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Freitag. 76. 27. September 1861. Erscheint Dienstags und DU LL Werßerrh-Lertung. anstalten. ' Preis pr» Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Amts- un- Anzeige- Matt -er Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe ^u DippoldisVatde. Fravenstein und Attenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Zehne tn Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Freiberg. Die Muldenbrücke bei Hilbers dorf, 3/« Stunde von hier, 150 Fuß hoch, 692 Fuß lang, aus fünf Bogen L 90 Fuß und drei Bogen L 32 Fuß lichter Weite bestehend, ist bekanntlich das größte Bauwerk auf der, im Bau begriffenen Tharand« Freiberger Staatseisenbahn und übertrifft an Höhe, wiewohl drei andere sächsische Eisenbahnviaducte nahe stehen, alle anderen, auf deutschen Eisenbahnen zur Zeit vorhandenen Brücken und Viaducte. Der Bau derselben ist mit solcher Energie betrieben worden, daß bereits am 16. Septbr. die Bogen geschlossen werden konnten, und zwar sand die Schlnßsteinfcier im Beisein und unter Theilnahme des Königs statt, welcher eine Reise über Freiberg nach Großhartmannsdorf, behufs der Musterung einer dort in Cantonnement stehenden Brigade, dazu benutzt hatte, die Kunstarbeiten unserer Eisenbahn in Augenschein zu nehmen. Wie wir hören, dürfte die Bahn noch im Novbr. d. IS. von Tharand bis zur Muldenbrücke mit Kohlenzügen befahren werden. Berlin. Wie Licht und Wärme die Blüthen her« vortreibt und sie höher färbt, so die Liebe im Volke zu einer Idee oder Institution. Das kann man so recht an der Flottenangelegenheit sehen; welche schöne Erscheinungen treten nicht zu Tage, wie erfinderisch ist da nicht die Liebe! Da schickt ein kleines Städtchen, Cochem, den schönsten Eichenstamm aus seinem Forst, um doch ein Scherflein beizutragen; da besteuern sich die Magistratsmitglieder, wie in BreSlau, um jährlich 100 Thlr. abzustoßen für den großen Zweck, die In- nungen, wie die Bäcker ebendaselbst, öffnen ihre Ge werbskassen und steuern, die Landeslogen, selbst Private bringen große Opfer, und nun steht es auch fest, daß die L ladt Berlin dem Könige bei seinem Einzuge die Urkunde über 85000 Thlr. zur Beschaffung eines Kanonenboots erster Klasse behändigen wird. Und das schöne Wort des Herzogs Ernst soll dabei auch nicht vergessen sein, die Ermukhigung klingt gar schön aus fürstlichem Munde. Schon fangen die Dänen an, be denklich zu werden, und noch sind wir erst im Stadium des Wollens; schon erkennen sie die reichen Kräfte Deutschlands, das ihnen gegenüber ein Riese, wenn auch ein theilweise schlummernder, gewesen; es dauert nicht lange und sie geben klein bei, wenn der Tag von Compiegne sie des französischen Schutzes beraubt und England gerade auch nicht allein den schmuzigen Handel auSfechten mag, für England doppelt schmuzig, weil der nasseste Egoismus es verblendet und seinen wahren Lvrtheil erkennen läßt. Darum sagen wir: Vorwärts! nicht rechts, nicht links gesehen, sondern dem Ziele zugesteuert. — i Bruchsal, 23. Sept. Oskar Becker hat in der heutigen öffentlichen Gerichtssitzung sein früheres Zu« geständniß zurückgenommen und behauptet, er habe nur ein Scheinattcntat und hierdurch eine moralische Wirkung beabsichtigt; er habe nur aus Versehen ein scharf geladenes Terzerol genommen. Sein Vorbild sei Orsini gewesen, und habe er Folgen, wie sie dessen That hervorgebracht, von der seinigen erwartet. — Becker'S Auslassungen machten auf die Zuhörer den Eindruck, als wären sie confuS. — 23. Sept. Nachts. Der soeben verkündigte Wahrspruch der Geschwornen hat Becker des vollendeten Mordversuchs auf Se. Maj. den König von Preußen für schuldig erklärt und die Frage wegen Unzurechnungs fähigkeit des Angeklagten verneint. Der Gerichtshof erkannte auf 20jährige Zuchthausstrafe, wovon die ersten 9 Jahre in 6 Jahre Einzelhaft zu verwandeln sind, und auf Landesverweisung. Der Angeklagte vernahm lächelnd das Urtheil. Prag. Von tschechischer Seite wird unermüdlich daran gearbeitet, der Stadt Prag in aller und jeder Beziehung den tschechischen Charakter aufzudrücken, dessen sie, wie Jeder weiß, der Prag noch vor wenigen Jahren kannte, bisher so ziemlich entbehrte. - Außer dem Schulwesen, in welcher Frage die tschechischen Nationalen sich schließlich freiwillig zu einer Kapitulation verstanden, beschäftigt die Leiter der nationalen Ange legenheiten jetzt vorzüglich die Frage des tschechischen Theaters. Um dieselben zu fördern, ist der Reichs tagsabgeordnete Rieger hierher gekommen, da dieser Tage in jener Beziehung Entscheidungen getroffen werden sollen. An den Landesausschuß ist eine Petition des Inhaltes gerichtet worden, derselbe möge für da künftige tschechische Nationaltheater einen Zuschuß aus Landesmitteln bewilligen. Vor der Hand soll im Neu städter Theater dreimal die Woche tschechisch gespielt werden. Einen Abend soll eine Oper, die zwei andern Abende Lust« und Schauspiele aussüllen. Paris. Endlich scheint die Frage geordnet, durch die ein Theil der Presse in starke Aufregung versetzt worden ist. Der König von Preußen soll Anfang October nach Frankreich kommen und in Compiegne mit dem Kaiser zusammentreffen. Wenn Gerüchten zu trauen ist, werden dort alle möglichen Dinge besprochen werden, und würde der preußische Minister deS Aus wärtigen die Reise mitmachen. Es soll über Dänemark und Schleswig-Holstein, über Eventualitäten zur Bildung eines skandinavischen Königthums, über die polnische Angelegenheit und über Italien, kurz über alles im allgemeinen und jedes insbesondere besprochen werden.