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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120125012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912012501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912012501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-25
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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BezugS-Pret- sAr L«ip«Ia und B»r»tt« durch «nler« Irüger und Soedttear« 2mal idallch in» »au» ««brach« SllPs. m»na«U.r.wMt. vtanrUädrl. V«« un>«rn NUIalrn u. »n- nahmeftellen adakholt » dl. monotl, ol«N«lIi»hrl. Durch bi« Vaft: innerhalb Deutlchland» und der deutlchen Kolonien vtetteliodki. »M Mi.. monail. IM di«. au»>chl. PaitdelteUaeld ferner in Belgien, Dänemark, den Danauftoaien. Italien. Luirmduia. lltiederland«. Aor» wraen i?eji»ttria - Unoain Buiilanb. Schweden, vchwei» u traanien. Sn allen übrigen Slaalen nur oiiek« dui<d di« Ee>chal«»l«eUe de» Blatte» erhalllich. Da« i!etp,lg«r Tageblatt ««lcheinl 2mol tügllch Sann» u. geieriaa» nur morgen». >donn«menl»»<ln»adm« Aah«»»i»aii>« ü. bat unieren Tragern, -ittiolen,Sordlleuren und BnnahmefteUen. lowle Boiramlern und Bllellragrrn. Elnialoarkaultprel» lO Pt. Morgen-Ausgabe. Kipzigtr Tageblatt s1«8S2 idachtanlchl.» Ä s 1« KS2 ld-cht.nlchl»« j.!l-«93 eNlINVeTVAbIAUNA. Tel..Anschl.^1-6S3 Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lnieiaeu-Prel- filr Inserat« au» t!«t»»ta und Umgab»« di« llpaltig» Pattt»«tl« 2SPt-di« -ieNama» »«U« l dtl. o»n au»würr» 30 Pt- BeName« IM Mk. Inlerat« »an Behörde, «m amt- ltch«, latl »t« Pettteell» » PI L«IchLsr»anj«tgen mit Plagoarschristen «m Pretl« erhöht Rabatt nach Taris. BetlagegedührGelanet« auslag« S dtl. p. lanlrnd erkl. Postgebühr. lellbeUag« hoher. Kefterteilt, Auftrage können ni<t>t rurück- gerogen werden. Kür da» Erlcheinen an oeftimmlen Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anirtgen - Unna dm«: I»tz»»»»«»lt« S, bet lämtltchen fflttalen u. allen Annoncen» Erpedttionen de» In- und L»»lande» »ruck und Verla, »,» Fische» » »kürsten Inhabern Paul Xllrfte». «rdaNto, und BeI««tt»p,I»r 2odanni»golt« il. Hauot -Atllal« Drr»d,u: Erestrast« j, t iTelrphon 4K2V. Nr. -4. Donnerstag, üen 25. Januar lSl2. 106. IllljlMNg. Unjere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Leiten, die vorliegende Morgennummer 18 Leiten, zusammen 24 Leiten. Lus wicktiylte. - Ain heutigen Donnerstag finden die Noch ausstehenden 33 Stichwahlen statt. * Der 200. Geburtstag Friedrichs des Großen ist mit besonderen Feierlichkeiten begangen worden. (§. d. bes. Art. Leite 2.) * Die Erste Sächsische Kammer erledigte am Mittwoch eine größere Anzahl E t a t s k a p i t e l. lL. Landtagsber. Seite 9.) * Die Zweite Sächsische Kammer ver handelte am Mittwoch über mehrere Kapitel des ordentlichen und des außerordentlichen Etats, s«. Landtagsbcr. Seite 9.) Die Resultate der Stichwahlen am 25. Januar werden vom Leipziger Tageblatt beute abenS durch Soub»rau»gaben sowie durch Ausbang an -er Hauptgeschäftsstelle, Iohannisgasse 8, bekanntgegeben. Außerdem wird durch Transparente von unserem Grundstück Ao^platz 16 aus, die auf dem Roszplatz am besten sichtbar find, vom Ausfall der Mahlen Kenntnis gegeben werden. Vei telephonischen Mitteilungen und Anfragen an das Leipziger Tageblatt bitten wir beute, am Tage 0er Reichstags- Stichrvahlen, von abends 7 Uhr ab möglichst die Telephon hummern 52Y und 58Y (Allgemeine Zeitung) zu benutzen, da