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soovv KVsrL -lr. 20« ZLtttvord, üen 29. Lu-uni 1922 k^rn-^usssds 117. Isdrg. A«Mben der AncmzpslitiK ., «r. L e i p z i g, 28. Auguch. Der Neichsbankausweis vom 15. August hat die Börse tief beunruhigt. Es ist ein in der Entwicklung der Neichsbank bisher einzig da- stehender Fall, daß sich Anlagen wie Noten, umlauf verdoppelt haben. Die gesamte Ka- pitalsanlage ist um 120,2 auf 233,9 Billionen Mart gestiegen. Bon diesen 120,2 Billionen Marr, die von der Reichsbank beansprucht wur den, entfallen mindestens 97,99 Billionen Mark auf den Staat, denn um so viel hat sich das Schatzwechselportefeuille der Reichsbank ver- mehrt. Und doch ist dieser Reichsbanrausweis nur ein zarter Anfang! Nach der dekadenweise veröffentlichten Uebersicht über die Geldbewegung bei der Neichshauptrasse hat sich die schwebende Schuld des Reiches vom 11. bis 20. August um 240,19 auf 303,47 Billionen Mark vermehrt, also mehr als verdreifacht. Da der Umlauf an Schatzwechseln sehr gering ist und der Bestand der Neichsbank an solchen am 15. August „nur" 117,63 Billionen Mark betrug, entfallen somit mindestens zwei Drittel dieser Zunahme auf die Zeit vom 15. bis 20. August; mit anderen Worten: Die kommenden Reichsbankausweise vom 23. und vom 31. August werden uns noch ganz andere Ziffern bringen. Diese Entwicklung zeigt zur Genüge, wie un- geheuer schwer es für die Reichsregierung gegen- wärtig ist, Ordnung in den Staatshaushalt zu bringen. Es ist begreiflich, daß eine derartige Zeit außerordentliche Abhilfsmittel bedingt, und die Negierung scheint auf dem rechten Wege zu sein, wenn sie sich nicht die Zeit nimmt, erst ein großes Reformprogramm auszuarbeiten, sondern zufaßt, um erst einmal Boden unter den Füßen zu bekommen. Das ist das „Finanzpro gramm" Hilferdings, nichts mchr, aber auch nichts weniger. Wenn man aus seiner letzten Neds das Wort von der „brutalen Steuer- Politik" an die Spitze stellte, so hat man das Wesentliche seines Programms, so weit man von einem solchen im gegenwärtigen Augenblicke sprechen kann, nicht erschöpft. Der Hauptton seiner Rede lag unstreitig darauf, daß es not wendig sei, den Devisenmarkt zu beherr- scheu. Die Steuerpolitik wird dann eben so viel und so wenig brutal sein, als es notwendig ist, dieses Ziel zu erreichen. Dies zeigt sich auch wieder bei der letzten Notverordnung, die das Reich in den Besitz von Devisen setzen soll und die den gewiß beabsichtigten Nebsnerfolg hatte, den Sturz der Mark aufzuhalten. Wir hatten am Mittwoch voriger Woche einen Freiverkehrskurs von 7 Millionen M?., dec sich leicht daraus erklärte, daß die Ueberwäl- zung der neuen Steuern die Warenpreise und damit auch die Löhne trotz der in Deutschland be stehenden Zwangsmieten, der Brotoerbilligung und billigeren Zuckerversorgung zum Teil über Weltmarktparität hinausgetrieben hatte. Natur- notwendig hätten die Devisenkurse folgen und den Einklang zwischen Weltmarktpreis und deut- schein Inlandspreis wiederherstellen, damit aber auch den Kreis der Steuerüberwälzung schließen müssen. Da kam die Notverordnung und schraubte die Entwicklung plötzlich zurück, wodurch die Ueberwälzung plötzlich gehemmt und die Steuern im allgemeinen zu einer schweren, zum Teil vielleicht sogar zu einer drückenden Last wurden, dtun erst zeigt es sich klar, daß die neuen Steuern ungleich verteilt sind. Denn es gab immer noch Kreise, für dis der Steuerdruck auch jetzt noch wenig empfindlich war. Das geht aus dem Bestreben hervor, die Devisen, die nach der Notverordnung an das Reich abgelie- fert werden müssen, an der Börse zu kaufen, um den eigenen Devisenstand zu schonen. Die Dem- senkurse zogen infolgedessen wieder an. Volks- wirtschaftlich ist, wie