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l>—— s Erscheint Dienstags, Donnerstags und Sonnabends abends. Bezugspreis: monatlich Pfg., Zweimonatlich 8v Pfg., vierteljährlich l^o Mark. O Einzelne Nummer w pfg. o - H Unterhaltungs- und An zeigeblatt Wochenblatt und Anzeiger Neueste Nachrichten Bezirks- und General-Anzeiger kl Annahme von Anzeigen bis spätestens Mittags Uhr des Lrscheinungstages. Preis sür die Spaltzeile io pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen Preisermäßigung. wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel". „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. No. 102. Sonntag, den 23. August 1906. 7. Jahrgang. Vertliches und Sächsisches. Gttendorf-Dkrilla, de» 22. August 1408' —* Die Marienfäden haben bereits ihren Eiligen Schaukelflug begonnen. Im Volks glauben handelt es sich hie: bei nm Gespinste, die von Alraunweibchen geliefert werden, also »an kobaldartigen, gespenstigen Wesen. Diese Alraunweibchen, auch Huzelweibchen oder Weidenjunpfern genannt, waren uralte Weibchen, !°daß der Name „Altweibersommer" vollauf ^rechtlgt erscheint. Vielfach aber nennt man birst fliegenden Fädchen auch „fliegenden Sommer", „Fraucnsommer" oder „Marien- södchsn", und hier können wir wieder v-r- blgen, wie sich die Bedeutung gewißer Natnr- vorgänge unter dem Wandel der religiösen Vorstellung ebenfalls ändert. Im Anschluß an den althergebrachten, noch aus der Heidenzeit flammenden Begriff des „Altweibersommers" Wurde zunächst ein „Frauensommer." Und da iur Mittelalter alles mögliche mi! „Frau" be- iüchnete wieder mit dem Begriff „unserer lieben Frau", d. h. Maria zusammengeworfen Wurde, so wurde aus dem „Frauensommer" Beßlich ein „Mariensammer" und die „Marien- ilidchen." In der Wahrheit handelt es sich be kanntlich bei diesem Gespinst um das Er- i'ugnis winziger kleiner Spinnen, die di se isäden dazu benutzen, um auf ihnen zwecks Hochzeit eine kostenlose und ost viele Meilen stuge Reise zu machen. Im Volksmunde Wen diese kleinen Webekünstlerinnen „Gücke- stinnen", und zwar soll eS eine besonders günstige Vorbedeutung sein, wenn sich solch Tpinnlein auf seiner R-ise an uns sestsetzt ü»d dabei über unsere Stirne krabbelt. Aber 'we Bedingung ist dabei: man darf sie nicht Zwischen, sondern muß warten, bis sie f'lbst wieder weiter fliegt. —* Pilzgenuß und Pilzvergiftung. So vi<l °üch seitens der Presse und der Behörden zur Frucht im Genüße von Pilzen gewarnt wird, st vergeht doch kein Jahr, in dem Nicht von Hweren, ja tödlich verlaufenden Vergiftungen ^richtet wird. Die Pilzvergiftungen gehören i» den Erscheinungen, die dem Forscher, d<M Botaniker sowohl wie dem Arzt», ständig ü'Ue Rätsel aufgeben. G. sundheitSschädigungen stnnen nicht allein durch di« Gifipflanze an lind für sich hervorgerufen werden, sondern Ach durch verdorbene Ware, durch von Schimmelpilzen und Bakteiien zersetzte. Doch and derartige Erkrankungen selten im Vergleich iu den eigentlichen Pilzvergiftungen. Ver irrend wirkt es, daß gewiße Pilze bei manchen Personen giftig wirken, bei andern nicht, so svurde der Knollenblätterschwamm und der Niegenpilz vor Zeugen ohne Gesundheits- Men verspeist,' die Giftpilze sind daher nicht ^mer giftig. Sie zeigen auch beim Tier- versuch nicht immer die gleiche Giftigkeit, ^eikmale. welche die giftigen Pilze mit Sicher et erkennen laßen, gibt es leider nicht. Die landläufigen ErkcnnungSmerkmale, wie das Abkochen einer Zwiebel, das Eintauchen eines ülberntn Löff.lS in dos Pilzgericht sind werl- sti; die Bräunung des Löffels weist höbstens "uf Fäulnisstoff, w e Lchwe-elwaßerstoff, hin. Vorzüge der Pilze bestehen darin, daß sie 