die Telephon- Anschlüsse des Tageblatts (14 692, 14693 und 14694) für auswärtige Kleidungen belegt sind. * Der Entwurf über das neue sächsische Volksschulqesetz wird am 6. Februar in der Zweiten Kammer zur Beratung kommen. (S. Landtagsber. Seite 10.) * Der braunschweigisch« Landtag wurde am Mittwoch mit einer Thronrede des Herzogregenten eröffnet. sS. Dtschs. R. Seite 9.) * Wie in Wiener diplomatischen Kreisen ver lautet, ist im B e f i n t e n des Ministers des Asußern Grafen Aehrenthal eine derartige Ver schlimmerung eingetreten, daß sein« De mission in den nächsten Tagen devorsteht. * Die Untersuchung ergab, daß die in Cagliari fest gehaltenen Türken drei Berufs ärzte und 26 Lazarettgehilfen sind. sS. d. bes. Art. Seite 2.) , * Zn der gestrigen Stadtverordneten- sißung wurden jür das Ausscheidungsfahren zum Eordon-Bennett-Fahren der Lüfte in Leipzig 3000 .<l bewilligt. sS. d. bes. Art. Seite 16.) * Von der Landespolizeibrigade Leipzig wurden in Schmölln der Kutscher Oertel und der Schlosser Saatfeld verhaftet, di« versucht hatten, in Büh- liß-Ehrenberg den Arbeiter Schlegel, dem sie 260 .ts gestobl e n hatten, zu ermorden, um die Spuren des Diebstahls zu verwischen. Sie Entwicklung -er natlonsMberslen Partei. Tas Bild wird allmählich deutlicher. Jeder neue Wahltag wirkt wie ein charakterisierender Äohlenstrich eines „Konzert-Porträtzeichners": Nase und Ohren treten hervor, wo man bisher nur Nebelflecke sah; die Augen sieht man frei lich auch jetzt noch nicht klar. . . . Wenn die Fraktionszahlcu auch noch nicht vollständig sind, so läßt sich doch schon seit länge rer Zeit über eins etwas ziemlich Bestimmtes sagen, was noch wichtiger ist als die Partei zahlen: die Gesinnung, die in den Parteien herrscht. Nichts dürfte da interessanter sein, als die Entwickelung, die die na t i o n a l li b e r a l e Partei genommen hat. So exakt wie eine chemische Analyse läßt sich freilich eine Gesin nungsbestimmung für die 1671 297 national liberalen Wähler, die der „Reichsanzeiger" her ausgerechnet hat, nicht treffen. Aber es liegen doch markante Wesensäußerungen vor, die Schlüsse gestatten. Oft auch sprechen Unter lassungen eine deutliche Sprache. Zu diesen Un terlassungen gehört der Verzicht auf den gene rellen Anspruch, die Reichspartei und die Kaiserpartei zu sein. Tie Nationalliberalen stan den beim Wahlkampfe 1912 Schulter an Schul ter mit dem Fortschritt, der freilich jenen An spruch nicht erheben kann. Auf Bundesgenossen nimmt man Rücksicht, man darf nicht nur von sich reden, man betont das Gemeinsame: das ist begreiflich; aber bedauerlich ist es doch, daß die Umstände nicht danach angetan waren, jenen stolzen Anspruch auf der ganzen Linie zu ver treten. Ter Anspruch ist stolz und für andre Parteien unbequem, vielleicht manchmal krän kend; aber da er eine Verpflichtung in sich schließt, kann er der Gesamtheit Nutzen bringen. Für „auserwählte" Völker waren es niemals Zeiten der Größe und der Erhebung, wenn sie diesen ihren Anspruch und diese Bestimmung zu rückstellten. Man sagt, es seien jetzt alle bürgerlichen Parteien national. Diese Behauptung hat für die Gruppierung der Parteien bei den Wahlen eine große Nolle gespielt. Sie ist in plattester Form aufgetreten. In nicht platter, sondern geistvoller Weise hat der Führer der National liberalen, Bassermann, die Frage gelegentlich einer nationalliberalen Partcitagung behandelt. Er meinte, daß dem nationalen Gedanken, den einst die Nationalliberalen als ihr