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Rr. 848 Mittwoch, de» SS. Oktober Schrtftlettov- »»d GelchLstostol« 3»d«a»1«qotl, N». S Ser«t»rech A»IchIoh Nr. l<S!L l««, o»d l««4 ISIS Cernavoda genommen Der deutsche Heeresbericht Das Wölfische Barean meldet amtlich: Gröhes Hauptquartier, 25. Oktober. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht Infolge regnerischer Witterung hat gestern die GefechlS- iät'gkeit im Sommegeblet nachgelassen; das Artillerifeuer steigerte sich nur zeitweilig. In den Abendstunden sind fron- zösische Teilangriffe aus der Linie Lesboeufs—Raneourt vor unseren Hindernissen verlustreich und ergebnislos zu- sammengedrochen. Heeresgruppe Kronprinz An der Nordostfront von Berd na hat ein französischer Angriff bis zum brennenden Fort Douaumonk Boden ge wonnen; die Kampfhandlung dauert an. Oeftlicher Kriegsschauplatz Front des Generalfeldmarfchalls Prinzen Leopold von Bayern Ein Gasangriff der Ruffen an der Schtfchara mihlang; ebenso blieb einem Angriff russischer Bataillone bei Kol. Ostrow (nordwestlich von Luzk) jeglicher Erfolg versagt. Front der Generals der Kavallerie Erzherzog Lir^ Im Südteil der W aldkarpathe n bliebe« bei Gefechte» minderen Umfauges die gewonnenen Höhenstelluugeu l» unserem Besitz. An der Ostfront von Siebenbürgen hat sich bei ört lichen Kümpfen die Lage nicht geändert. Nördlich von Lampolung macht« unser Angriff Fortschritte. Der Bule an-Pah ist von deutschen und österreichisch ungarischen Truppen gestürmt worden. Balkankriegsschauplatz Heeresgruppe des Geueralfeldmarfchalls von Mackensen Die Verfolgung geht plangemäh weiter. Cernavoda ist heute früh genommen. Einzelheiten sind noch nicht bekannt geworden. Damit ist die in-er Dobrudfcha operierende rumänisch russische Armee ihrer letzte» Bahnverbindung beraubt und eiu ungemein wichtiger Erfolg erzielt. An der mazedonischen Front herrscht Ruhe. Der erste Generalquartiermeister. Ludendorff. Der Brückenkopf Cernavoda Rach Lonstantza und Medsidia lst nunmehr auch Cernavoda von unseren Truppen besetzt jener wichtige Donau-Brückenkopf, der bisher in Borstellungen durch den rechten Flügel der rumänisch - russischen Dobrudscha-Armee gedeckt wurde. Der eigentliche permanente einfache Brückenkopf von Cernavoda bestand früher aut einer Reihe von Ver schanzungen südlich und nördlich det Tales, das sich als Ueberschwem- mungsgebiek der Donau in einer durchschnittlichen Breite von 3 Kilo meter und in einer LängenauSdehnung von 25 Kilometer bis jenseits Medjidia quer durch die Dobrudfcha erstreckte und sich dort an die Tra- janswäll« anlehnte. Bet einem Radius von nur 4 bis 5 Kilometer sind die alten Brückenschanzen, die sich nördlich an mehrere Seen anlehnen, reichlich dicht vor dem zu schützenden Objekt gelegen. Das Tal Cerna voda—Medjidia, das man früher als einen alten Donauarm ansah, «st jedoch außerdem durch eine Reihe permanenter Befestigungen in der Linie Cochlrleni, Arsandemir, Tabiasi. Medjidia geschützt, denen als öst licher Echolkerpunkt, etwa 4 Kilometer südwestlich Medjid'a, diejenigen von Labia—Frantuzeasch vorgelagert sind. Es ist anzunehmen, dah daS BefefllgungSsystem, das bereits während des Friedens angelegt war, während der Neutralität Rumäniens noch weiter und in völlig moder nem Stil auSgebauk wurde. Das Tal von Cernavoda »st zwar während deS Baues der 1805 dem Verkehr übergebenen gewaltigen Eisenbahn- brück« durch einen Paralleldamm mit der Donau gegen Ueberschwem- mongen geschützt worden; an vielen Stellen tritt jedoch bei hohen Was- scrständen der Donau, di« namentlich im Frühjahr nach der Schnee schmelze in den Karathen und im Spätsommer durch das Schneewasser der Nebenflüsse aus den Alpen hervorgerufen werden, Grondwasser zutage. Schleusenkanäle im Damm ermöglichen es dem Verteidiger aber, auch große Strecken des Tales unter Wasser zu sehen. Der das Tal