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Montag . Nr-«6. S. Junius 1843. Deutsche Allgemeine Zeitung. LHM »Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zur Nachricht. Auf daS am l. Juli 181Z beginnende neue vierteljährige Abonnement der, , Deutschen Allgemeinen Zeitung werden bei allen Postämtern und Zeitungsexpeditionen des In- und Auslandes Bestellungen angenommen. Der Preis beträgt in Sachsen vierteljährlich 2 Thlr., in den übrigen Staaten aber wird derselbe nach Maßgabe der Entfernung von Leipzig erhöht. Leipzig, im Juni 1843. 8» ^» BkUBHUUA. «ev-rvlick. Deutschlanv. SdUon der Donau. Erwartungen von Oesterreich in Folge seines Verfahrens in Ungarn. — Die Kosten des Cultus und Unterrichtswesens in mehren deutschen Staaten. Kurhessrn. Stände verhandlungen über die Censurkosten. »Frankfurt a. M. Graf v. Münch-Bellingbausen. Die Taunus- und Rheinbäder. »Hamburg. Der Actienplan für die Berlin-Hamburger Eisenbahn. Nesterreich. »presbura. Die Landtagszeicung. Die kroatischen Depu- tirten sprechen Lateinisch. Spanien. Auflösung der Cortes und weitere Maßregeln der Regierung. »Paris. Die Auflösung der Cortes. Fakultative Steuerzahlung. Großbritannien. Rccapitulation der Tagesfragcn. Ostindische Nach richten. Frankreich. Pairskammer: Gesetzentwurf über Napoleon's Denkmal. Sonstige Kammerverhandlungen. Französische Uebersicht deutscher Ei senbahnen. Wissenschaftliche Sendungen der Napolconiden an die Aka demie. Die französische katholische Missionsgesellschaft. — Paris. Projekte auf China. Q Paris. Die Geldaristokratie. chlikchenstaat. -j- Nom. Personalien. Witterung. Türkei. »Konstantinopel. Nachrichten aus Erzcrum und Beirut. Handel nnd Industrie. * Kassel. Eisenbahn von Frankfurt nach Kassel. Sächsisch-Baiersche Eisenbahnfrequenz. Berlin. «nkündtgungen. Deutschland. 4s Von -er Donau, so. Mai. Nicht nur in der Regierungsge schichte deS jetzigen Kaisers und Königs, sondern in der Geschichte Oesterreichs überhaupt und Ungarns insbesondere bildet der jetzt er öffnete Reichstag eins der wichtigsten Ereignisse, welches, dies hof fen wir mit freudiger Zuversicht, den Grund zu einer neuen und se gensreichen Entwickelung der österreichischen Macht legen wird. Ganz Oesterreich sah der Eröffnung dieser Reichsversammlung mit Span nung entgegen, denn Niemand verkennt die hohe Wichtigkeit Ungarns für die Monarchie, und Jedermann war überzeugt, daß jetzt, wo die österreichische Regierung offenbar einen neuen Wendepunkt ihrer innern und äußern Politik vorbereitet, die Eröfstmng des Reichstags in Un garn eine Veranlassung sein würde, sich über die Richtung dieser Po litik überhaupt auszusprechen. Aber nicht nur Oesterreich, das ge summte Europa hat seine Blicke mit Neugierde und Besorgniß, viel leicht auch mit einiger Schadenfreude, auf Ungarn gerichtet, welches Land in naturgeschichtlicher, ethnographischer und politischer Hinsicht gewiß das merkwürdigste von Mitteleuropa ist. Seit vielen Monaten schilderten unzählige Zeitungsberichte, Broschüren und Flugblätter die große Aufregung in Ungarn, und die blutigen Excesse bei den Wahlen bestätigten diese Berichte. Jeder Freund des Weltfriedens, dem so viele begonnene Unternehmungen anheim gestellt sind, mußte durch diese Vorfälle in Ungarn tief betrübt werden, denn würde Oesterreichs Macht in Ungarn erschüttert, so könnte cs nicht ferner mit gewohnter Festig keit den Beruf erfüllen, der vornehmste Waghalter des europäischen Gleichgewichts zu sein. In dieser Beziehung hat Ungarn eine Stel lung von europäischer Wichtigkeit, und die würdige und glückliche, wie ein mächtiger Sonncnblick alle Nebel vertreibende Eröffnung des Reichs tags zu Prcsburg ist daher nicht nur ein ungarisches oder österreichi sches, sie ist ein europäisches Ereigniß. Schon an und .für sich kommt dieser Staatsact jetzt, wo zum Schaden der deutschen Einigung Oesterreich so vielfältig geschmäht und schnöde beurtheilt wirb, grade zu rechter Zeit. Während selbst