Eigenes ge ¬ pflegt hätten, auch die andern Parteien hätten Tribut zollen müjsen. Tas war stolz-bescheiden. Es klang ein Teil Entsagung hindurch. Vom Standpunkt des Reiches wäre cs ja freilich nur zu begrüßen, wenn die nationale Gesinnung Ge meingut geworden wäre. Glaubt man hieran, so könnte man den Parteien auch größere Be wegungsfreiheit bei dec Grnppenbildung zu billigen. Wahrend der Septennatswahlen galten nur die Nationalliberalen und die Rechte als zuverlässig in Wehrfragen; wenn das jetzt anders geworden ist und wenn der Fortschritt auch mit Bezug auf den Zollschutz mit sich reden ließe, könnte oi« Verbindung zwischen Nationalliberalen und Fortschritt nocy enger werden. Wie inan auch hierzu stehen mag, so ziemt es jedenfalls nicht, die weniger günstigen Neben wirkungen dieser Verbindung zu'übersehen. We niger günstig für die nationallibcrale Partei und für das Reich. Es gab Momente, wo es schien, als ob die Nationalliberalen in dem Bunde der Liberalen die Führung hätten: das Ende des Wal lkampfes aber zeigt wieder den Fortschritt als den Entschiedenen und Zielbewußten, der auf unentschlossene, nicht grundsatztreue Natio nalliberale herabblicken kann. Ein fortschritt liches Blatt, das immer mehr die publizistische Führung der Partei an sich gerissen hat, wagt es bereits von einer „völligen Teronte" auf feiten der Nationalliberalen zu sprechen. Ihm erscheint eben jede Verbindung nach rechts hin, die die Nationalliberalen bei den Stichwahlen eingegangen sind, als charakterlos, jede Ver bindung nach links als höchst charaktervoll. Nun ist es vom bürgerlichen Standpunkt nur freudig zu begrüßen, daß die nationallibcrale Partei leitung ein Zusammengehen mit der Rechten zur Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht grund sätzlich verworfen hat, aber es ist doch nicht nur fortschrittliche Bosheit, wenn den Nationallibe ralen hier eine gewisse Unsicherheit und Inkonse quenz nachgesagt wird. Es scheint nämlich, als ob auch weite nationalliberale Kreise ein der artiges Paktieren mit der Rechten als nicht ganz legitim ansähen und möglichst schnell darüber hinweggingen, wie wenn es das Licht des Tages scheute. Tiefe Erscheinung hat man in den letzten Jahren mehr als einmal beobachten können. Beim preußischen Wahlrecht war es ähnlich. Tie freisinnige Publizistik sehr entschieden und konsequent; für sie gab es nur das Reichstags- Wahlrecht als Vorbild; die nationalliberale Frak tion des Abgeordnetenhauses auf anderen We gen, an einem abgcstusten Wahlrecht festhaltend, aber ohne eine feurig vorgetragene Theorie, ohne eine entschlossene, konsequente Publizistik. Turch solche Vorgänge entsteht der Eindruck, der nationale Liberalismus sei der Idee nach das gleiche wie der Freisinn, nur verwässert und weniger zuverlässig. Wenn dieser Ein druck sich festsetzie, müßte er schließlich für die nationallibcrale Partei zum Verhängnis werden. Wohl niemand hat das klarer ausgesprochen, als der preußische Landtagsabgeordnete Schiffer, der durch den letzten Stichwahltag von einem Wahlkreise der Provinz Sachsen in den Reichs tag entsandt worden ist. An diesen neuen Reichstagsmann knüpfen sich weitgehende Hoffnungen. Zweifellos verfügt Schiffer über Eigenschaften, die den Führer machen; bewunderungswürdige Arbeitskraft, schnelle Auffassung anderer Meinungen, Fähig keit des Wortes, Verl>andlungsgabe, Kenntnis, ruhiges Urteil. Er hat sich als positiven Poli tiker im Kommissionssaal und im kleineren Be ratungszimmer erwiesen. