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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22j Sgr. (- «lr.» vierteljährlich, 3 Tblr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man «ränumerirt aus diese» Beiblatt der Mg. Pr. Staars- Zeitung m Berlin in der Espeditivn (ZriedrichS-Ttraße Nr. 72); in der Provinz so mir im AuSlande bei den Wohüöbl. Post-Lemiern. Literatur des Ausiaudes. 49. Berlin, Montko den 23. April 1838. Frankreich. Mamsell Lenormand und der Minister von Malchus. (Als Nachtrag zu der Mittheilung über Erstere.) Oer Artikel, den wir in den letzten Blättern über Mile. Le- normand mitgecheilt, Hai einen Leser des Magazins, .r-errn Pre diger I>r. Witte, veranlaßt, uns über die Französische Sibylle einen Aufsatz zukommen zu lassen, der zwar bereits im Jahre 1815 niedcrgeschricben worden, aber auch jetzt noch mit großem Inter esse gelesen werden dürfte. Wir lassen zmuschst das folgen, was uns Herr Witte über die Entstehung dieses Artikels schreibt: „Der Aufsatz über Mllc. Lenormand war nicht zum Drucke bestimmt, sondern wurde von mir fast als Diktat des früheren Westfälischen Finanz-Ministers, Grafen Malchus, und zwar mit großer Treue niedergelchrieben. Da-ich den Grafen Malchus als einen seltenen Verstandes-Menschen kannte, der Alles streng berechnete und ernst aussprach, der dem Gefühle aber sehr wenig einraumle, so schienen mir seine eigensten Er fahrungen in Hinsicht der berühmten Lenormand äußerst wichtig. Der Baron von Tron (bis 1813 Präfekt in Westphalen) war mir seit längerer Zeil schon freundschaftlich zugelhan; er erzählte mir nicht bloß das Nachstehende genau so, wie ich es später voin Grafen Malchus erfuhr, sondern drang förmlich in mich, die Sache nicht eher zu bespötteln, bis ich darüber mit Malchus gesprochen hätte. Herr v. Trott war ein höchst aufge klärter Mann im edelsten Sinne des Worts! Meine Unterredung mit Malchus veranstaltete ich absichtlich so, daß Herr v- Tro« nicht dabei zugegen war." Ich wußte längst, daß Mllc. Lenormand in Paris durch ihre Vorhersagung der menschlichen Schicksale großes Aufsehen er rege, und erfuhr durch Herrn von Trott, daß einer meiner Be kannten, der Wcstphälische Finanz-Minister, Graf von Malchus, sich sein Horofkop habe stellen lassen und, zu seinem größten Er staunen, Dinge von ihr erfahren habe, welche ihr schlechthin nicht bekannt sein konnten, aber dennoch gänzlich der Wahrheit gemäß wären. Ich nahm also am 5. Oktober I8IL, Nachmittags, auf einem Spaziergänge Gelegenheit, denselben darum zu befragen und ihn zu ersuchen, mir alles dahin Gehö rige ausführlich mitzmheilen. „Gul", antwortete er, „so muß ich denn mit Morio (dem Französisch-Westfälischen General und Grafen) anfangcn!" „Die Gräfin Morio", fuhr nun Graf Malchus fort, „halte vor ihrer Bekanntschaft mit ihrem nachherigen Manne Mile- Lc- normand um ihr Schicksal befragt, und diese Hane ihr umer Anderen gesagt: sie werde dreimal nach einander verehelicht werden. Das erste Mal hcirathc sic-eine» Mann, den sic und der sic jeyl nicht kenne. Durch diesen mache sic cm großes Glück und erhalte Alics, was sie vernünftiger Weise wünschen könne, bestatte ihn aber nicht lange; denn, wenn sie recht glücklich zu sein glaube, ja, wenn selbst ihr höchster Wunsch, schwanger zu werden, erfüllt sei, so komme, bald nach einer großen Feuersbrunst, ein sehr vornehmer Besuch zu ihr ins Haus, und nicht lange darauf werde ihr Mann, gewaltsamer Weise, gelödiei werden. Sic wcrdc ein zweites Mal (zwar minder glänzend, aber doch ganz glücklich verehelicht) in ihr Vaterland (sie ist eine Kreolin) zurückkehrcn, diesen Mann jedoch bald verlieren und einen dritten heiralhen, der sie aber überlebe n. s. w. Das Meiste hiervon geht »ns nicht an; wohl aber das, was ihr in Absicht ihres ersten Mannes, des Generals Grafen Morio, begegnete. Früher schon Hane ich davon Manches, indeß nichts Bestimmtes, gehör,. Um diese Zeit aber, d. st. nicht lange vor des Grafen Morio Tode, war ich vom Könige beauftragt, Mil Morio (der zum Hofmarschail bestimmt war) einen neuen Etat anzuferttgcn und, wo es sein könne, dabei Ersparungen zu machen. Bei den verschiedenen Zusammenkünften, weiche wir deshalb in meinem Hause hielten, bemerkte ich, daß Morio ge wöhnlich, etwa nach Verlauf einer Stunde, ängstlich wurde und abzubrcchcn suchte, um nach Hause