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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage und Amtsblatt fiir dea Stadtrath r» WalbeMrz. nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster, in Langenchnrr- dorf bei Herm H. Stiegler; in Penig bei Herm Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsbnrg bei Herm Paul Zehl; in Wallenburg bei Herm Emst Rösche; in Ziegelheim bei Herm Eduard Kirsten. —— Annahme von Inseraten für die nächster- ? kSMSLK Äaldeuburger Anzeiger Inserate pro Zeile 10 Pf., Eingei. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Obergasse 2918. Zugleich wett verbreitet in dm Städten Penig, Lunzenau, Lichteusteiu-Calluberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, BräunSdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. «11«. Freitag, den 2«. Mai i«sr. WitleruugSbericht, ausgenommen am 19. Mat, nach«. 4 Uhr. Barometerstand 760 mm. reducirt auf dm Meeresspiegel. Thermometerstaud -s- 14° 0. (Morgens 8 Uhr -s- 10'.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 68°/«. Thaupuukt -s- 8 Grad. Windrichtung: Südwest. Daher WitterungSausstchtm für dm 20. Mai: Trübe, auch Niederschläge, bet wärmerer Temperatur. Bekanntmachung. Es ist zur Anzeige gekommen, daß Fletsch oder Speck von Schweinen ameri kanischen Ursprungs aus Böhmen in kleineren Posten, welche steuerfrei und daher der Controle über Untersuchung auf Trichinen durch einen hterländtschen verpflichte ten Trichinenschaucr entzogen sind, von Privatpersonen zum Oefteren eingeführt zu werden pflegt. Vor dem Genuß derartigen, also möglicherweise trichtnenhaltigen Fleisches oder Specks wird eindringlich gewarnt. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß die Ueberlassung derartige« Fleisches oder Specks an Andere, wenn nicht die vorschriftsmäßig« Unter suchung nachträglich noch vorgenommen worden ist, in 8 H der Verordnung, Maßregeln zum Schutze gegen die Trichinenkrankheit bet den Menschei betr., vom 21. Juli 1888, unbeschadet der strafrechtlichen Ahndung, mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. —- oder Haft bedroht ist. Waldenburg, den 17. Mai 1892. Der Stadtrat h. Kretschmer, B. 'Walreuburg, 19. Mai 1892. Wenn wir den socialen Wirren unserer Zeit mit ihren Streitfragen, mit ihrem Hin und Wider, mit den so weit ausetnandergehenden Anschauungen, die häufig genug absolut keine- Ueberbrückung gestatten, ernstliche Aufmerksamkeit schenken, so fällt uns vor allen Dingen eine so ganz außerordentlich verschiedene Auffassung darüber auf, was nun eigentlich in allen diesen hier in Betracht kommenden wirthschastlichen Fragen Recht und was Unrecht ist. Wer im prak tischen Leben steht und die heutigen Verhältnisse nicht blos vom Hörensagen kennt, der weiß ganz genau, daß der Kern der meisten Streitigkeiten darin besteht, daß ein jeder Recht haben will, aber selten gesonnen Ist, dies Recht, welches er für sich beansprucht, nun auch Ker anderen Partei zuzubtlligen. Jeder hat immer Recht, oder aber richtiger, will immer Recht haben, und natürlich ist dann der Andere stets im Unrecht. Es ist ein wahres Glück, daß in solchen wirthschastlichen und gewerblichen Streitsachen keine Prozesse geführt werden können, man würde sonst längst nicht mehr genug Richter haben, um diese Streitsachen zu entscheiden. Naturgemäß beanspruchen aber auch die, welche immer Unrecht haben sollen, auch eine Spur von Recht, beide Parteien steifen sich auf ihre Ansichten, und das Ende ist immer erneute Verbitterung. Wenn nun auch unter ungünstiger Lage, wie sie seit längerer Zett sich breit macht und