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Dresdner Journal : 27.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190210276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19021027
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19021027
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-27
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 27.10.1902
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ve,ug«Hret»: v«» Bezüge durch die k.i.sailsa,« iuueryat» Zee-dea» 2,SO M (rinschl. Zulraguoa), durch die ^»k im Deulschen Reiche r M. (aaljchließlich Bestellgeld) vierteljährlich. Herausgegeben von der König!. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheine«: Werktag- nachm. t Uhr — Origiualberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckl werden. M 250. Montag, den 27. Oktober nachmittags. Dresdner S Munal. Einzelne Nummern 10 Pf. wird Zurückseuduna der für die Schriftleitung bestimmten, «brr von dieser nicht ein- arforderten Beiträge bean sprucht, so ist da« Popgelv beizufügen. AukündtgnngSgebührr»: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gehaltenen Änkündi- gungS-Seite oder deren Raum io Pf. Bei Tabellen» und Zisfernfatz S Pf Ausschlag für die Zeile. Unterm Re- daktionSstrich (Eiligesandt) die Tertzcile mittier Schrift oder deren Raum LV Pf. Gebühren - Ermäßigung bet vfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi« mittag« 12 Uhr für die nach mittag- erscheinende Nummer. 1902. Amtlicher Teil. St. Majestät der König haben dem Kaufmann und Fabrikbesitzer Bruno Dathe in Dresden das Prädikat „Königl. Hoflieferant" Allergnädigst zu ver- lechtn geruht. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Armenkassen-, Kirchkassen- und Schulkassen- kassicrer Seifert in Altstadt Borna das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Sc. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Briefträger a. D. Erler in Frankenberg das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen Ernennungen, Versetzungen ie. im öffent lichen Dienste. Im GeschLftsbereich, deS Ministeriums de« -ultn» u. öffentl. Unterrichts. Zu besetzen: Ostern die s.ständ. Lehrerstelle in Briesnitz. Koll.: Das Ministerium der Kultus re. Ansangsgehalt 1300 M., 2700 M Höchst gehalt, das nach dem 24. am Orte verbrachten Dienstj. erreicht wird; 400 M. Wohnungsgeld f. verh., 300 M. f. unverh. Lehrer Gesuche m d. erforderl. Zeugnissen, auch über musikal. KesLhigung (Ausweis über das MilitärvcrhältniS b. Hilfs lehrern), sind bis 1S. Nov. b Bezirksfchulinspektor s. Dresden II, Schulrat Fink, Gerokstr. 2S, einzureichen. (vehördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Vie Lage der deutschen Eisenindustrie. In unserem Schutzzollsystem bilden die Eisenzölle gewissermaßen die Grundlage; von ihnen ist seiner zeit die im Jahre 1879 unternommene Zolltarif- resorm ausgegangcn. Es ist deshalb von allge meinem Interesse, die Wirkung unserer Schutzzoll politik auf dem Gebiete der Eisenindustrie zu beobachten, und hierzu bietet der von dem Abg. Letocha verfaßte Bericht über die Kommissionsver handlungen, soweit sie sich auf die Positionen des Abschnittes 17u Eisen und Eisenlegierungen beziehen, reiche Gelegenheit Danach hat sich unsere Eisen und Stahlindustrie unter dem seit 1879 eingeführten und im neuen Tarife beizubehaltendcn Zollsätze für Roheisen und nicht schmiedbare Eisenlegierungen von 1 M und für Rohluppeneisen von 1,50 M. überaus glänzend entwickelt. Denn unsere Roheisenerzeugung hat im Jahre 1878 nur wenig über zwei Millionen Tonnen betragen, ist aber bis zum Jahre 1900 stetig aus fast acht und eine halbe Million Tonnen gestiegen und hat bis dahin prosperiert. Im Jahre 1901 ist aber bereits ein Rückschlag eingetreten, dessen Bedeutung nicht überschätzt