Volltext Seite (XML)
Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- iag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Annahm, »an Jnsriatin bt» »»»mittag i« Uhi. Inserat, w,rd,n mit w Pf. für di« Spaltztil« berechnet Tabellarischer Satz nach de- sond,r,m Tarif. Lokatzeilung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 101. Mittwoch, den 23. August 1905. 4. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Bttendorf-Vkrilla, 22. August zaos. — Viele Pilze, viel Schnee, heißt es im Dolksmund. Wer denkt aber wohl jetzt in diesen schönen Sommertagen an den kalten Winter. Und doch kommt man unwillkürlich darauf, will man den Prophczeihungen, die Uns die Natur in Bezug auf den kommenden Winter offenbart. Glauben schenken. Danach E man es als ein ganz sicheres Zeichen an- sehen, daß der bevorstehende Winter viel Schnee Und Külte bringen dürfe, weil in diesem Jahre die Pilze in ungewöhnlich großen Mengen und wieder auch die großen Pilzsorten überaus zahlreich wachsen. Die langjährigen Pilzsucher Und von ihren Prophezeiungen felsenfest überzeugt, ja sie gehen noch weiter, indem sie iagen, daß man auch die Kälte voraussagen kann, was man erkennt, wenn z. B. beim Abschneiden des Pilzes das Messer in dem Niel knirscht, wie auch in diesem Jahre be- »dachtet wurde. Dresden. Ein großer Brand entstand in der Nacht zum Sonnabend in der ersten Ltunde auf dem Grundstück Grunaer Weg 22 in Vorstadt Strehlen. Auf dem Grundstück steht ein dem Baumeister Ad. Schumann ge höriges, ein Stock hohes Fachwerkgebäude, dessen Kopfhäuten zu Wohnungszwecken eingerichtet sind, während sich in dem langgestreckten Mittelbau Werkstätten und ein Holzlager befindet. In diesem war das Feuer auf noch unaufgeklärte Weise ausgebrochen. An den hier befindlichen trockenen Nutzhölzern reichlich Nahrung findend, hatte es in kurzer Zeit den ganzen Mittelbau in Flammen gesetzt und auch beide Flügelbauten ergriffen. Die in tiefstem Tchlase liegenden Bewohner wurden erst durch das Prasseln, das der Brand verursachte, und den durch die Fenster dringenden Feuerschein auf die Gefahr aufmerksam. Der in dem linken Flügel allein wohnende Platzmeister konnte sich nur dadurch retten, daß er an einem an dem Hause befindlichen Spalier herab kletterte. Fast seine gesamte unversicherte Habe viel den Flammen zum Opfer. Die in dem anderen Anbau wohnende Familie vermochte Noch über die Treppe ins Freie zu gelangen Und ihre Habseligkeiten zu retten. Die troj de» langen Weges verhältnismäßig schnell ein- getroffene Feuerwehr konnte, da der Brand schon zu weit vorgeschritten war, nicht verhindern daß das lange Gebäude zum großen Teil ein geäschert wurde. Das Auslegen der über ÜOO-Meter langen Schlauchleitungen — zwe von Straßenfeuerhähnen und eine von der Dampfspritze — verzögerte die Löscharbeiten Um ein weniges. Auch in einer unweit der Brandstelle in der Windrichtung liegenden Gärtnerei wurde durch die gewaltige Glut ver schiedener Schaden angerichtet. Infolge der weithin sichtbaren Feuerscheins trafen auch eine Anzahl freiwilliger Feuerwehren, die das Feuer aus Landgebtet wähnten, aus den Nachbar gemeinden ein, sie brauchten aber nicht mehr Mit einzugreiscn. Die Bcrussfeuerwehr war Mit den Aufräumungsarbeiten bis früh nach 7 Uhr beschäftigt. — In der Nähe des Gasthofes zum alten Dessauer ereignete sich auf der Kesselsdorfir- straße in der Nacht zum Sonntag ein be dauerliches Unglück mit tödlichem Ausgang Der junge Gras Luckner auf Altfranken, ein lebhafter Anhänger des Automobilsportes, fuhr Mit seinem von einem Chauffeur gesteuerten Kraftwagen nach Hause. Vor den erwähnten Lokal lief ihm hierbei ein Ziegelkutscher seit wärts in das Fahrzeug und letzterer wurde derart verletzt, daß er nach einer halben