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AMrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt» ericheint an allen Werktagen nachmittag- 5 Uhr. Bezngsprei-: Bei Abholung in der 2 AM > Ausgabestellen 2 AM. im Monat, d-i Zustellung durch die Boten 2,20 AM., bei Postbestellung E-sg.WWL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Sien^^ ^-gerunL Dclchüfl-stcll-n 1 — nehmen ,u jeder Zeit Be. N-Uungen entgegen. Im Falle döherer Gewalt, Kr eg oder lonjl. B-Iriedsstiru. gen besteht kein Ampruch ansLiesernng »er Wertung oderÄSrzung des Bezugspreises. — Rüctrirndung «ingesandler Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiitegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Aaumzeile 20 Apfg., die ^gespaltene Zeile der amtlichen Dekonntmachungen K> »eich«« Pfennige, die Sgespaltrne Aeblamczeile im textlichen Teile I RWK. Nachweksungsgebuhr 2V Reichspjcnnige. Bor» gesch riebeneErscheinung». —, . , „ tage und Plagdorschrifte» werde» «ach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wtlsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen» annahmebisoorm.lvUhr. »— Für die Richtigkeit de« durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Lnz. nehme» alleDermittlungsstcllen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forslrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 287 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 10. Dezember 1931 Der tiefe Eingriff. Man kann sich im Hinblick aus den Inhalt der neuen Notverordnung durchaus den Kommentar zu eigen machen, den ein prominentes Mitglied des Kabinetts Brüning selbst dazu geliefert hat: „Es ist durch die Reichs- regierung nicht nur ein Eingriff in das Lohn-, sondern auch in das Preisgebäude ersolgt, und zwar in einem Aus maß, wie das die Geschichte keines anderen modernen Großstaakes kennt; die Reichsregierung ist in vielfacher Hinsicht weiter gegangen als vor Jahren Mussolini in Italien." Dieser Satz in einer Rede Dr. Steger» Walds — er hielt sie in einem Augenblick, als die Not verordnung gerade der Öffentlichkeit übergeben wurde — ist unbestreitbar richtig und die Eingriffe gehenso ties, sind so umfassend und folgenschwer, sind, auch rein äußerlich gesehen, so umfangreich, daß der deutsche Staats bürger sich erst allmählich durch diese größte und „viel- fettigste" aller Notverordnungen wird hindurcharbeiten können. Aber jene Eigenschaften der Verordnung gelten noch viel mehr für die kommenden Wirkungen: Es wird hier der von äußerem Druck und innerer, geradezu verzweifel ter Not diktierte Versuch gemacht, nicht mehr nur einzelne Teile, sondern die Gesamtheit der deutschen Wirtschaft in einer ganz bestimmten Richtung hin zu führen —, und wenn man diesen Versuch als „Staats kapitalismus" bezeichnen will, so ist dies der Aus druck für eine Entwicklung, die jetzt mehr oder weniger in fast allen europäischen und sehr vielen außereuropäischen Staaien Platz gegriffen Hai und sich immer weiter aus- dehni. Allerdings betrachtet man das überall als Not maßnahme, „Ausgangspunkt jeder gefunden Gefamiwtrtfcyaft tfl die Erhaltung oder Schaffung des Ausgleichs der öffent lichen Haushalle," heißt es in der Begründung für die Notverordnung. Und das gibt ja auch die Begründung üb für die mannigfachen Sicuererhöhungen. namentlich bei der Umsatzsteuer. Daß dies aber in einem offensichtlichen Gegensatz zu dem sonstigen, sehr viel aus gedehnteren Inhalt, zur Haupilenvenz, zu dem wirt schaftspolitischen Ziel der Notverordnung steht, wird von der Reichsregierung ausdrücklich zugegeben und dürfte auch zum Angriffspunkt der politischen und wirt schaftlichen Kritik gemacht werden. Aber die öffentlichen Haushalte zu balancieren und damit auch die Grundlage für die IlabilerhaUung der Währung verlange gerade jetzt das Einsetzen der „letzten Mittel". Daß für einen wirklichen Ausgleich der