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Journal. Mniglich Sächsischer Statttsanzeiger. Verordnungsblatt der Mnisterien und der Oder- und Mittelbehörden. Nr. 110. o Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Doenges in Dresden. Sonnabend, 13. Mai 1S11. Be-ug-prei»: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 16, sowie durch die deutschen Postanstalten 3 Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktag« nachmittag». — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Rr. 4574. Ankündigungen: Die ZeileN. Schrift der 6 malgesp. AnkündigunaSseite 25 Pf., die Zelle größerer Schrift od. deren Raum aus 3mal gesp. Textseite im amtl. Teile 60 Pf., unter dem Redaktion-strich (Eingesandt) 75 Pf. PreiSermäßigg. auf GeschSftSanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Dresden steht Henle im Zeichen des MargarittentageS, der dank der freudigen Beteiligung der Bevölkerung und der Gunst der Witterung einen glänzenden Verlauf zu nehmen verspricht. * Der Reichstag nahm gestern die Bestimmungen über die Wahl des Vorsitzenden und die Bestellung der Be amten der Krankenkassen entsprechend den Beschlüssen der Kommission an. » Bei den Flugvorführungen, die daS britische parla mentarische LuftverteidigungSkomitee auf dem Flugplatz zu Hendon gestern veranstaltete, stiegen sowohl Balfour wie der Erste Lord der Admiralität, Mae Kenna mit Graham White zu einem Fluge auf. * Der ganze Bezirk von Durango und Dorrean (Mexikos befindet sich in einem an Anarchie grenzenden Zustand. 2060 Aufständische rücken gegen Chihuahua vor. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Pfarrer Hermann Theodor Günzel in Prietitz beim Übertritte in den Ruhestand das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtsorden zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu ge nehmigen geruht, daß der Kustos am städtischen Museum der bildenden Künste-M-Seipzig Prof. Lr. Julius Bogel daS ihm von dem Herrn Präsidenten der französischen Republik verliehene Ritterkreuz des Ordens der Ehren legion annehme und trage. Die Königliche Kreishauptmannschaft hat Herrn Ingenieur Emil Tränkner in Stollberg auf seinen Antrag von dem Amte als Sachverständiger für die Prüfung von Kraftfahrzeugen und deren Führer entbunden. Chemnitz, am 9. Mai 1911. b«5X Königliche Kreishauptmannschaft. »sse Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche de» Evangelisch-lutherischen Landeskonsistoriums sind im regelmäßigen Verfahren zu be setzen: daS Pfarramt zu Neukirchen (Stollberg), Kl IX (^), Koll.: das Evang.-luth. Landeskonsistorium; daS Pfarramt zu St. Nicolai in Freiberg (Ephoralort), Kl. VII (^), Koll.: der Stadtrat; das neubegründete IV. Diakonat an St. Johannis in Plauen i. B. (Ephoralort), Kl. III (^), Koll.: der Stadtrat. — Angestellt bez. versetzt wurden: H. B. A. M. Mathe, Hilf», geistlicher in Bad Elster, als DiakonuS in Harthau (Ehemnitz II); H. E. Alberti, Hilf-geistlicher in Gelenau, als Pfarrer in Ober neuschönberg (Freiberg); W. C. I. Kaiser, Predigtamtskandidat, als Tiakonus in Schöneck (Oelsnitz); k. E. Adler, DiakonuS in Obergorbitz, als Pfarrer in Langenbuch (Plauen); G. H. Kupfer, Kandidat, als Hilf-geistlicher in Kesselsdorf (Meißen); k. G. M. MöbiuS, II. Anstaltsgeistlicher in Zwickau, als Anstaltspfarrer in Hohnstein (Pirna); I. G. K. Rietzsch, Hilssgeistlicher in Weinböhla, als DiakonuS in Dippoldiswalde (Ephoralort). (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Inseratenteil.) Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hofe. Dresden, 13. Mai. Se. Majestät der König wohnte früh Eskadronbesichtigungen beim Gardereiter regiment be» und gedenkt nachmittags mit Ihren König!. Hoheiten den Prinzen-Söhnen die Veranstaltungen anläßlich des MargarittentageS im Zwinger zu besuchen. Später wird Se. Majestät der General versammlung des Großenhainer Parforcejagd-Vereins im Belvedere auf der Brühl'schen Terrasse beiwohnen. Der Monarch begibt sich am nächsten Dienstag 10 Uhr 19 Min. vormittags nach Sibyllenort und wird Sonntag, den 21.d.M., früh in Dresden Wiedereintreffen. Ihre König!. Hoheiten der Großherzog und die Frau Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin werden zum Besuch am König!. Hofe Montag, den 22. Mai, mittags 12 Uhr 10 Mm. auf dem Haupt bahnhofe hier emtreffen und am darauffolgenden Tage nachmittags 4 Uhr 20 Min. wieder abreisen. Aus diesem Anlasse findet Montag, den 22. Mai, abends 7 Uhr 30 Min. im König!. Opernhaufe eine Vorstellung auf Allerhöchsten Befehl statt, wobei der 1. Rang für die Gäste des Königlichen Hofes vom Oberhofmarfchallamte in Anspruch genommen werden wird. Der mittlere Teil des Foyers bleibt für diesen Abend ausschließlich für die Allerhöchsten und Höchsten Herrfchaften und deren geladene Gäste referviert. Deutsches Reich. re. Majestät der Kaiser in Wiesbaden. Wiesbaden, 12. Mai. Se. Majestät der Kaiser nahm heute vormittag gegen 11 Uhr vor dem Kurhause die Parade über das Füsilierregiment v. Gersdorff (Kur- hessifches) Nr. 80, das I. Nassauische Infanterieregiment Nr. 87, die Unteroffizierschule zu Biebrich sowie die zweite Abteilung des 1. Nassauischen Feldartillerieregi ments Nr. 27 Oranien ab. Vom Schloß bis zum Kur haus bildeten die Kriegervereine mit Fahnen Spalier. Der Kaiser in der Uniform der Gardes du Corps ritt vom Schloß zum Paradeplatz, mit ihm Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen sowie die Generaladjutanten v. Plessen, v. Scholl und Frhr. v. Lyncker. Der Kaiser begrüßte die Kriegervereine mit „Guten Morgen Kame raden!", ritt sofort die Front der aufgestellten Regimenter ab und ließ diese vorbeimarschieren. Die Parade wurde kommandiert von Generalmajor Riedel. IHr wohnten bei der Kriegsnnnister und der kommandierende General v. Eichhorn. Die Schwester des Kaisers, Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, führte ihr Füsilierregiment vor. Nach der Parade kehrte der Kaiser an der Spitze der Fahnen zum Schloß zurück, vom Publikum mit stürmischen Hochrufen begrüßt. Bor dem Schloß erfolgte noch der Vorbeimarsch der Fahnenkompanie. — General major Riedel erhielt den Roten Adlerorden zweiter Klasse mit Eichenlaub. Später empfing der Kaiser den Reichskanzler. Auch heut^am dritten Abend der Festvorstellungen erschien der Kaiser mit dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen sowie dem Reichskanzler in der Hofloge. Gegeben wurde „Die Stumme von Portici" in neuer Einstudierung. Reichstag. Sitzung vom IS. Mai 1911. Die Linzelberaiung des Entwurfs einer Reichsversiche rungsordnung wurde im zweiten Buch „Krankenversiche rung" bei den 88 340 bis 35» (Wahl der Vorstände) und 412 (Höhe der Beiträge) fortgesetzt. Abg. vr. Heinze (nl.): Der politische Kampf hat sich der Krankenkasse bemächtigt. Die Sozialdemokraten haben offen aus gesprochen, daß die Ortskrankenkassen für ihre Zwecke benutzt werden sollten. (Zuruf des Abg. Geyer ssoz.j: Ganz niedrige Verdrehung! — Präsident vr. Graf v. Schwerin-Löwitz rief den Abg. Geyer zur Ordnung.) Den Anstellungsvertrag, der in zahlreichen Fällen zurunde gelegt worden ist, hat der „Vorwärts" nur als einen Entwurf bezeichnet, dabei sind Hunderte solcher Verträge abgeschlossen worden. (Sehr richtig! recht») Wir können diejenigen Einrichtungen, die zur Förderung de» sozialen Frieden» inS Leben gerufen worden sind, nun und nimmer einer Partei ausliefern, am wenigsten der sozialdemokratischen, die den sozialen Unfrieden propagiert. Die Abänderung de» Gesetzes ist also eine StaatSnotwendigkeit. Wir stehen auf dem Boden der Kommission-Vorschläge. Das