schon oben beiläufig er wähnt, die neue Markverschlechterung insofern nicht abzulehnen, weil die Entwicklung sich in viel ruhigerer Weise vollzieht, wenn sich die De- visenkurse den zum Teil über Weltparitüt stehen- den Preisen des deutschen Inlandes anpassen, als wenn das Umgekehrte der Fall wäre. In steuerpolitischer Hinsicht aber sollte diese Er- scheinung der Regierung eine Mahnung sein, die Frage zu überpriifen, ob nicht jetzt schon eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten möglich sei. Daneben bleibt als zweite Aufgabe der Re gierung unverändert bestehen, in der Reichsbank leitung die nötigen Voraussetzungen für eine Reorganisation der Staatsfinanzen zu schaffen. Die Havensteinsche Rede vor dem Zentralaus- schuß hat jedenfalls nicht überzeugt, daß der Gegensatz zwischen Regierung und Reichsbank, leitung beseitigt ist, so deutlich auch Ha- venstein zu verstehen gegeben hat, er wolle auch die jetzige Regierungspolitik mitmachen. Der Primat des Staates, von dem Hilferding sprach, kann nicht darin bestehen, daß die Reichs- bankleitung ein willfähriges Werkzeug der Reichsregierung ist, sondern nur so verstanden werden, daß Reichsbank wie Reichsregierung sich einig sind über das zu erstrebende Ziel und den Weg, der dazu führt. Da dies bet Havenstein nicht möglich sein wird, besteht die Neichsbank- Krise nach wie vor fort. Es wäre an der Zeit, sie im Sinn« des Regierungsprogrammes zu beenden. Der neue Reichspoftminister Berlin, 28. August. (Lig. Tel.) Der bei der Umbildung des Kabinetts Stresemann offengeblie- bcne Posten des R e i ch«p ost m in ister, dürste heute besetzt werden. Als Minister kommt -er vom Zentrum in Vorschlag gebrachte Reichstags- abgeordnete Dr. An ton Höf le in Betracht. Dr. Höfle, der geborener Pfälzer ist und im 41. Lebensjahre steht, ist Direktor des Gesamtver bandes der Deutschen Staatsbeamten- und Staats- angestellten-Gewerkschaften und volkswirtschaftlicher Dezernent des Deutschen Dewerkschaftsbundes. Dem Reichstag gehört Höste seit 1S20 an. Stinnes und drr passive widerstand Paris, 28. August. (Lig. Tel.) Die gestern abend von den diplomatischen Vertretern der „Daily Mail" verbreitete Nachricht, daß Stinnes eine Verständigung mit Frankreich anstrebe und auch andere deutsche Großindustrielle Annähe rungsversuche gleicher Art unternommen hätten, wird von den meisten Pariser Morgenblättern be sprochen. In diesen Kommentaren lassen sich die verschiedenen hier herrschenden Strömungen deutlich unterscheiden. Dis offiziös beeinflußten Zeitungen demen tieren das Gerücht von Besprechungen zwischen der französischen Negierung und den deutschen Groß industriellen. Sie betonen, daß Frankreich sich auf Verhandlungen mit Deutschland nur einlassen würde, wenn diese durch Vermittlung der hiesigen Deutschen - Botschaft oder durch Eröffnungen au vre französische Botschaft in Berlin eingeleitet würden. In ossizösen Pressenotizen wird versichert, daß Poincarö eine von Deutschland gewünschte Unterhaltung nicht ablehnen würde, „vorausgesetzt- daß es sich um Vorschläge handelt, dis den berechtigten Forderungen ent- sprechen" Der sozialistische „Popickatre" hat zu dem offiziösen Dementi kein Vertrauen. Lr hält es für durchaus möglich, daß die Industrie des Ruhrgcbietes sich den Besatzungsmächten zu nähern versucht, zumal an gesichts der vom Kabinett Stresemann angekündigten scharfen Maßnahmen. Das Dlott meint, das Dementi des französischen Außenministeriums sage nichts, denn aus diesem Gebiet« gebe es sehr viele Möglich keiten. Der „Populaire" hält es für bedenklich, den Industriellen derartige Initiativen zu überlassen, und beschwört deshalb Stresemann förmlich, trotz der Haltung Poincares und trotz des Verzichtes auf „er mutigende