werden dars Beispielsweise ist in Obcrschlesien die Ge winnung von Roheisen um rund 12'4, Proz. zurück gegangen. Dagegen hat die Einfuhr von Roheisen in den Jahren 1898 bis 1900 von 384 561 auf 726712 t zugenommen, sich also verdoppelt. Würde man den bestehenden Zoll jetzt aufheben oder auch nur ermäßigen, dann würde die deutsche Industrie der ausländischen nahezu prcisgegeben werden, da England und Amerika, Canada und Schweden Norwegen im stände sind, ihre Roheisen- und Stahl- erzeugnisse auf den deutschen Markt zu Preisen zu bringen, die unter unseren Selbstkosten liegen. Die deutsche Eisenindustrie hat zwar einen hohen Grad technischer Vollkommenheit erreicht und die Fort schritte der Technik sind auch in der Stahlindustrie so groß, daß der deutsche Stahl der beste der Welt Kunst und Wissenschaft. König!. Schauspielhaus. Am 20. d. Mts., mittags 12 Uhr: Matinee der „Litterarischen Gesellschaft". „Amphitryon", ein Lustspiel in drei Akten nach Moliere von Heinrich v. Kleist. Sie würden nicht wenig den Kopf geschüttelt haben, die Männer vom Eingang des neunzehnten Jahrhunderts, die sich, als 1807 Kleists „Amphitryon" zuerst hier in Dresden gedruckt und von Adam Müller hcrausgegeben worden war, in Gunst und Abgunst, in Bewunderung und Zweifel über die wundersame Schöpfung vernehmen ließen, wenn ihnen einer vorausaesagt hätte, daß fast «in Jahrhundert später das von Kleist zu einem ernsten, feierlichen Spiel, einer Art Mysterium, erhobene geistreich übermütige Schclincnftück des Franzosen lebendig auf den Brettern erscheinen sollte. Auch wer sich seiner Zeit enthusiastisch darüber aussprach, wie Friedrich Gentz, der sich in Karlsbad bemühte, Goethe zu seiner Meinung herüberzuziehen, der setzte voraus, daß Kleist, indem er das Grundmotiv von Molares Komödie in eine höhere Rcgion erhob und die Gestalt der Alkmene durch Innigkeit und rührenden Seelen schmerz verklärte, auf jede Darstellung Verzicht geleistet habe. Und Goethe, der es nach einem Brief an Adam Müller „durchaus schwer fand, das rechte Wort zu finden" und der in der gewaltsamen Zusammenfügung antiker und moderner Elemente „keine neue Organisation und allenfalls nur ein wunderliches Symbol, wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt", erkannte, rechnete den „Amphitryon" unzweifelhaft zu den Werken, bei denen e« ihn mit Bekümmernis erfüllte, junge Männer von Geist und Talent auf ein Theater warten zu sehen, welches da kommen soll. Doch da die Stel lung Kleists in unserer Litteratur im Verlauf des letzten ist. Auch geschulte Arbeitskräfte stehen der Industrie genugsam zur Verfügung. Aber das alles genügt nicht, um die wirtschaftlichen Vorteile auszu gleichen, deren das Ausland bei der Eisenerzeugung und Eisenverarbeitung sich erfreut. Dem Auslande, insbesondere England, Amerika, Canada sowie Schweden und Norwegen, stehen bessere Eisenerze zur Verfügung; in Großbritannien sind zudem die Eisen erze und Kohlen dicht beieinander und unmittelbar an der Küste gelagert. Hierzu treten noch erhebliche Ausfuhrerleichtcrung seitens des Auslandes. Diese unleugbaren Vorteile verringern die Selbstkosten und erleichtern den Wettbewerb uns gegenüber. In Deutschland liegen die Erze und Kohlenlager meist weit von einander entfernt; cs entfallen daher 28 bis 30 Proz. der Herstellungskosten unseres Roh eisens auf Frachtauslagcn, während man in Groß britannien dafür nur 9 bis 10 Proz. rechnen kann. Oberschlesicn vermag überhaupt Roheisen unter an nähernd 60 M. für die Tonne kaum herzustellcu, während in England die Selbstkosten nur etwa 40 M. betragen. Der jetzige Eingangszoll von 10 M. ist also nur gerade hoch genug, um einiger maßen den Unterschied in der Roheisenerzeugung zwischen Deutschland und namentlich Obcrschlesien und England auszugleichcn Noch