Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.03.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080320022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908032002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908032002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-20
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Lnzeigen-Preit Bez«gs-Prett itstedl. Handelszeitung c. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig TetnS» 102. Jahrgang Nr. 79 Freitag 20. März 1908. lhr. leretnS- Msoo« . »8 >> eltL«- »0b0»0 erickks. fei'. .Unsen llta". erlüre. >ls. ihn. udolfi. :ünau. linann m. i. «an», krt. redl. Nrn. leltzer. kann. * Der württembergische Finanzminister Zeyer hat seine Demission erbeten und erhalten. Zu seinem Nachfolger ist der bisherige Hofkammerpräsident v. Gehler ernannt worden. * Ter Papst feierte gestern sein 50 jähriges Priesterjubi- Iäum. Zahlreiche Delegierte waren inRom anwesend. lS. Ausl.) " Die Vermählung des Herzogs derAbbruzzen mit M i ß Catherine Ellins steht in naher Zeit bevor. Die Amerikanerin tritt zur katholischen Kirche über. (S. Ausl.) Da» wichtigste vom Sage. * Es steht, wie uns ein Privattelegramm aus München meldet, fest, daß Professor Schnitzer auf seinen Lehrstuhl an der Münch ner Universität nicht zurückkehren wird. gekehrt. Diese Parteinamen sind in der America latina nichts als Aus- hängeschrlder für persönliche Zwecke. Vollends in der Negerrepublik des AntlllenmeereS, zusammen mit ihrer afrikanischen Schweiler Liberia den verlottertsten Staatsgebilden des Erdballs! .General" heißt dort ja so ziemlich jeder, der einmal aus der politischen Krippe gefressen Hal. Tie alten Grafen von Schokolade, Limonade, Karbonade usw., die in Nach äffung des napoleonischen Neuadels der „Befreier" Toussaint l'Ouverture einst geschaffen hatte, sind anscheinend wieder ausgestorben. Vielleicht haben ihre Namen den Appetit zu stark gereizt in einem Lande, wo der Kannibalismus nicht unerhört ist. General Alexis regiert seit 1902. Auch er gelangte durch einen Auf stand an die Spitze des Staates. Damals mußte unser „Panther" schießen. Sechs Jahre ist ja eine lange Regierungszeit für haitianische, überhaupt für kreolische Verhältnisse. Da wurde allmählich wieder eine Revolution fällig. Natürlich war Alexis berechtigt, sich zu wehren. Man wird ihm nicht verdenken können, wenn er füsilieren läßt, was ihm in die Klauen kommt. In Rußland gibt es auch keine Gnade für politische Verschwörer, und sie wäre auch heutzutage nicht am Platze. Aber ebenso sicher ist, daß die Gesandtschaftsgebäude und Konsulate den Schutz der Exterritorialität genießen müssen, wie allerwärts. Dazu gehört aber das Asylrecht dec dort- hin Flüchtenden. Vor allem wäre natürlich ein Angriff auf die Gebäude ein unsühnbarer Frevel gegen das Völkerrecht. Freilich darf sich ander seits Herr Alexis verbitten, daß die Geflüchteten aus den Gesandtschaften heraus, gegen ihn konspirieren. Diese unzweifelhafte Rechtslage soll ia auch inzwischen zur Anerkennung gelangt sein — allerdings erst, nach dem die „Bremen" und gleichlautende Argumente der anderen Europa- Mächte in Port-au-Prince emgetroffen waren. Die ganze Episode wäre kaum irgendeiner Beachtung würdig, wenn nicht Uncle Sam wieder einmal sein Mißbehagen über das Erscheinen von Kriegsfahrzeugen verraten hätte, die nicht das Sternenbanner führen. Wieder