entlanglaufende Eisenbahndamm hat zum Teil eine beträchtliche Höhe, da er zu Ausfahrtsrampen für die 38 Meter über dem Nullpunkt der Donau liegende Brücke emporführt Eie überspannt den Haupt- arm der Donau mit zwei Bogenöffnungen von je 130 Meter und einer von 184 Meter. Auf der 12 Kilometer breiten Donauinsel Balta liegen di« Eisenbahnstationen Dunarea und Borcea, worauf die letzte Brücken strecke den äußersten sinken Donauarm bei Fetesei überschreitet. Cer- navrda selbst hat als Donauhafen nur geringere Bedeutung, da ihm auf der Landenge zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer das Hinterland fehlt. Immerhin ist auch hier die Detreideprodnktion so umfangreich, daß bei dem Dorf als Stapelplatz der danubisch-pvntini- schen Eisenbahn Kornspeicher von bedeutendem Lagerraum angelegt wurden. Von Bukarest liegt Cernavoda in fast gerader Bahnlinie 170 Kilometer entfernt und deckt den für die Landeshauptstadt wichtig sten Donauübt rgang. Bulgarischer Heeresbericht vtd. Sofla, 25. Oktober. (Drahtberlchk.) Berscht des Generatstabes vom 24. Oktober: Mazedonische Front: Keine Beränderong der Lage auf der ganzen Front. Zwischen dem Prespa-See und der Struma schwach« Arttllerietätlgkelt. Ein feindlicher Vorstoß gegen das Dorf Tarnova wurde gleich lm An fänge aufgehalten. An der Strumafront lebhafte Tätigkeit von Aufklärerabtellungen, stellenweise Arkllleriefeuer. An der Küste des Aeaäischen Meeres beschoß ein feindlicher Kreuzer ergebnislos zwei Stunden lang den Golf von Keremedll westlich (?) der Mesta- mündung. Der deutsche Flieger Leutnant von Envegek schoß nach einhalb stündigem Luftkampf bei Drama einen englischen Doppel decker vom System Nieuport ab, dessen verwundeter Führer und unverwundeter Beobachter gefangengenommen wurden. Rumänische Front: In der Dobrudfcha bauert die tatkräftige Verfolgung des in der Auflösung befindlichen Feindes an. Am 23. Oktober warfen die verbündeten Truppen auf dem rechten Flügel den Fein- zurück and erreichten die Linie Dorf Karamurad—Dors Dokuzel. Unsere Kavallerie griff bei Islam Tepe (Höhe 91) eine rumänische Brigade an und zerstreute bei dem Dorfe Karamurad das russische Terri- torial-Bataillon Nr. 275, machte den Kommandanten der rumä nischen Brigade zum Gefangenen, erbeutete eine Fahne und nahm ebenfalls den Kommandanten des russische« Bataillons and 899 Mann der 4. Insanterie-Division gefangen. Sie nahm nach er bittertem Kamps die Stadt Medgidia, wo eine große Menge Etsenbahnmakerial genommen wurde. Di« Truppe« des linken Flügels erreichten die Linie MedMa-HSH« Rosioyug (Höhe 127)—Dorf Rasova. Der Feind erlitt schwere blutige Der- laste. Am 23. Oktober wurden 51 Offiziere, über 3299 Soldaten gefangengenommen und vier Geschütze, 30 Maschinengewehre, drei Minenwerfer, fünf Lokomotiven und 209 Eisenbahnwagen er beutet. Dom IS. bis 23. Oktober erbeuteten die verbündeten Truppen eine Fahne und machten 75 Offiziere, 6693 Soldaten zu Gefangenen. Außerdem wurden noch 52 Maschinengewehre, zwölf Geschütze, vier Minenwerfer, fünf Lokomotiven und 200 Eisenbahn- wagen erbeutet. Längs der Donau stellenweise Artillerie- und In fanteriefeuer. Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser «nd dem König von Sachse« Dresden, 25. Oktober. (Drahkbericht.) Das König!. Sächs. Milikärverordnungsblatt meldet: Seine Majestät der Kalser hak an Seine Majestät den König von Sachsen unter dem 22. Oktober 1916 folgendes Telegramm gesendet: ES gereicht mir zur Freude, Dir mikzukeilen, daß ich an der Westfront, von der ich soeben zurückkehre, auch sächsische Trup pen besichtigt habe, die sich durch vorzügliche Haltung und Stimmung auSzeichneten. Ich babe den Führern und Truppen für ihre glänzen den Leistungen nicht nur meine Anerkennung, sondern auch den Dank des ganzen deutschen Volkes aus vollstem Herzen ausgesprochen. Wilhelm.' Darauf hak Seine Majestät der