Stunde starb. Der Verunglückte ist Familienvater. Graf Luckner holte einen Arzt und die Polizei selbst herbei und ließ Hülfe leisten und den Tatbestand feststellen, ehe er sich nach Hause begab. Eine Schuld trifft den Chauffeur an dem Unglück nicht. Graf Luckner hatte erst kürzlich das Unglück, einen falsch ausweichenden Radfahrer zu verletzen. Großenhain. Ein beklagenswerter Unglücks- all ereignete sich in der Nacht zum Sonnabend >eim hiesigen König Albert-Husaren-Negiment. )eßen 3. und 5. Schwadron hielt bei der Wistauder Mühle Nachtfelddienst ab. Eine von Unteroffizier Plümke geführte Patrouille etztgenannter Schwadron hatte den „Feind" erkundet, wurde aber bemerkt und durch Alarm- chüsse verscheucht. Plümke ging mit seinen Leuten zurück, sattelte ab und pirschte sich zu Fuß an den Gegner Hera''. Wie aus der Erde im Dunkel der Nacht gewachsen stand er plötzlich inmitten der feindlichen Sicherungs abteilungen und stieß zunächst auf deren vor- eschobenen Posten, einen Rekruten, der kurz orher den Alarmschuß zur Warnung der Seinen abgegeben und den Finger noch am Abzüge des Karabiners halte. Plümke rannte an den Rekruten an, der entsicherte Schuß der Platzpatrone ging los und riß Plümke ein vier Finger breites Loch in die Brust. Mit einem urcktbaren Schmerzensschrei brach der Schwer verwundete zusammen. Die Uebung wurde ofort abgebrochen und Plümke vorsichtig ins nächste Haus gebracht. Von Priestewitz ward als nächstwohnender der Arzt herbeigerufen und von Großenhain der Sanitätswagen des Regiments heranbeordnet. Die Sanitäter ühren im .Galopp an den Bestimmungsort, uden Plümke auf eine Tragbahre und transportierten ihn mittels dieser ins Großen- ;ainer Garnisonlazarett. Dort entfernte Herr Sanitätsrat Dr. Batsch die letzten Platz patronensplitter rc. mittels Operation aus der Wunde des Verletzten, der zwischen Tod und Leben schwebt. Um Plümke weint außer dem nächsten Verwandten eine Braut, die mit ihm dieser Tage zum Altar schreiten wollte. Die sofort eingeleitete Untersuchung hat festgestellt, daß der unglückliche Schütze, der wider Willen Plümke so schwer verwundete, ohne Verschulden ist. Herzogswalde. Aus der hiesigen Bahn station wurde nachts ein Einbruch verübt. Der Dieb hat von der offenen Wartehalle aus mittels Dietrichs die Türe zum Verwaltungs zimmer geöffnet Und dort den verschlossenen Tischkasten erbrochen. Dabei sind ihm Fracht gelder in Höhe von 60 Mark in die Hände gefallen. Falken b. Hohenstein-Ernstthal. Ein be dauerlicher Unglücksfall trug sich hier zu. Der 63 jährige Strumpffaktor Hermann Scherf aus Langenchursdorf war geschäftlich mit dem Rade auswärts gewesen und befand sich abends in der neunten Stunde wieder auf dem Heimweg, als er plötzlich auf der Dorfstraße in Falken in der Dämmerung mit einem mit Sand beladenen Geschirr eines Langenberger Gutsbesitzers zusammenstieß und vom Rade geschleudert wurde. Während das Fahrrad auf die Seite flog, kam Scherf unglücklicherweise unter den schweren Wagen zu liegen, .essen Näder über ihn hinweggingen. Der Bedauernswerte erlitt derartig schwere Verletzungen, daß er seinen Geist aufgab. Leipzig. Der Revolver hat am Sonnabend dreimal dazu dienen müssen, Lebensmüden das Dasein abzuschneiden. Ein 60jähriger Lehrer, ein 62 jähriger Tischler und der 39 jährige Rechtsanwalt Dr. Vietor Weidloff aus Warns dorf in Böhmen haben sich durch Erschießen entleibt. — Am 14. August wurden im Zehmene Rittergutswalde die Leichen eines Mannes un Frau, die an Schußverletzungen gestorben waren, aufgefunden; aber erst am Freitag ge lang es, deren Persönlichkeiten festzustellen. Wieder handelt es sich um ein Liebesdrama. Seit dem 12. d. Mts. hatte sich der Bäcker meister Eisenschmidt aus seiner in Mockau ge legenen Wohnung