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Jedenfalls dürfte die preu ßische Vorlage in einer nicht unwesentlich verän derten Form den Justizausschuß des Bundesraths verlassen. Einstweilen scheint man vor Allem nur darauf Bedacht zu nehmen, daß keine Mit- theilungen über die Verhandlungen des Justiz ausschusses in die Oeffentlichkeit dringen. Der Schwerpunkt des Interesses wird nunmehr in den Bundesrath selbst fallen; derselbe wird morgen (Dinstag) zu einer Sitzung zusammentreten, um die Vorlage in Berathung zu nehmen. Von einem alten preußischen Juristen sind übrigens jüngst in der „Schlesischen Zeitung" mehrfache Abände rungsvorschläge gemacht worden, die schon des halb, weil sie das einflußreiche confervative Organ Schlesiens veröffentlicht, Beachtung verdienen. Für den K 1 des Socinlistengesetzes schlägt er folgende Fassung vor: „Vereine, in welchen socialdemo kratische, auf Umsturz der bestehenden Staats- und Rechtsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden oder die Eintracht der Bevölkcrungskiassen gefährdenden Weise zu Tage treten, sind zu verbieten." ß 9 lautet: „Ver sammlungen, von denen anzunehmen ist, daß sie Bestrebungen rc." Hier schlägt er vor: „Ver sammlungen, denen nachzuweisen ist rc." Darnach hätten die Behörden ein wesentliches Erforderniß zum Verbote, den Nachweis, stets beizubringen. Es bedarf eine solche Fassung wohl derUeberle- gnng. Wenn gegen eine Versammlung gegrün deter Verdacht vorliegt, wird es doch mitunter schwer gelingen, den geforderten Nachweis sofort zu erlangen, weshalb daun vielleicht in vielen Fällen der Zweck des Gesetzes ein verfehlter wird. Ilm der Socialdemokratie wirksam entgegenzutre ten, ist es wohl nöthig, den Behörden gewisse Rechte und Befugnisse in die Hand zu "geben, nur sollte man stets auch die richterliche Controls über die ausübenden Behörden bestehen lassen. Unser Kaiser ist am 23. August Abends von Teplitz wieder abgereist, um seinen Aufenthalt in Gastein zu nehmen. Die Bürger-Ehrenwache und die freiwillige Feuerwehr bildeten Spalier. Der Kaiser fuhr im offenen Wagen kurz vor 8 Uhr, von dem lebhaftesten Hoch- und Lebewohlrufen der Bevölkerung begleitet, durch die festlich geschmück- ten Straßen nach dem Bahnhofe, wo sich der Bürgermeister Uherr, der Regierungsrath Mer- beller, der Major Pfisterer und der Pastor Lummtzer zur Verabschiedung eingefundcn hatten. Der Kaiser zeichnete die Vorgenannten und viele der gleichfalls am Bahnhofe erschienenen deutschen Kurgäste durch huldvolle Ansprachen aus, bis der Moment des Einsteigens nahte. Um 8 Uhr Diustag, 27. August 7 Minuten verließ der Zug den Bahnhof; die am Bahnhof und an beiden Seiten der Bahn linien postirten, dicht gedrängten Menschenmasien riefen dem Kaiser nicht enden wollende Scheide grüße nach. Für die Armen der Stadt ließ der Kaiser ein Geschenk von 1000 Mark zurück. Am 24. traf er in Gastein in einem vierspännigen offenen Wagen wohlbehalten ein. Am Eingänge zu dem Kurorte wurde er von dem Reichskanzler, vor dem Badeschloffe von der Gemeinderspräsen- tation, der Kurcommission und hervorragenden Kurgästen begrüßt und bewillkommnet. Die Stadt war reich niit deutschen und österreichischen Flaggen geschmückt. Ueberall wurde der Kaiser mit ju belnden Zurufen begrüßt. Eine Anzahl Damen überreichte Blumensträuße, welche der Kaiser dankend entgegen nahm. Mühelos schritt er die hohe Treppe zum Badeschlosse hinauf. Bei Aufstellung des Reichshaushalts-Etats für 1879/80 wird die Finanzverwaltung des Reiches darauf Bedacht nehmen, die Ausgaben auf das Möglichste einzuschränken und nament lich zu vermeiden suchen, mit neuen Mehrforde- rungen vor den Reichstag zu treten. Es wird die Thatsache bei der Aufstellung des Etats ins Gewicht fallen, daß nach dem Abschluß der Bücher der Reichshauptkasse für das mit dem 31. März abgelaufene Etatsjahr 1877/78 an ordentlichen Einnahmen im Ganzen 11,545,500 Mark weni ger eingekommen sind, als ursprünglich im Etat veranschlagt waren. Nach der Praxis nämlich erfolgt die Aufstellung des Etats der Stenern und Zölle auf Grundlage der Durchschnitts-Ein nahmen der drei letzten Jahre. Bezüglich der Verhandlungen zwischen Berlin und Nom wird gemeldet, daß dieselben noch in der Schwebe, vielleicht gar suspendirt sind. Tatsächlich sollen aber schon jetzt in einem Punkte von deutscher Seite sehr weitgehende Zu geständnisse gemacht oder vielmehr schweigend dargeboten werden, welchen auf Seiten der Kurie ähnliche entsprechen. Es soll nämlich ein still schweigendes Einvernehmen darüber