gkworden sind, als ein „Teufel an die Wand malen" bezeichnete. Er wies nicht ohne Berechtigung darauf hin, daß er die Reaktion, wenn sie sonst nach seinem Sinne wäre, nach dem Jahre 1866 unter dem Eindruck der da mals erfochtenen Siege viel bequemer hätte haben können. Er habe sich aber gerade damals von seinen bisherigen konservativen Freunden getrennt. Ferner deutete der Jieichs- kanzler den Kulturkampf mit der Bemerkung an, daß^s sich um Erwägung der Mittel und Wege handele, die Gegen sätze zu mildern, ohne die Prinzipienfrage zu be rühren. Wir dürfen sonach in dem bei dieser Gelegen heit öffentlich ausgesprochenen Worte eine Gewähr dafür erblicken, daß der Gang nach Canossa, mit dem uns Manche schrecken wollen, vorläufig denn doch noch nicht angetreten wird. Wenn wir alle diese erfreulichen Momente gern hervor heben und sonach der Rede des Reichskanzlers uns un befangen gegenüberstellen, so müssen wir doch andererseits betonen, daß das, was Fürst Bismarck zur Erklärung seines Bruches mit der national-liberalen Partei vorbrachte, keines wegs ausreichte, um dieses Faktum hinreichend zu begründen. Der Reichskanzler behauptete zunächst, die national-liberale Partei habe die Reichsregierung „regieren" wollen. Dabei erwähnte er, daß ohne sein Vorwissen die beiden Prä sidenten des Reichstags und des preußischen Abgeordneten hauses in die ReichstagSsession eine Session des preußischen Landtags eingeschoben hätten. Was diesen Vorwurf an langt, so konstatirten die Herren v. Forckenbeck und v. Ben nigsen auf der Stelle: dieses Arrangement sei im Ein verständnisse mit mehreren Mitgliedern des preußischen Staatsministeriums erfolgt und letztere treffe allein die Schuld, wenn der Reichskanzler nicht rechtzeitig davon in Kenntniß gesetzt wurde. Die Anmaßungen der National-Liberalen, die Reichs- regierung regieren zu wollen, dürften aber ebensowenig be standen haben. Jedermann kennt ja die Nachgiebigkeit, welche diese Partei ost bis an die äußerste Grenze der Selbstverleugnung bethätigte. Und daß sie bei den Unter handlungen des Herrn v. Bennigsen mit dem Kanzler sich als zu anspruchsvoll gezeigt haben sollte, ist bei dem maß vollen Charakter jenes Politikers gleichfalls nicht anzu nehmen und müßte mindestens noch bewiesen werden. Der Reichskanzler wirft ferner den Liberalen vor, sie hätten sich rein negirend zu der gerade vorliegenden Frage verhalten; aber Herr v. Bennigsen hatte ja wochenlang mit ihm über einen solchen Vorschlag verhandelt! Fernerhin betont der Reichskanzler, er hätte bei der Finanzreform, die ihm so sehr am Herzen liegt, von den National-Liberalen die er forderliche Unterstützung nicht erhalten. Es ist allerdings zuzugeben, daß das Verhalten dieser Partei, welche in ihrer Mehrheit die liberale Sache als identisch mit dem Frei- handelssystem ansah, kein richtig«- war; aber daraus folgt noch lange nicht, daß eine Einigung nicht möglich gewesen sein sollte. In Bezug auf die Finanzzölle war dem Reichs kanzler sogar die Unterstützung unter bestimmten Voraus setzungen zugesagt worden. Endlich deutet der Reichskanzler auch auf die Ueber- tretbungen in der Presse, auf die Angriffe gegen seine Person, welche die Partei geduldet, auf die Banketrede Forckenbecks und die Rede Laskers über den Petroleumzoll als auf die Gründe hin, welche die Erkältung zwischen der Partei und dem Kanzler herbeigeführt. Nun mißbilligen wir zwar alle Uebertreibungen, mögen sie von dieser oder jener Seite ausgehen, und halten eS für wenig verdienstlich, die Leiden schaften anzufachen; aber nachdem die national-liberale