Selbstverwaltung-recht der Kassen wird zwar etwa- beschränkt, aber von Zertrümmerung und Ver nichtung de- Selbstverwaltung-recht» kann doch nicht die Red« sein. Wir glauben, daß durch unsere Beschlüsse die Parteipolitik, die in unsere staatlichen sozialen Organisationen nicht hineingehört, ferngehalten wird, daß daourch die Krankenkaffen und ihre Organe mehr befreit werden für die soziale Fürsorge, daß die Leistungen in ihrer Gesamtheit erhöht werden, daß da» Vertrauen der weitesten BolkSkreise zu den Krankenkassen sich immer mehr festigt, und darauf kommt e» im Grunde an. (Lebhafter Beifall.) Abg. vehreaS (wirtsch. Vg.): Die Arbeiterschaft kann nach den Kommissiou-beschlüssen über alle materiellen Angelegenheiten beschließen. Ist diesem Punkte ist die Selbstverwaltung der Arbeiter durchaus gewahrt geblieben. Wo e» sich aber um die Besetzung der Beamtenstellen handelt, liegt e» durchaus im Interesse einer geordneten Selbstverwaltung, daß nicht Partei- Herrschaft und Parteirücksichten den Aurschlag geben, sondern daß eine Verständigung herbeigeführt wird und die tüchtigsten Männer an diese Plätze kommen. Meine politischen Freunde sind ent schlossen, die Regelung nach den Kommissionsbeschlüssen vor nehmen zu helfen. Wir hoffen, daß damit die Krankenkassen auch fernerhin zum Segen für die Arbeiterschaft wirken werden. (Lebhafter Beifall.) Abg. Schmidt - Berlin (soz.): Hinter den vorgeschlagenen Maßnahmen steht ein politische» Interesse. Die „Kreuzzeitung" hat die Karten aufgedeckt, indem sie die Kassenbeamten den Staat-beamten gleichstellen und demgemäß behandeln wollte. Mit dem neuen Regime werden die Kosten der Krankenkassen immer weiter steigen, und die Kassenleistungen werden werter beschränkt und herabgesetzt werden, man will eben den Ausbau der Krankenversicherung aushalten und unmöglich machen. Nur die Selbstverwaltung durch die Arbeiter gestattet die Fortführung des inneren Ausbaues der Krankenversicherung. Die Werbe fähigkeit unserer Partei würde keineswegs leiden, aber den Kassenverwaltungen das Recht zu nehmen, auch Sozialdemokraten zu ivählen, ist ein Raub der freien Willensmeinuug. Wir kämpfen gegen die Knüttelpolitik der Rechten; wer das nicht tut, erweist auch der Arbeiterschaft keinen Dienst. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. AnlerSki (Pole): Gegen die hier geplanten Ein schränkungen der Selbstverwaltung der Arbeiter in den Kranken kassen müssen auch wir aufs energischste protestieren. Der Ein fluß der Arbeiter auf die Wahl des Vorsitzenden wird einfach ausgeschaltet; das ist eine ganz ungeheuerliche Sache, die man nicht mitmachen sollte. Abg. Fr! (Z.): Es würden noch viel mehr Klagen über die sozialdemokratische Kassenverwaltung laut werden, wenn man nicht Repressalien von seiten der Sozialdemokraten befürchtete. Ich hoffe, daß künftig die Aufsichtsbehörde Abhilfe bringen wird. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Abg. Cuno (fortschr. Vp.): In der Verurteilung der sozial demokratischen Mißstände in den sozialdemokratischen Kassen stimmen wir mit den andern Parteien mit Ausnahme der sozial demokratischen überein. (Beifall im Zentrum und rechts.) Man hat uns gefragt, wie wir uns zu dem 8 363 b stellen, worin e« heißt: „Eine religiöse oder politische Betätigung außerhalb der Dienstgeschäfte und die Ausübung de- Bereinigung-rechts dürfen, soweit sie nicht gegen die Gesetze verstoßen, nicht gehindert werden und gelten an sich nicht als Gründe zur Kündigung oder Entlassung." Wir werden dafür stimmen, und diese Zustimmung wird uns erleichtert durch einen Antrag Schultz, der das Ver fahren bei Entlassung eines Angestellten entsprechend den Vor schriften des Reichsbeamtengesetzes geregelt wissen will. Im übrigen kann ich Ihnen nur unsere Anträge zur Annahme empfehlen, die wir