herrschen, die jetzt zahlreich verwaisten Stellen katholischer Pfar rer baldigst wieder zu besetzen und zwar nach folgender Vereinbarung: Die Pfarrer werden, wie es früher der Fall war, von der oberen Geistlichkeit ernannt, und hiervon wird dein Ober präsidenten Mittheilung gemacht; diese nehmen stillschweigend Kenntniß von den Ernennungen, welche nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften über die Ausbildung der Geistlichen geschehen sollen. Im Neichstagsbureau sind schon eine ganze Anzahl Wahlproteste eingetroffen; man darf sich also darauf gefaßt machen, daß die Wahl prüfungscommission diesmal ein ungewöhnlich reiches Material zu bewältigen haben wird. Das „Henkerbeil" überschreibt die „socialisti- sche „Berl. Fr. Presse" einen Artikel, welcher be reits die Confiscation des Blattes veranlaßt. In demselben wird der Beweis zu führen versucht, daß „der Streich, unter welchem das Haupt des Halbidioten Hödel siel," ein symbolischer Act ge wesen sei, daß man Hödel's Haupt zwar getroffen, die Socialdemokratie aber gemeint habe. Die Socialdemokratie sei aber nicht auszurotten, weil „das Gewissen/ das Ehrgefühl des Volkes" nicht zu tödten sei. Wenige Stunden nach Verbreitung der Nachricht von der Execution sei in Petersburg ein „abscheulicher Tyrann" im Namen des Selbst 1878. Hilfe übenden russischen Volks auf Grund eines „gerechten" Urtheils hingerichtet worden, wenn es bei dieser Vollstreckung auch „unregelmäßig" zugegangen. „Was anders bleibt den Russen übrig, wenn sie sich nicht hammelgleich, von den Mesenzew's und Consorten scheeren, prügeln, würgen und abschlachten lassen wollen?" Dieser Appell an die Leidenschaften des angeblich geknech teten Volkes ist der beste Beweis dafür, daß die Reichsregierung nur der zwingenden Nothwendig keit gehorcht, indem sie vom Reichstage gegen die sich selber außerhalb des Gesetzes und der staat lichen und socialen Ordnung stellende Socialdemo- kralie die Vollmachten eines schneidigen Ausnahme gesetzes begehrt. Die Ereignisse in Harburg haben zu einer Sitzung des preußischen Staatsministeriums am L3. August Veranlassung gegeben. Diese Vor fälle haben in Regierungskreisen gerechtes Aufsehen erregt. Sofort nach Eintreffen der Nachricht hatte der Minister des Innern den Auftrag gegeben, die Vorfälle strengstens zu untersuchen. Es ist selbstverständlich, daß gegen die Urheber jener traurigen Vorfälle mit aller Energie und Strenge vorgegangen werden wird. Eine Nachricht schwerwiegendster Bedeutung wird dem „Deutschen Montagsbl." aus Wien gemeldet. Danach hat Graf Andrassy zu Ende der vorigen Woche dem Kaiser in aller Form seine Demission gegeben, die jedoch von dem Monarchen vorläufig nicht angenommen wurde. Der Grund der Demission des Ministers liegt nicht in einem schweren Jrrthum bezüglich der Stimmung der bosnischen Bevölkerung gegen die österreichische Besetzung, sondern in dem fatalen Rechenfehler seiner Politik, der darin besteht, daß dem Berliner Vertrage gemäß Gras Andrassy sich genöthigt sieht, in der von ihm selbst der Pforte vorgeschlagenen Convention die Anerken nung der Souveränetät des Sultans über die von Oesterreich zu besetzenden Gebiete formell zu zugestehn. Hätte sich die Besetzung friedlich voll zogen, dann hätte die Souveränetätsanerkennung des Großtürken sich deü österreichischen Völkern immerhin noch plausibel machen lassen. Jetzt aber, nachdem so viel österreichisches Blut ge flossen ist, kann es nicht fehlen, daß diese aus drückliche Anerkennung der türkischen Souveräne tät in der ganzen Monarchie einen solchen Sturm der Entrüstung entfesseln wird, daß Graf An- draffy genöthigt sein wird, sich entweder so fort oder spätestens bei dem für den Anfang des October vorgesehenen Zusammentritt der Delega tionen von seinem Posten zurückzuziehen. Au maßgebender Stelle ist man sich über die Un vermeidlichkeit des Rücktritts des Grafen An- drassy vollkommen klar und wählt bereits feinen Nachfolger. Nachdem in letzter Zeit zwischen Rußland und der Pforte in der Räumungsfrage ein Einverständniß erzielt erschien, sollen jetzt neue Schwierigkeiten drohen. Wenigstens wird der Pariser „Agence Havas" aus Pera gemeldet, die Pforte habe den Zeitpunkt für die Uebergabe Batums bis zum 12. September cr. hinausge schoben, um vorher die Bevölkerung noch zu be ruhigen und etwaigen Conflikten vorzubeugen. Ob die Russen mit dieser Beruhigungspolitik zu frieden sein werden, ist freilich eine andere Frage. — Inzwischen lichten Tod und Krankheit die Reihen der russischen Armee in Rumelien auf