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47. Jahrgang. Freitag, de« 7. Dezember. «scheint jeden Wochentag Rachm. 6'/, Uhr für den anderen Tag. Preis vierteljährlich S Mk. SS Pfg. zweimonatlich 1Mk. SO Pfg. u. einmonatlich 7b Pfg- »Inserate werden bi« Vormittag« U Uhr d . angenommen. Prri» str die Spaltzüle 13 Psg. H Außerhalb de- Landgericht«beztrk« 1b Psg. ss MvvTM» Merb ergerAitzeig^ und Tageblatt Amtsblatt sür bk Vaiglichea und Mtischeu BchMm zu Freiberg mb Briab. «sra»twortttch« L«U«^r »«sttzardt. Ko«l«rsdtrfahrtn. , DaS KonmrSversabren über da« Verwögen de« Fleischermeisters und Hausbesitzer« Friedrich Gustav Reich«! in Freiberg wird nach erfolgter Abhaltung deS Schlußtermin« hierdurch aufgehoben. Freiberg, den 4. Dtcember 1894. «SuigiicheS UmtSgericht, «biy. Hk. 6. 8. L. 6/94. Nr. 53. Veröffentlicht: Sekr. Nicolai- GerichtSschrriber. Stadtverordnete«^«-, ve« 7. Dezember t««4 Albend« 6 Uhr. 1. RathSbeschluß, Nachverwilligung von 430 Mark zu Pos. 488 — Armenwesen —, von 3850 Mark zu Pos. 410 n/d — laufende Almosen —, von 280 Mark zu Pos. 467 — Be- kleidungSaufwand pp. —, von 100 Mark zu Pos 453»— bauliche Unterhaltung —, von ^8 Mark zu Pos. 100 — Schreiberlöhne—, von 75 Mark zu Pos. 191 — Schutzstangen — betr. Dergleichen, Festsetzung einer UmgehungSgebühi von 3 Mark sür die Bezirkshebamme Kirbach betr. 3. Desgleichen, Gewährung freier Heizung und Beleuchtung deS SladttheaierS an den Direktor Hannemann für die jetzige Saison betr. 4. Dergleichen unentgeltliche Ueberlasiang deS KaufhauSsoale« zur Christbescheerung an den Frauenvcrcin für den 3. Adventssonntag betr. 5. Desgleichen, Genehmigung deS mit der ReichSpostverwaltung abzuschließrnden Kaufvertrags unter veränderten Bedingungen betr. 6. Desgleichen, Veiwilligung von 3266 Mark aus Anlrihrmitteln für Inventar im Anbau der Mädchenbürgerschule betr. 7. Desgleichen, Berwilligung von 800 Mark für Herstellungen im Feuerwehrdepot betr. 8. Desgleichen, Genehmigung deS Statut-, die. PensionSverhältniffe der städtischen. Unter- beamten betr. , , 9. Dergleichen, Regulativ über die Schankgewerbesteuer zur Genehmigung betr. 10. ' Bericht der Rechnungs-Deputation über 1. Rechnung der Dienstbotenkrankeukasse 1891, 2. Rechnung d«S Hospitals St. Johannis 1891 und 3. Rechnung deS Hospitals St. Bartholomä 1891. Freiberg, den 6. Dezember 1894. -b. Auktion. Eomnabenv, de» » ds«. Mts. Nachmittag« '/,8 Uhr kommen tm amtsgerichtlichen AuctionSlokale hier 1 Halbchaise, eine größere Anzahl neuer Kleidungsstücke, al« vollständige Herren, und Knabenanzüge und JacketS, auch ein Rock und ferner 1 Sopha, 1 Kletderfekretär und 1 eiserner Armleuchter für Laden oder Restaur. zur Versteigerung. Freiberg, am 5. Dezbr. 1894. AmtSger.-Srkr. Schmidt, G.-V. Bekanntmachung für Hilbersdorf. Die GemeinderathSwahl findet DienStag den 11. Dezember d. Avon 12 bis 3 Uhr Nach mittag» für die ANsitffige«, von 4 Uhr Nachmittags bis 7 Uhr Abends für die u«a»fäffige« LUbersvorf, den 5. Dezember 1894. De* «emeinderath. G «Bstd. Wer geht mit? Wider de« Umsturz! Für de» Mittelstand! Rede deS Herrn von Blumenthal. HI. Wir haben gesehen, daß ein kräftiger und mit de» oberen Klaffen zusammrnwirkrnder Mittelstand vorhanden sein muß, um überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, dem Einbruch deS Gegners Stand zu halten. Aber war schon dafür Voraussetzung, daß der Staat gegen den Terrorist»»« der Sozialdemokratie vorgche — so kann e« überhaupt nicht genügen, daß der Staat sich auf die Defensive beschränkt — daß er und wir mit ihm, die Rolle der Belagerten in der Festung spielen, deren Widerstandskraft doch nicht zu» sonvern abnimmt. ES muß zur Entscheidung kommen in diesem Kampf, den Fürst BiSmarck eine Machtfroge nannte, damit die Autorität deS StaateS gewahrt werde, auf der daS Vertrauen