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Ottendorfer Zeitung. Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abend». Bezugspreis vierteljährlich l Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag zo Uhr. Inserate werden mit zo Pf für die Spaltzetle berechn« Tabellarisch« Satz nachj besonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkriila. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla Nr. 47. Mittwoch, den 18. April 1906. 5. Jahrgang. Nscheichung von Matzen, Gewichten und Meßwerkzeugen betr. Am 19. April dieses Jahres, nachmittags von Z- 6 Mr, findet im Gasthof zum goldenen King hier, für die Bewohner des Ortsteils Moritzdorf und am 20. April dieses Jahres vor mittags von 8—12 Mr und nachmittags von 2-k Uhr im Gasthof jum schwanen MH hier, für die Bewohner des Ortsteils Utendorf die Nacheichnug der Maße, Gewichte, Wagen und Meß- wechenge statt. Sämtliche Eichgegenstände sind bei Vermeidung der Zurückweisung in reinl chem Zustande den Eichungsbeamten vorzulegen. Vttendorf-Moritzdorf, am 9. April 1906. Der Gemeindevorftand. Oerttiches und Sächsisches. GttenLorf-Dkrilla, den ^r. April M6 — Es ist eine der schwierigsten Fragen für alle christlichen Volkssreunde: Wie bewahren wir die konfirmierte Jugend vor den Ver irrungen des Lebens? Gerade die Zeit nach der Schulentlassung - und für die meisten Jungen und Mädchen fällt dieser Termin mit der Konfirmation ja unmittelbar zusammen — ist so unendlich wichtig für die ganze spätere Charakterewwicklung. Hier wirken die Ein- flüsse und Eindrücke am stärksten. Und wie schädliche, seelenvergiftende Mächte sind da oft an der Arbeit! Die religiös-sittliche Gedanken welt, wie sie von Schule und HauS eifrig ge pflegt wurde, sie ist nicht selten im Handum drehen in alle Winde verflogen. JstS doch eine erschreckende Tatsache, daß die halb- wüchsige Jugend häufig eine innerliche und äußerliche Verrohung bekundet, die selbst vor dem gemeinsten Verbrechen nicht Halt macht. Die Hauptschuld mag eine gewissenlose Ver führung tragen, die den natürlichen Oppositions drang der Jugend beschönigt und ausstachelt. Umso nötiger ists, die Neukonfirmierten auch weiterhin erzieherisch im Auge zu behalten Von zu Hause aus geht das nicht immer so einfach, denn die Kinder haben jetzt eine ganz andere und umfassendere Beziehung mit der äußeren Welt; sie kommen vielleicht erst nach Jahren zum ersten Male wieder ins Elternhaus Aber ein energischer Brief hat zuweilen auch seine Wirkung, und man halte darauf, daß die Jungen und Mädels ab und zu auch ihrer seits mal ordenilichen Bericht erstatten, soviel Zeit Muß sich unter allen Umständen finden- Lehrherren und Dienstherrschaften sollten schon «US Interesse für die allgemeine Volkswohlfahrt streng darauf achten, daß die ihnen anvertrauten jungen Geister in Zucht und Ordnung ver bleiben. Die Hauptsache ist in diesem Falle das eigne gute Beispiel. Es darf hierzu a» einen trefflichen Ausspruch Richard Rothes er innert werden, der feinsinnig mahnt: Die Pflicht, ein gutes Beispiel zu geben, beruht in der Hauptsache auf ihrer negativen Seite, auf der sorgsamen Vermeidung des Aergernisses d. h. darauf, wodurch unser Handeln voraussichtlich einen nachteiligen Emfluß ruf die Sittlichkeit unseres Nächsten auLüben könnte. Wer sich vor der Jugend in unfläüger Weise gehen läßt versündigt sich an ihr. Vor allem sollte man die Heranwachsenden Kinder auch unablässig an ihre kirchlichen Verpflichtungen sgemahnen. Der Besuch des Gottesdienstes oder der kirchlichen Unterredungen muß den Neukonfirmierten zur selbstverständlichen Pflicht gemacht werden. Wo es angeht, mag auch auf die christlichen