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Dresdner Journal : 03.03.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188303032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18830303
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18830303
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-03
- Tag 1883-03-03
-
Monat
1883-03
-
Jahr
1883
- Titel
- Dresdner Journal : 03.03.1883
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W 50. Sonnabend, den 3. März. 1883. ^Vvluiewevtüpret» r Lv x»L»«L 4»ul,ct>«ll Sclek«: iLkrlieb: . . . . !8 ilailk, jLIrrlivl»: 4 Aarti LV kk. Livreliw ^ummera: 10 kt. Lu,»«rd»Id des äsutieben ksickss tritt kost- uod Ltempslruicblas lusvrateuprvlsvr kür deu kauw sioer xospltlteoea ?stitr«ils 20 kk Ontvr „Liv^e^andt" div 2eils SO kt. Lei 1H-eIIeu- und ^iL'srasatr SO Auksetd»^. DresdnerHMrml. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Lrsekelnen r lÄj;Iic.d mit ^usmrkm« der 8onn- und keisrtuK« ^I> -i.<!» für Öen folgenden 'I'sg. In,ei-»tev»oo»time »av^Lrlvr Lvixttg: H. Loo»wi«iooLr do» l)r«»do«r ^ourvat»; Nomdurg I»rUn Vt»n r«tp»ig L»»«l «r»,I»v ^ronklvtt ». U: //aarenÄ«» ot ^OAier, B»rU»-Vt»o S»wdarg- rr»U-l,«jp»iss kraaktarl ». n. Nitned»»: find 2^0««,' L«rlt»: /nvatidendanz, Lr«m«»i L LcUott«, Lr»»I»a: f. Stan-en'» Luneau fLmU Ladatk),- kr«Ult«irt ». L.: L ^arA-rHis Uucl>b»odluog; ovrUU: 0. Ltü/tsr; NrnvvE: 6. §e^ü»«ier, I »rt« v«rUo - VrNLkkarr ». L.- 0t»ttg»N: DanLe F 6o., n»wdiug: ^Ici. §t«>«r lloraasgvdvrr Lünigl. Expedition äs» vre,doer dournid», Lresdsn, Lvio^vritr»«« Ho. 20. Amtlicher Theil. Dresden, 2. März. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute Nachmittag von Berlin wieder hierher zurückgekehrt. Ihre Königlichen Hoheiten der Graf und die Frau Gräfin von Flandern, sowie Ihre Durchlauchten der Prinz und die Frau Prinzessin Friedrich zu Hohenzollern sind gleichzeitig hier eingetroffen und ,m Königlichen Resioenzschlosse abgetreten. Bekanntmachung, die Auslosung Königlich Sächsischer Staats papiere und die Auszahlung fälliger Kapitalien und Zinsen der Staatsschuld betreffend. Die öffentliche Auslosung der planmäßig am 30. September —1883 zur Rückzahlung gelangenden 3H landschaftlichen Obligationen vom Jahre 1830, 4H Staatsschulden - Kassenscheine vom Jahre 1847 und 3H Staatsschulden - Kassenscheine vom Jahre 1855, ingleichen der am 1. Juli 1883 mU 7H dt» Prämien- zuschlag rückzahlbar werdenden 4<k sächsisch-schlesischen Eisenbahnaktien soll den 12. März dieses JahreS und folgende Tage, vormittags von 10 Uhr an, im hiesigen Landhause I. Etage stattfinden. Die Auszahlung der laut Ziehungslisten vom 25. 31. Mär» und 26. September 1882 au-gelosten, am — 1883 fälligen Kapitalien der 3<k landschaftlichen Obligationen vom Jahre 1830, 4H StaatSschulden- Kassenscheine vom Jahre 1847 und 3<H StaatSschul- den-Kasfenscheine vom Jahre 1855, fowie der im glei chen Termine zahlbaren Zinsen dieser Staatsschulden gattungen, der 3H Staatsschuldverschreibungen vom Jahre 1878 und der in 3 di» Staatsschuldverschrei bungen umgewandelten Gößnrtz - Geraer Eisenbahn aktien findet vom 15. März dieses JahreS an gegen Rückgabe der betreffenden Kapital- und ZinS- scheine bei der StaatSschutdenkaffe hierselbst und bei der Lotterie - DarlehnSkasse in Leipzig, sowie zufolge der bezüglichen Bekanntmachungen des Königlichen Finanz-Ministeriums auch bei der Sächsischen Bank zu Dresden und deren Filialen, und bei Herrn Ed. Bauermeister in Zwickau statt. Dresden, den 1. März 1883. -er Laodtagiaarlchaß w Verwallaag der Atiatrschvldeu Bönisch. Nichtamtlicher Lheit. Telegraphische Nachrichte». Berlin, Freitag, 2. März, Nachmittags. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen find heute Mit tag« 12 Ubr mittelst ErtrazngS nach Dresden abgrreist. Vormittags stattete Se. Majestät der König Ihren kaisrrl. Majestäten einen Besuch ab und empfing später im Schloß mit Ihrer Majestät der Königin die Besuche der kaiserl. Majestäten und Ihrer kaiserl. und königl. Hoheiten de« Kron prinzen und der Frau Kronprinzessin, sowie der Prinzessin Victoria, der großhrrzogl. badischen Herrschaften und der übrigen hier anwesenden Fürst lichkeiten. Se. Majestät der Kaiser begleitete mit den kronprivzlichen Herrschaften die sächsischen Majestäten nach dem Bahnhofe, wo auch die Prinzen Wilhelm und Albrecht, königl. Hoheiten, der königl. sächsische Gesandte und die Gesandt- schaftSattachö«, der Gouverneur und der Comman- dant von Berlin, sowie der Polizeipräsident und viele königl. sächsische Offiziere anwesend waren. Wien, Donnerstag, 1. März, AbendS. (Tel. d. Boh.) Der frühere Thraterdirrctor Kranz Jau ner hat gestern Abend die im Ringtheaterprocrß über ihn verhängte 4 monatige Arreststrafe im hiesigen LandrsgerichtSgebäude angetretea, nach dem er vor einigen Tagen vom Kaiser in Audienz empfangen worden war und demselben ein Gna dengesuch überreichen durfte. Durch den Straf antritt am 28. Februar erspart er von seiner Haft 2 Tage, da der erste Monat derselben be reits am 28. März endet. Paris, Donnerstag, 1. März, AbendS. (W. L. B.) In der heutigen Sitzung de« Senat« inter- pellirte General Robert die Regierung wegen der Anwendung de« Gesetzes vom Jahre 1834 gegen die Prinzen; da« Gesetz sei unrichtig auSgrlegt und mißbräuchlich angewendet worben. Der KriegSminister Thibaudin erwidert, die Regierung habe an dem EigenthumSrecht an den Gra den nicht gerührt; sie habe aber das Recht, über die dienstliche Stellung (smploi) zu diSponiren, und habe die Prinzen aus der Armee entfernen wollen, in welcher ihre Anwesenheit verfassungswidrig sei. — Der Herzog v. Audiffret - PaSquier findet die Auskunft des KriegSminister- ungenügend, vermag den Unterschied zwischen militärischem Grad und dienstlicher Stellung nicht einzusehen, constatirt, daß die Offiziere künftig vom Belieben des Kriegsministers abhängig sein wür den, wirst dem KriegSminister vor, daß er DaS ge- than habe, wa- Andere nicht hätten thun wollen, und fordert den Senat auf, feinem Willen, dem keine Rech nung getragen worden fei, Geltung zu verfchaffen. Vom Senat wurde iudrß die vom Minister präsidenten Kerry beantragte einfache Tagesord nung mit 154 gegen 11V Stimmen angenommen. Paris, Krritag, 2. März, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Den Morgenblättern zufolge wurde gestern in Havre ein Irländer verhaftet, welcher die Theilnahme an der Ermordung deS LordS Cavendish eingestanden hat. Brüssel, Donnerstag, 1. März, AbendS. (W. T. B.) Zn der heutigen Sitzung der Repräsen- tantrnkammrr wurde ein auf Herabminderung deS GehaltS für die Bischöfe gerichteter Antrag ab- gelehnt. Dagegen wurde die Beseitigung der Kanonikate und derjenigen Licariate beschlossen, welche über die im Gesetze vom Jahre 1866 be stimmte Zahl hinauSgrhen. Dem Minister wurde die Freiheit gelassen, in jedem besonderu Falle geeignete Bestimmung zu treffen. Haag, Donnerstag, 1. März, AbendS. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer machte der Finanzminister van Lyndrn dir Mittheilung, daß da« Gesammtministerium um seine Entlassung gebeten habe. Wie da« „Dagblad" erfährt, hat auch der Generalgouverneur von Niederläudisch-Judien seine Demission eingerricht. Madrid, Donnerstag, I.März, Nachmittag«. (W. T. B^) Nachrichten au« Lrre« zufolge agi- tiren dir Anarchisten unter den dortigen ländlichen Arbeitern, um dieselben zur Arbeitseinstellung zu veranlassen und so die Einbringung der Ernte unmöglich zu machen. Madrid, Freitag, 2. März. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Deputaten haben eine parlamentarische Untersuchung der anarchistischen Umtriebe in Anda lusien abgrlrhnt. Die Grundeigenthümer Andalu siens fordern außerordentliche Maßregeln gegen die SociaUstev. London, Donnerstag, 1. März, AbendS. (W. T. B.) Die Donauconferenz trat heute Nachmit- tag zu einer Sitzung zusammen, welcher die Ver treter sämmtlicher Mächte beiwohnten. Der tür kische Botschafter MusuruS Pascha hatte vor Be ginn der Sitzung eine Unterredung mit dem Earl Granville. „Reuter'S Office" erfährt, die Donaucon- ferenz habe in ihrer heutigen Sitzung in mehreren Kragen befriedigende Fortschritte gemacht; von Seiten Oesterreichs seien in mehreren Punkten, bei denen dasselbe hauptsächlich interesfirt sei, Zugeständnisse erfolgt. Et seien nur noch mehrere Detailfragen in Betreff brr Kiliamünbung zu regeln; man hoffe auf eine deSfallfige Verein barung in der am nächsten Montag Nachmittag stattfindrnden Sitzung der Conferenz. — Nack anderweitigen Mitthrilungrn würde in der am Montag Nachmittag stattfindrnden Cvvferenzfitzung über dir Zritdaurr für da« Mandat drr Donau- cowmisfion brrathrn wrrdrn; auch sollr drr rumä- nischrn Rrgirrung angebotrn wrrdrn, drn Gr- sandtrn Rumäniens, Fürsten Ghika, al« Ver treter Rumänien« bei der «olnwisnion rulxt« zu- zulaffen. London, Freitag, 2. März, Vormittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Ja seiner gestrigen Sitzung lehnte daS Unterhaus daS am Dienstag einge brachte AdrtßameademeutO'Connor'S mit l6S gegen 33 Stimmen ab und nahm den Adreßentwurf definitiv an. London, Freitag, 2. März, Mittags. (Tel. d Dresdn. Journ.) Die „Time«" erfahren, daß die Donauconferenz fich gestern mit der Wahl drr AnSschußmitgliedrr grmäß drm Antragr Barrdre beschäftigt habe, und behaupten, die Verlängerung der CommisfionSvollmachten erstrecke fich mindesten« auf 18 Jahre. Dresden, 2. März. Am 27. Februar fanden in Rom drei Bomben attentate Statt: daS eine vor der königl. Residenz, daS andere in dem Vestibül deS von dem Botschaster Oesterreich-UngarnS beim italienischen Hofe bewohnten Palastes Ehigi, daS dritte auf der Piazza di Venezia vor dem PalaiS de- österreichischen Botschafters bei dem heiligen Stuhle. Die Einzelheiten der Bubenstücke verdienen keine Beachtung, wie auch diese Ereignisse an und für sich eigentlich keine politische Bedeutung besitzen. Allein es darf nicht unbemerkt bleiben, daß die Jrredenta wieder als die Anstifterin der Atten tate erscheint. Die als fanatische Irredentisten be kannten Triestiner, Ravazzini, Matteo Btciacci, Vater und Sohn, dann Milla und der ZeitungSver- käufer Cavalieri, der Geigenspieler Belloni und der Winkelschreiber Ravisan wurden vorgestern Nacht ver haftet. Die Behörde leitete bei diesen und bei anderen Personen, die nicht verhaftet wurden, 29 Hausdurch suchungen