einmal zittert der Gralshüter des heiligen Monroe vor dem bloßen Gedanken einer Entweihung des allamerikanischen Tempels. Hatte er doch im Vorjahre schon einen so hübschen „Akzesnonsvertrag" in seine Truhe gepackt, um preußisch-waldeckisch zu sprechen! Nun, er wird sich wieder aufs Obr legen dürfen. Haiti ist ohnehin nicht derjenige Punkt, an dem einmal die alte Prinzipienfrage zum Aus- trag gebracht werden wird. Pauvt-Siltalr Vertin: L«rl Dunckee, Herzogi. Baqr. Hofruch handlung, Lützowstratze 10. (Delephon VI, Nr. 1603). zeichneten Mitglieder der Press« sind nicht gesonnen, diese Be schimpfung hinzunehmen. Sie richten an den Herrn Präsidenten die Bitte, ihnen die Genugtuung zu verschaffen, die der Würde des deutschen Reichstages und der Würde der deutschen Presse entspricht." Graf Stolberg nahm die Erklärung entgegen und stellte eine Ant wort für später in Aussicht. Nachdem Abgeordneter Paasche eine lange Rede zur Kolonialpolitik gehalten hatte, die kaum beachtet wurde, erhob sich Graf Stolberg zu folgender Erklärung: „In den letzten Tagen sind mehrfach Zeichen deS Mißfallens von der Journalistentribüne aus gefallen. Es ist dies von hier aus zu wiederholten Malen gerügt worden. Ich will aber noch einmal darauf aufmerksam machen, daß ich im Wiederholungsfälle genötigt sein würde, diejenigen Tribünen, von denen solche Störungen aus gehen, räumen zu lassen. Wenn ein Mitglied des Hauses gegenüber solchen Störungen einen, von mir übrigens nicht gehörten, unparla- mentarischen Ausdruck gebraucht hat, so bedauere ich das." Selbstverständlich gaben sich die Journalisten damit nicht zufrieden. Während der Staatssekretär Dernburg zu reden begann, verließen die Mitglieder der Journalistentribüne sämtlich den Saal; das Zentrum sandte ihnen ein höhnisches Gelächter nach. Auch die Zentrums journalisten schlossen sich dem allgemeinen Exodus an, nur ein Vertreter des offiziösen Telegvaphenbureaus blieb sitzen. Doch haben sich sämtliche Journalisten, einschließlich der Vertreter des „W. T.-B.", schriftlich verpflichtet, die Journalistentribüne nicht zu betreten, solange ihnen nicht vom -Hause für die Gröbersche Beschimpfung Genugtuung gegeben wird. Für heute mittag ist eine Besprechung der Angelegenheit anberaumt. Man erwartet, daß der Präsident das genügende Entgegen- kommen zeigen wird. sUeber das Resultat dieser Konferenz finden unsere Leser die Nach richt unter den letzten Telegrammen.) Ueber die Persönlichkeiten der haitischen Parteihäupter erfahren wir folgendes: „Nord Alexis, der Präsident, und Anthenor Firmin, der Präsident schaftskandidat, waren früher Freunde rrotz ihrer grundverschiedenen Charaktere, die nur in dem wütenden Fremdenhaß etwas Gemeinsames haben. Alexis ist der Prototyp des alten verbissenen Haitianers und als solcher bet gänzlicher Skrupellosigkeit eine nicht uninteressante Gestalt. Er ist von Beruf Militär und war vor seiner Präsidentschaft „Oeueral cks cllvisiou". d. h. berittener Führer einiger zerlumpter Soldaten, und Gouverneur deS Distrikts Kap Haitien. Er ist trotz seiner 97 Jahre lnach anderen Angaben zählt er etwa 10 Jahre weniger) ein kräftiger, auf rechter Mann, ein wahrer Riese mit weißem Haar und Bart, der in seinem alten Bezirk noch, mit 90 als ein großer Frauenverehrer galt. Sein Selbst bewußtsein ist stark ausgeprägt: „Zlo' Franck urounc-" l^loi gaanck bouuns) betonte er als Wahlspruch