unseres Volkes in die Zukunft beruht — und dieses Vertrauen ist, wie der Aufruf zur Dresdner Petition mit Recht sagt, die Vorbedingung für die Wiederkehr auch wirthschaftlich besserer Zeiten. Darum muß die uns mit rücksichtsloser Konsequenz angreifende Sozialdemokratie — gestatten Sie mir, beim militärischen Bilde zu bleiben — durch offensiven Gegenstoß zurückgeworfen werden. Genügen dazu die jetzt dem Staate zu Gebote stehenden Mach» mittel? Wir müssen diese Frage verneinen. Zwar hat mit ihnen und gestützt auf ein wirksameres Vereinsgesetz, al» in anderen Einzelstaaten in Geltung ist, die sächsische Regierung die Zügel schärfer anziehen können, wofür ihr aufrichtiger Dank ge- bührt — und ich möchte betonen, wie das Geschrei der Umstürzler darüber in unseren Augen zu einer ehrenden Anerkennung für diese» Vorgehen der Regierung wird. Aber eS kann so doch nur gelingen, die äußersten Ausschreitungen zu verhindern. War meine Schilderung zu Anfang meiner Ausführungen richtig — und legen wir urs jetzt die Frage vor, was endlich und letztlich erreicht werden muß, so wird sich von selbst ergeben, daß die heutigen Gesetze nicht zuretchen. WaS erreicht werden muß, dürfte» sich dahin zusammrnfassen lassen: daß der Staat die Existenzberechtigung der anarchistischen und sozialdemokratischen Partei und ihrer Agitation nicht länger an erkennen darf— daß diese Parteien als solche nicht länger den Schutz der Gesetze genießen dürfen. Damit ist nicht gesagt, daß der Staat einen Krieg gegen verführte sozialdemokratische Urteiler, gegen Meinungen in den Köpfen einzelner Individuen führen soll — wohl aber soll er die Verbreitung von Meinungen und die Bestrebungen, die thatsächlich hochderrätherische sind und immer waren, unter ihrem wahren Namen ahnden, was nach unserem heutigen Strafgesetz nicht möglich ist — denn diese» Strafgesetz stammt auS einer Zeit, in der mit der Sozialdemokratie noch nicht gerechnet wurde. Den nothwendigen Schutz gegen wirthschaftliche Benachtheiligung durch die Sozialdemokratie erwähnte ich bereits. Wir sollten ferner dahin gelangen — und ich bin mir bewußt, damit etwas auszusprechen, waS schon Jeder von Ihnen empfunden hat — daß die wegen hochverräterischer Umtriebe oder politischer Verbrechen Verurthrilten nach Verbüßung ihrer Strafe» längere Zeit unter Polizeiaufsicht gestellt werden können — unter Polizei aufsicht, aber nicht im Vaterlandr, sondern — wir haben Kolonien — außerhalb deS Vaterlandes. Und die unfrei willige Auswanderung, daS zeitweilige Fernbleiben von der Hei» mach wird keine übergroße Härte sein sür Leute, die ohnehin leine Vaterlandsliebe kenne» — eS wird weniger Versührte geben, wenn eS weniger Verführer im Lande giebt. Ich möchte noch alS ein Hauptersorderniß der Zukunft die Abänderung unseres gegenwärtigen Wahlgesetzes zum Reichstage bezeichnen. Wir wollen nicht den Arbeitern do» Wahlrecht nehmen, nicht ein reines Wahlrecht deS GeldsackS einsühren — aber da» Wahlrecht sollte nur reiferen Männern zustehen, eS wüßte auch die Wahlpflicht einbegriffen und die Stimmen sollten nicht nur gezählt, sondern auch gewogen werden, wie eS beispiels weise in Belgien geschieht. Die absolute Gleichwerthigke t der Stimmen, bei der an die Stell« der GeisteSherrschast eine Mafien» Herrschaft tritt, ist unhaltbar. Leider muß ich mich damit be gnügen, in großen Zügen die Ziele zu bezeichnen, die in dieser Richtung anzustreben sind — ich würde Ihre Zeit endlos in An spruch nehmen, wollte ich mich in Einzelheiten verlieren. Run, meine Herren, können Sie sagen: da» ist Alle» ganz schön und gut — aber e» ist ja nicht durchzusrtzeu l Wie daS er» möglichen bet Regierung und Reichstag? Um etwa» durchzu» setzen, waS man durchsetzen muß, bedarf e» vor Allem eines uu- erschütterlichen Willen- — haben »st den, so