ein und confiscirte in den Wohnungen der Verhafteten ZeichnungSbogen für ein Oberdankdenk- mal, verfängliche Correspondenzen und dergleichen. Bei Ravazzini wurde ein hochverrätherischer Brief und eine Instruction für die Bombenfabrikation vorgefun- den. Diese« sind die Jndicien, welche die Untersuchung bis jetzt ergeben hat. Die Bombenwerfer werden we der da- Berhältniß Italiens zu Oesterreich zu er schüttern, noch werden sie die Monarchie in Italien zu bedrohen vermögen. Die Attentate dürften nicht einmal Oesterreich zu diplomatischen Reklamationen Veranlassung geben; sie werden einfach eine häusliche Angelegenheit Italiens bleiben und hoffentlich dazu bei tragen, der italiemfchen Regierung noch mehr die Augen darüber zu öffnen, was mit dem von der Oppositionspartei gehegten Plan einer „Demokra- tifirung der Monarchie" erreicht wird. Die Vorgänge zeigen, wenn man sie al- eine innere Angelegenheit Italien« ansieht, von den tiefen sittlichen Leiden der italienifchen Nation, welche diese vorerst noch nicht befähigt erscheinen lassen, eine ton angebende Rolle in Europa zu übernehmen. Ein Volk, welches politischen Einfluß äußern will, muß eine ge wisse sittliche Reife, einen politischen Ernst, mit wel chem Bubenstücke wie diejenigen, welche fortdauernd von der Jrredenta geplant werden, unverträglich sind, aufweifen. Dieser sittliche Ernst fehlt den italienischen Politikern, wenigsten» dem größten Theile derselben. .Daß Italiens größter Dichter," sagt die .Wiener Allgemeine Zeitung", „daß ein Carducci seine Leier entehrt hat, um den Mord zu glorificiren, wirft ein übles Licht nicht bloS auf ihn, sondern auf die sittliche Auffassung der ganzen Nation. Wenn der große Poet solche« thut, was darf uns dann bei den Kleinen und Schwachen im Geiste wundern? Es giebt ein unerlöstes Italien, und dessen Ketten sollten aller dings so bald als möglich zerrissen werden. Diese« unfreie Italien ist nicht im Trentino zu suchen und nicht zwischen Jsonzo und Quarnero; e« ist viel größer, al« Südtirol und Istrien zusammengeuommen; e« reicht vom Monte-Rosa bi« an da« Cap Passaro, vom Mont Ceni« bl« an die Adria. In diesem Ge biete, da» man der. Garten Europas genannt hat, woh nen 28k Millionen Menschen. Bon dieser statt lichen Menschenmasse sind rund 8 k Millionen mit dem Betriebe der Landwirthjchaft beschäftigt; davon sind 1k Millionen Gut-befitzer, 3k Millionen Tagelöhner, der Rest Pächter. Tagelöhner und Päch ter leben in einem physischen und moralischen Elende, von dem sich schwer eine Schilderung geben läßt. Hunger, Schmutz, Verkommenheit jeder Art sind ihr Loo«. 17 Millionen der italienischen Gejammtbevöl kerung der „Analphabeten", können nicht lesen und schreiben! von den drei Viertelmillioueu Einkommeo steuerpflichtiger hat eine halbr Million ein Einkommen von 1000 Lire oder weniger angegeben. Gewiß, e« war unter den früheren Regierungen bei Weitem ärger, feit der Gründung de« einheitlichen Reiche« ist sehr Vieles geschehen, aber eS bleibt noch mindesten» ebenso viel zu thun übrig. Ein Krieg ist zu führen mit drr Armuth, mit dem Schmutz, mit der Seelengememheit, die der Noth entspringt, mit allen Lastern; hier ist ein unerlösteS Italien, die» möge man befreien, dazu braucht eS nicht einmal der Petarden. Auch in Ita lien klopft die fociale Frage immer stärker und stär ker, immer lauter und vernehmlicher an die Pforten der Gesetzgebung. Dort ist sie nicht eine städtische, sondern