den Ausländern gegenüber, die er nur als ,,'tüts rnounüs" — kleine Leute — gelten lassen wollte. Als lang jähriger Kommandant der „Nordarmce" hat er ein großes Vermögen dadurch zusammengerafft, daß er den größten Teil des Soldes seiner Leute in di eigene Tasche steckte. Tank rücksichtslosem persönlichen Mut und selbst für einen Haitianer selten großer Mäßigkeit im Genuß geistiger Getränke ist Alexis in den schwierigsten Lagen immer Herr der Situation geblieben. Nach der letzten Revolution von 1902 ritt er an der Spitze seiner Getreuen von Kap Haitien nach der Hauptstadt und erklärte kurz: „ifcko' iei, in» präsickeut" — womit er den verwaisten kurulischcn Sessel bestieg. Grund sätze kennt der Mann nicht. Er wirtschaftet mit den Staatsgeldcrn ebenso wie früher mit der Löhnung seiner Leute. Einen schroffen Gegensatz zu Nord Alexis zeigt der Anwärter auf Re- gierungSehren, der etwa 60jährige Anthenor Firmin. Ter kleine, zier liche Mann ist von Beruf Rechtsanwalt und genießt wegen seiner Ebrlicki- leit bei den Fremden großes Vertrauen, das er in verschiedenen Minister stellungen niemals getäuscht hat. Unter seiner Führung des Finanz. * Die Isländer bereiten den Abfall von Dänemark vor. sS. AuSl.) » Auf den österreichischen Abgeordneten Perner- stvrffer wurde von einem Geistesgestörten geschossen. (S. Ausl.) qtgen- Pataft. oso A. r. Streik -er Reiehstagsjonrnalisteri. Wir haben bisher nur kurz von dem Streik der Reichstagsjourna listen berichtet, der gestern während der Sitzung des Plenums ausge- brochen ist. Wir enthalten uns zunächst einer Besprechung dieser Affäre und beschränken uns darauf, ihren Verlauf objektiv zu schildern. Als der Abg. Erzberger in einem für viele unerträglichen Pathos davon sprach, daß die Eingeborenen der Kolonien Menschen soien, „ausgestattet mit einer unsterblichen Seele wie wir", brach unter den Reichstags abgeordneten eine starke Heiterkeit aus, die sich auch den Tribünen mit- teilte. Dabei soll auch einer der Berichterstatter auf der Journalisten tribüne gelacht haben. Das erregte unter den Fraktionsgenossen Erz- bergers Unwillen, und der Abg. Gröber rief mit lauter Stimme, zum Präsidenten hingewandt: „Das waren wieder die Schornalisten da oben, dieselben Saukerls von neulich", und damit die Journalisten ganz genau von dieser Bemerkung unterrichtet würden, teilte er sie dem Ver treter eines Zentrumsblattes mit, der sie auf der Tribüne weitergab. Graf Stolberg hatte, wie er nachher erklärte, den Ausdruck Gräbers nicht gehört, ebenso nicht jenes Lachen auf der Journalistentribüne, drohte aber wegen der Unruhe auf den anderen Tribünen mit der Räumung. Leider gingen einige Redner in der Kolonialdebatte auf den Zwischenfall schon ein, und der Llbgeordnete Dr. Müller-Meiningen sFrs. Vpt.) beging die Unvorsichtigkeit, in seiner Abwehrrede gegen solche Beleidigungen der Presse die Bemerkung einfließen zu lassen, daß es sich hier um die Ungezogenheit eines einzelnen handle. Demgegenüber stellte der Abg. Eichhorn sSoz.), selbst ein Redakteur, sofort fest, daß von einer wirklichen Ausschreitung der ständigen Tribünenbesucher, die durch langjährige Tätigkeit an die Ordnung des Hauses besser gewöhnt seien als mancher neugewählte Ab geordnete, gar nicht die Rede sein könne. Unterdessen waren die Journalisten im Lesezimmer der Presse zu- sammengetreten und hatten beschlossen, dem Präsidenten Grafen Stol