zu kommen- Ich begriff den Grund davon nicht und fragte ihn deshalb darum. Er'antwor tete mir: „Meine Frau ist meinetwegen in Todesangst, sobald ich nur ein wenig langer von ihr wcgbleibe, als sie vorausge setzt Hal." Ich forschte weiter, und er erzählte mir das oben Erwähnte. Wir sprachen dann, halb scherzhaft, halb ernsthaft, noch Manches darüber. Ein anderes Mal, als ich ihn wieder etwas lange aufhalten mußte, drang er in mich, abzubrechen, und bat mich^ ihn zu be gleiten, damit ich selbst die Angst seiner Frau sehen und seine Verlegenheit richtig demen möge. Ich erfüllte seinen Wunsch und fand seine Frau m sehr großer Angst wegen ihres Mannes. Als sie erfahren Hane, daß ihr Mann mir alles Dahingehörige mftgeiheilt habe, bestätigte sie cs und setzte hinzu: „Soll ich nicht vor dein Leben meines Mannes zittern, da alles Andere bis dahin aufs Genauste cmgelroffen ist? — Ich kannte ihn nicht und er mich nicht! Ich habe durch eine Vcrheiralhung mit ihm ein großes Glück gemacht, und mir fehlt jetzt gar nichts, was ich mir vernünftiger Weise wünschen könnte. Ich habe sogar die Freude, schwanger zu sein, und bin meiner Niederkunft nahe! Die große Feuersbrunst (der Schloßbrand) ist leider vorüber; der sehr vornehme Besuch ist nicht ausge blichen, denn der König ist zu uns hierher»in die Bellevue ge zogen, und wir haben ihm mehrere unserer Zimmer einräu men müssen; ich schließe aus dem Alien folglich mit Zittern, daß der gewaltsame Tod meines gmen Maunes sehr nahe ist!" Ich beruhigte sie, so gut ich konnte, und versicherte, daß ihr Mann bei mir wenigstens vollkommen sicher sei, daß ich auch nur noch eine, freilich aber etwas lange Zusammenkunft mir ihm haben werde u. s. w. Ihre Schwester, die Gräfin Pstheau, erzählte mir ebenfalls, daß die Gräfin Morio ihr seil längerer Zeil alles Erwähme ge sagt, und daß sie Beide mit Augst einen Umstand nach dem anderen hätten in Erfüllung gehen scheu. „Ich fürchte", setzte sic hinzu, „meine Schwester wird darüber noch eine unglück liche Niederkunft haben." An einem der nächsten Tage war Morio noch um II Uhr bei mir und ritt dann mit dem Könige aus. Beim.Zurückkom men sah ich Beide vor meinem Hause vorbeikommen. Sie ritten durch den Marstali, wo Mono dem Könige Verschiedenes aus einander seyie, während die Gräfin schon in Todesangst war, ja sogar deswegen Hane zu Bette gebracht werd'en müssen. Nach einer kleinen Weile rettet der König nach Hause, Morio aber bleibt noch da. Plötzlich fällt ein Schuß! Die Gräfin hört ihn, springt, wie außer sich, aus dem Bette und schreit: „Das ist mein Mann, er ist erschaffen!" — Leider war es so! — Der cdlc Morio war durch einen Französischen Fahncnschmied, dein, seiner Lüderlichkcit wegen, ein Deutscher vorgczogcn w«dcn mußte, boshafter Weise er schaffen worden- Sic können denken, wie mir dies aufficl! — Die Begebenheiten des Jahres 1813 brachten mich nach Pans. Mehrere meiner Bekannten sprachen mir von der Mlle. Lenormand und quälten mich fast, sie um mein Schicksal zu be fragen; ich wich aber immer au«! Unter Anderem ver sicherte man, daß sic Mura« (damaligem König von Neapel) zur Zeit des Konsulats, als er noch General war, voraus gesagt hätte: „er werde dereinst König werden!" daß dieser es aber nicht geglaubt und geantwortet habe: daran sci nicht zu denken; wenn cs aber gcichehen sollte, so werde er sic König lich beschenken, welches denn auch (nach seiner Thronbesteigung) wirklich geschehen sei. Ich hörte ferner, daß alle Zeitungen einige Jahre zuvor Folgendes bekannt gemacht hätten: Während des Spanischen Krieges besucht ein Offizier eben diese Mllc. Lenormand und be fragt sie um sein Schicksal. Da versichert sic ihm sehr bestimmt, am achten Tage werde ihm Jemand in einem Kaffcchause die Nachricht bringen, daß sein Bruder in Spanien geblieben sei. Er, der nicht einmal gewiß wußte, ob sein Bruder jetzt in Spanien sei, nimmt sich vor, die Kaffeehäuser zu vermeiden. Am achten Tage aber schleppen ihn einige gute Freunde halb mit Güte, halb mit Gewalt m eines derselben. Er achtel nicht darauf, daß es gerade der achte Tag ist, und läßt sich bereden. Kaum ist er aber dort, so bringt »hm sein Diener einen Brief mit der Nachricht, daß sein Bruder da und da, bei der und der Veranlassung in Spanien geblieben sei. Man versichert« ferner, daß Napoleon sie zweimal, einmal bei