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß dem Nationaliberalis- mus der selbständige in ittelparteiliche Charakter, der nichts mit Unentschiedenheit zu tun hat, nur durch Persönlichkeiten gewahrt wer den kann, die das breiteste Forum aufsuchen. Jede Partei, besonders aber eine liberale, bedarf der offen und laut vorgetrageneu Theorie, wenn anders sie als charaktervoll und prinzipienfest gelten soll. Diejenigen Politiker, die nur den Radikalismus als voll und echt anschen, predigen ihre Weisheit in ungezählten Zeitungen, auf der Gasse und in den Volksversammlungen. Wer dem ein Gegengewicht bieten will, muß ebenfalls ein Bekenner sein und er muß genau so volkstümlich auftretcn. Er muß den Mut haben, die ganze Dummheit des Radikalis mus zu enthüllen. Man sollte meinen, daß dazu eine besonders große Portion Mutes gar nicht einmal gehört. Hoffentlich erfüllt der Rcichs- tagsabgeordnetc Schiffer solche Anforderungen und Hoffnungen. Er würde dadurch seiner Partei einen' großen Tieust erweisen, denn cs ist nicht einzuseyen, wie sie astders in Zukunft noch eine starke Werbe! raft ausüben soll, wo sich doch für den, der an der radikaleren politischen Be tätigung Gefallen findet, der geeinigte Fortschritt als naturgemäße politische Heimat darbietet. , —v. Darum kam 6err v. kl-erlen- wseärter »ach «am? Aus vorzüglich informierter Quelle erfährt unser —g. -Mitarbeiterin Rom nachstehende Einzelheiten: Herr v. Kiderlen-Waechter und nut ihm der deutsche Botschafter am Quirinal Haden zwei arbeitsreiche Tage hinter sich. Rein zeitlich genommen, hat Herr v. Ui- derlen-Waechter mit seinem Ministerlvllegcn Marquis di San Giuliano und dem italienischen Minister präsidenten Giolitti nicht weniger als jecl)» und eine halbe Stunde zu verschiedenen Tagesabjchuitteu lou- seriert. Dazu kommen noch bedeutsame Aussprachen mit dem F ü r st e n v. Bülow, der an sich w enig b e l a n g r e i ch e B e s u ch r n« B a t i k a n und daran anschließend sehr wichtige uonsercnzen mit dem preußischen Vertreter beim Vatikan, Herrn v. M ü h l- berg. Die Visite bei Merry del Val war direkt improvisiert, d. h-, sic erfolgte auf eine Plötz- liche Weisung ans Berlin. Herr v. Kiderlen-Waechter hatte ursprünglich den Besuch des Vatikans nicht in jein römisches Programm ausgenommen gehabt. Un mittelbar nach secner Ankunft am Sonnavendinoraen bekam Herr v. Mühlberg aus Berlin die Aufforde rung, Mit Merrh del Val die Vorbesprechungen wegen des Empfanges deS Herrn v. Kiderlen-Waechter in die Wege zu leiten. Man hätte eS in Berlin sehr gern gesehen, wenn auch der Papst sich zu einer Unterredung verstanden haben würde, aus Moiu- proprio- und anderen Gründen . . . Merrh del Val halte diesen Berliner Wunsch aufs eifrigste gefördert. Denn auch er vertritt die Ansicht, das; die beider seitigen Interessen durch eine Aussprache wesentlich gewonnen haben würden. Allein Pius X. hat eine mit seinem Alter zunehmend« A b s ch e u gegen den Empfang von Gästen, die in rein politischen Geschäften zu ihm kommen wollen. Er will mit „cose politicko" nicht behelligt werden. Dafür hätte er seinen Staatssekretär, der sich mit den „Fremden" aus sranzösisch unterhalten könne, etwas, was PiuS X. belanntUch nicht kann. Herr v. Mühlberg mußte zwei geschlagene Stun den am Sonnabend im Vatikan warten, ehe Merrh del Val mit dem Bescheid kam, der heilige Vahr wäre nicht disponiert, Herrn v. Kidcrlen-Waechter zu emp fangen. Rach glaubhaften Versicherungen soll