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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für Le» stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den Z. Mai 1887 lor Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tag« nach Sonn» und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteliabr- lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. —«-fr— Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteustein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederham, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oeltznitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Witterungsaussichteu für den 5. Mai: Bei westlicher Windrichtung veränderliches, vielfach wolkiges, zu Regen neigendes Wetter. Temperatur unverändert. und Waldenburger Anzeiger "Waldenburg, Mai 1887. Der Nachtragsetat für Militärzwecke ist in der Budgetcommission des deutschen Reichstags nach den vom Kriegsminister gegebenen vertraulichen Mitthei- lungen einstimmig angenommen worden und man darf sonach hoffen, daß auch der Reichstag die Vorlage so gut wie einstimmig — natürlich nist Ausnahme der Socialdemokraten, Polen, Elsässer u. dergl. — anneh men wird. Das wäre ein überaus erfreuliches Er gebniß, das auch eine nicht zu unterschätzende Wirkung nach Außen ausüben inüßtc. Wenn man im Auslande erkennt, mit welchem Ernst und welcher Entschlossenheit die gestimmte deutsche Volksvertretung die größten Opfer bewilligt, um die Wehrhaftigkeit des Reiches auf eine gegen alle Gefahren gerüstete Höhe zu bringen, so muß auch dort die verhängnißvolle Bedeutung eines neuen Krieges mit Deutschland mehr und mehr zum Bewußtsein kommen und die Neigung verstärkt iverden, die friedlichen Beziehungen ausrechtzuerhalten. Insofern kann man sich nach dem alten Sprichwort „8i vis xaeoin, Min lwHnm" (Wer den Frieden will, rüste sich für den Krieg) von den neuesten gesetzgeberischen Maßnahmen auf militärischem Gebiet, dem Septenuats- gesetz und dem Nachtragsetat, eine friedenerhaltende Wirkung versprechen, während die Lust zu kriegerischen Angriffen auf Deutschland draußen hätte znnehmen müssen, wenn man zu dem Glauben verleitet worden wäre, das deutsche Volk könne und wolle die Opfer nicht mehr bringen, die ihm durch die Pflicht der Sicherung seiner Grenzen auferlegt werde. Eine nahe liegende Kriegsgefahr kommt in den gewaltigen Zahlen des Nachtragsetats ebenso wenig zum Ausdruck wie in dem Septenuatsgesetz, wohl aber der ganze drohende Ernst einer Weltlage, die voraussichtlich noch Jahre lang sich nicht wesentlich ändern wird, und die festeste Entschlossenheit der deutschen Nation, unter allen Wen dungen des Schicksals die volle Kraft an die Verthei- digung des Vaterlandes zu setzen. Der preußische Kriegsminister hat anerkannt, daß mit den jetzigen Forderungen für Festungen, Eisenbahnen, Ausrüstungen und dergl. Alles vollendet sei, was für absehbare Zeit auf diesem Gebiete sich nöthig zeige» werde. Neue Forderungen dieser Art würden so bald nicht wieder ' auftreten.' Unter diesen Umständen wird der Reichstag ( seine Pflicht schwer verkennen, die Forderungen zu ge nehmigen, aber auch nicht an den einzelnen Posten herumzufeilschen. Es erfüllt uns mit Genugthuung, daß nach dem bisherigen Verlauf der Angelegenheit dies Mal der Reichstag, und zwar nicht blos mit einer knappen Mehrheit, auf der Höhe seiner patrioti schen Aufgabe zu stehen scheint. Die Brarmtweinstcuervorlage, die an: Sonnabend vom Bundc«rmh angenommen worden ist und dem Reichstage demnächst zugehen