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Voiglländislher Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Dreiund stekenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieser Blatt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienstags, Mittwochs, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonuemeuirpreiS, welcher pnioa»»- zu entrichten ist, auch vei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 26 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittag» 11 Uhr eingehen, werden in die Tag» darauf erscheinend« Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werde» mit 1 Ngr. für die gespaltene Torpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Lönigl. Gerichtsämter und Stadträthe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstelle» in Pausa bei Herrn Julius Guido d'orcnz, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meher, in Mühltroff bei Herrn Cbeusteegelder-Einnehmrr Holzmüller. Dienstag. .HA 188« 2* September 1862. Zeitungen. Sachsen. Das dritte Oberlausitzer Gesangsfest ist am 24. und 25. d. M. in Löbau, vom Wetter begünstigt, unter zahlreicher Theilnahme und zu allgemeinster Befriedigung abgehalten worden. Auf dem Löbauer Berge wurden von dem eigens fürs Fest gebrauten „Sängerbier" in 4 Stunden 80 Eimer verbraucht. Dresden. Ein bedauerliches Ereigniß stimmt abermals zum Mitleid, denn ein Menschenleben fiel wieder als Opfer eines freiwilligen Todes. Am ver gangenen Sonnabend Abend zwischen 7 und 8 Uhr bemerkte man auf der böhmischen Eisenbahn unweit Reik zwischen den Bahnwärterhäuschen 12 und 13 eine Dame auf- und abgehen. Sie war gut gekleidet, trug eine schwarzseidne Falbelmantille, Erinoline, Strohhut und man hatte schon längere Zeit sie dort auf- und abgehen sehen. Da kommt endlich ein neuer Zug daher gebraus't und als sich derselbe obiger Stelle naht, sieht der Locomctivenführer genannte Dame die Böschung heraufkommen; sie wirft sich schnell, mit dem Gesicht nach Dresden gewendet, auf die Schienen. Ter Locomotivenführer setzt schnell die Bremse in Bewegung, läßt die Signalpfeife ertönen, aber Atles vergebens, den Zug auf zuhalten, ist auf einer kurzen Strecke von ungefähr 50 Schritten nicht möglich und als sich die schnaubende Locomotive der Stelle naht, vernimmt der Führer deutlich einen Ruck, der das Schlimmste ahnen ließ. Die Unglückliche ungefähr 24 Jahr alt, war vom ganzen Zug überfahren worden und die Tödtung unter schrecklicher Verstümmelung war sogleich erfolgt. Wie arg die Räder gewüthet, erkannte man daran, indem man in Bodenbach an einem Güterwagen einen Schuh der Unglücklichen vorfand, den die rollende Bewegung hinaufge schleudert. Wer die Person ist, war bis gestern noch nicht ermittelt. Welche Beweggründe waren hier die Veranlassung, sich in der Blüthe des Lebens einem so schrecklichen Tode zu weihen? Mit welch einem Gefühl mag die Unglück liche an der Bahn verweilt haben, ehe der grausige Entschluß zur schreckenvollen Wahrheit wurde. Gegenwärtig weilt in Dresoen ein Franziskanermönch und erregt durch seine eigenthümliche Ordenskleidung (braune Kutte mit härenem Strick umwun den) hierselbst nicht geringes Aufsehen. Er consultirt dem Vernehmen nach wegen eines Leidens Hrn. Geh. Medicinalrath D. Walther. In Dresden hat die von einer Anzahl achtbarer Firmen für die Ab gebrannten in Oberwiesenthal eröffnete Sammlung außer verschiedenen Packeten rc. einen Gesammtertrag an Geld von fast 560 Thlrn. ergeben. Außerdem sind auch bei dem Dresdner Journal bereits über 600 Thlr. eingegangen. Leipzig, 29. August. In den neulich bezeichneten Lokalen der Herren, welche sich zu Annahme von Gaben für Oberwiesenthal und Eibenstock bereit erklärt hatten, sind bis 28. August 1066 Thlr. 23 Ngr. 9 Pf., sowie 114 Packete und vier Colli abgegeben worden. Wiederum haben zwei Studenten wegen diverser Vergehen von der Leipziger Universität entfernt werden müssen; im Ganzen nunmehr neun in einem