König an Seine Majestät den Kaiser telegraphisch geantwortet wie folgt: .Herzlichst danke ich Dir für die so anerkennende Beurteilung der Leistungen meiner Truppen. Im Verein mit den Truppenteilen aller deutschen Stämme haben sie IlebermenschlicheS geleistet. Es er- füllt mich mit freudigem Stolze, dah es meinen Soldaten vergönnt ist, an den schwersten, größten und schrecklichsten Kämpfen der Welt geschichte an wichtiger Stelle tätigen Anteil zu nehmen. Gott helfe uns weiter! In treuer Freundschaft Friedrich August.' Ein Armeebefehl des Königs von Rumänien (r.) Genf, 25. Oktober. (Drahkbericht.) König Ferdinand erließ an das rumänische Heer folgenden Tagesbefehl: Keine Einheit darf zurückgehen, jede Truppe muh ihre Stellungen um jeden Preis behaupten. Jede verlorene Stellung muh unverzüglich wiedergenommen werden. Die Berge, die seit Tausenden von Jahren Schild unserer Rasse sind, mästen eine unüberschreitbare Mauer bilden. Ehre und Heil des Vaterlandes verlangen dies. Mit Gottes Hilfe wird der Sieg uns gehören. (r.) Don der Schweizer Grenze, 25. Oktober. (Draht- bericht unseres Sonderberichterstatters.) Dem «Petit Journal' zufolge ist die Reise Frenchs über Skandi navien nach Bukarest aufgegeben worden. (r.) Wien, 25. Oklober. (Drahtbericht unseres Sonder berichterstatters.) Die «Wiener Allg. Zig.' meldet aus Lugano: Mailänder Blätter berichten ans Petersburg, die vor Constanha liegenden russischen Schiffe hätten im Laufe des Sonn abend« den Hafen verlassen und seien in nordöstlicher Richtung daoongefahren. Rach weiteren bisher unbestätigten Nachrichten ita lienischer Blätter sollen russische Kriegsschiffe von der See her die Küste von Canstanha beschießen. Die Riesenoerluste der englischen Infanterie Nach den .Times' vom 19. Oktober ist in der Unterhaus- sitzung vom Tage zuvor der Hauptmann W. A. Remond als Verwundeter, den Arm in einer Binde, erschienen. Er erklärte, daß das Bataillonder Dublin - Füsiliere, dem er an gehört, schon viermal so gut wie vernichtet worden sei. Das letzte Mal babe es 50 v. H. Verluste gehabt. Ungarns Verhältnis zir Oesterreich Don Dr. Richard Bahr - Berlin. 1. Es sind im Grunde doch recht alte und vergilbte Rechnungen, dle von den Ungarn fortgesetzt Oesterreich präsentiert werden. Als Rudolf U., der auch in seinen eigentlichen Stammlanden der neuen Lchre nicht eben wohlgesinnt war, über Ungarn gebot, hat er, wo fern die Türkennot ihm nicht gerade auf den Nägeln brannte, die Protestanten mit rauher Faust niedergehalten, und Hunderte von ihnen haben nach Kara Mustaphas Niederlage vor Wien und der Befreiung Ofens den Weg zum Schafott antreten müssen. Und auch Joseph U. war dem Madjarentum vielleicht kein bequemer Herrscher. Er schüttelte ein Bündel wohltätiger Reformen über das Land aus, an die die Madjaren selber wieder anknüpfien, als ste sich 1848 eine eigene Verfassung gaben und ln der bisherigen Adelsoligarchie die Gleichstellung aller Bürger durchzusehen suchten. Aber er stieß doch zugleich auch die Ungarn vor den Kopf, drängte ihnen die deutsche Geschäftssprache auf, beseitigte die alt gewohnte nationale Komitatsverfaßung und dergleichen mehr, und von all dem blieb ein Stachel zurück, den Franz' l. autokratisches Regiment am wenigsten zu lösen vermochte. Dennoch haben gerade ln den Jahrzehnten von 1820 bis 1840, in Zeiten, da in der west lichen Reichshälfte alles öffentliche Leden erstarrte, die Madjaren, gestützt auf ihre alte Verfassung, ihre politischen Schwingen zu regen gelernt. Damals erst entschloßen sich dle höheren Stände, das Madjarische zur Umgangssprache zu machen; die madjartsche Akademie wurde errichtet, politische Parteien erstanden, und die großen ungarischen Publizisten, die Ludwig Kosiuth, Franz DL-K, Josef von Sötvös und die Grafen Aurel und Emil Deffewfy wuchsen auf. Dann brach der Sturm von 1848 los. Man war schon in den letzten