es zwischen dem Papst und dem Kardliialstaatssekretär zu bewegten Auseinandersetzungen über die Besuchs- frage gekommen sein. Merrh del Vals Wunsch war es wohl, daß Herr v. Aiderien-Wacchler dem Papst gegenüber die Inovportuintät gewisser Motus streifte, womit er nicht nur dem Staatssekretär, sondern auch dem Zentrum sich zu Tank verpflichtet haben würde. Man erzählt sich' heute in diplomatischen Kreisen Pius X. lakonische Antwort auf Merrh del Vals Drängen: „Was soll ich mit ihm so. Kiderlen- Waechter) spreckzen? Da Sie sowieso den Interpreten spielen müssen, ist es doch einfacher. Sie unter- halten sich über Ihre Politik mit ihm allein." Herr v. Mühlberg mußte also unverrichteter Sack-e zurück- kehren. Nun blieb dem Minister schließlich nichts anderes übrig, als dem Staatssekretär einen guten Tag zu sagen. Das Thema der halbstündigen Unter- Haltung? Merrh del Bal suchte nachzuweisen, daß er sich in einer gewissen prekären Lage gegenüber den Wünschen des Papstes und den Wünschen der preußischen Regierung befind«. WaS er übrigen schön des öfteren dem römischen Vertreter der preußi schen Regierung, Herrn v. Mühlberg, auseinander gesetzt hatte. Ungleich wichtiger waren die Besprechungen mit San Giuliano und Giolitti. Selbstverständlich mar vom Dreibund die Rede. Aber die Richt linien für seine Erneuerung konnten noch nicht fest gelegt werden. Daß er erneuert werden wird, steht bei allen maßgebenden Instanzen in Berlin wie in Nom schon heute fest. Aber es sind noch große Schwierigkeiten zu überwinden. Sie liegen in den Verhältnissen in Wien. Sie zu klären rcsp. zu überwinden, wird die Arbeit der kommenden Wochen für die Berliner maßgebenden Instanzen sein. Herr v. Kiderlen-Waechter hat sich auch vom Fürsten Bülow informieren lassen, ein Faktum, das sehr wohl cingeschätzl zu werden verdient. Bülow ist in den Augen vieler Lester- reicher „unverbesserlich" als Anhänger des dreibundgenössischen Zusammengehens init Italien. Und cs kann angenommen werden, daß Bülow in diesem Sinne auch aus v. Kidcrlen-Waechter ein gewirkt hat. Bülow «st der beste deutsche Kenner der politischen Verhältnisse Italiens! Heute aber ver tritt Bülow schärfer noch als früher seinen alten Standpunkt, daß man Italien nicht ohne große Ge fahr und Schaden aus der Alliau; herauSlasscn darf. Bülow geht heute weiter: Italien wird, mit seinem neuen afrikanischen Besitz belastet, dagegen von seinen ehemaligen Verpflichtungen gegenüber Frankreich und England entlastet, in dem neuen Dreibund verhältnis sich behaglicher fühlen und schwerlich zu neuen Extratouren Veranlassung finden. In den Besprechungen ist auch viel die Rede ge- wesen von der wirtschaftlichen und mili tärischen Stärkung Italiens, von seinen neuen Aufgaben zur See' Endlich, aber nicht zu letzt von einer Verständigung mit dem Türken, an dessen Wohlbefinden Italien nach dem Friedcnsschluß sehr viel gelegen sein wird. Jedenfalls mehr als Frankreich und England angenehm sein kann. In Italien zeigen sich gewisse imperiali- st i s ch e Strö m unge n Deutschland wird kein Interesse haben, diese und andere Pläne, die sich mit einem hcrzlicksen Verhältnis zu Oesterreich sehr wohl vereinbaren lassen, zu unterbinden. In Kon stantinopel wird man alsbald wissen, daß eS ver- jvegen wäre, italienische Friedensange bote, von denen man durch den deutsclM Bot schafter am Goldenen Horn zu hören bekommen wird, ohne Not abzulehuen. Tenn es stehl Größeres als die. Provinz Tripolitanicn und Chrcnaika