thetlt er sich auch Anderen mit. Nicht nur schlaffe Unthätigkeit wirkt ansteckend, sondern auch muthigeS Wollen. Und damit würden wir unS be reits auf dem Wege zum Ziel befinden. Ich sage nicht, daß wir cS erreichen werten, aber daß cs erreicht werden kann, nicht auf einmal, aber stufenweise. Jetzt gilt eS den Anfang zu machen, schon jetzt Erreichbares in den Vordergrund zu stellen. Das thut die Dresdner Petition mit ihren bezüglichen Forderungen. Diese Forderungen gehen dahin: »Die Verrufserklärung (Boycoti), die Aufforderung und den Versuch dazu als Vergehen unter Strafe zu stellen; daS Strafgesetz zu ändern bez. zu ergänzen, um wirksamer als bisher die Aufreizung zum Klaffenhaß, die gegen Mo narchie und Religion gerichtete Agitation und die durch Wort und Schrift erfolgende Verbreitung erdichteter oder entstellter Thatsachen zu treffen; daS Pceßgesetz einer Revision zu unterziehen.- Meine Herren, die Petition weist bis jetzt 80000 Unter- chriftrn auf, allein auS Sachsen I Diese und ähnliche Maßnahmen affen sich unbedingt auf dem Boden deS gemeinen Rechts durch führen. Immerhin — und je weiter man geht, um so mehr — stößt man auf die Schwierigkeit, anarchistische und soztaldemo- kratische Umtriebe so zu definirrn, daß die Möglichkeit ganz aus geschlossen ist, die betreffenden Strafbestimmungen auch auf radikale Uebertreibungen anderer Parteien anzuwenden. Wir sind wohl nicht sentimental genug angelegt, um eine für die Erhal tung deS StaateS nothwendige Maßregel fallen zu lassen, weil die Justiz einmal einen Fehlgriff lhun könnte. Von gewissen anderen Seiten wird man darum einen gewaltigen Lärm erhebens Zugeben muß man, daß ein Ausnahmegesetz eine klarere Situation schaffen würde — indeß ist daS Odium zu berücksich tigen, daS allen Ausnahmegesetzen anhaftet. Ich glaube, unser Standpunkt sollte der sein, daß wir an sich einer Verschärfung de- gemeinen Rechts den Vorzug geben — gegebenen Falls aber vor einem Ausnahmegesetz nicht zurückschrccken. Wer von der Nothwendigkeit einer Sache überzeugt ist, sür den steht die Form in zweiter Linie. Und wer n dos parlamentarisch regierte Italien, wenn die Republik Frankreich Ausnahmegesetze gegen die Anarchisten schufen, so wird man eS bei unS wohl auch «Hun können — und dabei hoffentlich einsichtig genug sein, Anarchismus und Sozial- demokratir, die zusammen gehören, nicht gesondert zu behandeln Wenn Crispi die sozialdemokratischen Vereine auflösen konnte, kann Fürst Hohenlohe auch dahin gelangens Allerdings, darüber wollen wir uns klar sein, daß, wenn der Staat den Umstürzlern energisch zu Leibe geht — die Möglichkeit vorhanden ist, daß wir irgend welche Gewaltakte von jener Seite erleben. Wir wollen diese Möglichkeit durchaus nicht in Abrede stellen, damit man-uns hinterher nicht sagt: „Sehet Ihr, daS haben wir davon — wäre Alles beim Alten geblieben, eS wäre nicht geschehen.- Aber abhaUen, den alS richtig erkannten Weg zu gehen, kann uns diese Möglichkeit nicht — wir müssen da hindurch und wir kommen auch hindurch und besser wir erleben daS Angrdeuiete früher als später — denn geschenkt wird es unS voraussichtlich nicht In unseren Augen ist der jetzige Zustand der trügerischen äußerlichen Ruhe, die nur zu leicht die Wachsamkeit einschläfert, cer gefährlichste von allen. Mißtrauen wir dieser trotz aller Agitation in Wort und Schrift bestehenden Ruhe auf der Ober fläche, »rührend welcher allmählich und ohne Aufsehen das Ueber- gewicht an Macht aus Seiten deS StaateS und der bürgerlichen Gesellschaft sich mehr und mehr verringert. Und ist eS erst ein mal auf der anderen Seite — dann wird dort auch der Schein einer gewissen Friedfertigkeit fallen, der lediglich ein taktischer Schwindelt st. So be dauerlich der Eintritt von Gewaltakten an sich wäre, so würden dieselben