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18» 8MMU M AWn AMilW Nr. 53. zu Nr. 84 des Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe RegierungSrat Braube in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 25. Sitzung von Mittwoch. 6. April 1927. Abg. Schreiber (Komm.) (Fortsetzung): Das ist aber alles nicht der Fall. Die Arbeiter« schäft im Bergbau ist durch die Niederlage, die sie im Mai 1924 im Kampfe erlitten hat, immer stärker depri miert. Wir werden alles aufbieten und alles tun, um die Arbeiterschaft zu sammeln zum Kampfe für unseren Antrag, für die Forderungen, die wir aufgestellt haben. Ich beantrage, daß unser Antrag auf Drucksache Nr. 39 dem L-Ausschuy überwiesen wird. Hierauf wird in die Aussprache eingetreten. Abg. vr. Eckardt (Dnat.): Erst vor kurzem haben wir über den gleichen, Gegenstand gesprochen und auch ich habe damals erklärt, daß es das gemeinsame Inter esse aller am Bergbau irgendwie beteiligten und interessierten Kreise ist, der betrüblichen Unfattszisser die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden Als ein Grund für die gestiegenen Unfallzahlen ist die große Menge Oberschichten genannt worden. Herr Kollege Herrmann müßte doch eigentlich wissen, daß das Uberschichtswesen in Sachsen nicht so übermäßig ausgedehnt ist. (Zuruf b. d. Komm.: Das glauben Sie doch wirklich mckt!) Ich habe neulich schon darauf hingewiesen, daß das Wichtigste die Heranziehung des Nachwuchses ist. Die Schwierigkeiten liegen, wie schon richtig gesagt woiden ist, in der Lolmfrage im allgemeinen. Ich möchte hier einmal darauf Hinweisen, daß die finanzielle Lage des sächsischen Steinkohlenbergbaues einfach katastrophal ist, daß der Steinkohlenbergbau in Sachsen auch im vorigen Jahre, im Durchschnitt nichts verdient, wndern mit erheblichem Vertust gearbeitet hat. Im Bergbau be tragen jetzt die Löhne und Gehälter 85 Proz. des Er löses. Ich möchte weiter darauf aufmerksam macken, daß der Bruttolohn im sächsischen Steinkohlen bergbau heute den Reallohn des Jahres 1913 errelcht, dagegen gebe ich gern zu, daß der Ncttolohn, der den Arbeitern ausgezahlt wird, darunter steht. Aber das ist ja der Wunsch der Bergarbeiter gewesen, insbesondere durch die außerordentlich erhöhten Leistungen, die durch das Reicheknappschastsgesetz gewährt werden. Im Jahre 1913 betrug der Anteil, den ein Bergarbeiter von seinem Bruttolohn für soziale Abzüge zahlen mußte, 6,14 Proz., heute beträgt er 15,13 Proz. Jnsgeiamt aber sind es die Arbeitnehmer- und Arbcitgeberbei- trüge. 31,57 Proz. des gezahlten Bruttolohnes, also ungefähr Vs des Bruttolohnes, fließt in die verschie denen sozialen Kassen. Das macht pro absatzfähige Tonne Kohle 4,46 M.; bei einem Durchschnittspreis pro Tonne Kohle von 19—20 M. gehen also allein 4,46 M. soziale Lasten ab. Es ist ganz klar, daß sich das nachher bei dem Lohn des Bergarbeiters auswirken muß. Wenn der Arbeiter aber seinen Lohn erhält, so rechnet er nicht die An wartschaft, die er bei Krankheit oder später bei Pensionie rung und Invalidität hat, im Augenblick mit, obgleich er das natürlich immer mit anrechnen müßte, was er sich an Anwartschaften durch diese Abzüge erwirbt. Ich sagte schon, daß die Lage der Werke sehr ungünstig ist, und sie ist auch früher gegenüber anderen Steinkohlen revieren immer ungüstig gewesen, aber damals gab cs einen gewissen Schutz durch die Frachten. Dieser Schutz ist jetzt vollständig weggefallen und ins Gegen teil verkehrt worden durch die neuen Staffeltarife, die es ermöglichen, daß Oberschlesien nahezu zu Friedens- frachten nach Westsachsen, Thüringen und Bayern die Kohle verfrachten kann, während Sachsen mit Nach frachten, die ungefähr 50 Proz. höher als die Friedens frachten sind, arbeiten muß. Die natürliche Spanne, die der sächsische Bergbau früher gegenüber Westfalen und Obcrfchlesien