wird, soll im Wesent lichen folgenden Inhalt haben: Die Verbrauchsabgabe soll 50 Pfennige für das Liter reinen Alkohols be tragen, soweit die Gesammtjahresmenge den Betrag von 5 Litern auf den Kopf der Bevölkerung nicht über steigt, dagegen für das Liter der darüber hinaus her gestellten Menge 70 Pfennige. Frei von der Abgabe bleibt Branntwein, der zu Heilzwecken, zu gewerblichen und wissenschaftlichen Zwecken benutzt, sowie der Brannt wein, welcher ausgeführt wir. Zur Entrichtung der Abgabe, welche fällig wird, sobald der Branntwein in den,^cien Verkehr tritt, ist derjenige verpflichtet, der den 'Branntwein zur freien Verfügung erhält. Wenn die Abgabe hinterzogen wird, so verfällt der Defrau dant einer Strafe, welche 5 Mark für jedes Liter be trägt. Bei Defraudationen unter erschwerenden Um ständen tritt Gefängnißstrafe nicht unter einer Woche ein. Brennereien, welche Melasse, Rüben oder Rüben saft verarbeiten, können der Maischbottichsteuer unter worfen werden, welche 1,31 Mark für jedes Hektoliter des Rauminhalts der Maischbottiche und für jede Ein- maischung beträgt. In den gewerblichen Brennereien findet die Erhebung dieser Steuer nicht mehr statt, dagegen wird hier ein Zuschlag von 20 Pf. für das Liter zu der Verbrauchsabgabe erhoben. Gleichzeitig mit der Einführung der Steuer wird der Zoll auf eingeführten Branntwein auf 150 Mark für den Doppelcentner sestgestellt; die Uebergangsabgabe aus den nicht zur Branntweinsteuergemeinschaft gehörigen Bundesstaaten hat 96 Nik. für das Hectoliter reinen Alkohols zu betragen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm nahm am Dienstag die Vorträge des Polizeipräsidenten und des Grafen Perponcher ent gegen und begab sich dann nach Potsdam, wo derselbe im Lustgarten die drei Bataillone des ersten Garde- Regimentes zu Fuß inspizirte. Nach der Besichtigung besuchte der Kaiser das Regimentshaus des ersten Garderegimentes und fuhr dann nach Schloß Babels berg. Ilm Nachmittag erfolgte die Rückkehr nach Berlin. Nachdem nunmehr der Kaiser die Ernennung des Geh. Ober-Finanzrathes Or. Koch zum Vicepräsiden ten des Reichsbank-Directorium's vollzogen hat, ist am Dienstag die Einführung des Genannten in das Kollegium erfolgt. Fürst Alexander von Bulgarien hat an jeden der Officiere seines 1. Infanterie-Regimentes in Sofia seine Photographie mit seinem Autograph übersenden lassen, welches Geschenk als Erwiderung auf das von dem Officiercorps an den Fürsten übersandte Album gilt. Der von Bulgarien her bekannte General Kaulbars war am Dienstag bei der Regimentsbesichtigung durch der Kaiser in Potsdam ebenfalls anwesend. Er trug aber nur Civilkleidung. Es wird bestätigt, daß der russische Botschafter in Berlin, Graf Schuwalow, zum Statthalter des Kaukasus ernannt ist. In den amtlichen Motiven zur neuen Gewerbevor lage wird von der Reichsregierung sehr deutlich ge sagt, daß kein Grund vorliege, zur Bildung von Zwangsinnungen überzugehen. Es heißt: „Die Bildung und Wirksamkeit der Innungen darf mit der gesunden, freien Bewegung auf dem Gebiete der ge werblichen Thätigkeit nicht in grundsätzlichen Wider spruch treten. In Altona, Hamburg und Ottensen haben neue Verhaftungen von Socialdemokraten stattgefun den. Die von dem socialistischen Agitator Molkenbuhr in Kellinghusen gegen seine Verhaftung erhobene Be schwerde ist als unbegründet zurückgewiesen. Die Wahlprüfungscommission des Reichstages hat in ihren weiteren Berathungen die Wahlen der Abgg. Deahna, Klein, Menken, Stötzel, Or. Hamma cher, Lender, Hobrecht, Dietze-Barby