entfernt; gleichzeitig war auch die von ihrem Mann getrennt lebende, 22 Jahre alte Aug. Anna Schmalfuß aus Bitterfeld vermißt. Das Liebespaar ist auf Grund gemeinsamen Beschlusses in den frei willigen Tod gegangen. Lichtenstein. Der frühere Kantor Friedrich Heuter in Lichtenstein, welcher wegen seiner Zugehörigkeit zur separierten evangelisch- utherischen Kirche sein Amt aufgeben mußte, ;at eine Schulstelle in Winepeg in Kanada übertragen erhalten. Er ist mit seiner Familie dorthin übergesiedelt. Mülsen-St. Jacob. An Pilzvergiftung ind hier zwei Schwestern erkrankt. Eine ist nzwischen gestorben. Schönheide. Ucber das spurlose Ver- chwinden der zwölfjährigen Milda Ella Müller n Schönheide ist mitzuteilen, daß man trotz allen Suchens noch nicht die geringste Spur efunden hat. Man neigt deshalb der Meinung zu, daß die kleine Müller bei dem Baue der durch das Schönheider Staatsforst revier nach Rodewisch führenden neuen Wasser- eitung mit vergraben worden ist. Eine Wiederaufgrabung der betreffenden Teilstrecke wird daher unumgänglich erforderlich sein. Oelsnitz i. V. Nach dem Genüsse von Gurkensalat und neuen Kartoffeln erkrankte fier die in ihrer Vaterstadt zu Besuch weilende Fleischers-Ehefrau Selma Gräf aus Weida plötzlich an Brechdurchfall und sie erlag diesem Anfalle nach heftigen Schmerzen. Oberwiesenthal. Unter überaus zahlreicher Zeteiligung von diesseits und jenseits der ächfischen Grenze beging am Sonntag die allen Erzgebirgstouristen bekannte, freundlich gelegene Stadt Böhmisch-Wiesenthal das Jubiläum ihres 450 jährigen Bestehens. Aus der Woche. Der Laubfrosch, der in seinem Glase zu Porthmouth den Berichterstattern das politische Wetter ankündigt, sitzt gegenwärtig auf der obersten Sproße seiner kleinen Holzleiter. In die Friedensverhandlungen lächelt der Sonnen schein und er lacht auch wieder heraus. Aller dings haben sich die Delegierten die Arbeit insofern erleichtert (oder erschwert?), daß sie die schwierigen Punkte alle bis ans Ende der Beratung verschoben, und ihre bisherige Einig keit bezieht sich fast ausschließlich auf An gelegenheiten, in denen eine Uebereinstimmung herbeizuführen von vornherein nicht allzuschwer schien. Indessen muß man den lieben Himmel auch für Kleinigkeiten danken und einstweilen sind die politischen Schwarzseher durch den Fortgang der Portsmouther Friedensoer handlungen ins Unrecht gesetzt. Die gegen wärtige Methode der Verhandlungen ha übrigens auch den Vorteil, daß sich die Delegierten besser kennen und schätzen lernen, was ihnen bei Lösung ihrer späteren, schwereren Aufgabe sehr wohl zustatten kommen wird. Die Gastgeberin der Konferenz, die Unions regierung, tut ihr möglichstes, um ihre Gäste zufriedenzustellen. So hatte erst noch am Donnerstag der amerikanische Staatssekretär sowohl die russischen wie japanischen Bevoll mächtigten zum Tee zu sich eingeladen. Dort im geselligen Verkehr miteinander haben sich Ruffen und Japaner gut unterhalten, wenn gleich sich der Unterschied der Nationalität hier recht grell zeigte. Die Japaner nämlich nahmen den Tee ohne Rum, die Ruffen den Rum ohne Tee. — Japan sucht inzwischen noch mit so wenig Menschenverlust als möglich vom russischen Gebiete zu erlangen was möglich ist Selbst nach Kamtschatka strecken sich jetzt ihr Hände aus, jener Halbinsel, von der aus di Aleuten-Jnseln wie hingestreute Brosamen durch das Behringsmeer nach Nordamerika hinüber leiten. Was Japan mit dieser Halbinsel wil ist nicht zu sagen; vielleicht liegt ihm daran bis zum Friedensschluffe möglichst viel Faust pfand von russischem Gebiete in seinen Händen zu haben. China, auf dessen Grund und Boden bisher fast ausschließlich der mörderische Kampf zwischen den Halb- und Ganzafiaten ausgesochtm worden