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MMMÄWM für Bürgertum/ Leamie, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich— Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweijungsgebühr 2V Reichspfennige. Vse- geschriebene Erscheinung— tage und Platzvarschrifte» werden nach Möglichkeit KerNspreMev: Amt Wilsdruff Nv. 6 berücksichtigt. Anzeige— annahmebis vorm.lOUHr. Für die Richtigkeit d« durch FernrufübermitteltenAnzeigenübernehmenwir keine Garantie. J.-derRabatlanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgege». Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. 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Fehlgriff und Flickwerl. — Ausgleich. — Arbeitslosigkeit. Das ausschlaggebende Herzstück. — Hoover will nicht. Verflechtung der Weltwirtschaft. — Die Grundlage der Staaten. Der VersaillerVertrag und in seinem Gefolge das Dawes-Abkommen wie der Uoung-Plan versuchten den Schlußstrich unter die Ergebnisse des Weltkrieges zu ziehen. Es ist nicht gelungen. Alles, was Grenzziehungen und Zahlungsverpflichtungen anbetraf, sollte sestgelegt und verhämmsrt sein, gleichsam für die Ewigkeit oder doch für eine Zeit, die als dauernd in der ständig in Fluß befindlichen Umwandlung der irdischen Dinge betrachtet wird — für ein oder zwei Jahrhunderte. Doch kaum hat ein dutzendmal die Kalenderziffer gewechselt, so steht die Welt vor der Erkenntnis, daß mit Versailles und den dar aus erwachsenen Folgezuständen ein Fehlgriff getan, ein Flickwerk geschaffen wurde, das Wohl Verwirrungen in überreicher Fülle brachte, aber den erforderlichen Stand der gesunden Kräfteverteilung störe. Die wirtschaftliche Krise überzieht den gesamten Erdball, die gewünschte Steigerung der Friedenswerke blieb ein Luftgespinst. Was wäre also notwendiger zu tun, als nach einem Aus gleich zu suchen, hier zu mildern, dort anzukurbeln, um mit der gerecht verteilten Pflichtleistung den stockenden Vlutumlauf wieder erneut durch den ganzen Körper zu treiben? Mit Betrübnis mutz konstatiert werden, daß zu solch vernünftigem Beginnen kaum Ansätze sich regen. Deutschland ringt mühselig nach Luft unter dem auf seinen Nacken gebürdeten Zahlungsjoch. Doch Frank reich und England, besonders das letzte, erfahren nur geringen Segen durch das von Deutschland cinlaufende Frongeld, sie müssen es zum großen Teil wieder abführen nach den jenseits des Ozeans gebieterisch harrenden Ver - einigten Staaten. Deren betriebsame Bevölkerung leidet gleichfalls. Sie ist nicht imstande, die übermäßige Nahrungszufuhr zu verdauen; die früher so einträglichen Lieferungen an das damals aufnahmefähige Europa stocken, in den Fabriken rosten die Maschinen, auf den Feldern verdirbt das Getreide, das würgende Gespenst der Arbeitslosigkeit ergreift immer neue Opfer. * Unter diesen Umständen sollte man der Meinung sein, auch drüben werde der rettende Gedanke einer General reinigung mit Jubel von allen Klugen ausgenommen worden, der Gedanke einer internationalen S ch u l d e n r e g e l u n g, der den leidenden europäischen Staaten, insbesondere dem deutschen, Raum zur Er holung brächte und in entsprechender Weise den stag nierenden Blutüberfluß in Amerika beseitigte. Diese Idee, die sich seit langem ohne beachtliche Einwände als richtig aufdrängt, wird jedoch in maßgebenden Kreisen der Neuen Welt noch immer nicht anerkannt, vielmehr wird ein Kampf gegen sie geführt, der stark entmutigen muß. Aussicht zur Wiederaufrichtung für Deutschland, des ausschlaggebenden Herzstückes ganz Mitteleuropas, wäre in Sicht bei Verringerung der überhöhten Leistungen aus seiner Arbeits- und Vermögenskraft an die Nachbarn Diese Nachbarn, unter denen vornan der Engländer steht, erklären