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Als er seinen Namen darunter gesetzt hatte, legte er den Kopf auf die Arine und schluchzte laut. Herr von Schwarz las kaltblütig den Brief durch und billigte ihn. Dann faltete er ihn zusammen und steckte ihn in seine Brieftasche. „Ich werde ihr denselben bringen," sagte er ruhig. „Ich bin bereit, nach Berlin zu fahren. Du kannst hier bleiben, bis ich zurückkomme. Ich werde heute Abend wieder da sein. Füge Dich in Dein Schicksal, Rudolf, uud blicke nicht so betrübt drein. Ich hoffe Dich heiterer zu finden, wenn ich zurückkehre. Für das Mädchen werde ich schon sorgen. Ich werde sie irgendwo hinschicken, wo sie Dir nie wieder in den Weg kommt." Ohne seinen Sohn eines Blickes zu würdigen, nahm er seinen Hut und entfernte sich. Das Nollen der Näder, als Herr von Schwarz davonfuhr, weckt? Rudolf aus seiner Betäubung. Dieser Laut war für ihn das Todtengeläute seines Glückes. 12. Herr von Schwarz setzt seine Ver schwörung fort. Wir muffen den freundlichen Leser in Rudolfs kleines Stübchen zurückführeu. Als viele Stunden vergingen, ohne daß Rudolf in seine ärmliche Wohnung zurückkehrte, wurde das arme Lieschen unruhig. Ihr junger Gatte hatte ihr große Furcht vor seinem Vater eiugeflößt, aber sie hatte eine muthige Seele und betete mit ganzem Herzen, daß Rudolf den Muth haben möchte, seine Vermählung einzugestehen, was immer für Folgen daraus erwachsen könnten. Sie schellte sich, etwas zu verbergen, oder jemand zn täuschen, und glaubte, daß Herr vou Schwarz sich er weichen lassen würde, wenn er entdeckte, daß sein Sohn wirklich verheirathet sei. Lieschen stellte sich aus Fenster, das Gesicht an die Scheibe gepreßt und blickte hinaus. Als es draußen zu dunkeln begann, und die Laternen angezündet wurden, stieg ihre Unruhe. Sie setzte ihr ärmliches Hütchen auf und lief hinaus, um zu erfahren, ob vielleicht ein Eisenbahnunglück ge schehen und getödtet worden sei. Da aber nichts von einem Unglück verlautete, kehrte sie wieder in ihr einsames Stübchen zurück. Ihr Gatte kam nicht; auch kein Brief oder Telegramm traf ein, um ihre Angst zu beschwichtigen. Sie wartete auf ihn bis Mitternacht, auf jeden Schritt auf der Straße horchend; dann legte sie sich nieder, ohne sich jedoch auszukleiden, und tröstete sich mit dein Gedan ken, daß Rndols am Morgen kommen würde. Der Morgen kam, aber Rudolf nicht. Lieschen war zu besorgt, um sich ihr Frühstück be reiten zu können. Sie aß nur ein Stück Brod, während sie aus dem Fenster blickte. „Vielleicht ist Rudolf umgebracht und all« dem Eisen bahnwagen geworfen worden," dachte sie. „Ich werde mit dem nächsten Zuge nach Torgelow fahren." Sie wollte eben ihren Hut aufsetzen, als ihre Wirthin, eine grobe und ungebildete Frau, die Thür öffnete und eintrat. „Sie wollen wohl ansgehen, Frau von Schwarz?" sagte sie mißtrauisch. „Ich hoffe, Sie gehen nicht davon, wie der vorige Inhaber dieses Zimmers es gethan, ohne die Miethe zu bezahlen. Sie haben ja nicht einmal Klei der oder Möbel, die ich zurückbehalten kann, lind Sie sind mir zehn Mark schuldig." „Ich habe die Miethe für den nächsten Monat, Frau Keller," antwortete Lieschen, während sie ihr Portemonnaie aus der Tasche zog, wobei sie tief erröthete. „Ich beab sichtige nicht, davonzulaufen. Ich — ich will nach Tor gelow reisen, um meine» Gatten zu suchen. Hier ist die Miethe. Die Wirthin nahm die Miethe mit einer Art Er leichterung in Empfang. Nun, da ihre Geldgier befriedigt war, wuchs ihre Neugierde. „Wo ist denn Herr von Schwarz, wenn ich fragen darf?" begann sie. „Das hat er doch sonst nie gethan, über Nacht fvrtzubleiben. Aber junge Leute sind jnnge Leute; sie »vollen ihr Vergnügen haben, obwohl Herr von Schwarz so solid ist, als man nur wünschen kann." „Er ist auch solid," erwiderte die junge Gattin halb unwillig. „Er ist zu feinem Vater gereist, um ihn zu be suchen, und wollte gestern Abend wieder zurück sein. O, ich habe eine solche Angst!" rief sie, da ihre Besorgniß um den Gatten wuchs. „Ich weiß gewiß, daß er nicht ausgeblieben sei» würde, wenn ihm nichts zugestoße» wäre." „Vielleicht hat er Sie verlaffen," meinte die Tröste rin; „Frauen werden von Männern oft verlassen." — (Fortsetzung folgt-) 4k g inab >cit die wurde oustrn" köuigt- ageuve SN rett l, irzen, nrzcu, sten, l, l ll-Kt. itten eiuul. »er, -r billig le Nm»? t stein- i Lei'" >rth. Wenauer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag n. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illnstrirlen Beilagen „Gute Geister" n. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. Zeitung für Seifersdorf, Inserate kosten die Spaltenzelle oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Gros;- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Cotzmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Donnerstag den 9. December 1897. Nummer 142. Bekanntmachung. Nach einer von der Königliche» Amtshauplmaimschaft DreSdeu-Altstadt erlassenen Verfügnng vom 25. November ds. Js. hat dieselbe auf Grund von 105b Abs. 2 der Ge werbeordnung beschlossen, an de» letzten 3 Sonntagen vor Weihnachten (5., 12. und 19. Dec. 1897) und dem Sonn tage vor Neujahr 1898 (2. Weihnachtsfeiertag) in den jenigen Gemeinden ihres Bezirkes, in welchem die örtlichen Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich »lachen, eine Vermehrnng der Stunden, während welcher Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe an Sonntagen beschäftigt werden dürfen, eintrete» zu lasse». Es wird daher für hiesige Stadtgemeinde die Verkaufs zeit an den oben angeführten Sonntagen auf die Dauer von 10 Stunden, jedoch mit Ausnahme der für die öffent lichen Gottesdienste bestimmten Zeiten, festgesetzt und zwar a) für den Verkauf sämmtlicher Eß- und Material- waaren, einschließlich des Verkaufs von Tabak u. Cigarre», vo» früh 7—9 Uhr und vo» Vorm. 11 Uhr bis Abends 7 Uhr b) für de» übrigen Kleinhandel von Vorm- 11 Uhr bis Abends 9 Uhr. Rabenau, am 3. December 1897. Illen Uüngenmeisten. Wittig Atts Nah und Fern. — Am 12. d. Mts. veranstaltet der Chorgesang verein (Leitung: O. Hollstein) eine Gesaugsaufführung zum Beste» des Frauen-Vereuis. Der Besuch desselben ist der Reichhaltigkeit des Programms halber wohl anzu- rathen. Nebe» einem Cellovortrag, den ein Mitglied der Kgl. Kapelle in Dresden, Herr Lorenz, freundlichst über nommen hat bietet das Programm Gesänge von Brahms, (Nachdruck verbalen.) Humperdinck rc. Der 2. Theil wird in der Hanptsache von Volksliedern gebildet. Aus diesen sind besonders zwei wendische Volksweisen hervorznheben, die durch ihre mun teren und neckischen Melodien reizen und völlig unbekannt sei» dürften. Außerdem enthält das Programm Klaviersoli mid eine» Triosatz. Da der Reiiiertrag für de» Fraue»- verei» bestimmt ist, so wird »vchmals der Besuch der Auf führung recht empfohlen- — Die in Kraft getretene Polizeistunde giebt jetzt immer Stoff zur Unterhaltung an den Stamm- und Raisonnirtischen in den Restaurants, der noch dazu in de» letzten Tagen eine hübsche Bereiche» ung erfahren hat. Die Gemeinderath smitglieder von Deuben hatten sich, nachdem sie das Wohl und Wehe der Gemeinde in längerer Sitzung berathen, in einem Restaurant zu einem gemüth- lichen Plauderstündchen eingefunden und sich um die schnell vergehende Zeit nicht bekümmert, da bekanntlich dem Glück lichen keine Stunde schlägt. Umso größer war daher die Ueberraschung, als die Polizei auf der Bildfläche erschien und den Versammelte» die Mittheilung machte, daß die Glocke zwölf geschlagen habe und Anzeige erstattet werden müsse. — Erben werden gesucht! Nach eiuer cm das Ge meindeamt zu Klingenthal gelangten Mittheilung des Eier- Exporteurs Friedrich Janne in Kielce in Russisch-Polen hat ein Karl Arneck, gebürtig aus Klingenthal i. S-, ver heirathet gewesen mit einer Ulmann Barbara Grzycka, der 1863 in Kielce wohnhaft war uud daselbst verstorben ist, Vermögen hinterlassen. Herr Janue ist bereit, dasselbe den rechtmäßigen Erben nachzuweisen und läßt dieselben auffordern, sich unter Beifügung