berg durch eine Deputation eine schriftliche Eingabe zu überreichen und ihn um Genugtuung zu bitten. Tie von 32 Unter- 'christen bedeckte Eingabe hatte folgenden Wortlaut: „Ter Abgeordnete Gröber hat, als während der Rede des Ab geordneten Erzberger auf der Jvurnalistentribüne angeblich gelacht wurde, in den Saal gerufen: „Das sind wieder dieselben Saubengels wie neulich!" Die auf der Journalistentribüne anwesenden unter- mann, ischer. n. u«. tner. a. Uze. Auf Haiti. Für die Vorgänge in den Kreokenläudern hat der europäische Zeitungsleser längst das Interesse verloren. Unsere Väter verfolgten die Tragödie „Max von Mexiko" mit unruhiger Spannung; auch interessierte man sich wohl für den kühnen Lopez von Paraguay, der sich jahrelang gegen eine Koalition von Brasilien, Argentinien und Uruguay behauptete und schließlich ein Land hinterließ, dessen Bevölkerung nur noch aus Witwen bestand. Unser Geschlecht verfolgte den Sturz der brasilianischen Monarchie und den Untergang der spanischen Herrschaft im Asitillenmeer mit Aufmerksamkeit, aber auch ohne sonderliche Wärme. Stellenweise fand vielleicht noch der chilenische Bürgerkrieg gegen Balmaceda Be achtung. Europas Gleichgültigkeit gegen da- außerunionelle Amerika ist nicht durchweg gerecht. Der tüchtige Porfirio Diaz, der schon ein ganzes Menschenalter Mexiko als ungekrönter Kaiser beherrscht, hat dem alten Kulturlande zwar noch nicht den Platz zurückerobert, auf den eS die Natur berufen hat, aber eS immerhin ein gutes Stück vorwärts gebracht und hoffentlich endgültig die Aera der Revolutionen geschlossen, die eS zwischen den Kaisertümern Augustin und Max heimgesucht hatten. Auch Argen- Linien nimmt einen tüchtigen Aufschwung, dank den Kapitalien Europas, wenn es auch von Zeit zu Zeit sein Nevolutiönchen nicht entbehren kann. Im übrigen gelten allerdings KreolienS Parteikämpfe bei uns mit Recht als herzlich uninteressant. Freilich lautet auch dort das Feld- gcschrei der sich bekämpfenden Parteien: „Hie klerikal!" „Hie liberal!" — ganz wie bei uns. Aber wir sind doch Gott sei Dank noch nicht so weit oder — so weit zurück, daß etwa Herr Roeren eines guten Tages mit einer Schar Gewappneter die Fahne deS Aufruhrs aufpflanzte. Und was mau sonst von den persönlichen Eigenschaften der Herren erfährt, ist wenig geeignet, unter europäischen Liberalen z. B. für Don Cipriano Castro Stimmung zu machen, trotz schüchterner Versuche interessierten Ur sprungs. Wir haben keine Nachricht darüber, ob etwa General Alexis das klerikale „Prinzip" vertritt und General Firmin das liberale oder um» Feuilleton. Liberal ist nicht, wer für sich Freiheit begehrt, sondern wer andern Freiheit gönnt. . Döderlein. Als ein linderndes Gegenmittel nach all dieser robusten Kraßheit war offenbar die darauffolgende Burgtheater-Novität gemeint- I. M. Barries sünfaktizes Lustspiel ,,Ter kleine Landprediaer" sdeutsch von Rudolf Lothar) ist wirklich nichts als eine dramatische Limonade, mehr süßlich als sauer und mit den altmodischsten Zutaten versetzt. Ter beliebte Autor von Quality Street hat diejes Stück nach einem seiner Romane verfertigt, und Verwechslungen, Verkleidungen und Mißverständnisse spielen darin die Hauptrolle. Im Detail ist es ja recht nett und liebenswürdig, aber als Ganzes doch gar zu unbedeutend und harmlos — selbst für das Burgtheater von heute. Aber es hat Er folg, und wahrscheinlich wird