gefährlicher aber gestaltet sich für unsere inländische Eisenindustrie die industrielle Entfaltung Amerikas und Canadas. Unter dem Schutze des Mac Kinley- und des Dingley- Tarifs haben sich in Nordamerika überaus kapital kräftige Trusts gebildet, welche die Entwickelung der Eisenindustrie ungemein gefördert haben. Nach dem Stande vom 1. Februar d. Js. wird die nord amerikanische Eisenerzeugung bereits auf 18 Mill. Tonnen berechnet, so daß sie heute schon die gesamte Gewinnung von Roheisen in Deutschland und Groß britannien übersteigt. Bei dieser ungeheuren Pro duktionssteigerung, an der auch Cauada tcilnimmt, muß auf einen stark gesteigerten Wettbewerb jener Länder auf dem europäischen Markte gerechnet werden. Die deutsche Eisenindustrie kann erfahrungsmüßig nur unter dem Schutze eines Zolles gedeihen. Von der Mitte der vierziger Jahre bis 1865 hatten» wir hohe Schutzzölle auf Eisen und Eisenwaren. In jener Zeit hat sich unsere Eisenindustrie sozusagen aus Kinderschuhen langsam aber stetig entwickelt. Von 1865 ab aber begann eine allmähliche Herabsetzung der Eisenzölle, bis nach verschiedenen Zwischcnstaffelu der Zolltarif des JahrcS 1873 die Aufhebung des Roheisenzolles sowie die Ermäßigung der übrigen Zollsätze und vom 1. Januar 1887 ab die Zoll frciheit für fast alle Erzeugnisse der Eisenindustrie brachte. Die Folge davon war, daß der bis 1873 erfolgte große Aufschwung ebenso schnell zurückging. Denn von da ab war es England, das den deutschen Bedarf an Eisen und Eisenfabrikatcn zum großen Teile deckte, weil es seine billig hcrgcstellten Ueber Produkte zollfrei bei uns cinführen konnte. Der Niedergang der deutschen Eisenindustrie hat erst wieder mit der Einführung des bestehenden Zolltarifs aufgehört. Von da ab datiert der allmähliche, sich immer glänzender entfaltende Aufschwung nicht nur unserer Eisenindustrie, soudern der vaterländische» Industrie überhaupt. Der Eisenzoll ist — und das haben gerade die Erfahrungen gelehrt — die Grundlage unseres Schutz zollsystems. Die Abschaffung des Eisenzolles war es, die auf unser ganzes wirtschaftliches Leben schädigend eingewirkt hat; seine Wiedereinführung hat großen Anteil auch an dem allgemeinen wirt- HalbjahrhundertS so wesentlich gewandelt worden ist, da des Dichters Biograph Adolf Wilbrandt nicht nur Recht mit dem Wort behält: „ein merkwürdiger Versuch, an dem das Genie mit seinen Kräften nicht gespart hat, wird der Amphi tryon immer bleiben", sondern auch überzeugend darthut, daß Heinrich v. Kleist in diesem „Lustspiel" seinen dramatischen Stil zuerst gefunden hatte, so konnte eine litterarische Gesellschaft, die das abnorm Eigentümliche, das Problematische, das innerlich Mächtige, aber nicht ganz Ausgereifte, das Geniale, das in nachtwandlerischer Sicherheit am schmälsten Grad des Möglichen hin schreitet, eben nicht abzulehnen braucht, nicht leicht eine glücklichere Wahl treffen, als daß sie diesem poetischen Werke des großen Dichters einmal zu theatralischem Leben verhalf. Welch einen Kern von warmem, von höchstem und reinstem Lebensgefühl, welch eine ergreifende Mischung von Wehmut uni» Rührung mit toller Lust und genialem Humor, welch einen Glanz, welche Schlag kraft, welche Feinheit des dramatischen Ausdrucks hat der angebliche Moliereübersetzer dem „Amphitryon" aus seinem eigensten Vermögen gegeben. Der träumerische Ernst, der sich am liebsten in die letzten Rätsel des Daseins versenkt, der behagliche Scherz, der seine Freude an den volkstümlich komischen, ja burlesken Sosiasscenen hat, schmelzen nicht völlig in eins, aber sie sind so reich, in so ergötzlichem Wechsel beisammen, daß sie uns den ganzen Kleist spiegeln. Seinen dramatischen Stil hat der Dichter m diesem Jugendwerke gefunden. „Einen Stil, sagt Wilbrandt, der sich weder an