andrerseits — so lange der Staat noch das Heft in Händen hat — daS Tempo beschleunigen, in dem die Gesetzgebung gegen die Sozialdemokratie vorgrht. Und Diejenigen unter Ihne», die die von mir angedruteten Ziele vielleicht noch sür unerreichbar halten, möchte ich daraus Hinweisen, wie eS sehr wohl fein kann, i daß die Ereignisse unseren Bestrebungen in ungeahnter Weise zu Hilfe kommen. Vor der Hand, da wir nicht wissen, wa» da kommen wird, mögen wir wenigsten- wissen, was wir wollen. Wie stellen sich nun andere Parteien, die in Sachsen in Frage kommen, zu dem Einschreiten des StaateS mit seinen Machtmitteln? Für die deutschsoziale Reformpartei hat Herr Zimmermann in Bezug auf die maßvollen Forderungen nnserer Petition bereits die Erklärung abgegeben, daß seine Partei nie und nimmer für eine Einschränkung der BolkSrechte zu haben sei. Meine Herren, wir erheben auch den Anspruch, zum Volke ge rechnet zu werden — und Volksrechle sind auch unsere Rechte. Wir erkennen keiner Partei, auch Einzelnen nicht daS Recht zu, sich als besonders berufene Vertheidiger von Volksrechten aufzu spielen. Wir lieben die individuelle Freiheit genau so wie andere Leute — und nicht Volksrechte wollen wir elnschränken, sondern den Mißbrauch von BolkSrechte n. Die Erklärung deS reformerischen Parteiführers, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt und die beweist, daß er von den gelegent lichen schönen Reden gegen die Sozialdemokratie niemals zu Thaten übergehen will, mußte mich — und das wird wohl jeder von Ihnen jetzt zugeben — vollends veranlassen, die Verhältnisse klar zu schildern, wie sie von jener Seite tm Mittelstände hervorgerufen wurden. Was die Nationalliberalen anbetrifft, so haben wir anzuer kennen, daß auf ihrem Delegirtentag vor einigen Wochen Wünsche hervoriraten, die den unsrigen nach manchen Richtungen hin ver wandt find. Auch der aus vationalliberaler Sette früher schon gemachte Vorschlag: die Nichtwahlberechtigten von den Wahlver sammlungen auszuschließen — erscheint zweckdienlich, wenn Wettere- folgt. Ein Bedauern indeß kann ich nicht unterdrücken, daß in der Rede deS vr. Böttcher auf dem Delcgirtentagc der PassuS vorkam: „wir wollen dem Staat, wenn noiywendig, ver stärkte Machtmittel bewilligen, jede politische Reaktion würde unS aber in der Opposition finden.- WaS soll man damit anfangen? WaS daraus folgern? WaS soll diese» Kleben an einem alten Schlagwort in einer Zeit, wo nur Eins Noth Ihm — EtnS ganz allein: daS ist praktische, energische Thal? Ist denn schon vergessen, daß im Jahre 1890 daS Sozialistengesetz an der, auch von den Nationalliberalen abgelchnten Ausweisungsbefugniß scheiterte? Erinnert man sich nicht mehr, daß daS alte Sozialisten gesetz von Anfang bis zu Ende an den Abschwächungen und Herab minderungen krankte, Vie ängstliche Theoretiker an ihm vorge nommen halten? Daß es, um alle die erwarteten Wirkungen zu haben, den Hauptfihler hatte, nicht scharf genug zu sein? Wenn man in einer Sackgasse steckt, muß man eben ein paar Schritte rückwärts thun, um wieder aus einen Weg zu gelangen, aus dem vorwärls zu kommen ist. Nenne man das Reaktion, wenn man will — gut — dann aber sind die Bestrebungen, dem Handwerk eine Organisation zu geben, die eS schon früher besaß, auch reaktionäre Bestrebungen. Wir fürchten unS durchaus nicht in diesem Sinne Reaktionäre genannt zu werden, tm Gegeutheil — übrigens vermag man mit dem Schreckworl „Reaktion- kaum noch Jemand graulich zu machen — furchtsame Leute fürchten sich heutzutage vor ganz anderen Trugen Ich hege die feste Uebrrzeugung, daß unter den staatSerhalteudrn Parteien diejenige die Partei der Zukunft sein wird, welche recht- ze ttg in kr Bekämpfung deS Umstürze» klare und energische Ziele erkennen läßt denn ihr muß sich da» Vertrauen aller stau».er-