in bezug aus die Wahl der Vorsitzenden und de, Angestellten den- Kommissionsbeschlüssen gegenüber gestellt haben. Abg. Heine (soz.): Es ist notorisch, daß die Entwicklung der Krankenkassen in den letzten 20 Jahren darauf zurückzusühre» ist, daß wir die sozialdemokratischen Organisationen aufgefordert haben, sich für die Krankenkassen zu interessieren und deren Ver waltung in die Hände zu nehmen. Das natürliche Interesse des Unternehmers kann nicht dahin gehen, auf eigene Kosten die Leistung der Ortskrankenkasse zu erhöhen. Soweit hier angebliche Tatsachen vorgebracht worden sind, sind es Unwahrheiten oder Entstellungen. Glauben Sie nicht, daß wir Vertrauen in die Versicherung einer loyalen Handhabung der Bestimmungen setzen. An die Spitze der Krankenkassenverwaltung gehören Leute, die selbst aus dem Arbeiterstande hervorgegangen sind, welche die Lage und die Verhältnisse der Arbeiter kennen. Tas Werk, um das wir beneidet werden, wollen Sie zerstören, vernichten, und diesen selbstmörderischen Gewaltakt macht ein Reichstag, dessen Mehrheit nicht die Mehrheit des Volkes, am wenigsten die der Arbeiterschaft ist. Der Sieg des Scharfmachertums, wie er sich hier vorbereitet, wird von neuem das Volk zerklüsten. Wer heute diesen Bruch mit dem Bestehenden begeht, der will keine fried liche Entwicklung in Deutschland, und die Verantwortung dafür — ich denke nicht an die nächsten Wahlen — fällt auf Sie! (Leb hafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Ministerialdirektor Caspar: Mehrere Redner aus der sozial demokratischen Partei haben gegen meine Darstellungen einiges geantwortet, was ich berichtigen muß. Was ich angeführt habe, beruht auf den Berichten der Behörde. Man kann doch nicht deren Glaubwürdigkeit ohne weiteres bezweifeln. Sächsischer BundeSrat-bevollmächtigter Geh. Rat vr. Hall bauer: Der Abg. Heine hat die Gelegenheit benutzt, um gegen ein sächsisches Gericht die schwersten Borwürfe zu erheben. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte namens meiner Regierung die ge machten Borwürfe auf daS entschiedenste zurückweisen. (Bei fall rechts.) Abg. vr Potthoff (fortschr. Bp.) bezeichnete die Kommissions vorschläge als eine tendenziöse AuSnahmegesetzgebung, die er nicht mitmachen könne. Damit schloß die Diskussion und es wurde zur Abstimmung geschritten. 8 »40 lautet in der Kommission-fossung: Die Vorstands mitglieder der Ortskrankenkaffen wählen au- ihrer Mitte den Vorsitzenden de- Vorstand-. Gewählt ist, wer die Mehrheit der Stimmen aus der Gruppe sowohl der Arbeitgeber al- auch der Versicherten im Vorstands erhält. Nach Ablehnung der AbänderungSanträge Ablaß, Brandy« und Albrecht erfolgte über den zweiten Absatz der Kommissions beschlüsse aus Antrag Albreckt namentliche Abstimmung. Diese ergab die Annahme mit 20S gegen 101 Stimmen. 8 »41 lautet: „Kommt diese Mehrheit nicht zustande, so wird die Wahl auf einen andern Tag anberaumt. Kommt die Wahl auch in der zweiten Sitzung nicht zustande, so benachrichtigt der Vorstand da« BersicherungSamt. Diese» bestellt einen Vertreter, der bi» zu einer gültigen Wahl die Rechte und Pflichten de» Vorsitzenden auf Kosten der Lasse auSübt- Auf Beschwerde ent scheidet das Oberversicherungsamt endgültig. Ein Arbeitgeber darf nur dann al» Vertreter bestellt werden, wenn die Mehrheit der Gruppe der Arbeitnehmer keinen Einspruch erhebt, ein Arbeitnehmer nur, wenn die Mehrheit der Gruppe der Arbeit geber keinen Einspruch erhebt." Die fortschrittliche Volkspartei hat die Streichung de» Z »41 beantragt. Rach Ablehnung eine- Anträge- Albrecht, hinter „auf Kosten der Kasse" eiuzufügen: „nach den festgelegten Entschädigungs sätzen" wurde über § »41 auf Antrag Bebel ebensall« nannnMch abgestimmt. Die Annahme de» Paragraphen erfolgte mit *06 aeqen 101 Stimme.