sich bereit, dem Nachlaß zmzustimmen. Aber der ans seinem Hypothekenschein bestehende Amerikaner, dessen Mithilfe unerläßlich ist, macht nicht mit; er will seine Forderungen nicht um ein Jota zurückschrauben In Washington läßt man soeben zum soundso vielten Male verkünden, unter der gegenwärtigen amerikanischen Negierung sei jeder Feldzug zwecklos, der eine Minderung der englischen Schulden an die Vereinigten Staaten an strebe. Präsident Hoover will nicht. Hoover ist ent schlossen, sich entschieden aufzulehnen gegen Schuldennach laß an europäische frühere Kriegsmächte. So werden diese verhindert, ihrem ehemaligen Gegner, eben Deutschland, entgegenzukommen, und die Katastrophe muß weiterwachsen. * Die enge Verbundenheit der Wirtschaftskrise in Deutschland mit der in der gesamten KnlturweU herrschenden wird in diesem Augenblick wieder klar durch den neuesten Bericht des deutschen Konjunkturforschung^ instituts. „Zum ersten Male", heißt es oa, „haben dic Verflechtungen der Weltwirtschaft zu einem sehr engen Zusammenhang auch der wirtschaftlichen Bewegung der einzelnen Länder geführt. Zum ersten Male ist die deutsche Konjunktur in Gleichtakt mit der Bewegung der anderen großen Industriestaaten getreten." Und weiter wird bewiesen, daß die verminderte deutsche Ausfuhr die Folge gesunkener Aufnahmefähigkeit der Auslandsmärkte ist. Die Weltpreise müssen fallen, auch die amerikanischen; die von Hoover seinerzeit gerühmte heimische „Prosperität" ist in erhebliche Mitleidenschaft gezogen. Deutschland wird nicht mehr allein leiden, seinen für den Winter er warteten 3^ Millionen Arbeitslosen rücken an die Seite die sechs Millionen von gleichem Schicksal Getrof fenen im starrköpfigen Dollarlande. In Genf beginnen jetzt wieder die Beratungen des Völkerbundes, dem Amerika fern blieb. Gegenstand sind die Briandschen Vereinigungspläne, deren Achilles ferse fraglos die französische Verbissenheit in die Parole bildet: „Es müsse alles so bleiben, wie es beute ist." Was Keine kekorm im völkerbunck Englands Politik in Genf. Kriege sind nicht durch Gewalt zu verhindern. Am nächsten Montag werden in Genf dic Beratungen des Bölkerbundrates und die Auseinandersetzungen über den Briandschen Paneuropaplan beginnen. Ein Teil der europäischen Vertretungen ist schon eingetroffen, die deutsche Delegation unter Führung des Neichsautzen- ministers Dr. Curtius wird Sonntag ankommen. Als Kandidaten für die frei werdenden Sitze im Völkerbund rat werden nach wie vor Irland, Guatemala und Nor wegen genannt. Zu der am Montag stattfindenden ersten europäischen Konferenz werden 23 Außenminister in Genf erwartet. Großes Interesse wird angesichts der italienischen Abänderungsvorschläge zur Reform des Völkerbundes der englischen Stellungnahme zu diesen Vorschlägen ent gegengebracht. Es wird die Meinung laut, England Werde sich den Abänderungen widersetzen. In dieser Richtung geht auch ein anscheinend informierter Artikel, der soeben in den Londoner „Times" erscheint. Das Blatt sagt darin, für die gegenwärtige Zusammenkunft sei dieser Punkt besonders wichtig, da eine Reihe von ernsten Fragen zur Erörterung stünde, wie z. B. die finanzielle Unterstützung von solchen Staaten, die Opfer eines An griffes seien, ferner die Abänderung des Völkerbund- statuts, um es mit dem Kellogg-Pakt in Übereinstimmung zu bringen. Auch der Bericht der Mandatskommission über Palästina sei von großer Wichtigkeit, und endlich kann das nützen, bei der offenbaren „unlösbaren Verflechtung der gesamten Weltwirtschaft", "deren man sich endlich erinnern sollte als einziger Knoten- und Angelpunkt, um ernsthaft die bessernden Hände anzulegen. Bei dem die Genfer Arbeit einleitenden