Gesten" größere» Entgegenkommen zu zeigen. Der „Eclair" »nö die „Nöpublique sranyaise" warnen die französische Regierung vor den angeblichen Bemühungen von Stinnes, in dem „Konsortium der rheinischen Eisenbahnen Sitz und Stimme zu erhalten", da Stinnes nuit darauf aus gehe, die Mitarbeit der wahren Rheinländer zu ver- hindern. Die beiden Blätter fordern Poinearö unter Hinweis auf die Vorgänge in München-Gladbach auf, die Gelegenheit zu benutzen, in der „rheinischen Un- abhängigkeitsbewegung" auch das Interesse Frank reich» zu bekunden. Sie empfehlen dann die Internationalisierung de» Rhein- lande». > Die radikale „Ere Rouvelle" vertritt die Auf fassung, daß etwaige Annäherungsversuche von Stinnes nicht zurückgewiesen werden dürften, da man auf diese Weise zur Gründung eine» „französisch rheinischen Konsortium»" gelangen könnte und ein derartiges Konsortium eine geeignete Grundlage für die deutsch-französische Wirtschastsverständigung wäre. Die Blätter, die sich nach der obigen Mel- düng mit den angeblich von Hdrrn Stinnes unternommenen Annäherungsversuchen befassen zu müssen glauben, stehen in der Rangordnung der Pariser Press« nicht sehr hoch. Um so mehr besteht die Möglichkeit, daß sie zu einer Stim- mungsmache benutzt werden, deren Zweck man ich leicht vorstellen könnte. Es würde sich näm- ich darum handeln, den passiven Wider tan d durch Verbreitung von Gerüchten zu er- chüttern, die in hohem Grade geeignet wären, zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft im Ruhrgebiet, wie überhaupt unter den Par teien und Klassen des besetzten und selbst de» un- besetzten Gebietes Mißtrauen zu säen. Denn «» wäre in der Tat ein unerträglicher Zustand, daß von den einen alle Arten von materiellen und moralischen Opfern zur Aufrechterhaltung des passiven Widerstandes verlangt und gebracht würden, während es anderen erlaubt wäre, je nach der Konjunktur der Kohlen- und Eisen- brauche den passiven Widerstand zu befürworten oder sich um einen Abbau zu bemühen. Die Pariser Meldungen find daher mit der aller- größten Vorsicht aufzunehmen, und es war« überdies wünschenswert, daß sie von denen, die es angeht, überzeugender widerlegt würden, al» es für uns durch da» amtlich« Dementi der französischen Regierung gescheh«, kann. Wie di« Pariser NKorgeyblLtter mitteilen, wird sich Poiaears am Sonnabend »ach Trequter be- «eben, wo er den Vorsitz bet einer zu Ehre» de» 100. Geburtstage» de» Schriftsteller» Ernest Renan veranstalteten Fei« führen wird. Bei feiner Rück- kehr werd« er einem Festmahl in St.-Vrt«ux bei wohnen. -- .... .... Das Urteil gegen den Journalisten Oehme 4 Lahr Gefängnis — Sofortig« Haftentlassung Leipzig, 28. August. Der Senat für erst instanzliche Strafsachen des Reichs- gerichtshat heute nach fünftägiger Verhandlung»- dauer den wegen Landesverrats und Spionage an geklagten Berliner Journalisten Walter Oehme unter Freisprechung von den meisten in der Anklageschrift gegen ihn erhobenen Anklagen zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr unter Anrechnung von 8 Monaten Untersuchungs haft verurteilt. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten wird aufgehoben. Die Entlassung erfolgt s o fo rt. Eine Kaution braucht der Angeklagte nicht zu stellen. Der Senat hat in der Urteilsbegründung versuchten Landesverrat rznd Spionage in zwei Fällen als er wiesen erachtet. Der Oberreichsanwatr hatte eine Gefängnisstrafe von 1)4Iahren beamrugt. Die Ver teidigung hatte auf Freisprechung plädiert. In der Urteilsbegründung betonte der Senatspräsident, daß die dem Angeklagten zur Last gelegten Tatmomente abweichend vom Eröffnung»- bcschluß, der vollendete Handlung angenommen hatte, beurteilt werden könnten. Der Senat habe für die Fälle, für die der