eine Agrarfrage, vielleicht noch gefährlicher, als DaS, was man nördlich der Alpen unter dem Be griff der socialen Frage kennt und fürchtet. Gerne sociale Frage muß Italien lösen, mit dem Papst- thum muß Italien sich zuletzt irgendwie, in Gutem oder in Bösem, auSernandersetzen, wenn eS mehr sein will, als bloS dem Namen nach ein Großstaat. Man sollte meinen, das seien zwei Riesenaufgaben für eine Generation. In Italien aber giebt eS offen bar Leute, die, auch in dem Augenblicke, da eine große Stadt SicilienS sich gegen die Gesetze und die Staat«- autoritär auflehnt, in dem Augenblicke, da der Staat Feuilleton. Redigirt von Otto Banek. Arnold. Erzählung von «. v. Uslar. (Fortsetzung.) „Der Herr Doctor können auch wahrscheinlich heute noch nicht fort!" mischte sich jetzt Heinrich rin, der während deS Gesprächs ungesehen zur Thüre her- eingekommen war und den trocken gewordenen Anzug deS jungen Arztes auf einen Stuhl niederlegte. „Und warum denn nicht, Heinrich?" fragte Ar- nold, indem er die Kleider an sich nahm. „Ist etwa kein Schiff zu bekommen? —" „O doch, aber hören Sie denn nicht, wie'» braust? — Der Wind hat sich wieder aufgemacht und fegt so stark über die Marschen, daß keiner dagegen anfahren kann. Und vornehmlich nach Märingen zu, wo'» nicht« al» Hecken und Erddämme giebt — da kann fo ein Schiff Umschlagen, ehe man'« nur merkt und sieht! Ja, ich kenne da», wenn'« fo von Nestedt herbläst, fo hört's vor morgen früh auch nicht auf! —" „Na, da müssen wir wohl noch eine Nacht hier bleiben und sitzen ja auch, Gott fei Dank, noch im Trocknen! — Wie steht'« aber im Dorfe? —" „O sehr gut — aber e« ist schon rund gekommen, daß hier ein Doctor im Hause ist — und da wollen sie ihn gleich um Hilfe rufen. E» find hier nämlich ziemlich viel Kranke im Ort, und bei dem Wasser sind die auch nicht brsser geworden. Halbweier Kork und die alte Haarmann lassen gleich darum bitten!" „Gut, ich komme sogleich. Die Praxis geht ja vortrefflich! Unter diesen Umständen wird mir Doctor Rainberg wohl verzeihen, wenn ich heute Nachmittag nicht, wie ich versprochen, nach Nestedt zurückkehre. Aber wer sührt mich zu den Kranken hin, Heinrich?" „Es wartet unten Einer im Kahn, der genau Be scheid weiß!" „Schön. — Jetzt aber will ich erst den gestickten Urgroßvater beiseite Wersen und mich wie ein ehrbarer Doctor deS neunzehnten Jahrhunderts anziehen. — Auf Wiedersehen, Herr Haggard!" Damit ging er m den Alk wen, um sich umzukleiden, al» er aber wieder heraustrat, händigte ihm Heinrich einen kleinen eisernen Kasten ein, in dem sich Herrn Haggard'» Hausapotheke nebst einem reichhaltigen Vor rath von Hausmitteln befand, welche der kranke Haus herr, thrilS zu feinem eignen Gebrauch, theil» im In teresse der so abgeschieden lebenden Dorfbewohner an geschafft hatte. Heinrich hatte den Kasten nebst vielen anderen nützlichen Gegenständen auS dem überschwemm ten Hause glücklich herausgefischt. Arnold kam dieser Umstand sehr gelegen; denn ganz ohne Medica- mente würde seine ärztliche Hilfe den Ueberschwemm- ten nur wenig genützt Haden. Bald saß er im Kahn und schiffte mit seinem ländlichen Steuer mann Über den auf und nieder fluchenden Strom, der sich durch die sonst fo stillen Dorfgasfen ergoß. — — So frohen Herzens war er lange nicht auSgezoaen; denn die schwere Last, welche ihn in den letzten Zeiten fast zu Boden gedrückt hatte, war durch eine wunderbare Fügung von feiner Seele genommen worden, und er