Jünglings- und Jungfrauenvereine hingewiesen werden. Es sind das sehr segensreiche Ein richtungen, über die nur Leute spötteln können, die den Zweck solcher Vereine überhaupt nicht kennen. — Im Königreich Sachsen hat die Schon- ieit für die sogenannten Sommer-Laichfische be gonnen, die bis zum 9. Juni dauert. Während dieser Zeil dürfen Fische in fließenden Wässern nicht gefangen werden und überhaupt nicht seilgeboten werden. Von Speisefischen surfen während dieser Schonzelt lediglich auf dem Markt erscheinen: Lachs, Lachüforelle, Bachforelle, Karpfen, Hecht, Aal und Aalraupe. Die Schonzeit für Krebse, welche am 1. No vember begonnen hat, dauert noch bis zu dem 31. Mai. Dresden. Durch die in den letzten Tagen erfolgte Hebung des Hinterteiles des vor der Augustusbrücke liegenden havarierten Fracht kahnes kann nunmehr der Rest der Zicgel- ladung gelöscht werden. Auch hat man jetzt damit begonnen, die Bruchstellen des Sch.ffs- rumpfes provisorisch auszubefseru, um dadurch die Möglichkeit zu schaffen, den Koloß im ganzen abschleppen zu können. Zu diesem Zwecke soll auch, soweit angängig, der Kahn ausgepumpt werden. Königsbrück. Das Kgl. 12, Infanterie- Regiment Nr. 177 hält in der Zeit vom 19. bis mit 21. April täglich von 7 Uhr vorm. bis 3 Uhr nachm. aus hiesigem Gefechlsschieß- platze Gruppenschießen ab. Großröhrsdorf. Ein seltenes Doppel jubiläum feierte der Weber Jul. Schurig nebst Frau in Großröhrsdorf die goldene Hochzeit und das 60jährige ArbeitsjubilSum. Zahl reiche Ehrungen wurden dem Jubelpaar zu teil, die ihren Höhepunkt erreichten, als sein Ches, Herr Adalb Boden, Inhaber der Firma C G Boden und Söhne, selbst mit Familie bei seinem treuen Arbeiter und Arbeiterin er schien und ihnen einen namhaften Geldbetrag überreichte, der den beiden biederen Alten einen sorgenlosen Lebensabend verspricht. Elsterwerda. Drei Schulknaben aus dem benachbarten Biehla, darunter die beiden Söhne eines Schrankenwärters, warfen mit Steinen nach dem kurz vor V, 7 Uhr die hiesige Toten brücke passierenden Personenzuge und zer trümmerten mehrere Fensterscheiben. Paffagiere wurden glücklicherweise durch die leichtsinnige Handlung nicht verletzt. Geringswalde. Zirka 7 Wochen sind nun vergangen, seit die hiesigen Stuhlarbeiter (750 Mann) wegen Nichtbewilligung ihrer Forderungen in den Streik eingetreten sind. Nach kurzer Zeit wurden seitens der Fabrikanten die Holzarbeiter der Orte Waldheim, SchweikerS- hein, Leisnig und Hartha ausgesperrt, so daß sich seit dieser Zeit 1400 Stuhl- und Sofa- bauer, Tischler Polierer, Drechsler, sowie Maschinen- und Hilfsarbeiter im Ausstand be finden. Infolge des Vorgehens der ersteren reichten nachträglich noch die Sattler und Tapezierer ihre Forderungen ein, erhielten aber von den Fabrikanten keine Antwort. In sämtlichen beteiligten Orten ist die Situation noch wie am Anfang des Streiks. Der ganze Lohnkampf geht in der größten Ruhe vor sich. Wie am ersten Tage, so auch heute noch be folgt jeder seine Anweisung und läßt sich täglich beim Streikbureau seine Karte stempeln. Der Mietzins ist auch beglichen, deshalb sieht man unter den Streikenden der Zukunft ruhiger entgegen. Die Unterstützung der Streikenden wird prompt ausgezahlt. Sämtliche Arbeiter sind organisiert. In Waldheim haben drei streikende Arbeiter Strafmandate erhalten wegen groben Unfugs, doch haben sie Berufung ein gelegt. Wahren. In einer Wasserlache in der Nähe des sogenanten Hundewasiers wurde der Leichnam einer Frau ausgesunden und be hördlich aufgehoben. Es scheint die Leiche einer Jngenieurßeheseau zu sein, welch letztere schon seit Februar aus ihrer Wohnung in der Rudolfstrahe in L.