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Dienstag —Nr. 13V. 8. August 1843. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz! Ueb-rblitk. Deutschland. "Aus Mitteldeutschland. Deutsche Flagge und Flotte. — Erklärung des Frhrn. v. Thon-Dittmer bei Gelegenheit des Steucrgesetzcs in der bairischen Abgeordnetenkammer, ch München. Witterung. Lheurung. Die Dult.— Die Streitigkeiten in Sonders hausen gleichen sich aus. 'Hamburg. Das Finanzwesen. Preußen. O Berlin. Der König und die Königin. Die Manoeuvres. Mi nister Eichhorn. Die Frommen. S Berlin. Das Urtheil über die Todten. Desterreich. "Wien. Die Nichtaufhebung des Prohibitivsystems. Der Oberstburggraf von Böhmen Graf Chotek dankt ab. ' Prcs- burg. Die Kroaten. Die ständischen Deputationen. Portugal. 'Lissabon. Entbindung der Königin. Freude über die Ereignisse in Spanien. Costa Cabral. Spanien. 'Varis. Der Herzog v. Baylen Vormund der Königin. Reaction. Die Beschießung von Sevilla. Oberst Echalecu. Barcelona. Saragossa. Feuersbrunst in Granada. Die Nordprovinzen denken an die Fueros. Großbritannien. Vergünstigungen des Papstes für Pater Mathew. "London. Statistik und Einkommen der englischen Hochkirche. Frankreich. Die französischen Journale über Spanien. Was sich die Franzosen in Betreff der Ehrenlegion einbildcn. * Nismes. Die fran zösischen Radicalen. Schneewettcr. Ein Wucherer. Eine Mordthat. ' Ein ungenirter Dieb. Die Telegraphen. Verkehr mit Algerien. Belgien. Verbot der Thiergefechte in Limburg. Moldau und Walachei. 'Bukarescht. Der preußische General- consul Ncigebaur. Die lutherische Kirche. Prinz Albrecht von Preu ßen. Das Ministerium. Der Fürst reist nach Konstantinopel. Eine Ehescheidung. Nordamerika. 'VomOhio. Feuersbrünste. Unsicherheit. Duellwuth. Das katholische Provinzialcouncil. Die Repeal. Mejico. Lejas. Jamaica. Haiti. Die Aernte. Handel und Industrie. Leipzig. Eisenbahnsrequenz. Deutschland. **Aus Mitteldeutschland, 4. Aug. Das Projekt eines deutschen Schiffahrtsvereins unter gemeinsamer Flagge der daran theilnchmenden Staaten, welches die Einen auf den Bund, die Andern auf den Zollverein gestellt wissen wollen, hat bereits vielsei tige und so verschiedene Beurthcilungcn erfahren, daß cs einer langen Abhandlung bedürfte, um das Unhaltbare der mancherlei Bedenken auszuscheidcn und den Enthusiasmus für und die Verzweiflung an der Maßregel auf das angemessene Temperament zurückzuführcn. Wäre diese aber auch eine bloße Demonstration, die Einigkeit und Einheit deutscher materieller Interessen auf diesem Wege formell schneller zur Darstellung zu bringen, als es mittels des Zollvereins wesentlich bis her hat gelingen wollen, so müßte man doch sie mit Freude begrüßen, denn immer wäre es ein Reifen mehr zum Zusammenhalt. Man ist jetzt sehr kritisch und prätentiös geworden und möchte sich in jeder An gelegenheit nur mit dem Höchsten begnügen. Weniges von Dem, was besteht, noch Wenigeres von Dem, was geschieht, will zusagen und befriedigen. Nur zu häufig erhebt sich das nationale Selbstgefühl auf einem von falscher Energie untergeschobenen Postament und äußert sich in einer malkontenten übermäßigen Begehrlichkeit, welche sich gleichwol das Ansehen eines das Vollendete und Große anstrcbcnden patrioti schen Schwunges zu geben glaubt. So sind auch in dieser Angele genheit einige unerfreuliche Proben solchen „Patriotismus" gefallen, wie unter Anderm die vielseitig, meist ironisch gestellte Anfrage: wo denn die Flotte zum „Schutze" dieser projectirten Flagge schon wäre? Denselben Staatsweiscn würde es nun gewiß nicht eingefallen sein, nach der „Armee" zu fragen, als Napoleon, von Elba kommend, sci- «en einsamen Adler aufpflanzte. Dort mußte das Heer zur Fahne, hier aber die Flagge erst zur Flotte kommen; für diese absichtlichen Zweifler gibt cs auf deutschem Boden nur verkehrte Verhältnisse. Was für eine seltsame Logik: weil sich eine Flotte nicht sogleich anfertigen läßt, wie man Verträge macht und ein Fläggentuch erfindet, lieber das ganze Projekt ins Reich der Abstraktionen verweisen, das Projekt einer Maßregel, welche sich nicht für die Schöpfung selbst, sondern blos für den durch die Form gelegten Keim einer auf ihre eigne Ent wickelung angewiesenen Schöpfung auögibt, und auch nur dafür sich auszugeben braucht, um wichtig zu sein. Nun, eine „Flotte", wie sie sein müßte, den vorausgesetzten Schutz vollständig zu gewähren und, was doch dazu gehört, eine Reihe