öffentlichen Haushalte leyien Endes doch die Luge unserer Wirtschaft das Bestimmende sein muß und sein wird haben wir alle - nicht bloß in Deutschland - schmerzvoll genug gespürt. Was die Notverordnung mii stärkstem Druck, mit rücksichtsloser Kürzung und Beseitigung selbst privatrecht- licher Vereinbarungen yerbeiführen will, ist eine Wirt- fchasts g e st a l i u n g. Nebeneinander stehen hier freilich Zwangsbindungen und — wenn man so sagen darf — Zwangslösungen Aus der einen Seite erfolgt eine zwangsweise Herabsetzung gewisser „fester Kosten" — ^ins, Miele Frachttarife, der Preise für be stimmte Rohstoffe ober Produktionsmittel usw —, wird auch eine Senkung der Löhne und Gehälter vor sich gehen, andererseits wieder wird eine Lockerung der Bindungen bei der Preisgestaltung selbst, dann aber auch im Tarif- Wesen verfügt Die Aushebung aller Mietverträge und der schnellere Abbau der Wohnungszwangswirtschaft sind weitere derartige „Lösungen" und man kann hierzu auch noch die Einschränkung der Zwangsvollstreckungen rechnen Besonders bemerkenswert — auch vom Standpunkt der politischen Beurteilung aus — sind die umfassenden und scharfen Bestimmungen über die Neuordnung des Kanell- «nd Lvndikalsrechies, be> die Einsetzung eines mit großen Befugnissen ausgestatieien „Retchskommissars für Preis überwachung" noch starken Nachdruck verleiht An eine Senkung von Löhnen und Gehältern, die bereits am l Januar erfolgen soll, könne aber nur. so heiß, es in der Notverordnung, gedacht werden bei »Sicherstellung einer gleichzeitigen und entsprechenden ^nkung der Preise, do sonst eine Verhängnis volle r u m pfung der Kauskras 1 die Folge wäre" vamit die Wiederverkettung von „Preis und Lohn" 5"^sprochen und auch wirklich durchgesühri werden soll. einer der schlimmsten lohn- und sozialpolitischen v beseitigt, der nicht zuletzt Krise und Wirischastsnoi A?"iach! Hai Aber auch dies tritt zurück hinter dem ^sttkbx^ zwangsweise den Preis für ein im Güter- EAuguugs und -verleiiungsprozeß besonders wichtiges «Produktionsmittel" zu senken: den Preis für das Kapital, jur den Kredit Dieser Zwang der Zinssenlung richtet Uch nur gegen die inländischen Gläubige, do ,o aus ver ständlichen Gründen alle Schuldveriräge mtt Ausländern ^""N.lleiaste, bleiben In diesem Punkl erfolgt wohl der auch der in seinen Folgen gar nicht über- m >> «" ^'"äriss eines Slaaiskapiialis- bewußt an die Stelle eines freien Geld- schon bei der Devisenbewirtschaftung kchäiitiw«n"m"-" politischen, Währungs- und volkswirt- Meiche^ ^ang setzen muß.e und aus sehr viel weiter auszude"^ diesen Zwang noch WMiser durch dar MUMM Was die Aotverordlwog düngt. Durch die verspätete Bekanntgabe des offiziellen Textes der neuen Notverordnung, die bereits am Dienstag erfolgen sollte, aber erst am Mittwoch vor sich ging, war die Berichterstattung außerordentlich erschwert worden, und erst jetzt ist es möglich, ein einigermaßen genaues Bild zu geben von den einzelnen gesetzlichen Maßnahmen, die die Notverordnung in so überreichem Maße bringt. Im allge meinen gesagt bedeuten sie einen außerordentlich scharfen Eingriff in das gesamte Gebiet des öffentlichen Rechts und des Privatrechts. Beide Rechtsgebiete werden eng mit einander verflochten, und das Privatrccht wird in vielen Fällen dem öffentlichen Wohl geopfert. Viel Zweifels fragen werden bei der Ausführung und Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen noch auftauchen und hier soll nur einzelnes Positives hcrausgeschält werden, was alle Staatsbürger sofort angehl und in die Verhältnisse des täglichen Lebens eingreift. Das neue Mielrecht. Das außerordentliche Kündigungsrecht. Jeder Mieter kann seinen Mietvertrag zum 31. März 1932 kündigen. Für dieses außerordentliche Kündigungsrechl sind jedoch drei Voraussetzungen notwendig: Der Miet vertrag muß vor dem 15. Juli I93l abgeschlossen sein, er muß