-Kleinzschocher vermißt wird. Eibenstock. Aus dem hiesigen Bahnhof wurde ein Meeraner Handelsmann verhaftet und ihm ein Posten Stickseide im Werte von 800 Mark abgenommen. Der der Hehlerei verdächtige Handelsmann will die Seide von hiesigen Stickern gegen Lieferung von Blusen stoffrestern, Schürzen rc erhalten baben. In der Wohnung des Verhafteten wurde eine Haussuchung vorgenommen, welche weiteres be lastendes Material von bedeutendem Umfange zu Tage förderten. Der Gesamtwert der in Frage kommenden Seide beträgt einige Tausend Mark- Die Angelegenheit ist der Staats anwaltschaft übergeben worden. Schönhaide. Auf der Straße von Eiben stock nach Schönhaide gingen am Freitag abend die vor einen Möbelwagen der Firma Möbel fabrik Seidel in Auerbach gespannten Pferde durch. Der mit auf dem Wagen befindliche Buchhalter der genannten Möbelfabrik rettete sich durch Abspringen, während der Geschirr führer vom Wagen geschleudert und überfahren wurde. Dem Unglücklichen war der Brustkorb eingedrückt worden. Auch am Kopfe hatte er schwere Verletzungen. Der Tod trat sofort ein. Werdau. Hier ist der seltene Fall zu ver zeichnen, daß kurz hintereinander vier betagte Ehepaare ihre gotdene Hochzeit feiern. Es sind dies Wollabwiegcr Eduard Gotthilf Möstel und Gattin Christiane Friederike geb. Lorenz, Fleischermeister Johann August Klopfer und Gattin Johanne Christiane geb. Klopfer, Webermeister Karl Friedrich Thomas und Gattin Friederike Wilhelmine geb. Oberländer, sowie Tuchmacher Christian Gotthilf Fröhlich und Gattin Friederike Henriette geb. Fuchs. Brüx. Nach den neuesten Meldungen be trägt das Defizit der Landwirtschaftlichen Spar- und Vorschußkaffe in Brüx 2H, Mill. Kronen. Ein achtgliedriger Ausschuß hat mit dem staatlichen Revisor Formagini und dem Revisor der Zentralbank der deutschen Spar kaffen in Böhmen, Schöpp, mit der Prüfung des Status der fallierten Kaffe begonnen. Das Komitee gedenkt, die kleineren Einleger voll und ganz befriedigen zu können, während die Einleger, welche Einlagen bis 300 Kronen haben, 3 Prozent, bis 1000 Kronen 10 bis 15 Proz. und über 1000 Kronen 20 bis 25 Proz, für die Sanierung nachlassen sollen. Nus der Woche. Die Operettenkonferenz im Süden war eben zu Ende; gelangweilt sah die Welt nach allen Richtungen umher, was ihr wohl nun Stoff bieten würde für die Medisanee, den Spott und das Befferwissen, da erzitterte die Mutter Erde in ihren Festen. Als wenn 10000 Kanonen zu gleicher Zeit gelöst und die finstere Hölle ihren Schlot gleichzeitig entlade, so erinnerte sich der nimmerrastende Vesuv seiner fast ge schichtlichen Aufgabe. Die Einzelberichte haben bereits genügend die Schrecknisse der letzten Tage geschildert. Der alte finstere Höllen bursche, der schon seit Jahrtausenden eine un heimliche Existenz führt und seine erste ent setzliche Tat 79 nach Christi auüführte indem er bei einer gewaltigen Eruption die beiden römischen Villenstädte Pompeji und Herkulanum urplötzlich mit Asche, Schlamm und Lava über goß und im Nu alles Leben tötete, er ha! seitdem mit seiner Tätigkeit nie ganz geruht und wenn er auch während der 18 Jahr hunderte niemals solche Katastrophen herbei führte wie damals und heute, und während er anderseits durch stetes Oualmen, Donnern, Lohen und Auöwerfen von Lava und Aschen regen an seine furchtbare Macht erinnerte, so hatten doch seine Bewohner, die sich oft bis in die unmittelbare Nähe des Kraters festgesetzt hatten, ihre Stätten liebgewonnen wie der Hulligbewohner. Der ewig heiße Boden und die neuerdings leichte Beschaffung von Wasser, machte die Gelände seines fürchterlichen Gebiets zum einzigen Ursprungsort de- lieblichen Weins» Lacrimae Christi und mochte die