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Wochenblatt für Wilsbmff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstagS und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummem 10 Pf. WrM Mm, Meulehn and die Umgegenden. fimtsölAlt Inserate werden Montags Md Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionSpreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. ) für die Kgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 76. Freitag, den 22. September 1893. Bekanntmachung. Herr Stadtgutsbesitzer Moritz Richard wätzel in Wilsdruff beabsichtigt, auf dem unter Nr. 260L. des Brandversicherungs-Catasters, No. 713 des Flurbuchs für Wilsdruff gelegenen Grundstücke einen neuen Ziegelbrennofen (Ringofen) an Stelle des abzutragenden alten Ofens zu errichten. In Gemäßheit 8 17 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869 wird dies mit der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf besonderen Privatrechts-Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Meißen, am 14. September 1893. Die Königliche Amtshauptmannschaft. v. Airchbach. Montag, den 25. d. M. 10 Uhr Vormittags gelangen in der Restauration zur Tonhalle hierselbst folgende Gegenstände als: 1 Billard mit Zubehör, 1 Bierapparat, 2 Blitzlampen, Wein- und Biergläser, 1 Anzahl Tische und Stühle, 1 Regulator, 1 Schreibsekretär, 1 Küchentafel, 2 Sophas, 1 Waschtisch u. a. m. gegen Baarzahlung zur öffentlichen Versteigerung. Wilsdruff, den 15. September 1893. Sekretär Busch, Ger.-Dollz. Tagesgeschichte. GünS, 17. September. Von den Kaisermanövern. Der König von Sachsen und der Herzog von Connaugth trafen kurz nach 3'/, hier ein und wurden von dem Kaiser, den Erzherzögen Karl Ludwig, Albrecht, Rainer, Wilhelm, Josef Ladis laus, Franz Salvator und Leopold Salvator empfangen, ebenso waren die Minister Kalnoky, Wekerle, Hieronymi, Fejervary und TiSza zum Empfange anwesend. Unter den Klängen der deut schen Hymne und den begeisterten Eljenrufen der zahlreich her beigeströmten Bevölkerung fand die Begrüßung zwischen dem Kaiser und dem König von Sachsen durch Umarmen und Küssen statt. Dem Herzog von Connaugth reichte der Kaiser wiederholt die Hand. Nach Abschreiten der Ehrenkompagnie und nachdem die Vorstellung der Generalität erfolgt war, begab sich der König von Sachsen unter den brausenden Eljenrufen der spalierbil denden Menge nach seinem Absteigequartier. Der König von Sachsen trug die Uniform seines österreichischen Dragoner-Regi ments. Der Kaiser, welcher zum Empfang des Königs von Sach sen die Uniform seines sächsischen Ulanen-Regiments angelegt batte, vertauschte dieselbe, ebenso wie die Erzherzöge Karl Ludwig, Rainer und Wilhelm, mit derjenigen ihrer preußischen Regimen ter. Gegen 4 Uhr traf unter den Klängen der deutschen Hymne und den jubelnden Eljenrufen der Anwesenden der Separat-Hof- zug Er. Majestät des Kaisers Wilhelm ein. Kaiser Franz Josef eilte dem Kaiser Milhelm, als dieser den Salonwagen verließ, entgegen und umarmte und küßte denselben wiederholt auf das Freundschaftlichste, während die Menge aufs Neue in begeisterte Eljcnruse ausbrach. Kaiser Wilhelm trug die öster reichische Uniform. Nach Abschreiten der Ehrencompagnie reichte Se. Majestät der Kaiser Wilhelm den Erzherzögen die Hand und unterhielt sich längere Zeit mit dem Erzherzog Albrecht. Dann nahm Se. Majestät die Vorstellungen der Generale und der ungarischen Minister entgegen, jeden derselben durch eine kurze, freundliche Ansprache auszeichnend. Ebenso beehrte der Kaiser den Botschafter Szoegyenyi, die Grafen Tassilo, Festtetic und Geza