Oberreichsanwalt Nichtschuldig be- antragt hat, angenommen, daß ein« strafbare Hand lung nicht vorliegt. Er sei insofern noch weiter gegangen, als dem Angeklagten nicht widerlegt werden konnte, daß einzelne Veröffentlichun gen unter Zustimmung eines Beamten des Auswärtigen Amtes erfolgt feien. Was einen weiteren Bericht des Angeklagten vom 3. Fe bruar betreffe, der von Schwankungen innerhalb der Regierung spreche, müsse der Senat annehmen, daß der innere Tatbestand nicht nachgewtefen werden könne. Nach Angabe de» Angeklagten fuße dieser Be richt auf Acußerungen, die im Auswärtigen Aus schuß de» Reichstages zur Sprache kamen. In der weiteren Urteilsbcgrünndung geht der Senatepräsident dann auf das Material ein, das Oehme auch ver „Roten Fahne" zur Verfügung gestellt hat und das Mitteilungen über kriegerisch« Psychose, Aufruf des Grenzschutzes und Meldungen über Frei- willigenstcllungen in Deutschland enthält. Der Senat kommt zu dem Schluß, daß dieses Material in dem Umfang, wie Oehme es in seinen Berichten verwertet hatte und wie er es der „Roten Fahne" zur Verfügung gestellt habe, nicht bekannt gewesen sei und im Intersse des Landes auch als objektiv geheim zu halten anzusehen gewesen sei. Oehme habe sich, nach seinen Angaben, hierbei auf Reichs tagsverhandlungen gestützt. Man müsse vor allem aber bedenken, daß alle Reichstagsverhandlungen nach parteilichen Gesichtspunkten orientiert seien. In den Berichten des Angeklagten seien aber die außenpolitischen Gesichtspunkte maßgebend gewesen, so daß die Notwendigkeit strenger Geheim- Haltung dem Auslande und anderen Negierungen gegenüber bestanden habe. Wörtlich heißt e» dann in der Urteilsbegründung: „Apgelehnt wird die Meinung, dah der einzelne Staatsbürger das Recht nabe, selbständig zn prüfen und zu entscheiden, ob einzelne Nachrichten für die Staats- Wohlfahrt veröffentlicht werde» könne« oder nicht." Das könne nur von den Leitern der Politik ent schieden werden, da sonst eine Führung der Politik in gesunden Grenzen nicht möglich sei. Der Senat habe bei der Intelligenz und den politischen Kennt nissen de» Angeklagten angenommen, daß dieser sich der Bedenklichkeit seiner Berichte voll bewußt ge wesen sei, zumal er einen Teil der ihm zur Last ge legten Handlungen äl» Grenzfälle bezeichnet habe. Seine Handlungen seien jedoch im BersnchSstadium geblieben, zudem sei ein Teil der von ihm mitgeteil ten Tatsachen unwahr gewesen. Der Angeklagte könne weiterhin nicht geltend machen, es habe sich bei seinen Berichten um die Waynebmung inner politischer Interessen gehandelt. Diese hätten ihn nicht berechtigt seine Nachrichten an Stellen weiter zugeben, die sie ausländischen Regierungen in di« Hände spielen konnten. Ueberdie» gingen sein« Be richte für da» Ausland in den Einzelheiten weit über die Berichte der „Roten Fahne" hinaus. In bezug auf die Weitergabe des Material» durch Oehme an gewiss« kommunistisch« Abgeordnete heißt «» dann in ver Urteilsbegründung wörtlich:' »Di« Jnrnnmitftt per Abaeorvneten zeht nicht sp weit, patz ft« alles in Zeitun gen veröfsentlichcn dürfe», was ihnen «itgeteilt wird. Die AmrnmritLt gilt nur innerhalb des Parlaments nnd ist anher, de« »nr ein persönlicher Strafansschlie- hnngsgrnnd." Der Senat müsse also darin den Tatbestand der Beihilfe als erwiesen erachten, daß der Angeklagte sein Einverständnis zur Deröffentliuchng und Ber- hreitung seiner Rachrichtn durch di« «Rote Fahne" gegeben habe. Mit Rücksicht darauf, daß das Mate- rial der Anklageschrift stark adgeschwächl worden ist, habe da» Gericht beschlossen, den gegen den Ange- klagten erlassenen Haftbefehl aufzuheben und Oehme nach Schluß der Sitzung ohne Stellung einer Kaution zu entlassen. Der Senat habe auch keine Bedenken