wie sie im letzten Winter besonders deutlich in die Erscheinung getreten ist, diese Streitigkeiten über Recht und Un recht vor der Sorge um das tägliche Brod etwas in den Hintergrund treten müssen, im Prinzip bleiben sie doch vorhanden, und warten nur eine günstige Ge legenheit ab, um von Neuem sich zu zeigen. Erscheint dieser Zustand heute schon manchmal wenig angenehm, so kann man nur mit trüben Gedanken auf die Zett Hinblicken, in welcher das unter den heutigen Streitig keiten Heranwachsende Geschlecht, das die Dinge schon mit ganz anderen Augen ansteht, selbst seinen prakti schen Eintritt in das Leben hält. Wie kann der Recht thun, der verlernt hat, zu glauben, daß er nicht nur Recht, sondern auch manchmal Unrecht haben kann? Ein Geschlecht, welches in solchen Anschauungen von den Eltern erzogen ist, wird keinen Frieden, sondern nur eine Verschärfung des socialen Kampfes bringen, wenn es nicht vom Leben in eine harte Schule ge nommen wird. Den Anfang davon erkennen wir heute schon: Das Geschlecht, welches erst nach 1870 das Licht der Welt erblickte, welches unter dem starken Schutz des mäch tigen Deutschen Reiches heranwuchs, sich keine Sorgen darüber zu machen brauchte, daß unser Vaterland von Russen, Franzosen oder sonst Jemand angegriffen würde, kann sich gar nicht in die ernste Zett vor 1870 zurückversetzen, in welcher zum Jubiliren und Darauf lostollen wenig Anlaß geboten wurden. Die deutschen Staaten konnten sich nicht recht rütteln und nicht recht s rühren, und die Bürger hatten damit zu rechnen, wo denn wohl der nächste Krieg ausbrechen und wie er enden würde. Von heutigem Unternehmungsgeist, von heutiger Jndustrieentfaltung und von heutiger Leicht lebigkeit war noch nicht allzuviel zu bemerken, weil Jeder daran dachte, daß es auch einmal anders kom men könne. Heute? Wer denkt denn daran, daß das deutsche Reich seine Rolle bald ausgespielt haben könnte? ; Niemand! Und dies mehr oder weniger bewußte Sicherheitsgefühl giebt eine größere Selbständigkeit, ein viel größeres Selbstbewußtsetn, aber leider hat es auch die leidige Rechthaberei gezeitigt. Heute ist Jeder obenauf. Schon gut! Aber ein einziger unglücklicher : Krieg, und wir würden uns verzweifelt den Kopf kratzen. So liegen die Dinge ganz zweifellos, und z deshalb können ernste Leute bei vielen losen Reden nur lächeln. Die heutige Rechthaberei hat nichts ge- - leistet, wird auch nie etwas leisten; sie ist sofort in den Genuß von Gütern getreten, zu deren Erwerbung sie auch nicht das Mindeste beigetragen hat. Die ! Rechthaberei macht sich breit, weil man unbewußt weiß, es kann ja nichts passiren. Würden die Ko- s sacken nc ch deutschen Ohrzipfeln greifen, mancher große Mund würde sehr still werden. Es ist wünschenswerth, daß dem Heranwachsenden Z Geschlecht der Unterschied zwischen Recht und Unrecht z ganz gründlich und mit aller Entschiedenheit wieder s klar gemacht werde. In einem bekannten Volksreim ° heißt es: „Sechzig Jahr' — geht's Alter an!" s Heute kann man sagen: „Sechzehn Jahr' — geht z die Weisheit an!" Die Rechthaberei macht .sich denn s schon so ungebührlich breit, daß sie jedem vernünftigen s Manne zum Verdruß gereicht, sie wächst rapid, und : ist der glückliche Weltbürger über die zwanzig hinweg, 's dann kann ihm überhaupt Niemand mehr Bescheid - sagen, dann hat er stets Recht, Andere aber find stets - im Unrecht. Ein Characterzug des Deutschen ist die » Gutmüthigkeit, und dieser Gutmüthtgkett, die es nur i zu häufig versäumt, strenge Saiten dann aufzuztehen, wenn es noch an der Zeit ist, ist eine gute Portion z des Nergers