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Mittwoch» ckea 2S. Dezember 1932 Tageblatt /lnzeiger Mr -as Erzgebirge EachaUra- -k amtllchea B«rmmt«achva-ra -er Nat»» -<r Sta-t MG -<H Muts-rrtchts Mz». p»ßsihe«l»m»»K>w«»si,m.,gg» Nr. 303 Mittwoch« äea 2S. v«ember ,1932 27. Jahrgang Verträge als Bapierfetzen? Vie Folgen der IraozMchen Lertragr-Lrnche, — Eine anssehenerregeude Rede -erriots in Loo« Part», LS. Dezember. In einer Versammlung tn Lyon sprach -erriot vor seinen Wählern seinen Stolz darüber au», im Kamps um die Einhaltung der Verpflichtungen Frankreich» gefal len zu sein. Er erklärte, « sei unmöglich, die guten Beziehungen zu Amerika, da» 7KV00 seiner Bürger auf französischen Schlacht feldern verloren habe, wegen 480 Millionen zu gefährden, wenn diejenigen, die gegen di» Zahlung stimmten, S00 Millionen für Ungarn und zwei Milliarden für die Bankenstützung bewilligten, -erriot zeigte sich wegen der Folgen «ine» Bruche» und einer endgültigen Zahlungsverweigerung besorgt und betonte, daß er den Kampf unermüdlich fortsetzen werd«. -erriot stellte dann die Frag«: Soll e» so weit gekommen sein, daß Frankreich Verträge al» Papierfetzen ansteht? Was würde Frankreich dann in Zukunft Deutschland sagen? Diejenigen, die für di« Zahlung«,trweigerung stimmten, hätten auch daran denken müssen, daß sie «» waren, die die Besetzung de» Ruhrgebiet«, an rieten, al« Deutschland sich weigerte, Zahlungen zu leisten. Heute treten di« Erfinder der Theorie von den Sanktionen sm Falle von Verfehlungen selber für die Zahlung «Verweigerung ein. Wird man e» jetzt etwa wagen, Japan, da» in der Mandschurei bleibt, oder Oesterreich, da» den Anschluß an Deutschland erstrebt, vor würfe zu machen? Schließlich brauchte -erriot noch im Hinblick auf dis Haltung der Rechts- und Mittelparteien den Ausdruck: „Unterstützung einer bolschewistischen Aktion" und sagte, di« Link». Parteien, die immer von Verträgen mehr gehalten hätten al» von Gewalt, begingen jetzt selbst mit der Zahlungsverweigerung einen Eewaltakt. Diese Ausführungen -erriot» haben in Part» -roße» Aufsehen erregt. Journal de» Debat» lehnt st« scharf ab und schreibt, -er riot vermenge alle». Sr könne sicher sein, daß Deutschland seine Aeußerungen im Auge behalten werd«. Der früher« Minister- Präsident liefere also Deutschland nur Argumente. -erriot «endet sich in einem Artikel! in der Schuldenfrag» an die amerikanische Oeffentlichkeit. Er erklärt im Petit Parifien, man habe tn Amerika'Unrecht daran getan, auf »ine teuflisch« Propaganda gegen Frankreich zu hören, eine Propaganda, gegen die man von französischer Seite vielleicht nicht anzukämpfen gewußt habe, «eil in Amerika nur wenig Franzosen wohnen. Dadurch sei Frankreich gekränkt und schwer verletzt worden, und dabei hab« Frankreich nicht gezögert, auf einen Appell der vereinigten Staa ten hin seinem ehemaligen Feind Deutschland zu helfen. Frank reich habe Deutschland sogar private Kredite bewilligt. Frankreich -ab« nicht nur auf die amerlkantschen Staatsmänner gehört, son dern auch auf die amerikanischen Sachverständigen wie Dawe», Poung, Parker Gilbert. Frankreich habe in Lausanne e<n unge heure» Opfer gebracht. Ohne Vorwürfe machen zu wollen, müsse er doch darauf Hinweisen, daß da« Hoover-Moratorium, wenn nicht rechtlich, so doch