Minder- heitenkongretz sprach der Oberschlesier Dr. Ulitz ein tüchtiges Wort vom Volkstum. Er betonte, Briands Plan wende sich nur an die Staaten, nicht an die Völker. Das Volkstum aber bilde die G r u n d l a g e der Staaten und erbringe erst deren Berechtigungsnachweis. Das Gedeihen der Völker reiche in seiner Bewertung über die Staatsgrenzen hinaus. Was hier für die Einigung Europas gesagt wurde, gilt sicher nicht weniger für die ganze Zivilisationswelt diesseits und jenseits des Weltmeeres. Ist sie von der Vernichtung in sich bergenden Krisengefahr bedroht, kann auch kein ameri kanischer Präsident sich der Verantwortung entziehen, darf sich nicht weigern, rechtzeitig die Faust an den retten den Hebel zu legen, im wohlverstandenen Interesse der Aufgaben, die ihm Amt und Berufung stellten. H. G. Eine Denkschrift gegen die Nationalsozialisten. Berlin, 5. September. Im Streit zwischen dem Reichs innenministerium und der thüringischen Staatsregierung um die PolizeikostenMschüsse vor dem Staatsgerichtshos begründet das Reichsinnenministerium bekanntlich die Einbehaltung mit der Verwendung von nationalsozialistischen leitenden Polizeibeamten in Thüringen. Diese gäben nicht die Gewähr dafür, dass die ihnen unterstellte Polizei im Falle von Unruhen ein durchaus zuverläs siges Mittel in der Hand der Regierung sei; denn dis NSDAP, verfolge selbst hochverräterische Ziele. Die NSDAP, hat jetzt bestritten, daß sie die bestehende Verfassuug umfloßen wolle. Die Reichsregierung hat ihrerseits dem Gerichtshof eine Denkschrift zugestellt, in der die hochverräterischen Ziele der NSDAP, dar gestellt werden. In der 63 Seiten umfassenden Schrift wird zunächst eine kurze Geschichte der alten NSDAP, und des Hitler-Putsches von 1923 gegeben. Dann werden die Ziele der neuen NSDAP, er örtert, die nach Aufhebung des Verbots der alten Partei neu ge gründet wurde, aber nach der Denkschrift des Reichsinnsnmini- sters die Ziele der bisherigen Partei ohne jede Aenderung über nommen habe. Für die Erreichung ihrer Ziele, sagt die Denk schrift, seien den Naitonalsozialisten alle Mittel recht. Zum Be weise dafür führt die Denkschrift eine große Zahl von Aeußerun- gen führender Nationalsozialisten an. So kommt die Denkschrift zu folgendem Schlußergebnis: Die NSDAP, erstrebt mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln den gewaltsamen Umsturz der auf der Weimarer Verfassung begründeten deutschen Republik. Sie führt bewußt, aber mit anderer Taktik dis Politik, die im Jahre 1923 zu dem Hitler-Putsch führte, fort. Die bei dem Scheitern dieses Putsches gemachten Erfahrun gen haben die Partei veranlaßt, in planmäßigen Etappen eine neue Revolution vorzubereiten, deren Ziel die Ausrichtung eines diktatorisch organisierten rein völkischen Staates ist. Die Partei stünden die Briandschen Paneuropavorschläge zur Erörte rung. Gewaltsame Verhinderung von Kriegen ist unmöglich, erklären die „Times". Die englische Politik müsse unter- allen Umständen eine vorsichtige Zurückhaltung gegenüber- allen Tendenzen zeigen, die dahin zielen, schon jetzt mili tärische und sonstige Machtmittel des Britischen Welt reiches für künftige Fälle, die man im einzelnen gar nicht übersehen könne, vertraglich festlegen zu wollen. Sosehr England auch alle Maßnahmen zur Verhinderung von Kriegen unterstütze, so müsse es sich doch im Hinblick auf seine besondere Lage bewußt sein, daß man den Gebrauch von Gewalt nicht vollständig ausschalten könne. Feste Regeln zur Behandlung internationaler Schwie rigkeiten seien daher für die Mitglieder des Britischen Weltreiches nicht schmackhaft. Deshalb werde die britische Politik sich hauptsächlich darauf einstcllcn, die bestehenden Einrichtungen eher