über den 31. März 1932 hinausgehen, und es darf innerhalb des Jahres 1931 zwischen Mieter und Vermieter noch keine Vereinbarung über eine Mietpreisherabsetzung von mindesten 29 Prozent getroffen worden sein, oder eine besondere Abrede über höheren Mietpreis mit Rücksicht auf befonders kostspielige Um- und Ausbauten Dieses außerordentliche Kündigungsrechl bezieht sich aus Mietverträge über „Gebäude oder Gebäudeteile", also auf alle Mi et räume: Wohn- und Geschäftsräume, Altbauten »nd Neubauten. Die Höhe des bisherigen Miet preises ist unerheblich. Die Kündigung muß schriftlich er folgen und dem Vermieter späte st ensam 5. Januar 1932 zugehen. Die Herabsetzung der Mieten. Unabhängig von diesem außerordentlichen Kün digungsrecht legt die Notverordnung den Vermietern die Pflicht aus. die Mieten herabzusetzcn. Bei den Räumen, die den Vorschriften des Reichs mietengesetzes unterliegen o d e r die vor dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden sind, tm wesentlichen also a l! e Ä l t w o h n u n g e n. ist eine Senkung der Friedens miele um t 0 Prozent vorgeschrieben. Bei Neubau wohnungen soll die Mielsenkung erst errechnet wer den. und zwar durch genaue Feststellung der Entlastung, die der Vermieter durch ZinSherabsetzung usw im ein zelnen Falle durch die Notverordnung haben wird Ter Vermieter ist verpflichtet, seinen Mietern unverzüglich eine genaue Berechnung zu geben und ihnen die neuen Mieten schon vor dem I. Januar 1923 mftzmeften. Die Mietsenkung tritt in allen Fällen erst für die Januarmiete in Kraft, so daß die postnumerando Zahlenden am 1. Januar noch die alte Miete zahlen müssen. Löhne und Gehälier. In der Privatwirtschaft. Die Verordnung schafft mit Wirkung vom 1. Januar 1932 unmittelbar eine Senkung der Löhne und Gehälter, und zwar grundsätzlich aus den Stand am i0. Januar 1927, indem sie für die Zeit vom l. Januar 1932 an die damaligen geldlichen Lohn- und Gehaltssätze an Stelle der heutigen als im Tarifverträge vereinbart gelten läßt. An den rechtlichen Grundlagen des kollek tiven ArbeitsrechiS ändert die Verordnung nichts. Die ReichSregierung hält es aber für erforderlich, daß bei der praktischen A u s g e st a l 1 u n g der Tarifverträge noch mehr als bisher den unterschiedlichen Verhält- ntfsen der einzelnen Gebiete und Wirtschaftszweige Rechnung getragen wird Alle laufenden Tarifver träge lausen, wenn sie nicht aus längere Dauer ab geschlossen sind, oder wenn die Tarifvertragsparteien nicht nach dem Inkrafttreten der Verordnung eine andere Dauer vereinbaren, mii dem 3» April 1932 ab Falls die Lovn- oder Gehaltssätze eines am Tage des Inkrafttretens dieses Kapiiels laufenden Tarifvertrags höher liegen als dtk des entsprechenden Tarifvertrags für den 10. Januar 1927, gelten mit Wirkung vom 1 Januar 1932 die niedri geren Lohn- oder GehaliSsätze dieses Tarifvertrags als in dem lausenden Tarifvertrag vereinbart Liegen die Lohn- oder Gehaltssätze des laufenden Tarifvertrags mehr als 10 Prozent über denen des entsprechenden Tarifvertrags für den 10. Januar 1927, so tritt lediglich eine Kürzung um 10 Prozeni ein; bei Lobn- oder Gehalisiätzen, die seil dem l Juli 1931 nicht tarif vertraglich herabgesetzt worden sind, tritt an Stelle des Satzes von 10 Prozent der Satz von 15 Prozent Die Verordnung sieht vor, daß der neue Lohn- oder Gevaltsstand unverzüglich bis ins einzelne kestaeleat wird. Zu diesem Zweck treten die Parteien jedes Tarif vertrages bis zum 19. Dezember 1931 zusammen, um die ab 1. Januar 1932 geltenden Sätze in einem Nachtrag zum. Tarifvertrag festzulegen. Bei Schwierigkeiten ist das Eingreifen der Schlichter vorgesehen. Sie treffen ihre Festsetzungen endgültig und bindend gegen über allen Beteiligten. Es wird weiter auch die Ver feinerung des Tarifvertragssystems anzustreben sein. Zu diesem Zweck müssen nötigenfalls einheitliche Tarif verträge