mindesten, tatsächlich, den Poungplan zerstört habe. Al» Frankreich aber selbst um eine Zahlungsfrist nachge sucht habe, habe man sie ihm verweigert. Notwerk der Deutschen Jugend Ausruf der Reichsregierung und der Reichspräsidenten Di« Reichsregierung erläßt folgenden Aufruf: Berlin. Die Not der Arbeitslosigkeit lastet schwer gerade auch auf der deutschen Jugend. Weder Arbeitsbeschaffung noch Arbeitsdienst können verhindern, daß mit dem Anbruch de» Win ter» HunerÜausend« von jungen Deutschen mit dem Schicksal der Erwerbslosigkeit und der Untätigkeit zu ringen haben. Darum rufen Reichspräsident und Reichsregiemng da» deutsche Volk am Weihnachtstage zum Notwerk der deutschen Jugend auf. Do» Not werk soll der arbeitslosen Jugend Gelegenheit zu ernster beruflicher Bildungsarbeit bieten und ihr sonstige sinnvolle geister und kör perliche Betätigung ermöglichen. E» still ihr in Verbindung damit täglich eine warme Mahlzeit sichern. Gemetnfinn und Hilfsbereitschaft aller Tei.e der Bevölkerung müssen tn diesem Notwerk zusammenwirken, um die arbeitslose Jugend körperlich und geistig gesund und lebenstüchtig zu erhalten und ihren Willen zu kameradschaftlicher Selbsthilfe zu stärken. Die freiwilligen Anstrengungen der Bevölkerung werocn die plan mäßig« Unterstützung des Reiche» erfahren. Die Reichsregierung stellt allen geeigneten Einrichtungen, insbesondere auch freiwilli gen Kameradschaften junger Arbeitsloser, die sich in den Dienst de» Notwerkes stellen und e» praktisch verwirklichen, Beihilfen zur Ver fügung. Sie sollen vor allem die vorgesehene Verpflegung er möglichen. Die Förderung des Notwerks der deutschen Juxend ist dem Neichsarbeitsminister übertragen. Er wird dre notwendigen Anordnungen treffen. Berlin, den 24. Dezember ISN. Der Reichspräsident von Hindenburg. Dt« Reichsregierung von Schleicher, Reichskanzler. Erläuterungen zu de« Nitwerk der deutschen Jugend Berlin. Amtlich wird mttgeteilt: Da» Rotwerk der deut- sechn Jugend, zu dem Reichspräsident und Reichsregierung auf rufen, wird auf Anordnung de» Reich»arbeit»mtntst«r» durch di« Reichsanstalt für Arbeitovermittelung und Arbeitslosenversicherung durchgeführt. Für da» Notwerk stehen au» Reich»mttteln im lau fenden -au,Haltjahr S Mill. RM. zur Verfügung, -ierau» dür fen Beihilfen solchen Einrichtungen und insbesondere auch solchen freiwilligen Kameradschaften gewährt werden, die allein oder tn Zusammenwirken mit anderen Stellen junge Arbeitslose im Alter bi« zu 2ö Jahren außer zu gemeinsamer Mahlzeit durchschnittlich mindesten« vier Stunden am Tage zusammenhalten. Hiervon sollen nach Möglichkeit zwei Stunden de« beruflichen Fortbildung dienen, die übrig« Zahl soll sportlicher Betätigung und geistiger Vildung»arL«tt gewidmet sein. Die Beihilfen sollen so berechnet werden, daß höchsten» je «ach den örtlichen Verhältnissen 1v bi» V Reich,Pfennig» für jeden Teilnehmer gewährt ««»den. Ti« >3h»n wgslmäßig zu» Voraussetzung, daß sich auch ander« — pri- ^t» »dz» öffentlich, mit eigen«« Mitteln an da» Verpflegung und den sonstigen Aufgaben de» Notwerk» beteiligen. Die Reichs anstalt für Arbeitsvermittelung und Arbeitslosenversicherung wird die hiernach erforderlichen Maßnahmen in engstem Einvernehmen mit den Körperschaften, verbänden, Vereinigungen und allen son stigen Stellen einleiten