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.V? .54 >1872. Mittwoch, de« 10. Juli fiir » Bischofswerda, Stolpen und Umaegeud. Amtsblatt des Königlichen Verichtsamtes und -es Sta-trathes zu Dischofswer-a. - viese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittw»eds nnd Sonnabend», und koket einschließlich der Sonn» abend« erscheinenden „belletristischen Beilage' vierteljLhrlich 12's, Rgr. Inserate «erben bi» Dienstag« und Freitags früh S Uhr angenommen und kostet die gespaltene LorpuSzeile oder deren Raum 8 Pfennige. Politische Umschau. In Gegenwart des Kaisers Wilhelm erfolgt am 9. d. M. die Enthüllung des Denkmals für den Freiherrn v. Stein auf seinem alten Stammsitze Burg Nassau im Lahnothale. Wohl Jedem dürfte es gerechtfertigt erscheinen, diese historische Persönlich keit im Lichte unserer Tage von Neuem zu betrachten. Ist eS doch ein mahnungsvoller Umstand, daß das Monument dieses Staatsmannes, welcher der erste der deutschen Nation gewesen, seine Aufrichtung nach den großen Ereignissen findet, welche dje von ihm erstrebte deutsche Einheit zu Komischer Wirklichkeit gemacht haben. Wer möchte verkennen, daß 1870 nur den Abschluß von 1815 bildete; daß jetzt erst mit eigener Kraft vollendet lr«rde, was damals jämmerliches Stückwerk bleiben mußte! Freiherr v. Stein hat nur verunglückte Versuche aufzuweisen. Er war seiner Zeit weit voraus, vom Volke noch nicht verstanden, von den Fürsten am allerwenigsten begünstigt. Denn von dem Moment an, da er als von Napoleon Geächteter „Namens Stein" in den Flüchtlingsashlen Oesterreichs und dann Rußlands mit seinem Feuergeist der wahre Lyrsisschwinger der großen Völkerrevanche an dem französischen Eroberer wurde, sann er auch auf die Wiedergeburt Deutschlands in kraftvoller Form „Ich habe nur ein Vaterland," schrieb er, „das heißt Deutschland, und da ich nach alter Verfassung nur ihm und keinem besonderen Theile des Ganzen angehöre, so bin ich auch nur ihm und nicht einem Theile desselben von ganzem Herzen ergeben. Mir sind die Dynastien vollständig gleichgiltig, blos Werkzeuge; mein Wunsch ist, daß Deutschland groß und stark werde, um seine Selbstständigkeit, Unab hängigkeit und Nationalität wieder zu erlangen und diese in seiner Lage zwischen Frankreich und Rußland zu behaupten." So rechnete Stein denn wesentlich nur mit Oesterreich und Preußen als deutschen Staaten und konnte sich unter den damaligen Verhältnissen die Einheit Deutschlands mit ihnen nicht anders drnftn, als daß Oesterreich die deutsche Kaiserwürde Mückerhielte und Preußen dafür eine territoriale Entschädigung bekomme. Die Kleinstaaterei wollte er um. keinen Preis wieder hergeftellt wisftn. Siebemmdzwanzigster Jahrgang. Auf dem Wiener Csngreß trat dann jedoch die Consequcnz davon zu Tage, daß die deutsche Nation sich nicht selbst befreit hatte. Das Ausland, welches dabei mitgewirkt, besorgte nun auch nach seinen Interessen die Wirthschaft Deutschlands und des langen Haders Unglückskind war die Bundesverfassung mit der Ohnmacht und Niederdrückung der deutschen Nation. Für Freiherrn v. Stein war dies die bitterste Enttäuschung. Tief verstimmt zog er sich aus dem öffentlichen Leben auf seine Güter zurück. Er trug keine Schuld daran, daß es nach dem ruhmvollen Kampfe so geringe Früchte für die deutsche Nation gab. Trotz seiner ländlichen Ab geschiedenheit seit 1815 lebte er doch stets inmitten der vaterländischen Ereignisse, Allem mit reger Theilnahme bis in sein hohes Alter hinauf zugewandt. Er rief die Sammlung der Dokumente zum Quellenstudium der deutschen Geschichte in's Leben; er präsidirte später dem westpfälischen Ständelandtag , und mahnte kurz vor seinem Tode noch den König von Preußen an das Versprechen, seinem Volke eine Repräsentativ-Berfassung zu geben. Am 29. Juni 1831 starb Stein. Wenn Jahrzehnte lang der nationale Gedanke unter der traurigen Bundestagswirthschaft in Deutsch land sich erhalten konnte, io war dies das unver gängliche Verdienst solcher Männer, wie Stein. An ihrem Andenken erhebt sich noch heute die Nation. Er war und bleibt: „alles Bösen Eckstein, alles Guten Grundstein, aller Deutschen Edelstein." Wenn jener italienische Staatsmann, welcher den Ausspruch that: „Kriegführen ist leichter, als Frieden schließen", den Gang der Verhandlungen zwischen der deutschen und der französischen Regierung über, den Friedensabschluß und nachher über die Modifi kation des einmal geschlossenen Friedens erlebt hätte, er würde seinen Ausspruch nicht so apodictisch hin gestellt und sicher zugegeben haben, daß die Schwierig keit des Friedensschließens nicht minder überwunden werden könne, als die des Kriegführens. Diejetzt neuer dings abgeschlossene Convention mit Frankreich erheischt die Anerkennung der Genialität unserer deutschen Diplo matie. Sie gewährt den Franzosen manche Bor- theile, sichert aber zugleich unsere eigenen Ansprüche »nd bringt Deutschland nicht den geringsten. Nach theil. In Frankreich freilich wird man. einen. Bor-