ingetrennte Vereinbarungen für einzelne Ge biete oder Wirtschaftszweige zerlegt werden. Von einem Eingreifen in die nicht t a r i f vertrag lichen, sondern im E i n z e l arbeitsvertrag geregelten Löhne und Gehälter hat die Verordnung abgesehen. Zur Änderung dieser Entgeltsregelungen wäre gegebenenfalls nach den übrigen geltenden gesetzlichen Vorfchriften zu verfahren. Im öffentlichen Dienst. Die Gehaltskürzungen der Beamten werden in dem Teil „Sicherung der Haushalte" geregelt: „Vom 1. Januar 1932 werden um 9 Prozent gekürzt werden: a) die Dienstbezüge der Reichsbeamten ein schließlich des Gnadenvicrteljahres, d) die Versorgungs- bezüge der Wartcgeldempfänger und Nuhegeldempfünger, e) die Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen, ä) die übergangsgebührnissc der Soldaten, e) die DicnstbezÄge der Postagenien, k) die laufenden Beträge, die ehemaligen Angestellten und Arbeitern gewährt werden. Für die Soldaten der Wehrmacht soll eine Sonder regelung erfolgen." Diese Bestimmungen gelten entsprechend für die An gestellten im Reichsdienst, einschließlich des Dienstes bei der deutschen Reichspost Die Lohnsätze derArbeiter im Neichsdienst und bei der Reichspost ermäßigen sich vom 1. Januar ab um 10 Prozent. Die Preissenkung. Gebundene Preise und Markenwaren. Der Teil der Notverordnung über „Preis- und Ains- senkung" bestimmt u. a. folgendes: Preise, zu deren Einhaltung die Beteiligten sich durch Verträge oder Beschlüsse für den inländischen Geschäftsverkehr verpflichtet haben (z. B. Kartelle, Syndikate usw.) sind bis 1. Januar 1932 um min destens 10 Prozeni gegenüber dem 1. Juli 1931 zu senke«. Die Preise für M a r k e n w a r e n sind bis 1. Januar 1932 um mindestens 10 Prozent gegenüber dem Stande vom 1. Juli 1931 zu senken. Für die Kohlenwirtschast gelten besondere Be stimmungen. Die durch den Neichskohlenverband zuletzt veröffentlichten Preise werden mit Wirkung vom 1. Januar 1932 um ft) Prozeni gesenkt. Gegen Einzelhändler dürfen Maßnahmen wegen Unterschreitung von Kleinver kaufspreisen nicht verhängt werden. Auch die Kali höchstpreise sind um 10 Prozent zu senken. Zum Schutz gegen übcrteuerung wird der Reichst» mmissar für Preisüber wachung bestellt. Er hat die Aufgabe, die Preise und Preisspannen ständig zu überwachen. Hält er die Preise für überhöht, so soll er für ihre Senkung Sorge tragen. Für diese Maßnahme ist der Preiskommissar beson ders mit außerordentlichen Vollmachten ver sehen. Er kann Vorschriften oder Anordnungen über alle Preise für lebenswichtige Gegenstände des täglichen Bedarfs und für lebenswichtige Le i st u n g e « , z. B. bei Handwerkern, erlassen. Sein Arbeitsbereich ist unbegrenzt. Er kann in den Lebensmittelmarkt eingreifen, kann die Preise für industrielle Erzeugnisse fest setzen, kann die Preise für landwirtschaftliche Pro dukte und Leistungen von Gewerbetreibenden bestimmen. Er hat auch das Recht, für eine angemessene Senkung der Werktarife und der Verkehrstarife, also für Gas, Elektrizität, Straßenbahn, einzugreifen. Zwangssen'ung der Zinsen. Am 1. Januar 1932 tritt weiter die außerordentlich tiefgreifende Maßnahme der Senkung aller Zinsen in Kraft. Das gilt für alle s e st v e r z i n s l i ch en Papiere, Obligationen, Anleihen, Pfandbriefe und für alle Hypo theken. Die Notverordnung sieht dabei vor, daß die Zinsen für alle langfristigen Forderungen von 7 oder 8 Prozeni auf 6 Prozent, zwischen 8 und 12 Prozeni um ein Viertel gesenkt werden. In den Fällen, wo der Zins satz über 12 Prozent liegt, tritt zunächst b i s 12 Prozent die Senkung um ein Viertel ein. Der Teil des Zinssatzes, der noch über 12 Prozent hinausgeht, wird dagegen um die Hälfte gesenkt. Aussetzung von Zwangsvollstreckungen. Es treten ferner sofort Maßnahmen in Kraft, die sich gegen unrentable Zwangsvollstreckungen in Grundstücken richten. Um das erschreckende Anwachfen