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NWlitz-Wtms Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnr in Dippoldiswalde. Dienstag, den 3. Februar 1885 51. Jahrgang Nr. 15 '! - bar ausgenommen wurden. Zu bedauern war der schwache Besuch, über den man sich jedoch in einer Zeit, wo zahllose Karpfenschmäuße einen ansehnlichen Bruchtheil des Publikums absorbiren, nicht zu ver wundern braucht. Der Saal war, dem Versprechen gemäß, gut geheizt. — Für alle Diejenigen, welche Spinngewebe für stets geeignet zur Stillung von Blut halten, diene folgende Notiz aus Schwerin zur Warnung: Jüngst wurde dort ein Mann begraben, dessen Todesursache etwas eigenthümlich und erwähnenswerth ist. Der selbe war gefallen und hatte sich dabei etwas verletzt. Um das Blut zu stillen, legte man ihm Spinngewebe auf die Wunde. Da nun hiermit zugleich etwas Staub oder Farbe, oder sonst schädliche Stoffe in die Wunde gelangt waren, stellte sich bald eine heftige Blutvergiftung ein, welche den Tod nach wenigen Tagen herbeiführte. — Mit dem 1. Februar tritt nach sächsischem Jagd gesetze außer Hasen und Nehböcken, die Fasanen außerhalb der Fasanerien, Schnepfen, Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild, Wachteln, Becassinen und wilde Tauben in die Schonzeit, während männ liches und weibliches Edel- und Damwild, sowie Krammetsvögel noch 4, wilde Enten aber noch 6 Wochen hindurch abgeschossen werden dürfen. In Preußen be ginnt mit dem ersten Februar die Schonzeit für weib liches Roth- und Damwild, sowie deren Kälber, für Hasen, Auer-, Birk- und Fasanenhennen, Haselwild und Wachteln, in Oesterreich aber für Rehböcke, Hasen, Rebhühner und Drosselarten. Schellerhau. Am Nachmittag des 30. vor. Mts. hat sich die erst kürzlich verheirathete, 20 Jahr alte Gutsbesitzers-Ehefrau Emilie Minna Seifert geb. Schön durch Erhängen selbst entleibt. Beweggrund hierzu ist völlig unbekannt und dürfte wohl nur in Schwermuth zu suchen sein. Altenberg. In der Sitzung vom 30. Januar wurde vom hiesigen Stadtgemeinderathe im Prinzipe die Einführung der obligatorischen Trichinenschau beschlossen. Dresden. Wie das „W. Fr. Bl." erfährt, habe der König von Sachsen vor Kurzem ein die braun- schweigischs Erbfolgefraze behandelndes, den Ansprüchen des Herzogs von Cumberland günstiges Memorandum an den deutschen Kaiser gerichtet. Die Bestätigung dieser Nachricht bleibt selbstverständlich ab zuwarten. — Nachdem das Eis bei Dresden und Meißen am 30. Januar in Bewegung gekommen ist, ist das Stromgebiet der Elbe in Sachsen wieder eisfrei. — Im Monat Januar d. I. waren fünfzig Jahre verflossen, seitdem ein für die Verkehrs- und Gesell schaftsverhältnisse unseres Volkes äußerst wichtiges (Gesetz ins Leben trat. Es ist dies disGesinoeord- nung vom 10. Januar 1835. So sehr auch früher schon wohlmeinende Herrscher Sachsens bestrebt ge wesen waren, im Laufe der Jahrhunderte durch Dienst- botenordnunge» die Verhältnisse zwischen Dienstherr schaft und Gesinde zu regeln, so entsprachen doch die selben nicht mehr den Rechtsverhältnissen und Gewohn heiten einer neuen Zeit. Nachdem die Verfassung im Jahre 1831 ins Leben getreten und der Dienstzwang, welcher namentlich im Markgrafenthum Oberlausitz die Kinder der Landleute auf eine bestimmte Zeit ver pflichtete, dem Gerichtsherrn gegen ein billiges, durch Gesetz und Herkommen, die sogen. Lohntaxe bedingtes Entgeld zu dienen, aufgehoben, die Berufswahl auch den Landkindern durch deren Aufnahme als Hand werkslehrling freigegeben worden war, und die im Jahre 1832 erschienenen Ablösungsgesetze die wirth- schastlichen Interessen in ganz veränderte Bahnen ein lenken ließen, konnte nach sorgfältiger Berathung der Stände, bei welcher der damalige Prinz Johann eine hervorragende Thätigkeit entwickelte, zur Herausgabe Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 2. Februar. In