und durchführen, die sich nach ihrem Auf- gabenkrel» mit der Hilfe für die arbeitslose Jugend befassen. Zur Förderung des Notwerk» sollen unverzüglich in den Be zirken aller Arbeitsämter Arbeitsgemeinschaften gebildet werden. Sie sollen unter Vermeidung überflüssige« Organisationsarbeit alle Stellen zusammenfassen, die sich der arbeitslosen Jugend annehmen; neben dem Arbeitsamt vor allem die Gemeinden (Jugend- und Wohlfahrtsämter, Berufsschulen), die freie Wohlfahrt», und Jugendpflege (insbesondere die Winterhilfe), die Geistlichkeit und Lehrerschaft, dke Jugendverbände aller Art, die Berufsverbände der Arbeitnehmer, Arbeilgeberveretnigungen usw. Der Reichsarbeitsminister hat sich an sämtliche Landesregie rungen, sowie an die kommunalen, charitativen, wirtschaftlichen und sonstigen in Betracht kommenden Epttzenverbände gewandt und sie um Unterstützung de» Notwerk» und Mitwirkung bei seiner Durchführung gebeten. Ruhige Weihnachtslage im Reich Sm Zeichen des «nrgsrledeur Berkin, LS. Dezember. Li« Wethnachtsfetertage verliefe« tn der Reich »Hauptstadt tn völliger Ruhe. De« Reich,Präsident verbracht« wie vorgesehen die Festtage tm engsten Familienkreise. Einige Retchmninister, darunter Außenminister von Neurath, haben Weihnachten außerhalb Berlin» verlebt. Irgendwelche politischen Ereignisse sind im Gegensatz zu manchen früheren Jahren der Nachkriegszeit nicht etngetrete«. Da die Bestimmungen über den Burgfrieden noch in Kraft find, unterblieben auch Kundgebungen politischer Vereinigungen Lediglich «ine am Sonntagabend tn Moabit tagende Versammlung «ine» „Naturwissenschaftlichen Verein," erwies sich al» öffentliche politische Veranstaltung der KPD. und wurde au» diesem Grund, durch Beamte dkd politischen und der Schutzpolizei aufgelöst. Auch von größeren Bränden und verkehrsunfällen ist Berlin an diesem weihnachtsfest verschont geblieben. Feuerwehr und Sanitäter wurden zwar verschiedentlich alarmiert, doch handelte e» sich durchweg um geringfügige Unfälle. Rur ein verkehrsunfall am Velle-Alltanee-Platz hat «tn Todesopfer gefordert. Auch im übrigen Reich verkiesen die wethnachtstag«, wie au» zahlreichen Drahtmeldungen hervorgeht, ruhig und ohne nennen* werte Störungen. Da» politische Leben stand überall tm Zeichen de» Burgfrieden». EI»Iuhr»erb»t siir Nmödolz mid Schmalz vsrlt«, Lä. Do». Der ,.Rttch-«»e1-«»" »eröffent- Acht mrter dem heutiger» Datum am» n«m RAchäee»ähnmE^ Minister und vom Reich» wirtsihaftSminister unterzeichnete Verordnung, wonach mit Wirkung vom 1. Januar die Ein fuhr von Rundholz (Zolttarifposttton Nummer 86) und von Schmalz von Schweine« (Tariipofition Nummer 162a) nur mit vewilliguna gestattet ist. Ab 16. Februar 1933 wird Schweineschmalz in dem verzeichnt» für Waren, deren Einfuhr nm mit Bewilligung gestattet ist, Wiede, gestrichen. Ausdehnnug der Sperre jsir Nabelt* prelrieschöfte Berlin. In der nächsten Nummer de» „Reichs- anzeiger»" wird «ine Verordnung veröffentlicht -ie unter Abänderung der Bestimmungen de» dritten Teil» der Notverordnung vom S. März 1932 die bisher nur für Städte mit weniger al» 100 900 Einwohnern gel tende Sperre der Einrichtung von Sinh«tt»pret»g«schäf. ten auf all« Städte ausdehnt. Damit gilt in Deutsch land da» verbot der Errichtung jwn Einheitspreis geschäften ohne räumlich« Einwirkung