auf dem Spiel. Alle s in allem: in Rom hat man sich über eine Neuorientierung der Politik der drei großen Zcntralmächtc eingehend unterhalten, die aus einer neuen Basis glauben der Sache des Friedens besser als bisher dienen zu können. Gin itslienisck-lranMilcker Konflikt Vor wenigen Wochen hatten die politischen Patho logen den Dreibund ausgegebcn. Sie hielten zwar eine formelle Verlängerung des Vertrages über die Ablaufsfrist hinaus für möglich in dem Sinne einer gewissen Bindung der italienischen Neutralität bei Angriffen anderer auf Deutschland-Oesterreich — so weit von einem Werte derartiger Verpflichtungen überhaupt im allgemeinen und in diesem Falle ganz besonders nach Maßgabe früherer Erfahrungen die Rede sein kann. Jetzt sieht cs aus einmal so auS, als werde Italien die Notwendigkeit einer engeren Wiederanlehnung an seine lange vernachlässigten alten Freunde binnen kurzem an seinem eigenen Leibe erproben. Tie Italiener hatten seit längerem ihre franzö- sischcn und englischen Herzensfreunde in Verdacht bekommen, daß sie eS mit der Neutralität ihrer tune- fischen und ägyptischen Okkupationsgebiete nicht be- sonders streng nähmen, lieber die Grenzen des Bey- liks wie des Khcdivates sollten auSgcbreitete Durch- züge türkischer Freiwilliger, besonders von Ofsi. zieren, und Waffen-, Munitions- usw. Schmuggel geschehen. Dagegen ließ sich nun allerdings außer sanften Erinnerungen in Paris und London nicht- ausrichten; die vielleicht ein bißchen schärser aus- sollen konnten, sobald irgendein Zufall den Ita lienern Beweise für ihren Verdacht in die Hände spielte. Allein diese Südländer verstehen niemals ordentlich zu warten, und so beschlossen sie denn, dem Zufälle sein Spiel aus der Hand zu nehmen. Sie wollten sich Beweise nm jeden Preis schaffen, auch um den eines Bölkerrechtsbruches. Ihre Torpedocwotsslottille legte sich in den sardi nischen Gewässern auf die Lauer, hielt ein paar Post- und Pasjagicroampser an, welche von Marseille nach Tunis fuhren, durchsuchte sie und war so glück lich, wirklich „Konterbande" zu finden — wenig, ftens was sie dafür betrachtete Dem einen entnahm man einen Aeroplan und dein anderen gar 29 leben dige Türken, w.e es schien Offiziere in Zivilkleidung. Nun sagen sceilich diese, daß sie Helfer des Roten Halbmondes seien und somit den Schutz der Genfer Konvention und anderer internationaler Verträge genössen. Und der Besitzer des Aeroplans behauptet, daß er gar nicht daran gedacht habe, sich mit dem Ding zu den Türien begeben zu wollen, jondcr« «inen „Lchauslug" in Tunis beabsichtigt habe. Diese Be hauptung läßt sich schwer nack>prüsen. Tenn wenn das Flugzeug etwas taugt, steht niemand den Schauern dafür ein, daß der Flieger nicht plötzlich seiner schönen Schleifen usw. überdrüssig wird und einen tüchtigen Ueberlandslug südostwärts unter nimmt. Ebenso darf man auch zugeben, daß die Geschichte mit den RotenhalbmondSlcuten ein bißchen verdächtig aussieht. Aber daS alles berechtigte in keiner Weise die Herren Italiener, französische Lchtfse aufzugreisen, zu durchsuchen und ihre lebende und tote Fracht anzutasten. Tas zulässige Visitation», recht beschränkt sich ausschließlich aus Fahrzeug«, die nach den feindlichen Häfen bestimmt sind, und Tunis ist in keiner Form ein Teil deS türkischen Reicher. Es handelt sich um «in« äußer st schwere Verletzung der französischen Flagge, und man kann den Franzosen nicht verdenken, daß
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