für giltig erklärt. Alles in Allem hat die Commission von einigen 60 Wahlbeanstandungen 30 erledigt, davon eine durch Ungiltigkeitserklärung. Dem Reichstage soll eine Vorlage zugehen, welche die Abänderung des Gesetzes über die Reichspostdam pfer enthält, daß nämlich die Mittelmeerzweiglinie von Brindisi nach Port Said abgehen und die Dam pfer beider Hauptlinien Genua anlaufen sollen. Die Branntweinsteuervorlage wird wahrschein lich heute Mittwoch, am preußischen Bußtage, publizirt werden. Das preußische Staatsministerium hielt Diens tag Nachmittag unter Vorsitz des Fürsten Bismarck eine Sitzung im Reichskanzlerpalais ab. Die „Nordd. Allg. Ztg." veröffentlicht eine Reihe von dipolmatischen Actenstücken über die Stellung defi- preußischen Regierung zum vatikanischen Concil. Es geht daraus hervor, daß man in Ber lin nicht im geringsten an irgend welche diplomatische Einmischungen in die Verhandlungen dachte, und auch den Bischöfen die Theilnahme völlig frei stellte. Auf forderungen zu Interventionen sind abgewiesen. In einer Note des Reichskanzlers heißt es bestimmt: „Wenn Ausschreitungen stattfinden sollten, welche in das staatliche Gebiet übergreifen, so werden wir die Rechte des Staates zu wahren wissen; aber wir sehen keine Veranlassung, im Voraus Fürsorge zu treffen. Weiter setzt das Blatt seine Polemik gegen die russische Presse wegen der österreichischen Orient politik fort und führt abermals aus, Deutschland habe sich in dieselbe überhaupt nicht eingemischt, es sei im Gegentheil schon 1876 ein Uebereinkommeu zwilchen Wien und Petersburg wegen der Occupation von Bosnien und der Herzegowina erzielt worden. Der Prinz-Regent von Bayern hat die Huldi gung der protestantischen Landesuniversität Erlangen entgegengenommen. Er erwiderte in seiner dankenden Antwort, er sei stolz darauf, der Rector der Universität zu sein. Nur nicht verblüffen lassen, so denken die Pariser Blätter bei der Verlegenheit, in welche sie durch die unerwartete Veröffentlichung der deutschen Note über Schnebele's Freilassung gerathen sind. Mit ihren Be hauptungen, Deutschland habe in dem Zwischenfall eine j Niederlage erlitten, ist's nun nichts mehr, jeder Mensch i sieht ein, wie sehr die Franzosen sich blosgestellt ha ben. Deshalb sind sie auf etwas Neues gekommen. Sie behaupten nämlich jetzt, die Freilassung Schnebele's sei auf directe Intervention des Kaisers und entgegen dem Anträge des Reichskanzlers erfolgt. Daran soll nun wohl Jemand glauben, der auch nur eine Ahnung von den deutschen Verhältnissen hat. Wie aus Metz verlautet, sind bereits Einrichtungen getroffen, um sofort nach Bewilligung des Nachtrags etats im Reichstage die für den dortigen Platz noth wendig erachteten Befestigungsarbeiten in Angriff nehmen zu können. Diese erstrecken sich in erster Linie auf den Umbau einer Anzahl kasemattirter Räume, welche in ihrer jetzigen Bauart, selbst nachdem sie zu Anfang dieses Jahres mit einer vorläufigen Betondecke versehen wurden, nicht geeignet sind, der Sprengwir kung der vervollkommneten Geschosse ausreichenden Widerstand entgegenzusetzen. Mit Rücksicht darauf, daß die Festung Metz unter Umständen als befestigtes Lager zu dienen hat, ist weiterhin eine Vermehrung der kasemattirten Räume in Aussicht genommen. Oesterreich-Ungarn. Der ungarische Ministerpräsident Tisza begiebt sich im Laufe der Woche nach Wien. Er wird dem Kaiser Vorschlägen, den ungarischen Reichstag Ende des Monats zu schließen. Der Kaiser wird die Schlie ßung voraussichtlich persönlich vollziehen.