zuzuschretben, welchen heute die socialen ' Wirren Hervorrufen. Die Rechthaberei vermindert ° den Werth des Einzelnen ganz außerordentlich, sie - trägt zum Sinken der wahren und gediegenen Kennt- ? nisse bei und will Alles mit Phrasen machen. Da- ! mit lockt man aber in ernsten Lebenslagen keinen Hund i hinter dem Ofen hervor. Unsere deutsche Industrie hat unter diesem Unwesen s der Zeit recht erheblich gelitten. Beide Factoren der s Industrie, Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben Schä- - digungen erlitten, die in ihrer Gesammtheit heute / noch nicht getilgt sind. Mußte das Alles sein, mußten i diese Millionen nutzlos vergeudet werden? Ein trif tiger Grund ist dafür nicht erfindlich. Jedem Staats- i bürger soll und muß sein Recht werden, aber er soll sich hüten, für sein Recht zu erachten, was ihm der Eigensinn einflüstert, und diese Mahnung und War nung gilt nach beiden Seiten hin. Das höchste Recht aber bleibt immer das des allgemeinen Wohles. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm hat am Mittwoch Vormittag Danzig, dessen Oberbürgermeister Or. Baumbach seinen Mitbürgern den kaiserlichen Dank übermittelt hat für den glänzenden Empfang, wieder verlassen. Der Mo narch besichtigte zunächst die Regulirungsarbeiten an der Weichselmündung, ließ sich von den Baubeamten ausführlich hierüber berichten, und fuhr dann strom aufwärts nach Dirschau. Offizieller Empfang fand dort nicht statt, doch war die Begrüßung durch die Bevölkerung die denkbar herzlichste. Mit der Bahn begab sich der Kaiser nach Marienburg, dort ebenfalls herzlich bewillkommnet, und nahm das wieder neu erstandene Hochmeisterschloß des deutschen Ritterordens in Augenschein. Am Abend erfolgte die Ankunft in Schlobitten, woselbst Se. Majestät als Gast des Gra fen Dohna der Jagd obliegen will. Am 26. wird die Rückkehr nach Berlin erwartet. In Dirschau, wie in Marienburg waren alle Vereine, Schulen, sowie die Spitzen der Behörden zur Begrüßung zugigen. Der Pariser „Figaro" bringt unter dem Datum Berlin eine Depesche, der Kaiser habe dem Quirinal seine Abneigung gegen ein Cabinet Crispi wegen dessen naher Beziehungen zu dem Fürsten Bismarck kundgegeben. Die Nachricht wird der „Post" als „völlig erlogen" bezeichnet. Die „Hamb. Nachr.", Fürst Bismarcks Organ, schreiben: „Die „Voss. Ztg." enthält bezüglich des Grafen Herbert Bismarck einen Artikel, dessen Quint essenz in der Darlegung besteht, daß man in einem auf die Berlobungsanzetge erfolgenden Glückwunsch des Kaisers an ein junges Brautpaar nicht mehr zu sehen braucht, als ein unpolitisches Zeichen von Höflichkeit. Das Berliner Blatt hat ganz recht, wenn es das Wort „Versöhnung" in Anführungszeichen setzt und nicht weiß, was es sich darunter denken soll. Ein Streit, der durch „Versöhnung" beizulegen wäre, kann zwischen dem Monarchen und einem früheren Minister niemals Platz greifen, also sind auch keine Situationen denkbar, die durch das, was die Zeitungen „Versöh nung" nennen, zu beseitigen wären. Den früheren Kanzler aber neben den amtlichen und verantwortlichen Minister als nichtverantwortlichen Rathgeber der Krone in Aussicht zu nehmen, ist ein Gedanke, den die „Boss. Ztg." mit vollem Reckte als undurchführbar bezeichnet, indem sie sagt: „Folgt der Kaiser dem Rathe des unverantwortlichen „Altreichskanzler" gegen seine verantwortlichen Minister, so giebt es überhaupt keine Regierung mehr." Nicht minder ist der „Voss. Ztg." zuzustimmen, wenn sie schreibt: „Daß Graf Herbert Bismarck vorerst nicht daran denkt, ein Amt zu übernehmen, ist wahrscheinlich genug. Ist er doch