'l» schmackhastes Gericht abgeben, das nahrhaft wenn es mit Eiern, Mehl und Butter zu- derntet wird. Im übrigen ist ihr Nährwert jing, er gleicht dem grünen Gemüse, weil sie 90 Prozent aus Woßer bestehen, ihre Aus- Atzbarkeit ist schlecht, namentlich die d'S Slick- "vsfea, manche Arlen, wie die harten, ledcr- "iigen, sind auch schwer verdaulich. Die Ängste und gefährlichste Vergiftung ist die durch den Knollenblätierschwamm, dec um so jährlicher wirkt, weil die Symlome spät, oft 'vst nach 48 Stunden nach dem Genüße auf- lreten und inzwischen keinerlei Anzeichen auf -st schon eingetretene Vergiftung Hinweisen. nun die ersten Vergistungszeichen auf- ^>en, ist das Gist meist schon aus dem Darm in die Körpersäfte übergetreten und die Hilfe kommt zu spät. Die Häufigkeit brr Vergiftung erklärt sich aus der Ähnlichkeit mit dem eß baren Champignon, Fliegenpilzvergiftungen sind demgegenüber selten. Die Symtome der Vergiftung bestehen in Magendarmerscheinungen, Brechdurchfall, Kräfteverfall, Ausregungszustand und Bewußtlosigkeit. . Zur Verhütung der Vergiftung hat man neben der Belehrung die marklpolizeiliche Uebcrwachung des Pilzveikaufs vorgeschlagen. Vom Marktverkehr sollen alle Pilze ausgeschloßen sein, die schwierig von giftigen derselben Art zu unterscheiden sind. Nur junge Exemplare sollen Verwendung finden, alle ausgewachsenen und sehr wässerigen P lze sind zu vei werfen. —* Es wird allgemach stiller um uns! Schon rüsten sich die Vögel zum Fluge nach dem Süden. Nicht lange mehr, so folgen die Schwalben — die übrigens zum Teil schon uafgebrochen sind — weiter die Grasmücken, die Pirole, die Nachtigallen, der Kuckuck, der Storch und alle die andern. Jahr sür Jahr hoben wir G-lcgenheit, dieses Scheiden der Vögel, ihren Zug nach Lüden zu beobachten, aber dennoch ist das Problem der Herbst wanderung nach wie vor noch ungelöst. Man Hilst sich ja in solchen Fällen mit dem schönen Worte Instinkt. Indes darf man auch hier mit Reckt sagen, daß, wo die Begriffe fehlen, sich ein Wort zur rechten Zeit einstellt. Denn wir haben mit dem Worte Instinkt eigentlich nur an die St-lle des ersten Rätsels ein anderes gesetzt. Wer sagt den Vögeln, daß nunmehr die Zett der Abreise gekommen ist? Wer bezeichnet ihnen den Weg, den sie nehmen müßen? Und wr vor allen Dingen dient ihnen zum Führer, um sie im nächsten Jahre wieder in die alte Gegend zurück zu geleiten? An Störchen hat man, indem man ihnen Ringe am Bein befestigte, den Beweis erbracht, daß tatsächlich dieselben Exemplar« im nächsten Jahre ihr altes Nest wieder aussuchen. Ebenso beweisen die Brieftauben die Fähigkeit der Vögel, eine viele Meilen weite Reise zu voll- führen und dennoch mit Sicherheit wieder zum alten Heim zurückzukehren. Man hat zur Erklärung dieses Problems auf die Luft strömungen hingewiesen. Aber abgesehen davon, daß deren Konstanz nicht bewiesen werden kann, ist die Erklärung schon um deswillen uicht aus reichend, weil sie vorauösetzt, daß die Vögel stets in einer bestimmten Luflhöhe reisen. Eher an gängig erscheint eine andere Erklärung, die auf den außerordrnllich ausgebildeten Gesichtssinn der^Vögel hinweist. In der Tat ist dieser ja oft phänomenal zu nennen. So beispielsweise bei den Raubvögeln. Immerhin dürfte aber auch diese Deutung kaum genügen. So stehen wir denn noch heute wie unsere Ahnen vor Jahrhunderten und Jahrtausenden vor dem Wanderfluge der Vögel, ohne ihn uns recht er klären zu tonnen. —* Reinigung des Obstes Die Obstsaison steht wieder einmal in voller Blüte. Jung und alt labt sich an den köstlichen Gaben Pomonas; aber nur wenige bedenken, daß auch das Obst eßen im Sione der Hygiene eine Kunst ist, die gelernt