Lava Jahr um Jahr die Weingelände zerstören —, der wackere Vesuviote machte neue Stellen für seinen Weinbau ausfindig. Der Höllenbursche aber wuchs im Laufe seiner historischen Existenz zu einer Höhe von 1280 Meter empor. Bei seinem jetzigen Ausbruch wurde der obere Teil des Kegels in einer Höhe von 200 Meter glatt abrasiert. Die Zahl der zerstörten Ortschaften, der alles grau in grau hüllende Aschenregen, drr sich nicht nur in der weitesten Umgebung von Neapel, sondern sogar bis zur dalmatinischen Küste geltend macht, die kolossale Anzahl der Getöteten und die 150 000 Flüchtigen, die sich weithin in die Täler ergießen, geben ein gewaltiges Bild der Riesenkatastrophe. — Was die Woche sonst noch brachte, das scheint, an der großen Vesuvkatastrophe gemessen, öde, klein und unbedeutend. Die furchtbar ver worrene Lage in Oesterreich zeigt einige Licht blicke, die auf eine Lösung des Knotens hin zuweisen scheinen. Die vereinigten Deutschen haben herausgeknobelt, daß ihnen auf alle Fälle die Mehrheit verschlossen ist. Die Regierung ist nun auf den rechnerisch sonder baren Ausweg verfallen noch 25 Mandate zu schaffen und davon 7 den Deutschen zu über lasten. Alsdann hätten die Deutschen 212 die Slawen aber 233 Mandate. Der Vorteil der Deutschen würde darin bestehen, daß die Deutschen unter sich einig sind und durch die Uneinigkeit ihrer Gegner hier und da einen Happen erhoffen dürfen. — In Ungarn ist urplötzlich das Ministerium Wekerle als Nach folger FejervaryS vom Kaiser bestätigt worden und seine besten Köpfe: Kostuth, Andrasty und Apponyi haben Portefeuilles erhalten. Werkerle ist ein sehr braver Mann. Im Jahre 1883 ließ er mehrere in Ungarn wohnende Teil nehmer am Rumänenkongreß in den Kerker werfen, wo viele von ihnen heute noch schmachten. — Natürlich wird von beiden Seiten die Sache so gedreht, als ob jeder der Sieger wäre. Daß es sich bei s der Opposition und Koalition um eine Sache des schäbigsten Machtkitzelö handelt, zeigt die von den neuen Regenten geforderte Bedingung, die neue Wahlvorlage innerhalb zweier Jahre (statt etwa zweier Monate) durchzusetzen. Ja, die Herrschaft schmeckt süß. — Nach den ungeheuren An strengungen der Diplomatie, Anstrengungen, die sogar zu einem Ohnmachtsanfall unseres lieben Fürsten Bülow im Reichstag führten, ist von der Diplomatie in der nächsten Zeit nichts zu hoffen, die muß sich erst erholen. — In Rußland sind die Vorwahlen zur Reichsduma nahezu beendet und haben, wie vorauszusehen war, in den großen Städten zu einem voll ständigen Siege der konstitutionell-demokratischen Partei geführt. Die Bäume werden trotzdem nicht in den Himmel wachsen. — Der neue König Haakon ist mit seiner neuen Schlafstelle unzufrieden, besonders da seine Frau, die Prinzessin Maud, etwas anspruchsvoll ist. Er hatte beantragt, man sollte ihm das alte Königsschloß Ringkjolm Herstellen und zum Wohnen einrichten lasten, aber die Sache sollte 60 000 Kronen kosten, das haben die lieben Norweger ihrem neuen Könige rundu eg ab gelehnt. — In Nordamerika, wo man bei der Verheiratung der „Prinzessin" Alice Roose velt von allen Ecken und Enden Brautschätzt zusammenschleppte, ist offenbar das „monarchische Prinzip" stärker entwickelt. — Auf der ein berufenen zweiten Friedenskonferenz im Haag soll besonders die Abrüstungsfrage gründlich er örtert werden. So wenig Zutrauen man auch zu einem Erfolg dieser Bestrebungen haben mag, so wird man doch sagen müssen, daß die Konferenz von Algeciras bedeutend überstrahlt werden würde. — Rußland braucht zwei Milliarden, Frankreich und Oesterreich werden so liebenswürdig sein, dafür in die Tasche zu greifen. Zwei Milliarden ist kein Pappenstiel.