Szapary, sowie Koloman Tisza mit Ansprachen. Dann fuhren Se. Majestät der Kaiser Wilhelm zur rechten Seite des Kaisers Franz Josef im ersten Wagen, im zweiten Wagen Prinz Leopold von Bayern und der Herzog von Connaugth, so dann di- anderen Erzherzöge und dieSmten unter den ununter brochenen beaeuterten Zurufen der dichtgedrängten, spalierbil- d-nden Menge s Di- Erzherzöge Albrecht und Wilhelm besuchter? den König von Sachsen unmittelbar nach s«n°r Ankunft in Güns; Kaiser Wilhelm gab seine Karte ab und Kaiser Franz J°fif verweilte in emem viertelstündigen Be suche be. dem Köniä desaleichen sprachen der Herzog von Con naugth und der Erzherzog Franz Salvator be, dem König vor. Abends 6 Uhr fand ein ^Odiner statt, an welchem sammtliche Fürstlichkeiten und derer?Suiten die Erzherzöge, d,e Minister und die hohen Militärs Theil nahmen. Ueber den von Kaiser W-lh-lm bewohnten Gemächern ist die preußisch-F-hn° geM — Bei dem Empfange Ihre Majestäten des Kaisers Wilhelm und des König« Albert waren a!ch der qesammte katholische Clerus und d,e protestantische Geistlichkeit anwesend. Zu Ehren der fürstlichen Gaste fand Abends ein prachtvolles Feuerwerk auf einem nahe gelegenen Berge statt, welches einen Sturm auf eine Festung sowie deren Brand vorstellte. Als der Kaiser Franz Josef dem Kaiser Wilhelm den Obergespan vorstellte, sagte er diesem anerkennende Worte für den schönen Empfang. — Die Wiener Blatter widmen den Kaisertagen ,n Güns schwungvolle Betrachtungen. Das „Fremdenblatt" schließt die scinige mit folgenden Worten: „Die Armee fühlt sich stolz und beglückt, vor all den fürstlichen Gästen ihres Kaisers zu be weisen, daß sie ihren alten Namen, ihren ererbten Ruhm bewährt bat, daß ihrer Kraft und Güte vertrauen dürfen ihre ihrlichen Waffenbrüder." and ein Artikel der „Presse" klingt in den nachstehenden Sätzen aus: Die Zusammenkunft der fürstlichen Personen in Güns bezeugt zur Freude aller Freunde des Frie den« und des Rechts, wie unser geliebter Kaiser über die Dank barkeit und Treue seiner Völker auch im Rathe der Fürsten reiche Ebren und innig-Freundschaft gefunden hat, wie da« Vertrauen in seine Weisheit und Güte dem Reiche Alliancen und Sympa thien zubringt zum H-il- der Völker. In dieser glücklichen Er- kenntniß liegt keinerlei Bedrohung gegen Andere, in ihr liegt nur das Gefühl der Sicherheit und der Friedenshoffnung. Dieses Gefühl steigert sich zum Herzenswünsche aller Nationen Oester reich-Ungarns, die gütige Vorsehung schirme, segne und erhalte bis in das späteste Alter unseren Kaiser, unseren Beschützer." Die Kaisermanöver in Güns nahmen am Montag ihren Anfang. Sie dauerten am genannten Tage von früh 7 Uhr bis 10 74 Uhr; bei einer Attake führte Kaiser Wilhelm per sönlich sein ungarisches Husarenregiment Nr. 7. An den Manö ver» nehmen im Ganzen etwa 130 000 Mann theil, eine Trup penzahl, wie sie in solcher Größe bislang noch niemals bei Manö ver» im westlichen Europa zur Verwendung gelangt ist, es stehen sich demnach im Manöverterrain von Güns nicht mehr bloße Armeekorps, sondern ganze Armeen gegenüber, was den ungar ischen Kaisermanövern spezielles Interesse verleiht. Der norddeutsche Antisemitentag, von 500 Personen besucht, hat sich gegen ein Bündniß mit den Konservativen bei den Wahlen ausgesprochen. Auf die Frage: „Wollen die Sozialdemokraten expropriiren oder nicht?" gab unter „stürmischem Beifall" die höchste „Autorität" der internatinalen Sozialdemokratie, der maßgebende Kommentator der Marxschen Lehre und des Pro gramms des deutschen Sozialisten, Herr Friedrich Engels in Wien, jüngst folgende Antwort: „Ich habe mir heute die wunder schönen Bauten angesehen, welche das Bürgerthum dem Prole tariat der Zukunft in Wien erbaut hat. Daß das „Bürger thum" dem „Proletariat der Zukunft" seine „wunderschönen Bauten" freiwillig abtreten werde, daran wird doch niemand denken; also Expropriation der Besitzenden zu gunsten der Be sitzlosen ist nach wie vor die Parole der Sozialdemokraten, und daß diese Expropriation nicht ohne Anwendung von Waffenge walt durchführbar ist, bedarf keiner Erörterung. Die gleichzeitig in Wien diökutirte Frage der Beschaffung von Gewehren war also keine müßige. Freilich mußte Herr Bebel darauf Hinweisen, daß die Sozialdemokratie „heute noch nicht" die Möglichkeit be sitze, die Bajonnete in die Hand zu bekommen und deshalb vor läufig nur darnach trachten könne, jene zu gewinnen, welche die Bajonnete zu tragen haben, aber im Grunde genommen kommt dies alles doch auf eins heraus: auf den Appell an die Ge walt zur Durchführung der sozialdemokratischen Ziele. Die „stürmische Zustimmung", mit der die Versammlung Bebels Worte aufnahm, beweist, daß die Sozialdemokratie mit der em pfohlenen Taktik einverstanden ist. Dem aufmerksamen Politiker konnte die wirkliche Ursache des „Kampfes gegen den Militaris mus" nicht verborgen sein; daß Herr Bebel hier klipp und klar ausspricht, die Sozialdemokratie betrachte es als Hauptaufgabe, das deutsche Heer zu demoralistren, ist gleichwohl immerhin dank bar zu acceptiren. Die Nothwendigkeit, unsere Armee in jeder Beziehung z» kräftigen und zu befestigen, jeder Lockerung der Disziplin entgegenzutreten und der Heeresverwaltung in dieser Beziehung helfend und fördernd, nicht aber hemmend und nör- aeld zur Seite zu stehen, muh doch einem jeden Deutschen ein leuchten. Ebenso muß es nach den Bebelschen Worten Jeder mann einleuchten, daß die Franzosen nur aus dem Grunde die Führer der deutsche» Sozialdemokratie rühmen und feiern, weil re von deren Minicrarbeit im deutschen Heere sich Erfolge ver- prechen. Man kann sich »ach den Bekenntnissen Bebels unge- ähr denken, wie es den „Bourgois" ergehen würde, wenn die Sozialdemokraten einmal genug „Bajonnete" in die Hand be kämen. Die russische Regierung soll in Berlin den Wunsch nach einer Erledigung der bevorstehenden kommissarischen Handels vertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Rußland in raschen Zügen zu erkennen gegeben haben. Dieses russische Ver langen würde, falls sich die betreffende Nachricht bestätigt, den erfreulichen Schluß gestatten, das in den Petersburger Regier- ungskreijen nunmehr günstigere Dispositionen bezüglich eines mit Deutschand abzuschließenden Handelsvertrages Platz gegriffen. Der drohende Bergarbeiterstreik im nördlichen Frankreich hat am Montag seinen Anfang genommen. Im Departement Pas de Calais ist der Ausstand ein allgemeiner, während im Departement du Nord vorläufig nur in einigen Gruben die Ar beit eingestellt worden ist; im Ganzen beläuft sich die Anzahl der streikenden Bergleute ca. 47 000 Mann. Die belgischen Bergleute, die ebenfalls zum Streik neigen, sind von dem so zialistischen Deputirten Baöly, dem Präsidenten de« Grubenar beiter-Syndikats für das Departement Pas de Calais, aufge fordert worden, dem Beispiel ihrer französischen Kameraden zu folgen: einstweilen wird aber in den belgischen Kohlengruben noch ruhig weiter gearbeitet. Unter den streikenden französischen Berg leute» bekundet sich eine bedenkliche Neigung zu Ausschreitungen, wofür verschiedene Vorfälle zeugen; es sind deshalb starke Trup- penabtheilungen in das Streikgebiet entsendet worden. Berichte der