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Jahrgang. AK 298 Sonntag. 28. Oktober 1923 Dradlanschckfl! ««chrichl», »»«»«». L»rnlpr«ck»r-Samm«tnumm»r S« S^l. «du sü, D,chl,S0011. «achdni» mir m» dmilllchrr a«,I,n-n,-d» <.Dr„dn»r «achr.'l zulllst«. - Unverlan,!, SchrMück, werden nick« auldewrhrl. SchrMIettun, und /^>n,I«»s»»st»stell»-. Bruck u. Derla, v»n viipfch ck N»tck«r»I In »re«»«. P«Oick»ck.k,nt» 10»« » «»dem Vor Lnksuf eins» pisnos versäumen 8le nlctit, unsero liennen ru lernen, Nenn Niese Instrument« sinN vkne Vorlrennlnl»»« sofort Irdnstlerlsci, vollendet «plelder — VorMItrun« unverdlnNyek — prosp. Ire! Or, s^Liris ^Ilrrrorlr» » Mng- P°d» 14 Vornehmes «Restaurant Prüfung der deutschen ZMungsMigkeit. PoincarL stimm! -er Einberufung einer SachverstSn-igenkonfereuz durch die Reparationskommission zu. — Einladung zur Teil nahme an Amerika. — Eine lediglich taktische Mahnahme der Franzose«. — Reue Verhandlungen -er Ruhrinduskriellen. — Die „Regierung" -er rheinischen Derritter und ihre FinanzplSne. Frankreich zur Rachprüfung -er deutschen Zahlungsfähigkeit bereit. lEigner Drahtberlcht der »Dresdner Nuchrichte n".) Paris, 27. Okt. Wie die französische Presse mitteilt, ist der französische Botschafter in London Graf St. Aulaire, der heute in Paris eingetroffen ist, noch im Laufe des Vormittags von Poincarö, mit dem er eine längere Unterredung hatte, empfangen worden. Man erwartet, das, Graf St. Aulaire in der Lage sein wird, bereits bindende Auskunft über die Stellungnahme Englands gegenüber der französi schen Antwort zu geben, in der Frankreich sich zn der Er nennung eines Sachvcrständigcnansschusscs zur Priisung der deutfchen Zahlungsfähigkeit durch die Neparations- kommission bereit erklärt, falls Amerika sich daran be teiligt. Französische Bedingungen. Enttäuschung In England. London. 27. Okt. „Daily Telegraph" teilt in einer offi ziösen Information mit, das, Poincar, s Antwort England enttäuscht habe. Die Enttäuschung sei durch die Be dingungen verursacht, die Poincarö an seine Zustimmung zur Einberufung des Lachvcrständigcnkvmitccs trifft und die darauf abztcleu, die Arbeit des Komitees zn erhöhen. Die Be dingungen sind nach dem „Dailn Telegraph" die folgenden: 1. Der Lachvcrständigen-Anoschuf, wird von der Repko er nannt und berufen. Das deutsche Mitglied des Ausschusses soll nur gutachtlich, nicht bestimmend gehört werden dürfen. 2. Der Sachverständigcn-Ausschns, soll seine Arbeiten erst aufnehmcn, wenn die Alliierten sich darüber geeinigt habe», das, der passive Wider st and vollständig be endet sei. g. Der Lachverständigen-Anoschub soll nicht befugt sein, eine Herabsetzung des Londoner Ultimatums, das bekanntlich auf 102 Milliarde» Goldmark lautet, von sich ans zu fordern. Diese Herabsetzung bleibt ausdritiklich einer einstimmig zu fassenden Entscheidung der Alliierten Vorbehalten. 4. Eine Priisung der Leistungsfähigkeit Deutschlands und der in Deutschland sür Reparationszahlung vorhandenen Quellen darf nicht zu einer Herabsetzung des französischen Anteils au den Reparationen führen. Die Untersuchungokoiumissiou darf sich nicht mit dem umfassenden Problem der Lanicrung der deutsche» Finanzen und der deutschen Währung befassen. Das faktische Vorgehen Frankreichs. lStgner Drahtbericht der „Dresdner Nachrichten".) Paris, 27. Okt. Tie hiesigen politischen Kreise zeigen sich weiterhin gegenüber den Möglichkeiten, die die Ein berufung des Sachverständigen - Komitees >nr Prüfung der deutichen Zahlungsfähigkeit ergeben kann, außerordentlich skeptisch. Begründet wird diese wenig günstige Haltung einerseits mit dem amerikanischen Bor behalt hin sichtlich der Frage der interalliierten Schnldcn, so wie auch hinsichtlich der Vollmachten eines derartigen Komitees. daS »ach amerikanischer Ausfasinng nur konsulta tiven Charakter haben kann. Ter tatsächliche Grund sür die Skepsis, die man der Arbeitsmöglichkrit des Sachvcrjtändigcn- Das Urlell im Kllskriner Pulschprozetz. 