getragen, dem Angeklagten mildernde Umstände z« bewilligen, zumal sichtbare Schädigunaen durch seine Berichterstattung nicht heroorgetreten seien. Er habe sich für eine gewichtige Persönlichkeit gehalten und habe seiner Pflicht als Journalist in bezug auf möglichst schnelle Weitergabe seiner Meldungen ge nügen wollen. Es sei ihm auch zugute zu halten, daß er in jahrelanger Tätigkeit deutschen Stellen ge nützt habe und für sie tätig gewesen sei. Und in diesen Fällen könne diesen Stellen der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß sie. die die Tätigkeit de» An geklagten kannten, nicht hemmend auf ihn «ingewirkt hätten. Der Senat verkündet dann das oben ange gebene Urteil. * Wie wir erfahren, dürfte übrigens in der Prozeß, fache Oehme das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, da von parlamentarischer Sette eine Anfrage an. die Reichsregierung in dieser Angelegenheit in sicherer Aussicht steht. .... Havenstein soll gehen Berlin, 28. August. (Eig. Tel.) Laut „Vor wärts" beschäftigte sich gestern ein engerer Kabi nettsrat mit der eventuellen Neubesetzung der Reichsbankleitung. Wie dem Blatte zufolge verlautet, soll al» Nachfolger Havenstein» eine Persönlichkeit ausersehen sein, die auf Grund der bisher vdn ihr geführten Ne^trationsverhantz» lungen einen guten Ruf hat und auch Gewähr für ein« befriedigende Zusammenarbeit mit dem Reichs kabinett bietet. Wie das Blatt weiter schreibt, be steht di« sozialdemokratische Reichs tagsfraktion weiterhin auf den Rücktritt Havenstein». Auch da» Reichslabinett und die hinter ihm stehenden Regierungsparteien sollen sich einmütig gegen Havenstein erklärt haben. Da Haven- stein nicht freiwillig von seinem Posten scheiden will, wird di« Einberufung des Reichstage» zur Lösung des Konfliktes nötig sein. Der Reichskanzler über Vas „Institute os eeonomy" Köln, 28. August. Ein Berliner Vertreter der „Kölnischen Zeitung" hat heute eine Unterredung mit dem Reichskanzler Dr. Stresemann, in der er den Reichskanzler um Auskunft bat, worauf er seine Einschätzung des amerikanischen Un tersuchungsergebnisses hinsichtlich der bisherigen deutschen Leistungen begründet habe. Der Reichskanzler führte in seiner Erwiderung u. a. fol- gendes aus: ... An sich habe ich mir das Schätzungsergebnis de» Instituts of Economy durchaus nicht end gültig und unzweifelhalt zu eigen gemacht. Das Ma- terial, das Vie deutsche Regierung in Händen hat, gestattet eine noch viel genauere Beziffe rung der bisherigen deutschen Leistungen, eine Be» zisferung, die sich m. E. vor einem i n.ternatio- nalen Sachverständtgenausschuß 1» durchaus einwandfreier Weise nachweisen ließe. Bi» jetzt ist aber die Höhe aller Reparationsleistungen immer unserem Konto gutgeschrieben worden, ohne daß die deutsche Regierung auch nur gefragt worden wäre. Eine solche Einschätzung muß einseitig aus fallen und scheint offenbar auch nicht vor großen Irr tümern bewahrt worden zu sein." Der Reichskanzler machte dann über die Ent stehung de» von hervorragenden amerikanischen Fach männern gegründeten und geleiteten Institut» of Economie und seine» Ziele» Mitteilungen, den wahren Tatbestand gegenwärtiger Wirtschafts probleme zu ermitteln, und diesen Tatbestand dem Volke der Vereinigten Staaten auf einfache und ve» stündliche Weise darzulegen. „Das Werk über d'e deutsche Zahlungsfähigkeit ist," so bemerkte der Reichskanzler zum Schluß, „zwar erst vor kurzem in unsere Hände gelangt, trotzdem bin ich erstaunt, daß der französische Ministerpräsident bi» fetzt über, diese» wissenschaftliche Werk und über das Institut, da» es herausqegcben hat, nicht informiert gewesen zu sein scheint." OoUsr In Berlin siall.MIttelLurs: 64VV VVV ML. smeritzmlronir LkMnwrkI * 8oa«ierlcudel üen?