Partei schon seit Jahresfrist von der offiziösen Presse auf das heftigste angegriffen worden ist, nimmt sich eine solche Beschwerde doch seltsam aus. Die Reden Forckenbecks und Laskers mögen das Maß zum Ueberlaufen gebracht, aber den Entschluß, mit den National-Liberalen zu brechen, sicherlich nicht hervorgerufen haben. Dieser Entschluß war bereits, wie die Haltung der Offiziösen beweist, früher gefaßt. Der rothe Faden, welcher sich durch die ganze Rede des Reichskanzlers hindurchzieht, ist die Behauptung: „Ich brauche eine große Partei, welche mich unterstützt, auf welche ich mich den vielen Reibungen gegenüber, die ich zu über winden habe, verlaffen kann, und diese Unterstützung habe ich bei den National-Liberalen nicht gefunden." Daß Fürst Bismark das Bedürfniß fühlt, sich auf eine große Partei zu stützen, um die Schwierigkeiten zu bekämpfen, welche ihm an anderer Stelle erwachsen, glauben wir gern. Der Einfluß dieses Mannes wird vielfach überschätzt; er hat bei den meisten seiner Schritte Hindernisse zu über winden, welche nur eine so energische Kraft, wie die seinige, bewältigen kann. Nun muß es selbst den stärksten Mann mürbe machen, wenn er bei Allem was er vornimmt nicht nur auf den Hof, auf seine Kollegen, auf die verbündeten Regierungen, auf tausenderlei geheime Einflüsse, welche mächtig gegen ihn arbeiten, sondern auch auf die verschiedenen Parteien in der Volksvertretung Rücksicht zu nehmen und mit ihnen zu paktiren hat. Dieser Zustand wird um so unerträglicher, je energischer und selbstbewußter der be treffende Staatsmann ist. Er braucht deshalb eine große Partei, die ihm Stütze gewährt; als eine solche bot sich ihm in den letzten Jahren die national-liberale dar; nicht gerade, weil ihm deren Programm besonders zugesagt hätte — denn Fürst Bismark ist niemals liberal gewesen und wir glauben sogar, daß die maßgebenden national-liberalen Führer ihm wenig sympathisch waren — sondern einfach, weil sie die mächtigste Partei darstellte und überdies den thatsächlichen Verhältnissen so weit Rechnung trug, daß sie manche ihrer Wünsche dem Reichskanzler opferte. Davon zeugen die vielen Kompromisse. Indessen verlor sie bei den letzten Wahlen zum Reichstage eine ansehnliche Zahl von Stimmen; sie war nicht mehr so mächtig wie früher; und in der Frage, welche dem Kanzler am wichtigsten er schien, in der Zoll- und Steuerfragt, ging sie völlig aus einander. Diese Trennung untergrub vollends ihren Ein fluß. Fortan kam diese Partei nicht mehr für den Reichs kanzler als ein Faktor in Betracht, mit dem man rechnen müsse. Er hatte sich ihr ja nicht aus inneren Gründen, sondern nur deshalb genähert, weil sie die stärkste war und ihm vielfach entgegen kam. Sobald beides aufhörte, verlor sie ihren Werth für ihn und von diesem Augenblicke an war innerlich der Bruch zwischen Beiden vollzogen. Vie Kunstausstellung in München. i. k. S. München, 19. Juli. Heute Morgen 11 Uhr wurde die zweite international« Kunstausstellung durch Prinz Luitpold von Baiern i» Namen und Auftrag des Königs Ludwig II. feierltchst er öffnet. Der Zutritt zu dieser Feierlichkeit war verhältniß» m ßig nur wenig Sterblichen gestattet, so daß fak aus schließlich die höchsten Kreise und die sogenannte Elite der Gesellschaft anwesend waren. Keiner Stadt des Kontinent steht ein so paffendes und geräumiges Gebäude für ein» Ausstellung zur Verfügung, wie unserm München, dessen Glaspalast schon manche Exposition beherbergte. Die Er öffnungsfeierlichkeit hatte schon kurz nach 10 Uhr daS Vestibül des erwähnten Palastes dicht mit Menschen gefüllt. Die