hatte, ist damit weggefallen. Das drückt natürlich auf die Gewinne der Werke, die sich in Verluste verwandelt haben, und auf die Löhne der Bergarbeiter. Ich möchte nur noch eine Bemerkung richtigstellen, die Herr Abg. Schreiber gemacht hat, daß nämlich die Zahl der Beamten seit 1913 wesentlich gestiegen sei, die der Arbeiter aber geiunken sei. Das übt auf die Be- rechnung der Leistungen keinen Einfluß aus, im übrigen hat sich die Zahl der Beamten im wesentlichen ver mehrt, gerade um mehr Schutz zu gewähren. Ich will mich darüber heute nicht näher auslassen; wir werden ja im Ausschuß genügend Gelegenheit haben. Nach dem Schlußwort des Abg. Herrmann (Soz.) wird beschlossen, die Anträge Drucksache Nr. 35 und 39 dem HauShaltausfchuß ö zu überweisen. Eingesckobener Punkt 5»: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Arzt «. Gen. auf Zahlung der Weihnachtobcihilfen auch an die Staatsarbeiter, die nicht dem Staatsarbeitertarif unterstehen. (Druck sache Nr. 1«1.) Der Antrag Nr. 161 lautet: Die sächsische Regierung hat durch Verordnung des Ministeriums des Innern vom 18. Dezember 1926 verfügt, die Weihnachtsbeihilfe nur an die unter den Tarifvertrag für die Arbeiter bei der sächsischen Staatsverwaltung fallenden Arbeiter zu zahlen. Diese Verfügung ist eine Ungerechtigkeit gegen die Arbeitnehmerschichten der Forstverwaltung und sonstigen Betriebe der Staatsverwaltung. Der Landtag wolle daher beschließen: die Regierung zu ermächtigen, den Arbeitnehmern sämtlicher, der Staatsverwaltung unterstehenden Betriebe die Beihilfe in der gleichen Höhe zu gewähren, wie sie den übrigen staatlichen Berwal- tungsarbeitern gezahlt worden ist. Abg. Ebert (Soz. — zur Begründung): Als im Dezember vorigen Jahres bekannt wurde, daß das Reich allen bei ihm beschäftigten Beamten, Arbeitern und Angestellten eine einmalige Zulage gewähren will, eine sogenannte Weihnachtszulage, war zu be merken, daß die politischen Parteien der übrigen Länder der deutschen Republik dazu übergingen, in ihren Landesparlamenten dieselben Anträge zu stellen. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist dafür eingetreten, daß diese Weihnachtsbeihilfen den An gestellten und Arbeitern der werbenden Betriebe und ebenso den Forstarbeitern und Landarbeitern, soweit iie dem Staate unterstellt sind, ebenfalls ausgezahlt werden. Wir sind noch darüber hinausgcgangen und haben ver langt, daß die Arbeiter auch in den Betrieben, die dem Staate unterstellt sind, an dieser Weihnachtsbeihilfe partizipieren. Das Finanzministerium hat dazu durch Herrn Ministerialdirektor I)r. Fritzsche ausführen lassen, daß kein Geld in der Kasse ist. Meine Fraktion hatte deshalb den Antrag Nr. 62 gestellt und verlangt inr Ab satz 2, daß die vom Reiche bewilligten Weihnachts- beihilfen auch den sächsischen Beamten und Lehrern, sowie den sächsischen Staatsarbeitern und -angestellten mit einem monatlichen Grundgehalt bis zu 400 M. bewilligt werden. Den Antrag haben wir deshalb in der Form gestellt, um die Mittel zu strecken und den Arbeitern den übrigen Teil, den die Beamten erhalten, die über die Besoldungsgruppe hinausgehen bis zur Besoldungs gruppe XIU mit einem monatlichen Einkommen von 1300 M., zu geben. Wir waren der Meinung, daß die Notlage der Staatsbeamten, die über 400 M. Grund gehalt haben, nicht so ist, wie bei einem großen Teile der Staatsarbeiter (Sehr richtig! b. d. Soz.), die mit Monatsgehältern von 75 M. abgespeist werden. Es ist sestzustellen, daß wir Tarifabfchlüsse in der Forstwirtschafk mit 61 Pfg. Stundenlohn haben und daß man noch dazu verlangt, daß die Arbeiter auf dem Forst sämtliche Werkzeuge zu stellen haben. Wenn die Arbeiter die Werkzeuge nicht mitbrächten, kann der Staat und die Forstverwaltung die nötigen Schutz maßnahmen bei Einfriedigung der Wege nicht vornehmen, wodurch die Menschheit