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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration-, Preis 22j Sgr. Thlr.i vierteljährlich, 3 Thaler für da- ganze Jahr, ohne Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. a g a für die Man pränumerire auf dieses Beiblatt der Allg-Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Poft - Aemtern. Literatur des Auslandes. 31. Berlin, Mittwoch den 13. März 1833 England. Die Britischen Marine-Truppen. Eine Skizze, von Capitain Basil Hall. Die Wörter „marine (See-Soldat) und „mariner" (Seemann, Matrose) unterscheiden sich nur durch einen einzigen Buchstaben, dennoch können zwei verschiedene Menschen-Racen, beinahe möchte ich sagen, zwei verschiedene Thiere, nicbt so von einander abwcichen, als die „1nIIie8" und die „ivimui,^", welches die Beinamen der beiden verschiedenen Gattungen von Seeleuten sind. Die Sce-Sol- daten werden, wie die Landlruppcn, auf Lebenszeit oder wenigstens aus viele Jahre angeworbrn, und, wenn sic nicht zur See gebraucht werden, hält man sie in der Kaserne unter strenger Zucht und schar fer Aussicht ihrer Offiziere, so daß die Bande der Disziplin und des beständigen Gehorsams keinen Augenblick gelüstet weiden. Die Ma trosen hingegen werden, sobald die Mannschaft abgclohnt ist, auf freien Fuß gestellt und schweifen so in der Welt umher, daß sie, bei ihrem zügellosen Leben, in wenigen Wochen oder gar Tagen alle gute Zucht verlernen, die man ihnen in drei oder vier Zähren bei- gebracht hat. Selbst an Bord des Schiffes, wo die Disziplin in chrer ganzen Kraft gehandhabt wird, ist der Einfluß einer regelmä ßigen Ordnung und strengen Zucht bei den See,Truppen wenigstens zwei Mal so groß, als bei den Matrosen. Ihre meisten Pflichten, oder fast alle, sind gänzlich verschieden. Beide ziehen und winde» allerdings die nämlichen Taue aus dem Oberloff; beide miiffen die Verdecke segen und scheuern; beide egen Pökelfleisch trinken Grog und schlafen in Hängematten, aber in allem Uebrige» herrscht die größte Verschiedenheit. Wenn es aus die See-Soldaten ankäme, würde immer ein Segel niedergelassen, eingcricst oder zusammcngc- rollt. Es ist sogar durch ausdrücklichen Befehl dec Admiralität un tersagt, sie in dem Segelwerke herumkletlern zu lassen; ein Schiffs- Soldat, zwischen dem Takelwerk schwebend, würde daher eine eben so lächerliche und erbärmliche Figur machen, wie ein Matrose in knapp anliegenden weiß angestrichenen PanlalonS und mit einer steifen Binde um den Hais. Nie sah ich einen See-Soldaten, der ein Ru der geschickt regieren lernte — einen einzigen ausgenommen und die ser war ein Zigeuner, — auch nie einen Matrosen, der mit einem Flintciischloß ordentlich umzugehcn wußte, wie ein Soldat, und doch ist es für beide Theile, wenn sie auf kleinen Schiffen dienen, von äußerster Wichtigkeit, daß sie beides können, und man sollte cS ihnen so viel wie möglich bcibringe». Die Rettung des ganzen ScbiffcS dürfte aus dem Spiele stehen, so würde doch kein Soldat sich über da« Schutzseii schwingen können, ohne Gefahr, sich den Schädel ein zuschlagen, und nie lernen Matrosen auch nur Halbwege in gerader Linie marschiren. Mit einem Wort, die Farbe ihres Anzugs und die Art, ibn zu tragen, sind nicht abweichender von einander, als die BerusS-Arbeiten und die Weise der Schiffs-Truppe» und Matrosen. Jack (der Matrose) trägt eine blaue Zacke, der Zoll» (See-Soldat) eine rolhe. Zack ließe sich lieber ei» Dutzend auszäblen, als daß er rin Paar Hosenträger aus seine» Achseln duldete, der See-Soldat hin gegen würde bald als Sansculotte dastchen, wenn man ihm seine Tragbänder nähme. Man hat, ohne alle Uebertreibung, einen tüch tigen, eingeüble», gutgebauten See-Soldaten auf dem Schiffe unter «inem strengen Feldwebel mit einem Mensche» verglichen, der eine ganze Feuer-Gerälbschast am Leibe hätte. Die Feuerzangen bilden die Schenkel, das Schür-Eisen stellt den Rückgrat vor und die Schau- sel Hal« und Kops. Der Matrose hingegen läßt sich am besten mit jenen Gliedcrmännern im Puppenspicl vergleichen, deren Schenkel, Arme und Kopf lose hin und her fliegen und durch nicht« zusam- mengebalten werden, «iS durch Bindsade» oder Draht. Die See-Soldaten halten sich Tag und Nacht in dem Hinteren Theile des Schiffes, nabe an den Kajüten ihrer Offiziere, aus. Ihr Gewehrkasten steht auf dem Oberloff. Ihre BcrusSgeschäfte, wenn sie auch noch so sehr mit denen dc^Matrosen gemischt sind, weisen ihnen ihren Platz doch hauptsächlich j,,, Hintcrtbcil des Schiffes an. Sie allein stehen als Schildwachen vor den Kajülenlbüren des Ca- pitainS und der Offiziere, und selbst den Nachtdienst bei Nacht aus dem Verdecke versehen die See Truppen. Außerdem leisten sie den Offizieren alle kleine Dienste, die sie verlangen, und warten gewöhn lich bei Tische auf. Diese Verschiedenheit der