Semester. Zwickau, SL August. Morgen, den L September, tritt in der Geitner'fchen Treibgärtnerei zu Planitz die Bietoriablüthe in s schönste Stadium. Preußen. Elberfeld. Der Schriftsteller Dresemann stand am 23. August hier vor der Zuchtpolizei, angeklagt, den Minister v. d. Heydt in einem Flugblatt bei Gelegenheit der Wahlen für das Abgeordnetenhaus im Mai d. I. beleidigt und verleumdet zu haben. In der Sitzung des Gerichts am 12. Juli ward Dresemann der Beweis der von ihm behaupteten Thatsachen gestattet. Er brachte denselben nun heute Lurch einige zwanzig Zeugen. Dresemann hat behauptet, v. d. Heydt habe in einer Volksversammlung am 6. März 1848 in Elberfeld den König und das Königshaus beschimpft. Einzelne Zeugen aussagen waren höchst interessant: Restaurateur Neuhoff, Kaufmann Dahlhaus, Fabrikant Weidtmann, Wirth Pitscheur rc. haben den jetzigen preußischen Pre mierminister, damals liberalen Banquier, sagen hören: „Der Mensch (Friedrich Wilhelm IV.) hat uns schon so oft belogen, daß wir ihm nicht trauen können, wir müssen Garantieen haben! Fabrikarbeiter Lusch sagte aus, daß v. d. Heydt in jener Versammlung gerufen habe: „Ich möchte meinen Orden von der Brust reißen und unter die Füße werfen, er ist nicht werth, daß ich ihn trage." Kaufmann Schlösser hat gehört, wie v. d. Heydt sagte: „Das Haus Hohen- zollern ist entartet." Andere Zeugen bestätigen die Aeußerung: „Der Königs thron ist morsch!" Am 27. August erachtete das Gericht den Beweis für Dresemann's Behauptungen geführt und sprach ihn frei. (Auch wohl selten dagewesen, daß einem Premierminister so etwas passirte.) Baden. Baden, 25. August. Es verbreitet sich das Gerücht von einem großen Diebstahl, der gestern hier begangen worden sei. Dem Fürsten G. sollen nicht weniger als 150,000 Fl. in Banknoten und sonstigen Werth- papieren entwendet worden sein. Näheres ist noch nicht bekannt. Baiern. Nürnberg, 28. August. Die hier tagende Hauptversamm lung des Vereins der Gustav-Adolph-Stiftung hat heute Lübeck als Versamm lungsort für 1863 gewählt, weil sie für nothwendig hielt, die nächste Versamm lung in einem nördlichen Theile Deutschlands abzuhalten. Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, erhielt die Versammlung aus Wien folgendes Telegramm: „Willkommen in Wien! rufe ich im Auftrage Sr. Excellenz des Herrn StaatS- ministers Ritters v. Schmerling. Superintend. Franz." Die Wahl Lübecks wurde nicht rückgängig gemacht; für die Wiener Einladung aber sprach die Versammlung noch ihren Dank durch Erhebung von den Sitzen aus. (Solch' eine erfreuliche Einladung war vor drei Jahren noch unmöglich.) Oesterreich. Prag, 28. August. Wie weit der nationale Fanatis mus gediehen ist, dafür mag nachstehendes Ereigniß einen Beleg abgeben. In einem Städtchen des Königgrätzer Kreises wurde eine czechische Theatervorstellung gegeben, wobei ein historisches Drama aufgeführt wurde. Der „deutsche Ge sandte" sagt nun zu einem „böhmischen Ritter" die Worte: „Meines Schwertes bist du nicht würdig, elende czechische Seele." Ein furchtbares Geschrei entsteht nun infolge dieser Worte; das Gewirr wird im Publikum immer größer und drohender, die Galerien leeren sich und das Publikum drängt sich stürmisch unter furchtbarem Geheul gegen die Bühne. „Fort du Lump, du Galgenstrick, weg von der Bühne" und andere Aeußerungen fallen. Was war zu thun? Endlich gelingt es dem Regisseur, das Publikum mit den Worten zu beruhigen: „Meine Herren, Sie werden volle SatiSfaction erhalten, der Kerl wird ja im dritten Act todtgestochen!" Das wirkte und beruhigte. Und als im dritten Act „der Kerl" todt gestochen wurde, da gab sich die Freude durch lange dauernden Applaus kund, ja einige von den Zuhörern verlangten stürmisch äa oaxo. Italien. Hier gehtS gegenwärtig drunter und drüber, kein Mensch weiß, wer Koch oder Kellner ist, Niemand vermag auzugeben, wie die granm- ' volle Verwirrung da unten im Stiefel weiter verlaufen und schlüßlich endigen