1V Jahre Festung gegen Buchrncker. kDrahtmeldung unsrer Berliner Echristlettunal Berlin, 27. Okt. Das austerordentllchc Gericht in Sotthus hat gegen die Teilnehmer an dem Kttstrincr Putsch ans folgende Strafe» erkannt: gegen Buchrncker 10 Jahre Festungshaft nnd 10V Milliarden Geldstrafe, gegen Major a. D. Herzcr auf 2 Jahre 0 Monate Gefängnis, ferner gegen 6 Teilnehmer ans 0 bis 8 Monate Gefängnis. Fünf der Angeklagten wurden sreigesprochcn. Neue Verhandlungen -er Industriellen. Berlin, 27. Okt. Gestern haben die Gros,industriellen Stinnes und Bögler in Düsseldorf erneut mit den Ne- satzungsbc Hürden verhandelt. Ein Ergebnis dieser Besprechungen ist bis jetzt noch nicht bekannt. Man glaubt aber, daß eine Aussicht bestehe, die Besatznngöbchördc werde wenigstens einiges Entgegenkommen in der Frage der Nach- unb Weiterzahlung der Kohlenstener zeigen. Wenn auch diese Hoffnungen wieder täuschen sollten, dann wäre allerdings die Situation im Nnhrgebietc anßerordcntlich ernst. Lchvn jetzt ist die Arbeitslosigkeit dort sehr grost. und wenn auch die Er- werbSlosenunterstühung sür das Nnhrgebiet um 17, Prozent erhöht worden ist, so genügt das doch nicht, um der äußersten M zu steuern. Komitees entgegcnbringt, ist nach Auffassung wohlinsormier- tcr Persönlichkeiten der, daß die Ablehnung Poin car Ss gegenüber jeder U o n f e r c » zp o l i ti k nicht ge schwunden ist. und das, er es vorziehen würde, die von ihm erstrebte Lösung des Ncparationsproblcmü unter Bei behaltung des Ruhr- «ndNheinpsandcö aus anderem Wege zu erziele». Die bedingte Annahme der eng lisch-amerikanischen Anregungen durch Frankreich ist infolge dessen vor allem taktisch zu bewerten. Tie Londoner .Korrespondenten der Pariser Presse erklären denn auch, daß Lord Eurzon, wie der Korrespondent des ,Echv de Paris" sich ausdrnckt, von der Antwort Poincarcs enttäuscht sei, und daß man das Eingehen Poincarös auf die englisch-.,merika- ni'chcn Anregungen „allzu sehr geschickt" empfinde. Min ist iu> übrigen in Paris darauf gefaßt, daß die Engländer nicht ohne weiteres der französischen Aunayung Uber die Form der Einberufung und das Wesen des Sachverständigen-AuS- s,1,»fscs zustimnün sondern weiterhin oen Gedanken an eine große mlernalionale Konferenz in den Vordergrund zu stellen trachten werden. Man glaubt, daß die Ablehnung eines der artigen Plaues durch Frankreich als sicye: angesehen werden kann, und auch von Italien und Belgien unterstützt wird. Sollte England sür den Augenblick, was als wahrschein lich anzusche» ist. der Ernennung eines Sachvcr- st ä n d i g e n - Ko m i t c c s durch die Rcparationskoni- mrssion zustimmen. dann ist zu erwarten, daß am kom menden Dienstag wohl die Neparationskomn ission voraus sichtlich die Anhörung deutscher S a ch » c r st ä n d i g e r über die letzte deutsche Rote beschließen werde, daß aber auch schon der Beschluß über die Ernennung alliierter Sachver ständiger und die Einladung an Amerika, einen Sachverständigen in dieses Komitee zu entsenden, ge faßt werden wird. Washingion Hofs! aus Regelung -es Reparationskonflikls. Neni> ork, 27. Okt. (Dnrch Fnnksprnch.I Die „Associa ted Preß" meldet anS Washington: Die Meldung, daß Frank reich, Italien und Belgien die englischen Vorschläge aus Ein- bcrnsung eines internationalen Ausschusses von Sachverstän digen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands angenommen haben, hat in den amtlichen Kreisen Washingtons die Hossnnng geweckt, das, damit ein Schritt getan sei in der Richtung auf die Rcaelung der Reparativ nSsragc. Bon zuständiger Seite wird er klärt, daß. sofern die Lage sich in diesem Sinne weiter ent wickelt, cs als sicher erscheint, daß die mit Zustimmung der Washingtoner Regierung zu ernennenden amerikayi-chen Sachverständigen dem Ausschüsse als Mitglieder beitrcten wer den. IW. T. B.) Die Auffassung in Berlin. Berlin, 27. Oktober. Trotz aller französischen Ableugnnn- gcn arbeiten die französischen Behörden fortgesetzt an der Unterstützung der Sonderbündler. Besonders tut das auch die französische Regie. Bei dieser Sachlage ist es erklärlich, daß man in Berlin einer Mitteilung über die Zu stimmung Frankreichs zur Einsetzung des Sachverstänoigen- konntces mit großer Reserve gcgenüberstcht. Schwere Teuerungsunruhen in Essen. Berlin. 27. Okt. Blättermcldnngcn aus Barmen zu folge, ist es gestern wieder an verschiedenen Orten des Ruhr- gebictes zu Teuerungükra wallen gekommen. Tie Polizei muhte mehrfach cinschrcitcn. Ein besonders schwerer Zusammenstoß ereignete sich in Essen. Die Polizei wurde von der Menge angegriffen und mit Steinen beworfen. Ein mit Polizcibcamtcn besetzter Straßenbahnwagen wurde umgcworsc». Mehrere Straßcnbahnziigc wurden angchaltcn und als Barrikade benutzt. Die Polizei mußte von der S.luisi- wassc Gebrauch machen. Es soll fünf Tote und 16 Verwundete gegeben haben. Gelsenkirchcn. 27- Okt. Seit Mittwoch Imbeu in fast allen Stadtteilen Plünderungen in einem derartigen Um fang eingesetzt, doß für die Lebensmittelversorgung der nächsten Zeit das Schlimmste z» befürchten ist. Tie Polizei ist überall eingeschritten, wo sie nur konnte, und hat in den meisten Fällen noch rechtzeitig eingrcifen können, daß der größte Teil der Waren in den meiste» Geschäften ge rettet werden konnte. Besonders waren die Bahnhöfe, wo Kartosseln angckvmmcn waren, und Fuhrwerke, auf denen Kartoffeln befördert wurden, das Ziel der Plünderer. Be sonders schwierig gestaltete sich die Säuberung der Bahnhöfe von den Plünderern. I voUrr lLmtltok): 88000 MlUollvir > Die Neparalionsbewegung im Angelsachsenlum. Es ist augenblicklich einmal wieder ein sogenannter „psychologischer Moment" in der hohen Politik zu verzeichnen. Solcher Momente hat es seit dem Kriege genug gegeben, aber immer wieder sind die daran geknüpften deutschen Hossnungcn zu Wasser geworden. Kein Wunder, daß der deutsche Poli tiker mißtrauisch wird und nur noch an vollendete Taten, nicht mehr an Worte und vorbereitende Noten glauben will. Es bleibt also abzuwartcn, ob die Vorgänge, die sich jetzt zwischen London und Washington auf dem Gebiete der Nc- parationsfrage abspielen, einschneidende praktische Folgen zeitigen werden. Vorläufig läßt sich nur sagen, daß sie als bemerkenswertes Zeichen einer erwachenden Regsamkeit in angelsächsischen Kreisen gegenüber diesem Problem gelten müssen, das in seinen tiefgreifenden Wirkungen die ganze Welt berührt. Die Stellungnahme des AngclsachsentumS dazu wird um so dringlicher, je mehr sich das deiitsch-sranzösischc Verhältnis dem völligen Bruche nähert. Nach der ncncsicn Rede Dr. Strcscmanns zeichnet