Goethe, noch an Schiller anlehnte, und doch auf dem Wege dieser Meister fortging, aber in be wußtem Streben, die freie Nachahmung der Natur nie und nirgends dem Vers zu Liebe zu unterdrücken." Ich meine, daß auch schon im „Amphitryon" zu dieser Eigenart die andere tritt, daß der Dichter seelische Regungen, letzte Geheimnisse des Gefühls, die die Musik des Verses und der Reiz des malenden Wortes nicht schaftlichen Aufschwünge. Durch den Niedergang nuferer Eisenindustrie vor fast 30 Jahren sind nicht nur hunderttauscnde von Arbeitern dieser Industrie brotlos geworden, sondern das Ausblasen der Hoch öfen und das Einstellen der Httttcnbctriebe hat auch eine teilweise Einstellung des Eisenerzbergbaues und eine Einschränkung der Kohlenförderung zur Folge gehabt uud sämtliche Eisenverbrauchsindustrien bcein trächtigt. Das ganze wirtschaftliche Leben beruht eben mehr oder weniger auf der Eisen- und Kohlen industric. Diese beiden Industrien bilden gewisser maßen das Rückgrat unseres industriellen Betriebes. Sie sind im großen und ganzen für die Höhe der Gesamtarbeitslöhne maßgebend. Beim Gedeihen und Blühen dieser Industrien steigen die Löhne, beim Rückgänge fallen sie reißend, so daß das Gedeihen und der Niedergang dieser Industrien als Gradmesser für das Wohl und Wehe nicht etwa bloß des Arbeiter standcs, sondern anch des Mittelstandes, ja der allgemeinen Wohlfahrt gelten können. Tngesgeschichte. Dresden, 27. Octobcr. Am gestrigen Sonn tag besuchte Se. Majestät der König mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde den Vormittagsgottcsdienst in der Hauskapclle zu Hosterwitz und nahm nachmittags an der Familien täfel bei den Kronprinzlichen Höchsten Herr schäften in der Villa Wachwitz teil. — Heute vormittag kam Sc. Majestät der König von Hostcrwitz ins Residenzschloß, um Re- gierungsgcschäfte zu erledigen Allerhöchstdcrselbe hörte die Vorträge der Herren Staatsministcr, der Dcpartcmcntschcfs der Königl. Hofstaaten und des Königl. Äabinettssckrctärs, nahm militärische Mel dungen entgegen und erteilte den nachgenanntcn Herren zu Dankabstattungen bez. Meldungen Audienz: dem geh. Medizinalrat Prof. Or. Marchand-Leipzig, dem geh. Ockonomierat Vollsack Cospuden, dem Landgerichtsdirektor Justizrat Or Groß, dem Ober kirchenrat Superintendent vr. Michel, dem Pros. Ler Theologie Jhmcls und dem Baurat Scharenbcrg Leipzig, dem Amtsrichter Scholze-Bischofswerda, dem Landrichter Stoß Dresden, dem Waisenhansdircktor vr. nwä. Meißner und dem Obcrturnlchrer Schütz Leipzig. Nachmittags !46 Uhr wird Se. Majestät in den Gemächern der II. Etage des Königl. Residcnz- schlosseS Se. Excellcnz den Königl. Württembergischen Staatsministcr der auswärtigen Angelegenheiten und Minister der Familienangelegenheiten des Königl. Hauses Frhrn. v. Soden mit seinem Begleiter geh. Legationsrat Kammcrherrn Frhrn. v. Linden in feierlicher Audienz empfangen. Der Hr. Staats minister erscheint in außerordentlicher Mission zur Ucberbringung der Antwort seines Souveräns auf die Notifikation der Thronbesteigung Sr. Majestät des Königs. Der Empfang findet in Gegenwart des Staatsministers der auswärtigen Angelegen heiten v. Metzsch, Excellcnz, und der Herren des Königl. Dienstes statt. Unmittelbar darauf wird Se. Majestät den Königl. Württembergischen außerordentlichen Ge sandten und bevollmächtigten Minister Frhrn. Varn- büler v. und zu Hemmingen behufs Entgegennahme seines neuen Beglaubigungsschreibens ebenfalls in feierlicher Audienz empfangen. Aus diesen Anlässen wird vor den Gemächern Sr. Majestät des Königs eine Paradewache des Königl. Gardereiter Regiments auftreten, die den Herren der außerordentlichen ausdeuten können, im herüber- und hmüberstiegendcn Laut der Rede und Gegenrede, im aufblitzendcn und rasch wechselnden Bild und