Mr. Barrie viel länger das Repertoire behaupten, als Karl Schönherr — im Burgtheater ist das nun ein- mal so. Aus der Hosoper kommt selten eine aufregende Neuigkeit, wofern es sich nicht um eine amtliche oder persönliche Affäre des Direktors Weingartner handelt. Die schon über viele reichsdeutschc Bühnen gegangene Oper „Tiefland" hat auch hier starken Erfolg gehabt. Frau Gutheil-Schoder und die Herren Temuth und Schmedes boten in den Hauptrollen sowohl gesanglich als darstellerisch hervorragende Leistungen, und Professor Roller schuf der musikalischen Moderne einen ebensolchen malerischen Rahmen. Sonst ereignet sich unter Wein gartner nicht viel, außer häufige Gastspiele, zumeist nicht sonderlich interessant und erfolgreich, und von einer wirklich positiven Tätigkeit Weingartners kann man - iS-- Ein Gastspiel, nämlich das des Frl. Anna Feldhammer vom Berliner Schiller-Theater, hat im Deutschen Volksthcater Anlaß zu einer Erstausführung von „Frau Inger auf Oestro" aegeben. Ibsens Jugendwerk wurde schön herausgebracht, und Frl. Feldhammer erwies sich als eine begabte und tüchtige, aber keineswegs bedeutende Dar stellerin. Im übrigen verbringt diese Bühne die heurige erfolgreiche Saison mit einigen Zugstücken, namentlich Molnars Spiel „Der Teufel". Unlängst bat es auch einen ganz interessanten Einakterabend gegeben, der drei recht verschiedenartige und -wertige Stücke ver einigte. Einen hübschen Faschingsscherz „Venus im Grünen" von Rudolf Lothar, hierauf den vom Burgtheater seinerzeit gestrichenen Einakter „Tie Lichtbänder" aus Sudermanns Rosenzyklus, und schließ lich das gleichfalls von der Hoftheaterzensur abgewiesenc Satyrspiel „Das Recht aus Treue" von Ludwig Ganghofer, ein grotesker Eptlog zu seinem Schauspiel „Sommernacht". Alle drei Stücke waren klug und geschmackvoll inszeniert, wurden glänzend gespielt, aber recht un gleich ausgenommen. Das Premierenpublikum lächelte nachsichtig zu Lothars Harmlosigkeit, war befremdet über Sudermanns Kraßheit und amüsierte sich bei Ganghosers graziösen Gewagtheiten, denn es ist immer eine angenehme Ueberraschung. wenn ein beliebter Unter- Haltungsschriftsteller plötzlich auch amüsant wird Auf den Jarnoschen Bühnen erschien eine Reihe von Novitäten, von denen es aber keine zu einem wesentlichen Erfolge brachte. Zuerst die Komödie „Hinterm Zaun" von Karl Rößler, ein Schauspieler- stück von einem Schauspieler, einem Oesterreicher, den man draußen im Deutschen Reich schon seit Jabr und Tag und mit Erfolg ouffüyrt. Auch hier hat sein halb naturalistischer, halb satirischer Ausschnitt aus wiener Theater. Wien, Mitte März 1908. Endlich ist im Burgtheater wieder einmal ein Oesterreicher zum Wort gelangt, und zwar einer der Kräftigsten und Bedeutendsten unter den Jüngeren, Karl Schön Herr mit seiner dreiaktigen Ko mödie „Erde", die ihm auch den Bauernfeldvreis eingetragen hat, gleich sam als Entschädigung für das Ausbleiben des Grillparzerpreises. Die Uraufführung hat freilich schon Düsseldorf vorweg genommen, und bekanntlich sollte ursprünglich Schönherrs Komödie „Das König- reich" im Burgtheater ausgeführt werden, und erst als die Hoftheater- zensur zu dieser politischen Satire eine bedenkliche Miene machte, ent schied man sich für „Erde". Wahrscheinlich auch nicht gerade leichten Herzens, denn die Komödie ist keineswegs für das Burgtheater ge- schrieben. Nicht etwa, weil es