in New-Dock stationirten Agenten mehrerer großer europäischen Dampfschiffahrtsgesellschaften konstatiren die bemerkenswertbe Thatsache, daß die Auswanderung aus den Vereinigt.» Staaten von Amerika zur Zeit stärker ist als die Einwanderung nach dort. Der Strom der Rückwanderung geht hauptsächlich nach den Ländern des Mittelmeeres und nach Breme». Als Ursache dieser auffälligen Erscheinung wird man einerseits die den europäischen Einwanderern immer feindlicher werdende Stimmung der für ihren Erwerb fürchtenden ameri kanischen Arbeiterbevölkerung, andererseits das durch dieSilber- kalamüät bewirkte Darniederliegen zahlreicher Zweige des Ge- schäftölebens betrachten müssen. Der Abfluß nach dem Mittel meerländern hat sich in kurzer Zelt verdoppelt, und auch die Zahl der in Bremen anlandenden Amerikamüden übertrifft um 10 bis 12 Prozent das Kontingent der über dort nach Amerika reisenden Auswanderer. Die Weltausstellung von Chicago soll bis zum 31. Dezember d. I. verlängert werden, es heißt, mehrere aus ländische Commissare wären dem Plane günstig gestimmt. Ver- muthlich handelt es sich hierbei um einen Versuch, das beträcht liche Fiasko der Chicagoer Ausstellung-möglichst herabzumindern. Vaterländisches. Wilsdruff, 20. September. Das Konzert, welches vergangenen Montag in dem durch eine imposante Gallerie erweiterten Saale des Hotels zum Adler von der Kapelle de« Schützenregiments Nr. 108 gegeben wurde, war überaus gut besucht. Man greift wohl nicht zu hoch, wenn man die Be sucherzahl auf 400 schätzt. Herr Hotelier Gietzelt, welcher seinem Etablissement eine praktische Erweiterung gegeben hat, ist zu diesem Erfolge besonders zu beglückwünschen. Wenn auch die sonst so ausgezeichnete Akustik des Saales etwas be einträchtigt wird, so ist doch anzuerkennen, daß durch diesen Einbau der Gallerten dem Publikum eine Bequemlichkeit ge schaffen ist, die wir in anderen Städten, welche Wilsdruffs Größe haben, wohl schwerlich finden dürften. Die Holzarbeiten, welche die Holzbildhauerei von Bernhard Hofmann geliefert hat, sind so sauber und geschmackvoll, daß sie mit Recht da« all gemeine Interesse der Besucher erregten und ihrem Schöpfer alle Ehre machen. Ebenso wollen wir nicht unterlassen des Herrn Baumeister Lungwitz noch zu gedenken, der in so kurzer, bekannt solider Weise den Bau beendet hat, daß schon zum Feste nach 14tägiger Arbeit der Bau seinem Zweck dienen konnte. — Daß die Leistungen der leider nur mit 28 Mann besetzten Kapelle ausgezeichnete waren, läßt sich bei dem Rufe, welchen die Kapelle de« Schützenregiments genießt, nicht ver wundern. Herr Musikdirektor Keil, welcher noch in der Blüthe seiner Jahre steht (32 Jahr), versteht es, seine Musiker im Auge zu behalten, wie wohl selten ein Dirigent und die freie Direktion aller Concertnummern mochte dazu nicht wenig bei tragen. Unsere Auffassung bezügl. einiger Nummern deckte sich nicht vollständig mit dem Gehörten. Der Schluß der Tell- vuverture schien uns doch etwas überhastet. Wir glauben be stimmt, daß bei mehr Tempomäßigung diese Tonschöpfuna mehr gewinnt. Unser Walzerkönig Strauß scheint mit seinen Perlen (Geschichten aus dem Wiener Wald, Wiener Blut, Wein Weib Gesang, Künstler-Leben rc.) in den Bann gethan zu sein, denn der uns weniger symphatische Lanner zierte wie auch vor 14 Tagen bei der Grenadierkapelle das Programm. Eine ausgezeichnete Tonschöpfung ist die Bearbeitung des Volksliedes „Kommt ein Vogel geflogen" v. OchS. Auch hier war nach unserer Auffassung, die nebenbei bemerkt manchem Wilsdruffer auch oft eine zu schnelle ist, das Thema zu schnell gespielt