ist, steht grollend zur Seite, weil ihm die Teilnahme an den Ver- »andlungen verweigert worden ist. Ein großer 'eil der Mandschurei ist auf Jahre hinaus urch den Krieg ruiniert. Wer soll den Schaden tragen? Weigert sich Rußland schon, en Japanern, von denen es besiegt wurde, eine Kriegsentschädigung zu zahlen, so wird e» den Chinesen erst recht nichts gewähren. Es muß übrigens im Anschluß darauf hingewiesen werden, daß Japan trotz aller seiner Siege eine Machtmittel besitzt, um Rußland zur Anerkennung der Friedensbedingungen zu wingen. Selbst wenn Oyama in einem neuen Anlaufe LenewischS Heer völlig vernichten der gefangen nehmen würde, so ist doch Rußland tausend Meilen weit davon und braucht nicht zu fürchten, daß ihm, dem igentlichen Rußland, Japan eine bewaffnete Visite abstatten könnte. Für die Rückeroberung einer in Ostasien momentan verlorenen Stellungen wird es aber seine Zeit abwarten. )ie asiatische Politik Rußlands hat stets ge- eigt, daß Rußland warten kann und so dürfte es auch jetzt wieder der Fall sein. — Der Zar will in einer Proklamation den Erlaß einer Verfassung verkünden und daß Pobjedonoszew deren Verfasser ist, würde allein genügen, das Machtwerk zu kennzeichnen. Zum Ueberfluß wird der hauptsächlichste Inhalt dieser Verfassung bekannt gegeben und zeigt, daß diese ein Messer ohne Klinge ist, dem das Heft fehlt. Da die Flotte Rußlands total vernichtet ist und somit die Gefahr droht, daß in der Ostsee allerlei Unordnungen einreißen könnten, so haben die Engländer ihr Kanal geschwader entsandt, damit dieses in der Ostsee nach dem Rechten sehe. Die staatliche Reihe der englischen Linienschiffe und Kreuzer wird für die Deutschen, die so etwas noch nie ge sehen haben, eine starke Anziehung bilden und so gebührt den deutschen Bahnverwaltungen Dank, die Extrazüge nach Swinemünde und Danzig einrichten, um die Besichtigung der englischen Kriegsschiffe zu ermöglichen. Die Engländer panzern ihre Schiffe mit Stahl und bepflanzen sie mit schwerem Geschütz, so daß man sie „schwimmende Festungen" nennen könnte. So etwas ist sehenswert. Offiziere und Matrosen dieser Flotte sprechen meist englisch, und man darf sie nicht reizen, was sich etwaige deutsche Besucher der englischen Flotte merken wollen. Ueberhaupt behandle man diese Leute wie rohe Eier, denn sie haben Schiffe und Kanonen bei sich: man lade sie möglichst viel ans Land zu Festlichkeiten und Spielen, bewirte sie gut, spreche zu ihnen von unserer Freundschaft zu England, erinnere an die alte Waffenbrüderschaft — aber mit Vorsicht I — und dann wird es möglich sein, sie nach einiger Zeit wieder zum Verlaffen der Ostsee zu bewegen, ohne daß sie uns Schaden zugefügt haben. — Die Norweger haben sich mit einer dicht an die Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit in geheimer Abstimmung für die Trennung von Schweden ausgesprochen. Das ist ihre Sachei Die bloße Vermutung aber, daß ein deutscher Fürst den vakanten Thron der Noren besteigen könnte, hat besonders in England ein allgemeines Wutgeheul entstehen laffen und das gab einem zuweilen zu halb amtlichen Verlautbarungen benutzten Preß- organ Süddeutschlands die Veranlassung, zu versichern, daß an dem Gerüchte von einer deutschen Kandidatur für den norwegischen Thron auch kein wahrer Fetzen seil Wozu nur dieses Eifern? Co lange Deutschland ohnmächtig und zerrißen war, lieferte es fast allen europäischen Thronen die Herrscher. Portugal, England, Dänemark, Rußland, Rumänien, Bulgarien haben Fürsten deutscher Abstammung. Aber wie die deutschen in Amerika und sonst im Auslande nur allzubald ihr Deutschtum vergeßen, ebenso ist's mit jenen Fürsten, von denen sich nur allzuviele in ihrer Deutschenfeindschaft garnicht genugtun können! Also wozu der Lärm?