Uniform herrschte natürlich auch hier vor. Außer der Generalität mit dem General v. d. Tann an der Spitze und dem sehr zahlreich erschienenen Offizierkorps gewahrsten wir die buntgestickten Galauniformen der Minister, Uni- versitätsprvfessoren, der höheren Staatsbeamten u. s. w. Auch das diplomatische Korps war fast vollzählig erschienen, dessen Mitglieder sich besonders durch ihre reichgestickten Uniformen auSzeichneten. Für alle anderen war Ballanzug mit weißer Kravatte vorgeschrieben; doch überwucherte die Uniform so sehr, daß man den Zivilanzug nur wenig bemerkte. In Letzterem erschienen Vie bairischen Volks vertreter, sowie die Aussteller. Außerdem war der Ein tritt nur für die Besitzer einer Saisonkarte gestattet. Daß die Vertreter der Presse der Feier beiwohnen durften, ver steht sich wohl ganz von selbst. Eine Empfangsdeputation, welche aus dem ersten Vorsitzenden des Ausstellungskomi tees, Herrn Konrad Hoff, dem zweiten Vorsitzenden Herrn Professor Wilhelm Ltndenschmidt, Herrn Professor Wagner, dem Erbauer der Festhalle Architekten Schmidt und ande ren Herren bestand, empfing die eintreffenden fürstlichen Herrschaften, welche auf einer Estrade Platz nahmen. Eine Festmusik mit Sätzen aus Wagners „Götterdämmerung" eröffnete die Festlichkeit. Sodann nahm nach zustimmender Kopfneigung des Prinzen Luitpold Herr Professor W. Ltn denschmidt zu der Einleitungsrede das Wort. Dieselbe, leider in dem akustisch ungünstigen Raum nicht überall verständlich, verbreitete sich über die Bedeutung der inter nationalen Kunstausstellungen und hoffte von dieser unter den Auspizien eines erhabenen Kunstmäzens eröffneten die kräftigste Förderung der Künste im Allgemeinen wie Segen und Erfolg für Baiern und für das gesammte deutsche Vaterland. Zum Schluß bat der Redner Se. kgl. Hoheit den Prinzen Luitpold um Vornahme der Eröffnungszere monie. In kurzen wohlgesetzten Worten, mit einem Hin weis auf die Verschwisterung der schönen Künste und ihr Zustandekommen vollzog der Prinz Luitpold im Namen und Auftrag Sr. Maj. des Königs die Eröffnung; ein dreifaches donnerndes Hoch auf den königlichen Protektor der Ausstellung folgte, die Musik spielte die Voltshymne, die Wasser sprangen und unter Vortritt des Prinzen Luitpold mit der Prinzessin Gisela am Arm begann die Versamm lung den Rundgang durch die Ausstellung. Für heute wollen wir uns nur mit einer kurzen Be trachtung des Jnnem des Glaspalastes begnügen. Der Glaspalast erscheint wie völlig umgewandelt; obwohl er seiner enormen Höhe wegen für eine Ausstellung von Ge mälden uns ganz ungeeignet vorkommt, ist doch nach dem Plane des Architekten Schmidt ein Haus im Hause herge« stellt, welches alles in dieser Beziehung bisher Geleistete weit übertrifft, sowohl was künstlerische Anordnung, als auch praktische Einrichtung und weise Oekonomie in der Ausnützung des Raumes betrifft. Ueber dem architektonisch schönen Brunnen in der Mitte des Glaspalastes wölbt sich ein majestätischer Kuppelbau fast bis zur vollen Höhe des 26 Meter hohen Glaspalastes; die tmitirte Architektur ist im Renaissancestil gehalten. Nach vier Seiten (nach dem nordöstlichen Haupteingange, nach den beiden LängSflügeln und dem Haupteingange gegenüber) erheben sich mächtige Bogen, unter denen sich bet den drei letzteren die Portale befinden, welche in die Abteilungen und zwar südöstlich und süowestlich in die deutschen und, nordwestlich in die ausländischen führen. In goldenen ^Lettern prangt über diesen Bogen das Dichterwort (in vier hier markirten Ab sätzen, anfangend über dem südöstlichen Bogen): „Zwischen