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Nummer 108 - 28. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis für Mat 3,00 Mk. rinschl. vestellgelü «nzeigenpreise: Die Igesp. Petitzelle 88^, Stellengesuche 28 L. Die Petitreklamezetle. 8V Milli, meter breit. 1 ^t. Offertengebühren sür Selbstabhole» 2ü bei Uebersenbung durch die Post außerdem Porlozuschlag. Einzel-Nr. 18 L, Sonntags-Nr. 18 Delcbältlicher Teil: Artur Lenz in Dresden, Äickllscke Mittwoch, den 1t. Mai 1927 gm Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung o Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingcsandle u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte merd. nicht «msbewahrt, Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschriftleiter: Dr. G. Desezvk. Dresden, GrschitftSstkNe, Druck und Vertag: (»ermania, Attten-^esellschatt für Verlag »nd Druckerei, FUtal« Dresden, Dresden-N. I, Polierslratze 17. Fermus.aois. Für chriskliche Politik und Kultur Redaktion der SSckjsttchen Volk»»ettuna DreSdeu-AItsladt 1, Polle,slrake 17. Fernruf 2071t und rlvl2. Katholische Aktion Von Dr. Joses Eberl» Die Wahlen zum österreichischen Nationalrat ha ben zwar der Sozialdemokratie nur einen Gewinn von wenigen Mandaten gebracht, zugleich aber die christlich-soziale Partei, die auch an die mit ihr ver bündeten Parteien Mandate obgeben mutzte, erheb lich geschwächt. Diese Tatsache veranlaßt den mu tigen Vorkämpfer für den Gedanken einer großen katholischen Presse, Dr. Josef Ebevle, in der neu esten Nummer seiner ausgezeichneten Wochenschrift „Schönere Zukunft" ernste Betrachtungen über die Zukunft der katholischen Kultur politik in Oesterreich anzustellen. Dieser Artikel, aus dem wir hier di« wichtigsten Stellen heraushebcn, ist wertvoll, nicht nur für die Beurteilung der Lage in Oesterreich Die säch sischen Katholiken haben allen Grund aus die sen Betrachtungen Nutzan-wendungen für ihre eige ne Lage zu ziehen. Die Minb-rheitssteltung, die den österreichischen Katholiken droht, ist denen in Sach sen schmerzliche Gewohnheit. Und di« letzten Land tagswahlen haben das Ergebnis gehabt, dotz im sächsischen Landespariament kein einziger Katholik sitzt. Die Mahnungen Dr. Eberles klingen daher sür Sachsen recht aktuell: Vielleicht ist es gerade der Sinn der letzten Wahlen, bisher schläfrige und Zögernde aufzurütteln, ist es der Fingerzeig der Wahlen, die Kräfte aus den Ausbau der katholischen Aktion zu konzentrieren. Was be deutet katholische Aktion? Nichts anderes als katholische Aktivität auf allen Gebieten Aktivität auf kirchlichem Gebiet: Der Laie hat kein Recht, Forderungen für de» Klerus aufzu stellen. Aber er ist auch nicht verpflichtet. Auffassungen und Wünsche der katholischen Laienintelligenz hinsichtlich des Kirchlichen schlechthin zu verschweigen. Nun soll hier bezüglich des unmittelbar Kirchlichen davon Abstand genommen werden. Aber vielleicht ist es angebracht, eine Stimme aus dem österreichischen Klerus selber zum Wort kommen zu lassen, eine Stimme, die der Meinung Aus druck gibt, daß da und dort mehr Kraft und Schwung der Seelsorge, mehr Fortschritt der Seelsorge möglich wäre. Co schrieb unlängst einer der hervorragendsten jüngeren Seelsorger Wiens, Professor Dr. Michael Psliegler: „Unsere Religion ist bürgerlich geworden Sie ist gesättigt, behaglich, ohne Fragen Der Mechanik des Sonntags entspricht die Gottlosigkeit des Alltags. Das ist's, daß uns Religion nicht tägliche Aufgabe