Jahren rechtschaffen madjarisch und bemerkenswert liberal gewesen. Nun wurde man nach beiden Richtungen radikal. Man schuf sich eine Verfassung, in der man zum ersten Male vergaß — seither ward diese Ausfassung zu einem Hauptsldm madjarischen Staatsrechts —, daß Ungarn durch die pragamatische Sanktion ein Teil des Gesamtstaates geworden mar, in dem ihm nur ein un verlierbares Recht aus Autonomie zustand. Von diesem Reichstag, auf dem es zeitweilig zu einer Vernichtung aller Gemeinsamkeiten mit der anderen Reichshälfte kam, hat der große Staatsmann, den sie zwischen Tatra und transsilvanischcn Bergen mit Recht als den Schöpfer des neuen Ungarns verehren, Franz Deak, geurteilt, er wäre betrunken. Es trifft auch nicht zu, daß alle Madjaren sich wie ein Mann erhoben, um das Joch der Fremdherrschaft abzu schütteln, das im wesentlichen doch in einem heimischen Adels regiment bestand, über dem als durchaus milde Kontrollbehörde die ungarische Hoskammer in Wien thronte. In der Hauptsache war es ein Aufstand der mittleren und unteren Schichten, des kleinen Komitaksadels, der Kleinbürger, der Bauern. Die Aristokratie hielt sich, von einigen Ausnahmen abgesehen, zurück, die hohe Geistlichkeit desgleichen. Die haben der neuen Welle sich erst anvertraut, als sie die Gewißheit hatten, daß sie zu Sieg und Triumph sie emporlrug. Das mag falsch gewesen sein; auch Deak kann mit seinem Urteil geirrt haben. Immerhin: daß man in der Hofburg sich des Aufruhrs zu erwehren beschloß, war am Ende die natür lichste Sache von der Welk. Dann hat man freilich weit übers Ziel geschoßen. Ls ist nun einmal dle tiefe Wesensverwandtschaft von Revolution und Reak tion, daß ste beide nicht Maß zu halten vermögen. Nachdem Haynau und der Bonus Ielascic, im Verein mit Paschkiewiksch, dem Henkersknecht Warschauer Angedenkens, den Aufstand nie dergeworfen hatten, schrieb Haynau .seine Proklamation mit dem Säbel', und für den Abderitenstreich Ludwig Kossuths, der aus dem Rumpflandtag von Debreczin die Absetzung der Dynastie hatte aussprechen lassen, büßten viel zu viele, darunter mancher Abkömmling alter deutscher Geschlechter, am Galgen. Andere, wie Ludwig Batthyany, der erste Ministerpräsident des nach märzlichen Ungarn, wurden zur Kugel .begnadigt'; wieder andere, mit Ludwig Kossuth und Julius Andrassy, einige siebzig an der Zahl, die sich noch rechtzeitig hatten ins Ausland flüchten können, wurden m ekligie an den Galgen geheftet und ihre Güter kon fisziert. Aber die Aussöhnung mit der Dynastie ist, wie mir scheint, doch restlos vollzogen. Kaiser Franz Joseph, den bei sei nem kaiserlichen Titel zu nennen in Ungarn freilich einem Staats verbrechen gleichkommt, ist obne Frage jenseits der Leitha genau so verehrt wie hüben. Ehrlicher, begeisterter — ich selbst war deßen Zeuge — kann einem Monarchen überhaupt nicht gehuldigt werden, als das im Herbst vor einem Jahre beim Zug der Ungarn nach Schönbrunn geschah. Warum also dieser innerliche, nur ganz oberflächlich über brückte Gegensatz gegen alles Oesterrcichische, diese fortwährenden Eifersüchteleien, die auf den außenstehenden Beobachter häufig einen kleinlichen, mitunter sogar einen komischen Eindruck machten? Diese gar nicht abzustreitende Ablehnung der deutschen Sprache, nur weil sie zugleich die Sprache der österretchiscyen Bureaukratie sei. Gewiß, diese Bureaukratie hat ln den Jahren, die auf den Freiheitskampf von 1848 und 1849 folgten, gegen Ungarn sich vergangen. Alexander Bach, der bei allen seinen Mängeln einer ihrer glänzendsten Vertreter war, bat den Versuch unternommen, aus Ungarn ein Kronland zu machen wie andere auch, hat vorübergehend die Einheit deS Landes zerrißen, deutsche oder wenigstens deutsch redende Beamte lnS Land gezogen «»- so auf seine Weise germanisiert. Aber wenn dle Ungarn sich. Mühe gäben, historisch zu denken, müßte eS ste mit dem Merk