vielen Unfällen ausgesetzt ,st. Wir müssen weiter feststellen, daß die Dinge nicht so schlimm sein können in bezug auf die Staatsmittel, wie man sie hier vorgetragen hat. Wir haben doch die Anträge gestellt, wo es sich darum handelt, über die im Etat eingestellten Mittel hinaus 100000 M. für die Leipziger Messe extra zu bewilligen. Wir müssen fest stellen, daß Wald- und Forstarbeiter und die übrigen Arbeiter nach ihren Tarifen sehr niedrig entlohnt werden und daß gerade bei den Wald-und Landarbeitern in den Staatsbetrieben ein großer Verschleiß von Kleidung vorhanden ist, wenn sie bei Nacht aufladen müssen, da geht durch das Ausweichen der Kleidung alles kaputt. Im Winter müssen sie monatelang zu Hause sitzen, weil es unmöglich ist, im Winter inr Wald und Gebirge überhaupt eine Arbeit zu leisten. Sie haben dann die Feierschichten auf ihre Kappe zu nehmen und müssen sehen, wie sie sich im Winter durch die schweren Monate hindurch überhaupt über Wasser halten können. Wir haben deswegen den Antrag unter Nr. 161 eingebracht. Die Dinge liegen natürlich in den anderen Staaten genau so. Hier ist von allen Vertretern der bürgert Uchen Parteien gesagt worden bei der Beratung unseres Antrages Nr. 62, daß man nicht in der Lage wäre, über die Dinge im Reiche hinauszugehen, und der Herr M nisterialdirektor vr. Fritzsche hat hier gekämpft wie ein Orlando, damit der Antrag Nr. 62, Abs. 2 ab gelehnt wird, damit den Beamten bis zur Besoldungs- gruppe XIII hinauf die Weihnachtsgratifikation nicht entzogen werden soll. (Hört, hört! links.) Aber so, wie die Dinge hier in Sachsen gelaufen sind, sind sie zu Anfang ebenfalls in Preußen gelaufen. In Preußen ist ein Antrag eingebracht worden am 17. Dezember 1926. Die einmalige Zuwendung an Beamte, Volks- schullchrpersonen, Wartegeldempfänger, Ruhegehalts empfänger, Hinterbliebene und Angestellte auch in ent sprechender Weise den Staatsarbeitern zu gewähren, ist im preußischen Parlament einstimmig angenommen woiden. Ich bitte alle Vertreter und in allererster Linie die Vertreter der Rechtsparteien, das, waS ihre Fraktions kollegen in Preußen gemacht haben, hier im sächsischen Landtage ebenfalls zu tun. Ich möchte — die Herren Regierungsvertreter sind leider nicht anwesend — ersuchen, sich genau wie am 16. Dezember mit derselben Schärfe und mit demselben Wärmegcfühl heute der Staatsarbeiter anzunehmen unter Berufung auf die preußischen Abmachungen und genau so wie dort, die Anträge angenommen worden sind, heute unseren Antrag Nr. 161 anzunehmen. Ich beantrage deshalb im Namen meiner Fraktion die Schlußberatung des Antrages Nr. 161, damit wir die Möglichkeit schaffen können, daß diese im Dezember den StaatSarbeitern, den Forstarbeitern und den Ge meindearbeitern, überhaupt sämtlichen StaatSarbeitern vorenthaltene Weihnachtsbeihilfe noch vor Ostern aus- gezahlt wird. (Bravo l b. d. Soz.) Abg Opitz (Komm.): Wir als Kommunistische Partei sind der Auffassung, daß natürlich durch eme Wechuachts- beihilfe das Elend der Arbeiterschaft, besonders auch der Forst-und Waldarbeiterschaft n,cht gebessert wrrd. Wlr ver- langen vor allen Dingen, daß auch die übrige Arbeiter- schäft, wenn schon einmal eine Weihnachtsbe,Hilfe ge- geben wird, auch diese Beihilfe ausgehändlgt wird. Die Forstarbeiterschaft im besonderen ist eine Berufs schicht, die am schlechtesten bezahlt wird, wir werden natürlich für sie ganz besonders eintreten. Diese Arbeiterschicht wird von der staatlichen Forstverwaltung in der rücksichtslosesten Weise ausgcbeutet, und auch der Vertrag, der zwischen der Forstverwaltung und dem Landarbeiterverbande abgeschlossen worden ist, kennzeichnet, wie man die Lage der Arbeiterschaft seitens der Forstverwaltung zu bessern gedenkt. Dieser Vertrag ist ein Produkt der offenen Reaktion. Man hat hier alle die Extravaganzen, die die