sich um ein Bauernstück handelt, auch Anzengruber ist ja schließlich hoftheaterfähig geworden; aber die Ge stalten Schönherrs haben mit dem gebräuchlichen Bühnenbauerntum gar nichts gemeinsam. DaS sind Äckersleute, Gebirzsmenschen, echt und wahrhaftig bis zur Brutalität. Man kennt des Dichters herbe und knorrige Art, in der er seine Tiroler zeichnet, noch herber und knorriger, als sie vielleicht in Wirklichkeit sind. Tie Freude an Grund und Boden, Geiz, Roheit, Liebe — alle brutalen Bauerninstinkte spa zieren auch diesmal ungeniert, man möchte fast sagen ein bißchen affektiert, umher. Schönherr war sichtlich bemüht, das Düstere und Unerfreuliche durch satirische und phantastische Züge zu mildern, und diese Elemente wirkten auch weitaus stärker als die ernsten, wie z. B. das Zimmern des Sarges, das Warten des Sohnes auf den Tod des Vaters, nicht bloß wegen des Peinlichen, sondern weil der Zustand des Wartens überhaupt kein sonderlich dramatischer ist. Das Ereignis des Abends war Kainz als uralter Bauer, eine interessante Leistung, aber auch eine ziemlich übertriebene, sowohl in Hinsicht des Alters, als des Bäurischen, und der «Sohn, Herr Treßler, geriet dem Vater nach. Am besten war noch Frau Bleibtreu, namentlich was den Dia- lekt anbelangt. Oesterreichische Stücke kann man ja heute last nur mehr in Berlin spielen, aber keinesfalls im Burgtheater, wo sich bei einer solchen Gelegenheit ein förmlicher Kongreß von Dialekten, von Mundarten und Unarten etabliert. Ter Komödie voran ging ein ein- aktiaes Drama Schönherrs „Karrnerleut". Diese kleine Diebes- und Landstrabentragödie hat man schon vor Jahren bei Jarno gesessen und — man geniert sich wirklich, es niederzuschreiben — in unver gleichlich vollendeterer und künstlerischerer Darstellung. skr Leipzig IM» Borore» dimtz miser« Dräg«e im» Spediteur, tu» Hau» gebracht i «utgab, t timr morgeal) vierteljährlich > «., amaackiq l «»»gab« I (mor-ea» uao abend») viertel» jährlich «.S0 vr„ mauatlich i.«> M. vnrch bi» Vak ,» beziehe»! mal täglich) inaerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 Pi. autschi. Post- bestellqew, ilir Oesterreich 9 L 66 n, Ungarn 8 L vierteljährlich. Ferner in Bel gien, Dänemark, den Donaustaaten, Frank reich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Rußland, Schweden, Schweiz und Spanten. In allen übrigen Staate» nur direkt durch di» Lxped. o. öl. erhältlich. Abonnemeirr-Bnaahmei Angustnsplatz 8, bei unsere» Dräger». Filialen, Spediteure» und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di» einzelne Stummer koket lO Pfg. Nebaktto» a»b Erve ditto»: Johannilgasse 8. Drlevbon Nr. 14692, Nr. 14SS3, Nr. 14691. fkr Inserate au» Leipzig und Umgebung die kgespaltene Peritzeile 25 Pi., finanziell« Anzeigen 80 Ps., Sieklamen 1 M.; von au»wän« 30 Pf., Sieklamen 1.20 Pi.; »omSu»land50Ps., finanz. Anzeige»75Pf.. Reklame» 1.50 M. Inserat« ». Behbrbe» im amtlichen Dell 40 P« Be lagegedüdr 5 M. p. Dauiend erkl. Post gebühr. Geichättlanzeigen an deoorzugler Stell« im Preise erhöht. Rabatt nach Laris Iesterteilte Austräge können nicht zurück, gezogen werde». Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Antigen-Annahme« Augukutzvlatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Anno <cen- Expe«ttlonen oe» In- und Auölande». Gl», LS Abend-Ausgabe L. riMM.TagMaü der Komödiantenwelt sehr interessiert, nämlich die Leute vom Bau. Das eigentliche Publikum ließ die Sache ziemlich kalt, und das ist schade, denn Rößler ist ein begabter Autor, dem eS nicht gelingen will, in seiner Heimat zur Geltung zu gelangen. Hierauf eine gründliche Harmlosigkeit: „Der Zechpreller" von Neal und Konrad Dreher, ein ziemlich lustiger Unsinn, auf den ein scheinbar literarisches G^c!nu. folgte: Machiavells „Mandraaola" in der Bearbeitung eines Wiener Autors, namens Paul Eger. Tie leichtfertige Art in der der Bearbeiter mit seinem kostbaren Stoff umgeht, die Erniedrigung des Lustspiels zum Vaudeville, und die Einkleidung in verzuckerte Verse, das alles bat hier ziemliche Bedenken erregt und trotz guter Darstellung erzielte das Sluck bei weitem nicht jenen Erfolg, den cs anderwärts, namentlich in Berlin und München gehabt hat. Daß auch französische Schwankautorcn nicht immer lustig sind, bewies „Ter Ammenkönig" s„I.s tnua cku Lro-stlion") von Nanccy und Armand, drei Akte voll schwerfälligen Unsinns und Frivolität. Unsinn und Unanständigkeit können, wie es scheint, noch viel langweiliger sein, als Vernunft und Tugendhaftigkeit. Schließlich noch eine ziemlich bejahrte und erprobte Novität, aber vielleicht gerade des halb viel lustiger und erfolgreicher, nämlich „Essarlcys Tante". Die Volksoper, die sich schon einmal in den Dienst der undankbaren Sache Siegfried Wagners gestellt bat, brachte feine neue Oper „Stcrnengebot" ziemlich würdig heraus. Das Werk ist noch von der Hamburger Uraufführung in deutlicher Erinnerung, sowohl der vcr- schwommene Tert als die Musik, der vom Vater das ernste Führen, aber nicht die Statur, die Größe und Gewalt hat. Man hat immer deutlich das Gefühl, hier dichtet und komponiert ein sympathischer und seiner Mensch unter einem äußeren Zwang, aber ohne jedes innerliche Muß. Tas Publikum schien zwar von den drei Akten nicht besonders erbaut zu sein, ließ cs sich aber doch nicht nehmen, Siegfried Wagner ost und herzlich zu rufen. Schließlich hat auch das „Intime Tkeater" seinen Ehrenabend ge habt. Diese kleine Bühne, die lange Zeil in unerfreulicher Verlotterung vegetierte, ist jetzt mit schwachen Kräften bemüht, auf ein höheres oder wenigstens reinlicheres Niveau zu gelangen. Zunächst gab cs einen Premierenabend, dessen interessanteste Erscheinung die Pcr'vn des Autors war: Tr. Alfred Eben hoch, der Führer der obcröstcrrcich:- schen Klerikalen und gegenwärtiger Ackerbauminister. Tas verliess dem Abend den Anschein einer Sensationspremiere und eines geicllichait- lichen Ereignisses, wozu ein sachlicher Anlaß eiacntlich nicht gegeben war. Das fünsaktigc Trauerspiel „Johann Pssilipp Palm", das vor zwei Jahren in Linz seine Uraufführung erlebte, bat die bekannte Epi- sode aus der NapoleonZzeit zum Inhalt und die Gestalt ^e§ Buchhänd lers Palm, des Verlegers der Schrift „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" zum Helden. Das Ganze ist von einer bemerkenswert freiheitlichen und nationalen Gesinnung erfüllt, aber alles eher als dramatisch und gewaltig, sondern mit viel historischer Treue und Ge wissenhaftigkeit gearbeitet, ebersso wie der Einakter ..Anno Neun" einem dramatischen Bild aus den Tiroler Freiheftskämpicn. Heide Stücke 1, und von einer wirklich positiven Tätigkeit bis fetzt beim besten Willen nichts berichten. chiller-Theater, bat im Deutschen Volksthcater Anlaß zu
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite