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Dr schtint jeden Wochentag früh 4 Uhr. Inserate wer den bis Nachmittag« Z Ubr für die nächst, erscheinende Nummer angenommen. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Preist vierteljährlich iS Ngr. Inserate «erde« bst gespaltene Zeile ob« deren Raum mit 5 Pf. berechnet. Amtsblatt des König!. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Königl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg, Sayda und Brand. Mittwoch, den 15. Mai. 111 . — 1861. Tagesqeschichle. Freiberg. Im Monat April d. I. sind zur diesigen Spar kasse 8330 Thlr. 12 Ngr. — Pf. von 454 Personen, von denen 143 neue Bucher ausgestellt erhielten, eingezahlt worden; dagegen wurden 5695 Thlr. 17 Ngr. 7 Pf. von 444 Personen zurucker- hoben. — Die hiesige Leihanstalt hat im Monat April d. I auf 645 eingelöste Pfänder 1609 Thlr. 25 Ngr. — an Darlchnen zurückcmpfangcn; dagegen 1831 Thlr. 5 Ngr. — auf 893 zum Versatz gebrachte Pfänder neu ausgeliehen. Freiberg. Die gefürchteten Gartenheiligen PancratiuS und Servatius sind mit dem allersreundlichsten Gesicht und mit warmer Witterung vorübergegangen. Hoffentlich werden die Nacht fröste ausbleiben. Der Komet ist jetzt auch dem bloßen Auge sichtbar. In Leipzig hat man ihn schon vor 8 Tagen im Sternbild des großen Bären, doch ohne Schweif, beobachtet. Der Schweif soll auch noch Heller zu Tage treten. — In Nordamerika hat ein Astronom wieder einen Planeten, den 66., entdeckt. Er gleicht an Helligkeit den Sternen 13. Größe. Der behagliche Bürger sagt in Göthe's Faust: Nicht« Bessie» weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen Ai» ein Gespräch von Krieg und KriegSgeschrei, Wenn Hinte», weit, in der Türkei Die Völker auf einander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen au« re. er bat aber heute nicht mehr Recht; jetzt sind die Völker einander näher gerückt, eines, wie weit sie auseinander liegen, spielt dem andern die Arbeit in die Hände und aus den Händen, und gar leicht werden aus den sonnigen Feiertagen trübe Feier-Tage. Das, sagt die Dorfzeitung, gilt besonders von unserm Thüringen und dem Bürgerkriege der amerikanischen Union. Ein sehr beträcht licher Theil der thüringischen Fabriken arbeitet für die Ausfuhr nach Amerika und der Ausfall dieses großen Marktes ist nicht leicht und schnell zu ersetzen. Der Feiertage, die nicht roth, sonder» schwarz angestrichen sind, könnten bedenklich viele werden, wenn der Kampf drüben lange dauern sollte. Viele Meinungen gehen zum Glück dahin, daß das nicht der Fall sein werde, und weisen auf den Unterschied großer Kriege unsers Festlandes und eines Krieges drüben hin. Die vorwiegende Meinung in England, das in tausend engen Geschäftsbeziehnngen zu Amerika steht, ist, daß dieser Krieg nicht lange dauern könne. Die amerikanische Armee besteht aus Leuten, die von den verschiedenen Berufskreisen des bürgerli chen Lebens zu den Waffen weggeholt sind, und deren Zeit und Arbeit zehnmal so viel Geldwerth haben als in Europa; denn das Wort „Zeit ist Geld" gilt vorzugsweise für Amerika. Dazu der gänzliche Mangel an Material, Geschütz, Munition, Fuhrwesen, Commissariat, und all der Bedürfnisse eines heutigen Kriegsheeres! Selbst die Flotte ist nicht stark genug, eine so ausgedehnte Küste wirksam zu blokiren. Summa: die Engländer fürchten nicht, daß der Handel ganz oder auch nur lange unterbrochen werde. Der zwischen Garibaldi, Cavour und Cialdini, den Schöpfern der neuen Gestaltung der Dinge in Italien, ausgebro chene Zwist war manchen Leuten eine recht willkommene Sache; die Hoffnung indeß, daß derselbe zum dauernden Zwiespalt werden und das kaum begründete Königreich wieder zu Grunde richten werde, ist nicht in Erfüllung gegangen, der Hader ist vielmehr bei gelegt und eine aufrichtige Versöhnung der wider einander erzürnt gewesenen Männer hat stattgefundcn. Der Zwist war-^ber so ge kommen : Garibaldi mochte am liebsten an der Spitze einer