von Legitimationspapieren bei ihm zu melden. — Nachstehender Schüleraufsatz wurde neulich in einer Schule der Umgegend verbrochen. „Die Frau und 10. Jahrgang. die Henne. Line Frau hatte eine gute Heinie und legte täglich ein Ei. Damit hatte sie keine Zufriedenheit. Sie wollte am Tage zwei Eier legen. Deshalb giebt sie ihr viel gutes zum Fressen, wurde von Fett und log gar nicht mehr." — Das Duell unter schweren Bedingungen. Zwei Offiziere der Brüsseler Bürgergarde hatten miteinander einen Streit und forderten sich. Im Alltagsleben sind Beide friedliche Bürger, aber die Beleidigung mußte nach dem Branche des Offizicrkvrps gerächt werden. Die Zeugen vereinbarten Alles, nnd im Saale eines Restaurants fand das Dnell statt, dem die Zeugen und ein Arzt beiwohnten. Auf das Commando „Los!" krachten die Schüsse, zugleich aber auch eine Fensterscheibe. Alsbald nahmen die Gegner wieder Stellung, und eben sollte der zweite Schuß abge geben werde», als ei» furchtbares Gelächter losbrach. Es ging aus von dem, der die Scheibe — zerschlagen hatte, und den Zeugen. Die Pistolen waren von letzteren blind geladen und ein Dritter aufgestellt worden, um den Knall effekt durch die Scheibe hervorzubringen. Alles hatte nach Wunsch gekracht, und es blieb den Gegnern nichts übrig, als in das Lachen einzustimmen und sich zu versöhnen. — Auf entsetzliche Weise umgekommen ist ein Schmiede lehrling in dem bekannten südfranzösischen Seebade Biarritz. Der Schmied Videgarah, dem leicht erregbaren Volksstamm der Basken angehörig, machte in seiner Schmiede ein Stück Eisen heiß und rief zum Blasebalgtreten den Lehrling Casaubon herbei. Als dieser sich nicht sehr beeilte, der Aufforderung nachzukommen, gerieth der Meister in furcht bare Wuth und schleuderte das Eisen nach dem Burschen. Der Unselige wurde davon getroffen, und die glühende Stange bohrte sich ihm in den Leib. Unter unsäglichen Schmerzen starb er nach einigen Stunden. Der Meister stellte sich selbst dem Gericht. Verwegenes Spiel. Roman von F. Siemers von Ostermann. Dann löschte er das Licht aus, zog die Vorhänge zurück und öffnete das Fenster, um die herrliche Morgen luft herein zu lassen. Hierauf warf er sich auf das Sopha und schlief ein. Ungefähr um acht Uhr wurde er von dem Kellner geweckt, der an die Thür klopfte, uni sein Frühstück herein- zubringen. Er erhob sich gähnend, ließ den Kellner ein und schickte dann sogleich einen Bote» nach Schloß Engelbert mit dem Befehle, das Packet der Frau Baronin oder deren Gesellschafterin einzuhändigen. Er ließ seinen Sohn zum Frühstück rufen, der sogleich ganz bleich und verstört eintrat, da er augenscheinlich eine schlaflose Nacht verbracht hatte. Die beiden Männer verzehrten ihr Frühstück höchst schweigsam. Nachdem dasselbe beendet, wollte Rudolf sich wieder entfernen; doch sein Vater befahl ihm, zu bleiben. „Ich will, daß Du einen Brief an das Mädchen schreibst," sagte Herr von Schwarz in einem Tone, der srinen Sohn sofort znm Gehorsam zwang. „Schreibe ihr, daß Euer Verhältniß gelöst sei, daß sie nicht Deine Gattin ist, daß Du sie nie Wiedersehen wirst!" „Ich kann nicht — ich kann nicht!" rief Rudolf in verzweifeltem Tone aus. „Ich muß sie Wiedersehen! Ich muß es ihr auf eine schonende Weise sagen." „Thue, wie ich Dir sage," sprach der Vater befehlend. „Da ist Papier, Tinte und Feder, schreibe den Brief, wie ich Dir befohlen habe!" Rudolf schluchzte jämmerlich und wendete sich weg, um seine Schwäche zu verbergen. Er war nur ein Knabe, ei» feigherziger, schwacher armer K»abe, der sich vor seinem Vater fürchtete und nicht fähig war, für sich und Liesche» zu sorgen, nicht einmal für sich selbst. Er fühlte sich ganz hülflos in den Händen seines Vaters, er setzte sich zum Schreibpulte, und mit von Thränen verdunkelten Augen und unsicherer Hand schrieb er eiligst einen aufgeregten, unzusammenhängenven Brief an seine arme junge Frau, ihr mittheilend, daß ihre Ehe null uud nichtig, daß sie nicht seine Gattin sei und daß sie sich nicht Wiedersehen dürfte».