der am vorigen Freitag stattgesundenen Versammlung des Gewerbe vereins, die recht gut besucht war, machte zunächst der Vorsitzende Mittheilung über verschiedene Eingänge und eine seitens des Vorstandes an die General Zu den neuen Verbrechen der Anarchisten. Man rede, was man will über die Ursachen der Umsturzpläne in den unteren Klaffen, klar ist sicherlich das Eine, daß sozialdemokratische, demokratische und ultra-radikale Lehren und Agitationen von der Auf richtung einer neuen, wahren Glückseligkeit unter den Menschen das Urtheil der Massen über Recht und Gesetz, Leben, Ehre und Eigenthum getrübt, Unzu friedenheit bei der Menge, Wuth und Bestialität bei Einzelnen erzeugt und auf diese Weise die rasch auf einander folgenden anarchischen Verbrechen ver ursacht haben. Sehr bezeichnend für die Niedertracht der Anarchisten ist auch der Umstand, daß Nationalität und Achtung vor irgend einer Würde ihnen abhanden gekommen ist und daß die Lumpen aller Länder sich bei jeder Schandthat gern die Hände reichen. Ganz Ungeheuerliches wird in dieser Richtung in denjenigen Ländern geleistet, wo das Prinzip von der politischen Freiheit auf der Spitze existirt, also z. B. in den Ver einigten Staaten von Amerika. Dort hat bald nach dem Bekanntwerden des letzten Londoner Dynamit- Attentates eine Sozialisten-Versammlung in Chicago stattgesunden, in welcher die jüngsten Dynamitattentate in London von mehreren Rednern sehr gepriesen und der Gebrauch des Dynamits gegen die besitzenden Klaffen anempfohlen wurden. — Gegen derartige Demonstrationen sollten doch nunmehr die Regierungen auch jenseits des Ozeans einzuschreiten wissen, zumal es erwiesen ist, daß amerikanische Anarchisten solche in Europa zu Unthaten anreizen. — Ueber die Dynamit verbrechen in London erfährt man noch, daß am Sonn abend das Publikum in der Regel freien Zutritt zu dem Parlamentsgebäude, dem Tower und fast allen übrigen öffentlichen Gebäuden und Anstalten Londons hat, so daß den Urhebern der Explosion ihr ver brecherisches Vorhaben wesentlich erleichtert wurde. Wenige Minuten nach 2 Uhr sah eine Frau bei einem Gange durch die unterirdische St. Stephanskapelle in der Westminsterhalle eine schwarze Reisetasche am Boden liegen und lenkte die Aufmerksamkeit eines Polizisten Namens Cole darauf. Cole hob die Tasche auf und brachte sie nach der Halle. Auf der obersten Stufe der nach der Kapelle führenden Treppe angelangt, fing die Tasche an zu rauchen. Der Polizist wars sie zu Boden und es sand eine mit furchtbarer De tonation gepaarte Explosion statt. Cole und ein an derer Polizist Namens Cox trugen so ernste Verletzungen davon, daß sie sofort nach dem nahegelegenen West- minsterhospitale gebracht werden mußten, wo sie in kritischem Zustande darniederliegen. Die Gewalt der Explosion riß am Eingänge zur Kapelle ein Loch im Steinpflaster von 3 Fuß rin Durchmesser und 4 Fuß Tiefe. Die gemalten Glasfenster in der Halle wurden . zumeist zerschmettert, mehrere Statuen von ihren Sockeln herabgerissen und selbst das Dach zeigt zahlreiche Nisse, durch welche das Tageslicht hereinscheint. Die zweite Explosion fand genau um 2 Uhr 13 Minuten statt, denn in diesem Augenblick blieben fast alle Uhren im Parlamentsgebäude stehen. Die Szene der Explosion war das Haus der Gemeinen. Die Höllenmaschine war unterhalb der Gallerie hingelegt worden, wo sie mit verheerender Wirkung explodirtq. Kaum irgend ein Gegenstand in dem Hause ist der Beschädigung entronnen, und das Innere bietet ein Bild schrecklicher Verwüstung dar. Von der Barre bis zum Stuhle des Sprechers ünd hinter demselben ist Alles mit Trümmern, Holzsplittern und Glasscherben bedeckt. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein direktion der Sächsischen Staatsbahnen gemachte Ein gabe, dahin gehend, daß der im vorigen Jahre auf gestellte Sommerfahrplan, da er den verschiedensten Interessen auf die den Umständen nach beste Art ent gegen gekommen sei, auch in diesem Jahre in Kraft treten möge. — Hierauf hält Herr Lehrer Krüger einen Vortrag über einen Gegenstand, der die Auf merksamkeit der Zuhörer in hohem Grade in Anspruch zu nehmen wohl geeignet war. „Etwas über Sprache" war das Thema, das sich der Vortragende gewählt hatte. Nachdem derselbe auseinander gesetzt, was man unter Sprache verstehe, kam er auf das Alter der Sprache, das mit dem des Menschengeschlechts über haupt gleich zu stellen und mindestens auf 100000 Jahre zu schätzen sei. Es wurden bei diesem Theile des Vortrages interessante Mittheilungen über das von Geologen aus Gebirgsbildungen und Bodengestal tungen mit höchster Wahrscheinlichkeit berechnete Alter des Erdkörpers gemacht. Die vergleichende Sprach forschung, die sich namentlich angeknüpft habe an die Ursprache der Indier (Sanskrit), habe die Erfahrung ergeben, daß, jemehr ein Volk eingreife in die Welt geschichte, sich auch desto mehr seine Sprache abschleife, an volltönenden Endungen und Bildungen verliere und endlich verfalle. Es wurde bei dieser Gelegenheit auf die Bezeichnung Mutter- und Tochtersprache (in der Bedeutung Ur- und abstammende Sprache) auf merksam gemacht und angedeutet, daß die Sprachen vergleichung durch das Gesetz der Lautverschiebung im Stande sei, die gegenwärtig lebende Sprache auf die Ursprache zurück zu konstruiren, auch wurde der Unter schied zwischen Sprachforscher und klassischem Philologen klar gestellt, indem erstere mit dem Botaniker, der alle Pflanzen mit gleichem Interesse studire, letzterer mit einem Kunstgärtner, der nur einigen wenigen Pflanzen seine Thätigkeit widme, verglichen wurde. — Da eine eingehendere Behandlung des umfassenden Gegenstandes im Raume eines Abends nicht möglich war so stellte Herr Krüger weitere Mittheilungen für später in Aus sicht. — An den Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Aus sprache, in welcher namentlich die Frage über die Ent stehung der Sprache erörtert wurde. Bot der be handelte Gegenstand auch kein unmittelbares Interesse, so sind doch derartige Anregungen des Denkens gewiß nicht gering anzuschlagen und müssen mir dem Vor tragenden dankbar sein, dazu Veranlassung gegeben zu haben. — Am 3. Februar wird sich König Albert zur Jagd auf das Schmiedeberger Revier begeben und wird zu diesem Behufs mittelst Extrazug Hainsberg 7.16 früh verlassen, Dippoldiswalde 8.8 erreichen und in Schmiedeberg 8.29 anlangen. Die Rückreise erfolgt ebenfalls durch Extrazug ab Schmiedeberg 4.44 Nach mittags, Dippoldiswalde 5.5 und erfolgt die Ankunft iu Hainsberg um 6 Uhr. — Morgen Mittwoch wird im Altstädter Hof theater die neue Oper „Don Carlos" und in der Neu stadt das Lustspiel „Wo ist meine Frau?" zur Auf führung gelangen. Da außerdem der Circus Carrö noch in Dresden ist, dürfte der Extrazug wiederum stark besetzt werden. — 2. Febr. Das gestrige im Schießhause statt gefundene Concert bewährte den Ruf, den sich Herr Leopold Grube als Virtuos auf der Schlag- und Streichzither mit Recht erworben hat. Selbst die jenigen, die für das freilich nicht sehr ausgiebige Zitherspiel nicht schwärmen, werden es mit Vergnügen hören, wenn das Instrument mit eben soviel Geschick und mit so voller Klangwirkung behandelt wird, wie dies der Concertgeber versteht. Auch der mitwirkende Concertsänger Herr Wriedt bot mit schöner, modula tionsfähiger Stimme und fein nüancirtem Vortrage mit vielem Beifall aufgenommene Lieder, unter denen „Adelaide" von Beethoven und 2 Lieder von Jeesen („leg dein Wang' rc. aus „Marie") besonders dank- Hnserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Berbreitungfinden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Naum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeilr 20 Pfg. 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