ist, son dern Verteidigung dessen, was gestern war. An diesem System ist niemand von uns schuldig. Aber die Gefahren dieses Systems müssen wir sehen, sonst setzt es alle un sere Arbeit kalt. Und die schwerste Gefahr ist. daß wir das System mit der Kirche selbst verwechseln, die ist der fortlebende Christus, der gekommen ist und täglich kommt durch sein Leiden und Sterben zu rerten, ivas verloren ist . . . Der „Praktiker" herrscht, das heißt der. welcher tut. was vorgestern das Richtige und vorgestern das Not wendige ivar. Und wir kommen vor Praxis nicht dazu, einmal den Kopf ernst zwischen die Hände zu nehmen und uns zu fragen: Ist das, was ich tue, noch praktisch? Ist es nicht das Praktischste, einmal hineinzuhorchen in den Willen Gottes an unsere Zeit und ihre Ausgaben? Wir wollen einander nichts vorwerfen, aber religiös ge nug für diese aufgewühlte Welt sind wir nicht. Uns fehlt noch der Mut. der nicht die Augen schließt, wenn Gott uns schaut." * Von höchster Wichtigkeit ist in Oesterreich dieSorge für eine möglichst zahlreiche und starke katholische Intelligenz, die Sorge insbesondere für einen entsprechenden katholischen Dozentemrachmuchs an den Hochschulen Oesterreichs. Die Köpfe, die geistigen Oberschichten machen letztlich die geistige Mode in einem Lande; um so mehr Wert ist auf ihre Heranbildung zu legen. Das wird oft verkannt und versäumt. Es scheint fast, als gälten vielen Leuten zwanzig Mitglieder eines Lehrlingsverein mehr als zehn Intellektuelle, weil sie «doppelt so viel Wahlstimmen haben. Aber der Geist re giert, nicht die Zahl. Katholische Köpfe, katholische Do zenten tun not! Was würde schließlich ein christliches Parlament nützen, wenn wir nicht zahlreiche katholische Universitätslehrer bekommen, die einen tüchtigen und gerechten Beamtenstab heranbilden, die Rechtsanivälte und «Nd Aerzte heranbilden, welche dein Ethos christlicher Vesetze gerecht werden? Worauf berufen die Erfolge des Nur «rll negativen Parolen kann man Aus Berlin wird uns geschrieben: Graf Westarp hat am Sonntag in einer Wahlver sammlung inRostock eineNede gehalten,die sich ausschließ lich gegen die Sozialdemokratie richtete. Das mag die Sozialdemokratie mit dem Redner und den Dentschnatio- lagen selbst ausmachen. Uns interessieren die Ausführungen des deutschnationalen Fraktionsvorsitzenden nur insoweit, als er in seine politische Rechnung das Zentrum ein stellte, und weiter wegen der Schlußfolgerungen, die er aus der Zusammenarbeit zwischen Zentrum und Deutschnatio- nalen in der Neichsregierung hcrlcitete. Gras Westarp be klagte die Schäden der Reichspolitik, die sich aus dem Einslust ergäben, der den Sozialdemokraten immer noch in den Ländern zustehe. Besonders unhaltbar erschienen ihm die Dinge in Preußen. Die jetzige „sozialdemo kratische Mißwirtschaft" in dem größten deutschen Land schreie geradezu zum Himmel. Für das Reich erfordere die Rücksicht auf die Koalition eine geschlossene Front. Die Deutschnationalen würden den nächsten Kampf gegen die Macht der Sozialdemokratie führen müssen. .Keine Rück sicht auf die Parteien der Mitte, darüber müsse man sich klar sein, würde die Deutschnationalen hindern, diesen Kampf auch gegen die jetzige preußische Regierung durch- zusetzvn. Die Redensart von der sozialdemokratischen Mißwirt schaft in Preußen mag man in deutschnationalen Provinz blättern passieren lassen. Aber wenn der Führer der deutschnationalen Reichstagsfraktion sie kritiklos wieder