sich dieses letzte und schärfste Stadium der Entwicklung bereits deutlich am politischen Horizonte ab. Wenn ein an sich so gemässigter Staatsmann, der klare Wege zur Verständigung gezeigt und den loyalen Willen Deutschlands zum Entgegenkommen bis zur äusicrstcn Grenze des Erträglichen betont hat, sich in so unerbittlich scharfer Weise äußert, dann braucht man nicht erst zwischen den Zeilen zn lesen, um zn erkennen, daß schon in einer sehr nahen Zukunft das letzte schwache Band, das noch die äußeren Beziehungen zu Frankreich aufrecht erhält, zerrissen sein und nichts anderes mehr übrig bleiben wird, als der völlige Bruch unter Lossagung von dem durch Frankreich hundertfach ver letzten und mißachteten Versailler Vertrage. Nach dieser Richtung hat sich die Lage unverkennbar dnrch die Halsstarrig keit Poincarös in einer ans nahe Entscheidung drängenden Weise zugcspitzt, und da ist cS denn nur natürlich, daß der Englisch redende Teil der Welt nach in letzter Stunde einen Versuch macht, das Uebermaß des Unheils zu verhüten »nd einen Weg zur Verhinderung der europäischen Katastrophe zu finden. Dreimal hat Baldmin an die Eiscnstirn Poincarss gc- klopft und die Vernunft darin zu erwecken versucht. Gleich zeitig hat er sich nach Washington gewandt und den Erfolg erzielt, daß die dortige Regierung sich nicht wie bisher auf kühle Ablehnung beschränkt, sondern ihre Bereitwilligkeit zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz unter der Bedingung erklärt, daß sie von allen Mächten, also auch von Frankreich, dazu cingeladen wird. Tus Angelsachsenlum hat also seine bisherige Erstarrung gegenüber der fortschreitenden Zersetzung Deutschlands und Europas zunächst einmal ab- geschnttclt und nach dem Rücktritt Lloyd Georges und dein Tode des Präsidenten Harding zum ersten Male wieder Zeichen einer lebendigen Anteilnahme an den europäischen Gescheh nissen gegeben. Dürfen wir darin den Anfang eines Er. Wachens des Weltgcwissens, eine starke, mächtige Regung des allgemeinen Kulturbewußtscins erblicken? Unser Idealis mus ist von vornherein nur allzu geneigt, einer solchen An nahme zuzuneigen. Bei näherem Zusehen zerfließt aber diese ideale Auffassung in nichts. Es sind einfach die wirtschaft lichen und sozialen Wirkungen des deutschen Zerfalls, die den Anstoß zu der jetzigen angelsächsischen Aktion gegeben haben, da sic sich auch in England und Amerika immer fühl barer machen. In England ist cs der südafrikanische General Smuts, der sich großen Ansehens erfreut, gewesen, der den Stein'ins Rollen gebracht hat. Dieser freimütige Militär und Staatsmann, der über einen weiten Blick verfügt »nd kein Freund Frankreichs ist, hat in seiner vielbcmcrkten Rede den Ruhrraub glatt verurteilt und die Einberufung einer internationalen Konferenz zur endgültigen Lösung der Re- parattonsfrage vorgeschlagc». Sein Plan geht dahin, Deutsch land nach dem Muster Oesterreichs durch eine intcriiationale Anleihe finanzielle Hilfe zu bringen, die RcparationS- leistungen durch langfristiges Moratorium iowie mäßige Ge samtsumme und Iahreszahlungcn erträglich zu gestalten und znm Zwecke der Garantien die deutsche Fiuanzverwaltnng unter die Kontrolle des Völkerbundes zu stelle». Also immer hin auch eine für die deutsche Sviiverünität sehr bittere Pillcs Smuts hat mit seinem Vorgehen in hohen englischen Kreisen lebhafte Zustimmung gefunden: insbesondere hat der einfluh^ reiche Kolonialminister Herzog von Dcvonjhire dem General ösfentlich sür seine mutige Rebe gedankt. Auch der Außen-