Kricgshäfen von Emden bis Me mel, müßte sich stattlich ausnchmcn und jedenfalls auch viele Zeit und viele Millionen kosten, und wir würden doch immer noch keine blü hende Schiffahrt und keine andern Handclsocrhältnisse haben. Als ob sich das machen ließe unter dem Schutze der Kanonen! Wozu aber überhaupt einen militairischen Schutz — denn dieser wird doch untcr „Flotte" verstanden — wo DaS, was beschützt werden soll, sich erst bür gerlich in die ^Verhältnisse schmiegen soll, um seiner zu bedürfen? Die Höhe dieser Verhältnisse ist von ganz andern Bedingungen abhängig, die wir das Ebenmaß nennen möchten, das Ebenmaß zwischen den Zu ständen des ausländischen Marktes unserer Production, Industrie, Schiffahrt und unserm Handel und Unternehmungsgeist, andererseits das Ebenmaß untcr diesen verwandten Thätigkeiten, und dies Alles wesentlich auf die Intelligenz der deutschen Völker, die Politik ihrer Regierungen, das Ansehen des Bundes und auf angemessene Staats- vcrträge gestellt, das ist, was Noth thut. Wenn die Verträge stür zen, werden Flotten die taumelnden Interessen nicht aufrecht erhal ten, zumal Flotten wie eine „dcutschc Marine", welche schwerlich den Seemächten kriegerisch imponiren könnte, auf von England und Ruß land unterjochten Meeren, Interessen im Verkehre mit überseeischen Ländern, wo die Gefahr zunächst in der Rechtslosigkeit und Demora lisation barbarischer oder verderbter moderner Verhältnisse droht. Ist Hollands gigantische Seemacht nicht von den Fedcrzügen der Naviga tionsacte vernichtet, Frankreichs Colonialbesitz mit seinen Verträgen zer rissen worden, und hat sich an Dänen und Türken nicht deutlich aus gewiesen, was Flotten zweiten Ranges als Kricgsorgane nützen, wenn das Staatensystcm wankt? Die öffentlichen Rechtszustände, worauf sich dies gegenwärtig gründet, sind nun aber so beschaffen, daß Ein Ka nonenboot mehr leistet, als zu Anfang dieses Jahrhunderts eine Ar mada geholfen hätte. Eine „Marine", wie sie Deutschlands Handels - und Schiffahrtö- interesscn bedürfen, zumal wenn die Solidarität des Bundes durch Auf richtung eines gemeinsamen völkerrechtlichen Wahrzeichens sich fester aus den Meeren constituirt und auf die fernsten Beziehungen wirksa mer sich verwenden läßt, wodurch schon in der gewissermaßen idealen Machterhöhung größere Bürgschaft und Respect gewonnen wären, kann daher keine weitausschcnde Arbeit sein. Man kann wünschen, daß sie begonnen werde, aber der Einwand gegen jenes Projekt ist eitel, daß sie noch nicht vollendet ist. Ein Werkzeug militairischer Gewalt kann diese „Marine" allerdings niemals, aus diesem Gesichtspunkte kann sie nicht in Angriff genommen werden, denn auf Seeschlachten wird man sic doch nicht berechnen wollen. Daß Oesterreichs Verhältnisse im adria tischen und Mittelmecrc, wo sich den Marokkanern und griechischen Pi raten und, an die Flotten des alten mächtigen Bundesgenossen gelehnt, 'elbst den Türken imponiren läßt, ganz verschiedene sind von der ge bückten Sccstcllung der ZollvercinSstaaten in den nördlichen Meeren, liegt wol auf der Hand. In welcher Eigenschaft deutsche Kriegsflo- tillcn daher hier zu wirken bestimmt sein können, ist schwer zu verken nen, da ihnen für Coüisionsfälle zum Schutze des Verkehrs und ange- öchtencr Verträge doch immer nur ein diplomatischer Charakter bei- ,clcgt werden könnte, wodurch sie dann nur in zweiter Potenz densel ben Zweck verfolgten, den auch die „Bundesflagge" schon hätte: die Repräsentation der Bundcsmacht auf den Meeren. Allein glücklicherweise sind es in der Hauptsache die Außenmeere nicht, auf welche das Gedeihen des deutschen Verkehrs, sein Handel, eine Schiffahrt angewiesen sind; Deutschlands geographische Lage und Seschaffenhett geben ihm die Bestimmung eines Binncnstaats, dem ich drei große Hauptthore seewärts öffnen, damit cs , ein mächtiger Zwischenhändler, zwischen dem Westen und Osten den Weltverkehr ver mittle. An den Weser-, Elbe- und Rhein-, andererseits an den Do naumündungen, dann an Istriens Küsten laufen die mächtigen Stra- jen aus, die, einmal durch Eisenwegc und Kanäle verbunden, gesäu ert und frei, die Hauptschlagadern seines materiellen Gedeihens sind, deren Pulse die Interessen von vier Welttheilen bewegen. Rhein und Donau, schon jetzt von ungemeiner Bedeutung, könnten, inZusammen- mng gebracht, unstreitig die mächtigsten, belebtesten Wasserstraßen der Leit sein. Das ist der Angelpunkt aller hier besprochenen Inter-