Armee von Freiwilligen Rom und Venedig erobern, wie er's mit Sicilien und Neapel getban. Die nachträgliche Eroberung von Gaeta, wie die staatliche Organisirung der annektirten Länder war seiner An sicht nach weder so schwierig, noch so verdienstlich als jene Er oberung. Der Gedanke, daß die Freiwilligen - Armee, mit welcher er diese Eroberung ansgeführt, nach vollbrachtem Werke auf die Seile geschoben und der regulären Armee Cialdini'S nachgesetzt werden sollte, empörte ihn. In Cavour, dem er'S nicht vergebe» konnte, daß er ihn durch die Abtretung Nizza'- um seine Vater stadt gebracht, sah er den Staatsmann, der mit seinem kluge« Rücksichtnehmen daö große Werk der Einigung Italiens aushalte, und in Cialdini den General, der die Wiederherstellung der Armee von Freiwilligen hindere; so brach er den» mit aller Heftigkeit sei nes Wesens gegen Beide los, und Beide blieben ihm nicht» schuldig, sondern warfen ihm vor, er wolle, gestützt auf seine Verdienste, seine Ansicht nur allein geltend machen und aller Klugheit zum Trotz die Zukunft Italiens auf's Neue dem blutigen Würfelspiele des Krieges preisgeben. Was aber hat nun — dürfen wir. unK in Deutschland fragen — diese heißblütigen Naturen vermocht, daß sie einander Alles verziehen, ihren Hader begraben, sich die Hände gereicht, sich umarmt und geeinigt haben, zusammen zu stehen in. Eintracht und einander zu vertrauen? Das war die Liebe, die aufrichtige, die heiße Liebe zum Baterlandek Das göttliche Feuer dieser Liebe hat allen persönlichen Hader zwi schen ihnen verzehrt, und ganz Italien jubelt über die Aussöhnung seiner ersten Männer. — Nun, wenn wir Deutschen unsern per sönlichen Hader der Liebe zum Vaterlande opfern lernen, dann wird vielleicht auch unserm Volke eine große Zukunft aufgeh'n! Ein erfreuliches Zeichen der Zeit, ein magische« Zucken de- Frührothstrahls einer bessern Zukunft deS deutschen Vaterlandes ist der energische Gedanke und Trieb der Zusammengehörigkeit de» deutschen Volkes trotz aller Stammesverschiedenheit. Er thut sich kund in den Gesangfesten, den Turntagen, den Lehrerversammlungeti, den wissenschaftlichen Wandervereinen und in den gemeinsame« Schützenfesten. Die Schützengilden sind auf deutschem Boden ent sprossen und haben in früherer Zeit die Mann- und Wehrhaftigkeit des deutschen BürgerthumS dargestellt und muthige, kräftige und patriotische Thaten auszuweisen. In der neuen Zeit hatten sie all- mälig diese Bedeutung verloren und waren mitunter sogar zur Carricatur geworden. i Sehr viele deutsche Schützengesellschaften sanken in ihren Fest lichkeiten zum ausschließlichen Vergnügen und städtischen Kirchweih spaß herunter, und daran trug das Zwecklose, Inhaltsleere und Gedankenlose, das gänzliche Abirren von ihrer selbstbewußten Her kunft die Schuld. Vor 1848 sröhnte man mehr dem Vergnüglichen, nach 48 waren es Nachklänge einer soldatesken Spielerei. Man hielt ein Volksfest, wenn man unter Volksfest Trinken, Bratwurst seligkeit, Tanz, Würfelbuden, Glückshasen, SeiltänzerabquälunK und Harfengeklimper verstehen will; und schoß nach Scheibe und Vogel mit schwerfälligen Büchsen, wo Diopter, fester Auslegepunkt nicht fehlen durfte, in oft sehr spaßhafter, militärischer Zwangs- jacke. Eine bequeme, kleidsame Joppe, ein handlicher Stutzen und zweckmäßiger Hut sei die Ausrüstung; soldatische Uniformirung, die oft an die alten Stadtsoldaten erinnerte, weites Ziel mit Auslegen der Schußwaffe ohne weiteren Zweck, als die Scheibe M durch löchern und den Vogel abzuhausen, bat in der That nichts Ver nünftiges. Die Schützengilden müssen von Gedanken getragen werden, die sich praktisch im Leben verwcrthen lassen; außerdem haben alle Zusammenkünfte, Debatten, brausenre Champagner toaste, prunkende Aufzüge, forcirte Standreden keinen Werth und keinen Zweck. Erkennen dieselben jedoch ihre Aufgabe, so könne« sie für den Schutz des Vaterlandes eben so wichtig werden, wie die Schützenvercine von Freiwilligen in England.