Gegenbild, in der Wechselwirkung von Frage und Aus ruf überraschend enthüllt. Und jene dritte, das der Dichter in scheinbar breiter, behaglicher Aus führung der Scenen nicht nur die psychologische Ent wickelung, sondern auch die Handlung unablässig zu schwellen und weiter zu treiben vermag, ohne äußerer Hilfsmittel benötigt zu sein. Gewiß gelingt es Kleist hier, in diesem seiner eigenen Phantasie und seinem Ge fühl nur halb gehörigen Spiel nicht völlig, die Dis harmonie der antiken Göttcrfabel, seiner besonderen Auffassung und unserer unmittelbaren Empfindung zu lösen. Aber es ist doch auf der anderen Seite eine solche Ueberfülle lebendiger Kraft, ein so unerschöpflicher Reichtum poetischer Schönheiten und Feinheiten in dem Werke, es entfaltet sich in ihm bereits der unwidersteh liche Reiz der Kleistschen Ursprünglichkeit, die mit aller Plastik, allem malerischen Realismus und aller drama tischen Steigerung durchaus aufs Gemüt wirkt und wirken will, daß wir den genialen Versuch in unserer Litte ratur nicht missen möchten, und nur dankbar dafür sind, ihn nun auch einmal mit Augen geschaut zu haben. Der Generaldirektion der Königl. Hofbühnen gebührt der entschiedenste Dank zu dieser Vorführung eines litterarisch wertvollen, hochinteressanten Werkes, das den noch aus naheliegenden Gründen nicht Eigentum der öffentlichen Bühne werden kann, die Hand geboten zu haben. Die Litterarische Gesellschaft aber hat damit einen weit rühmlicheren und dankenswerteren Griff gethan, als mit der Vorführung irgend eines ergrübelten, erpreßten, unnatürlichen und unerquicklichen Werkes von gestern und heute, das keinen Eindruck hinterläßt. Auch wer Kleists „Amphitryon" nur nach seiner fragwürdigen Seite erkennt und sich über die Disparität des mystischen Vor gangs, des schmerzlichen Verlangens des ZcuS nach Mission und dem Hrn. Gesandten die militärischen Ehrenbezeugungen erweist. Im Anschlusse an diese Audienzen findet bei Sr. Majestät im Residcnzschlosse Königliche Tafel statt, zu der die Königl. Württembergischen Herren sowie der Königl. Staatsministcr v. Metzsch, Excellenz, mit Einladungen beehrt worden sind. An dieser Tafel nimmt auch Ihre Königl. Hoheit die Prin zessin Mathilde mit Höchstihrcn Damen teil. Abends wird Se. Majestät der König mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde nach Villa Hostcrwitz zurückkehren. — In der nächsten Woche gedenkt Se. Majestät dcr König die Stadt Leipzig zu besuchen und dortselbst vom 4. bis mit 6. November zn weilen. Dresden, 27. Oktober. Se. Königl. Hoheit dcr Kronprinz folgte heute einer Einladung des Rittergutsbesitzers Or. Harck zur Jagd auf Scuß- litzcr Revier. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät dcr Kaiser traf gestern morgen 7 Uhr 45 Min. aus Blankenburg wieder hier ein und begab Sich nach dem Königl. Schlosse. Um 11 Uhr wohnte das Kaiserpaar der Einweihung der Bethanienkirche in Neu-Weißensee bei. Die Anfahrtstraße (Prenzlauer Straße, Prenzlauer Ehausee rc.) war festlich geschmückt und vom Publikum dicht besetzt. In Neu-Weißensee waren Ehrenpforten errichtet worden, Schulen und Vereine bildeten Spalier, darunter der Kreis-Kriegerverband Nieder Barnim mit allein 94 Ver einen und 74 Fahnen. Auf dem Mirbachplatz vor der Kirche, einem schönen Bau märkischer Gothik in Kalk stein und Backstein mit massigem Turm, stand eine Ehrencompaanie mit Fahne und Musik vom Alexander- Regiment. Palmen und Blattpflanzen sowie Flambeau- Pyramiden zierten den Eingang zum Hauptportal.