Verrichtungen und die daraus erwach sene Art von Entfremdung zwischen den beiden Haupt Abtbcilunqe» der Schiffsmannschaft ist durch Gewohnheit und Gebrauch so festste hend geworden, daß es von Seite» des CapilainS und der Offiziere nur einiger Umsicht bedarf, um sie in einiger Entfernung von einan der zu halten, ohne eine» von beiden Theilen zu beleidigen. Die See-Soldaten machen die Hauptstütze der Autorität des Ca- pitainS aus. So groß auch die Gewalt ist, die das Gesetz und der lang bestehende Gebrauch den See-Offizieren einräumen, so würde es ihnen doch schwer werde», sic bei manchen Gelegenheiten gegen ihre Untergebene» zu behaupte», würden sie nicht von den See-Sol daten unterstützt, oder vielmehr, käme die bloße Zdee dieses allzeit bereiten und doch fast nie gebrauchten Beistandes der »höfischen Kraft nicht ihrem Ansehen zu Hulse und cnlscruie jeden Gedanke,i einer Auflehnung gegen ihre Obergewalt, selbst aus den unruhigste» Köpfen. Es sagte einmal Jemand, baß es keine nützlichere und doch weniger gebrauchte Kanonen gäbe, als diejenigen, welche in langen Reiben auf den Wällen und Ballcrieen von Gibraltar ausgepfianzt wären. Sie sind so geschickt verthcilt und werden so trefflich in Ordnung ge halten, daß sic nicht einmal die Zdcc, diesen Platz zu nehmen, auf- kommcn lassen, indem das Resultat einer einzigen Belagerung Jahr hunderte hindurch von einem zweiten Versuch abhält. Dasselbe läßt sich von den Sce-Truppen sagen, die man gewissermaßen das Gi braltar der See-Disziplin nennen könnte. Unter den Eharaklerzügcn, weiche die See-Soldaten mit den Ma trose» gemein habe», ist hauptsächlich die große Anhänglichkeit für ihre Offiziere hcrvorstcchend und ein eifriges Streben, die gute Meinung ihrer Waffen-Gefährten nicht bloß zu erwerben, sonder» dis zum letzten Augenblicke zu erhalten. Ich habe mehrere Male dieses vorherrschende Gefühl in Augenblicken wahrgenommen, in denen man die Gedanken eines Menschen mit ganz anderen Dingen be schäftigt glauben durfte. Ich crinnerc mich eines Vorfalls, wo diese Leidenschaft, wie man sic wohl nennen kann, sich selbst im Tode herrschend zeigte. Nach einem schwülen Tage auf der Rhcede von Madras saßen die Offiziere des Flaggenschiffcs um halb neun Uhr Abends in der Wacht- stube um den Tisch bei einem Glast kühlen Weins mit Wasser ge mischt, als ihr heileres Gespräch plötzlich durch eine» MuSkelcnfchuß unterbrochen wurde, der nahe bei der offcnstehendcii Thür abgefcucrt schien. Die Offiziere stürztcn -hinaus und, vom Dampfe geleitet, sprangen sie auf bas Verdeck, wo sie Evan Lewis, den Korporal der SchiffStruppcn, am Fuße dec Leiter, die zum Hinter-Verdeck führte, tödtiich verwundet hingestreckt sanden. Dieser Mann, ein so guter Soldat, als je einer zur See diente, war mit Lem Schlage drei aus das Hinter-Verdeck gestiegen, uni mit seiner gewöhnlicbcn Pünktlichkeit die Runde zu machen. Nachdem er sein: „Alles rich tig k" gerufen, und die gewohnte Antwort: „Alles richtig!" empfan gen halte, wandte er sich um und wollte die Leiter hinuntersteigen, als die Schildwacht anltgle und Feutr gab. Die Kugel ging hem unglückliche,! Maniie durch den Leib, schlug ein tiefes Loch in das Verdeck und blieb in zusammengewilndenen Schiffsseilen nahe am Hauptmast sitzen. Der arme Korporal, der natürlich hernntergestürzl war, wurde so gemächlich als möglich unter dem Hinteren Segclzclt niedergelcgt. Sein Kops ruhte auf dem Schooßc eines Offiziers der Sectrüppcn, eines guten Mensche», der von Zeil zu Zeil übcr seinen gefallenen Kameraden, wie er de» allen Velcran nannte, bitterlich weinte und sich vergebens bemühlt, dem sterbenden Manne Muth ciiizusprechcn. Der Wundarzt allein schien uncrschültert. Lange Erfahrung batte ihn den Werth der Kaltblütigkeit bei solchen Gelegenheiten kennen gelehrt. Al« er die Wunde sanft und behutsam untersucht hatte, sah er dem armen Dulder einige Sekunden in'« Gesicht, und dann, lies Albem holend und sei» Gefühl gewaltsam zurückdrängend, sagte er mit betrübtem Tone: „Mein guter Freund, wenn Ihr noch etwa« in dieser Welt zu besorgen habt, so dürft Ihr keine Zeit verliere», Ihr habt nicht lange mehr zu leben." Der Verwundete blickte traurig in die Höhe zu seinem Offizier, und sagte mit großem Kummer: „Ich dachte nicht, Sir, daß mein Ende so nabe wäre " Nachdem er sich genau erkuiidigt hatte, ob noch sonst Jemand durch die Kugel verwundet worden, weil er wußte, baß sic ihm durch den Leib gegangen war, äußerte er den Wunsch, man möchte den Mann berbeibrüigen, der nach ihm ge schossen batte. ES war ei» merkwürdiger Augenblick, als der Mör der vor scincm Opser stand. „Warum lhalest Du das?" sagte der sterbende Krieger mit dem mildesten Tone. „Ich dachte, es wäre der Sergeant", antwortete der Kerl kallblülig. Auch konnte man später kein anderes Wort über diesen Gegenstand von ihm heraus-