hi» 1. April 1984. Zur Ausdehnung der Sperre hat die Feststellung geführt, daß seit Erlast der Notverordnung Pom 9. Mär, 1982 in den von der dort angeordneten Sperre nicht betroffenen Städten mit mehr als 100 000 Ein wohnern sich die Klagen des gewerblichen Mittelstände» über den Wettbewerb der Einheitspreisgeschäfte erhebt, lich vermehrt haben. Diese Klagen haben auch dazu geführt, daß von der Mehrzahl der Negierungen der Länder eine Ausdehnung der Sperre für Einheits preisgeschäfte schlechthin al» vordringlich bezeichnet wor den ist. Die Verordnung enthält weiter eine Mvisse Verschärfung der für die bestehenden Einheitspreis geschäfte geltenden Betriebsvorschriften, insbesondere hinsichtlich de» verkaufe» zu anderen al» Einheit». Preisen. Keine Unterredung -Mer—Stratzer Unsinnige Gerüchte über Straßer» „Bedingungen" München, 26. Dez. Das Sekretariat, da» Gregor Straßer nach seinem Zerwürfnis mit Hitler in seiner Mün chener Prtvatwohming eingerichtet hat, teilt mit, daß weder an den WeihnachtSfnertagen eine Unterredung zwischen Straßer und Hitler stattgefunben hat noch eine solche für die nächste Zeit vereinbart sei; eS sei überhaupt vorläufig fraglich, ob eS zu einer Aussprache zwischen Straßer und HiÄer kommen werd«. Auch bei allen Meldungen über irgendwelche Bedingungen, die Gregor Straßer Hitler für den Fall einer Aussöhnung gestellt haben soll, handele eS sich um haltlose Kombinationen. Gregor Straßer hat die WeihnachtSseiertage bei seiner Familie in München ver bracht, Hitler ist zu seiner Schwester nach Berchtesgaden gefahren. Erleichterung jsir Kriegsbeschädigte imd Kriegshinterbliebene Berlin, St. Dezember. Durch Erlaß vom heutigen Tage hat der Reichs«rbeitsmintster auf Antrag d« Verbandes deutscher Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen sowie de» Re chs- Kunde» der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Krtegerhtn- terbliebenen angeordnet, daß für die Krisen»nterstützung von Per sonen, denen nach den Retchsgrundsätzen über vorau»setzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge gehobene Fürsorge zusteht, nicht der Richtsatz der allgemeinen Fürsorge, sondern der der gehobenen Fürsorge oder Grenze tm Rahmen der Sätze der Arbeitslosen«», ficherung sein soll. Der Erlast tritt mit Wirkung vom S. Januar ISN tn Kraft. -ilftinaßmchmen silr den Kupserbergba« Berlin, St. Dezember. Vie von der Reich»regterung und der preußischen Staatsregterung mit der Mansfeld A.-V. für Bergbau und -üttenbetrieb tn Eisleben wegen der Stützung de» Mansselder Kupferbergbaue» geschlossenen Verträge laufen mrt Ende dies« Jahre ab. Da die Aufrechterhaltung der genannten Kupferbetrteb» nach wie vor im öffentlichen Interesse dringend geboten ist, die Gesellschaft aber angesicht» de* unerhörten Tief standes der Metallpresse hierzu nicht in der Lage ist, sind bereit« vor längerer Zett von den beteiligten Steven Verhandlungen über die Fortführung der -tlfmnaßnahmen der öffentlichen Hand aus genommen worden, die vorausstchtlich demnächst zum Abschluß ge bracht «erden können. Zur Bereitstellung der bet der Fortsetzung der Stützung tn den nächsten fünftiertek Jahren voraussichtlich vom Reich auszuLringenden «titel ist di» Reichsregierung durch ein» V»rovdnung, di» im Retchsanzetgn »chch«tn»n wird, ermächtigt word»«.