zu verstärken als neue zu schaffen. So könne man z. B. die Frage aufwerfen, ob cs wirklich not wendig sei, einen neuen allgemeinen Pakt abzuschlietzcn, dessen Annahme die einzelnen Unterzeichner-Mächte dazu verpflichten würde, alle internationalen Streitfälle ohne Ausnahme auf friedlichem Wege beizulegen. Dieser Artikel wendet sich deutlich gegen die Pan- europavorschläge Briands. Bekanntlich lehnte England in seiner Antwort an Frankreich schon damals die Ein richtung einer besonderen europäischen Organisation ab. selbst und die von ihr geschaffenen Organisationen sind so aufge- bcut, daß sie alle als geschlossene militärisch disziplinierte Kampf ¬ truppen bei dem beabsichtigten Umsturz eingesetzt werden können. Soweit sich Nationalsozialisten am parlamentarischen Staats leben beteiligen, tun sie es zu dem ausgesprochenen Zweck, den Staat und seine Machtmittel von innen heraus zu unterhöhlrn, um den Generalangriff durch Schwächung der inneren Wider standskraft des Staates zu erleichtern. Sie fühlen sich schon jetzt gerüstet, um unter Anwendung von brachialer Gewalt den Um sturz herbeizuführen. Ihre gegenwärtige Tätigekit besteht darin, sich selbst eine Machtstellung innerhalb des Staates zu sichern durch bewußt staatsfeindliche Politik, durch Zersetzung der Macht mittel des Staates und durch wettere Schulung ihrer eigenen Machtmittel die Vorbedingungen für den sicheren Ersolg der von der Partei in naher Zeit zu entfachenden Revolution zu schaffen." W Ende einer Ente Berlin, 5. September. Die Frage nach dem Doktortitel Fricks hat eine schnelle Aufklärung gefunden. Die Universität Hei delberg hat dem 8-Uhr-Abendblaft auf Anfrage direkt mitgeteilt, daß sich aus ihren Listen ergebe, daß an dem von dem thüringi schen Minister angegebenen Tage, am 19. November 1901, ein Wilhelm Frick aus Kaiserslautern in der juristischen Fakultät zum Doktor promovierte. Dis Nsggenstützung. Kein vorzeitiger Abbruch der Regieruugsaktion. Der Getreidckommisfar des ReichscrnährungsministerimnS, Ministerialdirektor Dr. Baade, erklärt, daß die Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Reichsernäh rungsminister und ihm selbst über die gegenwärtige Hand habung der Roggenstützung unbegründet seien. Da sich alle Parteien, auch die Sozialdemokraten, über die Not wendigkeit der Roggcnstützung einig seien und dem Reich noch breite finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung ständen, sei an eine plötzliche Beendigung der Stützungsaktion nicht zu denken. Angesichts der geringen diesjährigen Roggen ernte handele es sich unter Einrechnung der alten Vorräte bei einem normalen Brotvcrbrauch von 4 bis 4,5 Millionen Tonnen und einer normalen Roggcuverfütterung von 2,5 Mil lionen Tonnen nur um die Notwendigkeit der Unterbringung der restlichen 800 000 Tonnen. Da bisher in drei Monaten 300 000 Tonnen Eosinroggeu zu 70 Mark unter Aufwendung von 20 Millionen Mark verlorener Zuschüsse abgesetzt worden seien, könne der weitere Überschuß im Laufe des Jahres spielend abgesetzt werden, besonders wenn nach dem Verbrauch der Voreinfuhren an Gerste der Absatz von Eosinroggeu mit der Berechtigung zum Erwerb zollbegnnstigter Gerste verbunden würde. Bei dem Massen- ang cbot, das in den letzten Tagen den Stützungsgescll- schaften gemacht worden sei, handele es sich in der Hauptsache um Tcrminware bei geringem Angebot von effektiver Ware, so daß sich der Handel zum Liefcrungstermin erst den Roggen beschaffen müsse. Angesichts der sicheren Erfolglosigkeit des Versuches, die Stützungsgcfellschaften zu fixen, habe die Speku lation an der Produktenbörse bei der Realisierung ihrer Tcr- minvcrpflichtungen mit unter Umständen größeren Verlust - zu rechnen.