konnte wieder frei aufathmen! Al» er fort war, hatte der Hausherr noch einen Kampf mit dem störrischen Heinrich zu bestehen; denn dieser besaß, trotz der harten Worte, die er oft von feinem Herrn zu hören bekam, doch eine ziemliche Ge walt über ihn und setzte namentlich durch seine uner schütterliche Ruhe nicht selten seinen Willen durch. So wallte er denn auch heute durchaus nicht zugeben, daß dem kalekutischen Hahn, den er sür feinen Herrn so sorgfältig aufgezogen hatte, der Hals umgedreht und er von der Grethe m einen Suppentopf gesteckt werde, damit davon, wie Haggard wünschte, sür die unterm Dach wohnenden überschwemmten Dorfbewohner eine gute Suppe bereitet werde. — Und so sehr der Kranke auch darauf bestand, dem blaurothen Schreihals, der ihm schon fo oft den MittagSjchlaf verdorben, ein für alle Mal den GarauS zu machen — er würde doch nicht zum Ziele gelangt fein, wenn Alice nicht dazu gekommen und den Vater nicht so nachdrücklich unterstützt hätte, daß Heinrich da- Feld räumen mußte und mit wider willigem Murren m den Hühnerstall ging, um an seinem geliebter. Pfleglinge die befohlene Execution zu vollziehen. Alice und Grete waren aber auch nicht unthätig, den Armen und Bedrängten wirksame Hilse zu leisten. Die Magd hatte Kartoffeln vom Boden geholt und gekocht, und Alice aus einer alten Kiste, mit UrväterhauSrath vollgestopft, Dicken und abge legte Kleidungsstücke hervorgejucht und in den Kahn gepackt, auf dem der große Kessel stand, mit dem Hein rich etwa gegen zwölf Uhr Mittags davonruderte — um mit feinem „glückhaften Schiff" den Hungrigen Labung zu bringen. Erst gegen zwei Uhr kehrte der Doctor sehr au«- gehungert zurück, um an dem Mahle theilzunehmen, da» die kluge Grete au» den spärlichen Borräthen und mit sehr mangelhaftem Geschirr ganz vortrefflich be reitet hatte. Nach dem Essen kamen der OrtSvorsteher und der Schullehrer, welche schon am Morgen von Heinrich benachrichtigt worden waren, endlich herbei und be zeugten durch ihre Unterschrift, daß Herr Haggard die bewußten Papiere dem Herr« l)r. Weiybaum al» Schuldzahlung für dessen Vater freiwillig und in aller Form übergeben habe. Nach diesem ließ aber der Hausherr noch ein an deres Schriftstück ausfetzen, in welchem er vor den drei anwesenden Zeugen erklärte, daß er, im Fall seine- plötzlichen Tode», den Herrn Jnfpector Weihbaum auf Schloß Märingen zum Vormund seiner Tochter er nenne und diesen, fall» er gezeigt fei, den Auftrag anzunrhmen, hiermit ersuche, alle nöthigen Schritte zu thun, um diese Bestimmung rechtskräftig zu machen. Als auch diese Sache geordnet war, entfernten sich die Zeugen wieder, und der Doctor fuhr mit ihnen; denn er war mit seinen Krankenbesuchen noch nicht fertig und noch zu einer armen Familie gerufen wor den, welche hinter den Sandhügeln wohnte. Der Weg dahin war sehr beschwerlich und bei dem Sturme auch nicht ohne Gefahr zu unternehmen. Aber eS mußte gewagt werden, und Arnold half selber seinen Kahn über Hecken und Untiefen hinüberrudern, b»S er glück lich den festen Boden erreicht hatte. — Al» er endlich wieder kam, fand er Frieden und Ruhe, und der Abend, den er in dem kleinen Kreise in dem wasferumflutheten Herrenhause erlebte, ließ eine schöne Erinnerung in seiner Seele zurück. — Haggard, welcher einige Zeit auf dem Sofa zugedracht hatte, war wieder auf sein Lager gelegt worden, und dort faß er aufrecht und sprach
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