würdige Publicisten Oesterreich als ein Reich des „Despotismus" darstellen, mit welchem sich das „nach Freiheit ringende" Deutschland gar nicht weiter abgcben solle; während journalistische Possenreißer und Pasquillanten in der Mitte Deutschlands die Frechheit haben, Oester reich mit der Türkei, ja mit China zu vergleichen, wird mitten im Her zen dieser verschrieenen Monarchie, eine kleine Tagereise von Wien, das imposante Schauspiel eines konstitutionellen Lebens gegeben, wie es, dem Wesen nach betrachtet, kaum in dem einzigen Norwegen mit größerer und durchgreifenderer Freiheit vorhanden ist. Man wende dagegen nicht die bekannte und vielbcklagte Mangelhaftigkeit der unga rischen Verfassung ein. Ich will sie keineswegs läugncn oder beschö nigen, aber wenn man die Sache unbefangen und mit nothwendiger Berücksichtigung des nun einmal vorliegenden, historisch gewordenen Zu standes betrachtet, so wird man zugcbcn, daß in obiger Behauptung keine Uebertreibung liegt. Allerdings ist das Ucbergewicht des aristo kratischen Elements in der ungarischen Verfassung arg, und dies wird und muß gebessert werden; aber wenn man die Verhältnisse näher in ihrer Eigenthümlichkeit betrachtet, so ergibt sich unwiderleglich, daß in Ungarn, ungeachtet der sehr mangelhaften Verfassung, dennoch eine allgemeinere und gerechtere Vertretung des Volks vorhanden ist als i» Frankreich, wo die geringe Zahl der Wähler und Gewählten in gar keinem Verhältnisse zu der großen Bevölkerung steht. Aus den 10 Millionen der Bewohner Ungarns, Kroatiens und Slawoniens kommen zwischen 800 bis 1000 Vertreter auf den Reichstag. Nicht ganz «in Drittel davon bildet die Magnatentafcl, die andern beiden machen die Ständctafel aus. Zu dieser senden nun 50 königl. Frei- städte je 2, also 100 bürgerliche Deputirte, und da der größere Theil des ungarischen nieder» Adels in der That nur aus reichern und ge bildetem Bauern besteht, so ist auch in dieser Beziehung der Unter schied zwischen der ungarischen und andern Constitutionen nicht so un geheuer, als man glaubt und glauben machen will. Wie gesagt jedoch, eS muß zur Ehre der Menschheit und des Christenthums hier wesent lich und durchgreifend reformirt werden, und ich wollte mit dieser Dar stellung nur Diejenigen zurückweisen, welche die ungarische Verfassung, weil sie keine vollendete ist, im konstitutionellen Leben gar nicht mit zählen lassen wollen. Man wende ferner dagegen, daß ich diese kon stitutionelle Seite Oesterreichs besonders hervorhcbe, nicht ein, die deut sche Sache gewinne dadurch nichts, daß die ungarischen Länder konsti tutionell, die deutsch-österreichischen aber absolut regiert würden; den» die deutsche Sache gewinnt dadurch doch etwas, nämlich die Ueberzeu- gung, daß das österreichische Regierungssystem und die konstitutionelle Rcgierungsform denn doch nicht so unvereinbare Widersprüche sind, wie man so häufig behaupten und beweisen will. Dies halte ich für eine vor der Hand sehr tröst- und lehrreiche Uebcrzcugung für jene un geduldigen deutschen Politiker, welche Oesterreich ohne weiteres von Deutschland abstoßen möchten; übrigens aber spreche ich es als deut scher Oesterrcicher offen und ohne Scheu aus, daß die deutschen Pro vinzen Oesterreichs einer größern Freiheit im Staats-, Schul- und Literaturleben vollkommen würdig sind, daß eS für die deutschen Oester- reicher schmerzlich ist, in jenen Beziehungen nicht nur weniger Freiheit zu genießen als die deutschen Bruderstämme, sondern auch weniger als die Ungarn, Slowaken und Kroaten. Freilich sind unsere Zustände ungleich besser als die ungarischen, aber eben weil wir weiter sind, ha ben wir auch höhere geistige Bedürfnisse, und wenn wir auch nicht eben allsogleich eine Constitution wünschen oder verlangen wollen, so könnte man uns doch unter der bestehenden Form eine freiere Bewe gung im Gemeinde- und Volksleben, in der Wissenschaft und Litera tur ohne alle Besorgniß gewähren; wir würden ein solches Vertrauen