- Hier hatten sich eingefundcn: die Minister Frhr. v. Rhein baben und vr. Studt, Hausminister v. Wedel, Vor sitzender des Evangelischen Kirchenbauvereins Wirkl. Geh. Rat Weymann, Präsident des evangelischen Oberkirchen rats vr. Barkhausen, die Vorsitzenden der Bau-Kom mission der Bethanienkirche Oberhofmeister Frhr. v. Mir bach und Amtsvorsteher Feldtmann, die Geistlichkeit, Deputationen der politischen und kirchlichen Gemeinde vertretung und des Kirchenbauvercins, ferner Generaloberst v. Hahnke, General v. Höpfner, Oberpräsident v. Beth mann-Hollweg, Landrat v. Treskow, die Erbauer der Kirche Geh. Rat v. Tiedemann und Regierungs-Bau- meister a. D. Leibnitz, Oberbürgermeister von Berlin, Kirschner Unter dem Geläute der Glocken und den Hurrarufen des Publikums erschienen die Majestäten im offenen Vier spänner mit Spitzenreiter, eskortiert von zwei Halb schwadronen der Moabiter Ulanen. Der Kaiser schritt die Front der präsentierenden Ehrencompagnie ab und begrüßte dann mit der Kaiserin die Anwesenden. Mit den Majestäten trafen ein: Oberhofmeisterin Gräfin v. Brockdorff, Palastdame Gräfin Keller, Hofdame Frl. v. Gersdorff, Kammerherr Graf Keller, ferner Obcrhofmarschall Graf zu Eulenburg, General der Infanterie v. Plessen, General ü I» suite v. Löwenfeld, Flügeladjutant Hauptmann v. Friedeburg, Chef des Militärkabinetts Graf v. Hülsen-Haeseler, Chef des MarinekabincttS Admiral Frhr. v. Senden-Bibran, Ober stallmeister Graf v. Wedel. Amtsvorstcher Feldtmann begrüßte das Kaiserpaar, indem er den Dank der Gemeinde aussprach und hervorhob, was Kaiser und Kaiserin für Berlin und seine Vororte in evangelischem Sinne gewirkt hätten, habe Tausende zur Nachfolge be geistert. Die treue und dankbare Gemeinde werde fest halten an dem Wahlspruche: Fürchtet Gott, ehret den König! Das Töchterchen des Rektors Steller sprach ein Gedicht und überreichte der Kaiserin einen Strauß. Nach der Zeremonie dcr Schlüsselübergabe betraten die Maje stäten das Gotteshaus unter den Klängen des Nieder irdischer Liebe, und der derben Komik im Spiel des Schelmen Sofias mit seinem anderen Ich, dem in Sofias Maske austretenden Hermes, nicht hinaussetzen kann, wird doch zugestehen, daß er den Eindruck genialer Ursprüng lichkeit und ein Erkleckliches an geistvollen und ergötzlichen Einzelheiten davongetragcn hat. Die Darstellung des Werkes kann der Zwiespältigkeit, die aus dem seltsamen Bunde von Moliöre und Heinrich v. Kleist erwächst, auch bei der größten Liebe und Hin gebung nicht ganz entrinnen. Das Mysterium und die Burleske lösen einander ab und die Kunst, beide Saiten ineinander klingen zu lassen, ist beinahe so schwer zu erreichen, als die mimische Schwierigkeit zu überwinden ist, die Gestalten des Jupiter und des Amphytrion, des Merkur und des Sofias einander zum Verwechseln gleichen zu lassen. Am glücklichsten, ergreifendsten und von dem innersten Geist der Dichtung erfüllt, löste die Darstellerin der Alkmene, Frl. Politz, ihre Aufgabe Die Gestalt des jungen Weibes in Glück und Leid, die, ein holdestes Geheimnis der Natur, selig in der Enge ihrer irdischen Neigung ist und selbst im Anne des Götter- vatcrS nur den geliebten Amphitryon sieht und erkennt, brachte die Künstlerin mit voller Anmut und ergreifender Einfachheit zur Erscheinung Vorzüglich in ihrer Art waren die Heren Ren« (Merkur) und Gunz (Sofias), von denen namentlich der letztere die volle Komik des schlauen und plattbehaqlichcn Gesellen mit ebensoviel glücklicher Laune als charakteristischer Schärfe zum Ausdruck brachte. Die Herren Blankenstein (Jupiter) und Decarli (Am phitryon) kämpften ehrlich mit dem Problem ihrer Aehnlichkcit und ihrer Grundverschiedcnheit, wobei Hr. Blankenstein immer noch dcr Gewinnende war, Hrn. Decarli wollte cS nicht recht gelingen, durch den berechtigten Zorn des geprellten Gemahls einer den Helden, den Mann, dcr die Liebe aber Alkmene verdient und ZcuS zum Trotz be hauptet, hindurchleuchten zu lassen. Die Wiedergabe der Charis durch Frl. Schcndlcr war entschieden mehr
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