Forstarbeiter schaft früher einmal gehabt hat, gestrichen. Mau yt einfach dazu übergegangen, die Werkzeugzulage, die früher 4 Proz. betrug, zu streichen Man ist dazu über- gegangen, die Regenzulage, die 2 Proz. betrug, auch zu streichen. Und man ist ferner dazu übergegangen, die Wegegelder, die bei 3 km 1 Stunde und bei 6 Km 2 Stunden betrugen, in diesem Vertrage einfach auch zu streiche». Die Vertreter des Landarbeiterverbandes und der Forstverwaltung begründen das damit, daß, nachdem die Löhne von 48 auf 61 Pf. erhöht worden sind, diese Extravaganzen der Arbeiterschaft nicht mehr gezahlt werden können. Tas ist eine Ungeheuerlichkeit, und wir werden uns mit aller Entschiedenheit dafür einsetzen, daß die Waldarbeiter wieder zu ihrer Werkzeug- zutage kommen. Ich bin der Ausfassung, daß die sozialdemokratischen Abgeordneten dem Landarbeiter verbande einen ziemlich derben Wink geben müßten, daß er nickt solche Verträge abschließt. Ich möchte nur an ciuem Beispiel zeigen, wie kraß die Ausbeutuug der Waldarbeiterschaft ist. Ich behalte mir aber vor, bei der Beratung des Etatkapitels Forsten auf weitere Einzelheiten einzugehen. Für das Schälen von Schleishölzern, die eine Länge von 3,50 m haben, bekommt ein Wald- oder Forftarbeiter 4 Pf. Für 3,50 m schälen ganze 4 Pf.! Ma» stelle sich vor, 61 Ps. ist der Stundenlohn! Ein Waldarbeiter muß also, wenn er 61 Pf. verdiene» will, mindestens 15 solche Schleif hölzer fckälen. Und es ist inr Tarif vorgesehen, daß ein Waldarbeiter 25 Proz. inr Akkord mehr verdienen kann. Er müßte demnach, wenn er 80 Pf. verdienen will, in der Stunde 20 solche 3Vr Meter lange Hölzer schäle». (Zuruf links: Tas solleir die Oberförster erst einmal vormachen!) Nimmt man noch dazu, daß Ar beiter vorhanden sind, die 50, 70 und 76 Jahre alt sind, so ist das eine Ungeheuerlichkeit. Irr bezug auf die Werkzeuge wurde hier erklärt, daß die Arbeiter während der Arbeitszeit außerstande sind, ihr Werkzeug zu schleifen. Sie sind deshalb dazu außer stande, weil sie dann am Ende der Woche natürlich nicht den entsprechenden Lohn erhalte» können, sie müssen also ihr Werkzeug zu Hause am Sonntag scharf machen. Tas ist wieder ein Zustand, der unhaltbar ist. Wir sind der Auffassung, daß nicht nur den Wald arbeitern, sondern allen Arbeitern in der ASW. wie i» den übrigen Fabriken, in den Porzellanfabriken usw., wenn die Weihnachtsbeihilfe ausgezahlt wird, diese auch gezahlt wird. Darüber hinaus werden wir gemeinsam mit den Forstarbeitern kämpfen, daß vor allen Dinge» dieser Vertrag, wie er gegenwärtig besteht, und die Mißstände, die bei der Forst- und Waldarbeiterschaft bestehen, beseitigt werden. Ta die Regierung Beratung im Aussa uß verlangt, wird der Antrag dem Haushaltsausschuß 8 überwiesen. Die Punkte 6 und 7 werden miteinander verbunden. Punkt 6: Erste Beratung über den Antrag de- Abg. Arzt u. Ge». über da» Polizeibcamtenrecht. (Drucksache Nr. 145.) Ter Antrag 145 lautet: Wie verlautet, soll die sächsische Regierung bis zum 31. Januar 1927 der Entente einen Gesetzentwurf über das Polizeibcamtenrecht vorlegen. Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, dem Sächsischen Landtag unverzüglich den diesbezüglichen Gesetzentwurf zur Beschlußfassung vorzulegen. Punkt 7: Anfrage de» Abg. Arzt u. Gen., de» 24-Stnn den dienst bei der Polizei betreffend. (Druck- fache Nr. 14« ) Der Antrag 146 lautet: Ist es richtig, daß die sächsische Regierung mit der Umorganisation der Polizei den 24-Stundendienst ein führen will? Abg Menke (Soz.): Es ist ein öffentliches Ge heimnis, daß infolge der AbrüstunaSforderungen der Entente auch eine anderweite Organisierung der Polizei vorgenommen werden muß. ES ist aber auch au- den Tageszeitungen bekannt geworden, daß infolge der Forderungen der Entente Aussprachen zwischen der- schiedenen Länderregierungen stattgefunden habeH