holt, muß man ihn doch darauf aufmerksam machen, daß diese Behauptung gleichzeitig einen schweren Angriff gegen das Zentrum darstellt, das an der sozialdemokratischen Mißwirtschaft doch mitschuldig wäre, wenn eine solche überhaupt bestünde. In- Wahrheit haben sich aber gerade in Preußen die politischen Verhältnisse am ehesten wieder befestigt, und kein zweites Land hat sich so rasch aus den Wirren der Revolution zurückaefunden, wie gerade Preußen. Diese „Mißwirtschaft" ist Preußen wahrlich gut bekommen. Nicht minder gut aber auch dem Reiche. Von Einzelfälle» abgesehen, ist Preuße» eigentlich die beste Stütze der Reichspolitik gewesen. Besonders in der Außenpolitik Kat Brennen immer dem Reicks heutigen Marxismus? Daraus, daß er seine kulturelle und wirtschaftliche Führung der Intelligenz überläßt. Obwohl vor allein Arbeiter lind kleine Leute seine Trä ger sind, habe» diese Träger doch das Gefühl, nur mit der Verfügung über Intelligenz etwas zu erreicheil. Da her das Vertrauen zur Intelligenz, auch wenn es vor wiegend nur jüdische Intelligenz ist. Worauf beruht die überragende Position der liberalen Presse bei der Bevöl kerung? Auf ihrem Bestreben, vor allein die Talente zu sammeln, die Talente aus den Leuchter zu hebe», die Köpfe, nicht die Barrierestöcke sprechen zu lassen. Gewiß, Wissen ist nicht das Höchste; eine Bäuerin kann unendlich viel höher stehen und vor Gott mehr bedeuten, als der ge scheiteste Professor. Aber zur christlichen Kultur und Ar beit gehört auch das Wissen. * Zur Förderung der katholischen Aktion gehört vor allem auch die Förderung der katholischen Literatur und Presse. Manche Seeliorgstätig- keit wird heute so betrieben, als lebten wir noch mitten im Mittelalter, als gebe es noch keine Journalistik, kein Tl-eater, kein Radio, kein Kino. Es wird nicht bedacht, daß der Prediger heute in den letzteren Instituten Kon kurrenten hat, die nicht nur zwanzig- und dreißigmal so häufig predigen wie der Priester ans der Kanzel, die auch an allen Orten und Enden predigen. Glücklich, wer heilte kein Theater, kein Kino besuchen muß; er bewahrt sich viel wertvolle Naivität und Ungebrochenheit. Und doch möchte man wünschen, es kämen immer wieder Priester und auch Aristokraten ins «heutige Theater und Kino, um eiu anschauliches Bild davon zu bekommen, welch kul tureller Gefährdung und Vergiftung das heutige Ge schlecht ausgeliefert ist. Der Anblick dieser Zerstörnngs- arbeit müßte auch Säumigste aufscheuche». Ihr Theo logen schaut euch an, wie im Tlseater und Kino ein Schönherr das Landvolk verpöbelt, ein Schnitzler Venus- Kult vrediat: Ihr Aristokraten schaut euch an. wie euer We MW die Sozial-emokralie nicht bekämpfen! Hilfsstcllung geleistet, und die „Schädigung der Reichs politik" in diesem Punkte kam vielmehr von jenen Ländern, in denen die D e u t s ch n a t i o n a l e n ein maßgebendes Wort mitsprechen konnten. Was Graf Westarp als einen schweren Fehler unserer Politik ansieht, daß nämlich im Reiche andersgerichtete politische Kräfte wirksam sind als in einem Teil oer Länder, ist nach unserer Meinung gerade ihr Vorteil. Denn es bindet alle politischen Parteien an den Staat und gestattet keiner Partei eine hemmungslose Opposition im Reichstag. Was Graf Westarp will, ist die grundsätzliche Ausschließung der Sozialdemokratie von der Teilnahme an der Regierung. Das ist ein alter Streitpunkt zwischen den Deutschnationalen und dem Zentrum. Wir können nur hundertmal Gesagtes wieder holen, wenn wir betonen, daß es nach Zentrumsgrund- sützen unmöglich ist, Parteien, die sich zum Staate bekennen, die gewillt sind, im Geiste der Verfassung an der Regierung mitzuwirken, grundsätzlich auszuschließen. Der Be völkerungsteil, der sich zur Sozialdemokratie bekennt, ist größer als der, der bei den Wahlen seine Stimme für die Deutschnationalen abgibi. Von einer einseitigen Frontstellung gegen diesen Teil des deutschen Volkes, d. h. von dem Bürgerblock gegen die Sozialdemokratie, ver sprechen wir uns nichts Gutes. Eine Lvahlparole ledig lich gegen die Sozialdemokratie wäre eine negative Parole, die schwerlich die von Graf Westarp gewünschte»» Ergebnisse haben würde. Die Handlungsfreiheit, die Graß Westarp für sich bei den nächsten Wahlen in Anspruch nimmt, besteht selbstredend auch für das Zentrum. Eine geschlossene Front mit den Deutschnationalen. die keinen anderen Schlachtruf hätte als den gegen die Sozialdemo kratie. kommt sür das Zentrum nicht in Frage. Es gibt wirksamere Methoden zur Bekämpfung der Sozialdemo-, kratie als Wahlslugblätter und schwungvolle Reden. Die, beste ist eine vom wahrhaft nationalen, demoq kratischen und sozialen Geiste getragene Politik. In de« Reichsregierung haben die Deutschnationalen Gelegenheit,' eine solche Politik zu treiben. Darauf möge» sie ihre An strengungen richten. Ein gutes Endresultat der Jnnen- und Außenpolitik der jetzigen Reichsregierung wirkt un gleich besser als rednerische Kampftöne gegen die Sozial demokratie. Stund in Stücken wie „Oesterreichische Komödie* * „Trieschübe!" besudelt wird. Ihr müßtet das Letzte auf biete», um solchem Toben der Unkultur Einhalt zu bieten. Ihr müßtet vor allem auf stärkste Förderung jener katho lischen Presse und Literatur bedacht sein, die als Haupt abwehrmittel gegenüber diesen Erscheinungen der Un kultur in Betracht kommt. Nur 15 Prozent christlich/« Tagespresse in Oesterreich ist zu wenig christliche Presse. Es wird nie auf die Dauer eine starke christlich-soziale Majorität in der österreichi- sä)en Politik geben ohne eine Majorität der christlich- sozialen Tagespresse. Es wird nie eine mächtige katho lische Kulturarbeit in Oesterreich geben ohne stärkste Po sition der katholisch-kulturellen Zeitschriftenpresse in Oesterreich. Warum sorgen nicht katholische Seelsorger. Pädagogen, Aristokraten dafür, daß diese Zeitschriften in jeder Honoratiorenstube, in jedem Schulkonferenzzimmer, in jedem Leserauin. in jeder Sommerfrische Oesterreichs als Apologeten wirken? Es gibt liberale Fabrikanten und Bankiers, die Dutzende van Exemplaren liberaler Zeitungen und Zeitschriften für ihre Angestellten abon nieren. Für die Sozialisten besteht vielfach das Zwangs abonnement sozialistischer Presse. Warum gibt es nicht Hunderte katholischer Besitzender, die 10. 20 Exemplare katholischer Zeitungen und Zeitschriften für geeignete In teressenten im Umkreis ihrer Wohnung und Arbeit abon nieren? Es wird nie politische Siege des ka tholischen Oesterreich geben ohne Verdrei fachung und Vervierfachung der katho lischen Presse in Oesterreich! Das etliche Andeutungen über, wie uns scheint, wich tigste Ausgaben der katholischen Aktion. Aufgaben sol cher Art, Themate heikler Natur zu bespreclM, macht nicht populär. Aber eiu katholischer Publizist, der es ehrlich mit seinem Berufe meint, der sich seiner ganzen Verantwortung bewußt ist, lsi.it nicht in erster Linie an Popularität zu denken, sondern an Wahrheitsdienst.