sein will. Es ist eine bekannte, leider nicht genug gewürdige Tatsache, daß rohes Obst an seiner Oberfläche allerlei Krankheitökeime trägt, und manche Störung der Verdauungsorgane im Sommer mag daranf zurückzusühren sein. Deshalb und nicht minder aus ästhetischen Gründen sollte rohes Obst vor dem Genüße stets gereinigt werden. Man achte nur einmal daranf, in welchen nicht weniger als sauberen Zustande man das Obst erhält- An den klebrigen Früchten haften Schmutz, Ruß, Staub und andere oft nicht definierbare Partikelchen, und trotzdem denken die wenigsten daran, diese unoppetitlich'N und leider ost auch bazillenhaltigen Stoffe abzuwaschen. Frisches Obst sollte mindstenS einmal gründlich gewaschen werden, am besten unter fließendem Wasser, wobei man es zweckmäßig etwas durcheinander schüttelt. Man oll übrigens nur die zum unmittelbaren Geyuß bestimmten Früchte waschen, weil lange naß gehaltenes Obst leicht schimmelt und dadurch ungenießbar wird. Birnen, Aepfel, Aprikosen, Pfirsiche sollten stets geschält werden. Dresden. Ein Mord- und Selbstmord versuch wurde vorgestern abend im Grundstücke Ostra-Allee 6 unternommen. Der vor einigen Tagen erst aus dem Krankenhause entlaßene 20jährige Hausdiener Paul Krüger gab auf das 17 jährige Hausmädchen Marta Leinert einen Revolverschuß ab, der das Mädchen leicht an der linken Brustseite verletzte. Darauf euerte er zwei Schüße auf sich ab und traf sich n die rechte Kopfseite, doch waren die Verletzungen nicht lebensgefährlich. Als Grund zur Tat gab Krüger an, daß das Mädchen nichts wehr habe ron ihm wißen wollen. Beide Verletzte wurden dem Sladtkrankenhause zu geführt. Bühlau. Eine Diakonie-Schwester der Dresdner Kinderheilanstalt, die vorgestern ihren langersehnten Urlaub antrat und daraufhin in Bühlau ein Zimmer suchte, stürzte nach dem Betreten eines Hauses in ein offenes Kellerloch des Hausflurs und zog sich eine schwere Fuß verletzung zu, die ihre Ausnahmi in eine Klinik nötig machte. Königsbrück. Auf dem Gefechtsschießplatz bei Königsbrück werden vom 24. August bis 27. August das 3. Bataillon des Schützen- Regiments Nr. 108 und am 28. and 29. August das 2. Bataillon des 3. Infanterie- Regiments Nr, 102 täglich von 7 Uhr Vorm, bis halb 3 Uhr Nachm. Schießen in größeren Abteilungen abhalten. Oberstei na. Der noch nicht 20 Jahre alte Maurer Alfred Prescher verunglückte am Dienstag nachmittag r/,3 Uhr bei einem Haus- Reparaturbau. Der bedauernswerte junge Mann erlitt durch eine einstürzende Wand mehrere Beinbrüche und schwere innere Verletzungen. Letztere führten nach einigen qualvollen Stunden den Tod herbei. Oberlichtenau. Am Sonntag hielt der Verband freiwilliger Feuerwehren der Amts hauptmanschaft Kamenz hier seinen 27, Verbands tag ab. zu welchen 15 Wehren mit 300 Mann in dem reichlich geschmückten Orte eingetroffen waren. Mittags 11 Uhr 3o Minuten wurden durch die Feuerwehr von Ober- nnd Nieder- lichtenau Schulübungen im Fnßdienst und an Geräten vorgesührt, denen sich ein Sturm angriff anschloß. Bautzen. Dem Dachdecker Berger aus Kamenz, der dieser Tage auf Bahnhof Groß postwitz überfahren worden ist, mußten im hiesigen Krankenhause, wohin er überführt worden war, beide Beine abgenommen werden. Der 34 jährige Mann hat das Unglück selbst verschuldet indem er auf einen schon in Abfahrt befindlichen Zug noch aufspringen wollte, dabei zu Fal gekommen ist und überfahren wurde. Wünschend» rf. Mittwoch ging hier ein mit drei Personen besetzter Luftballon des Deutschen Aeronautenklubs zu Berlin nieder. Nach glücklicher Landung und Bergung des Ballons konnten die Luftschiffer die Rückreise per Bahn antreten Coswig. Ein schwerer Aulomobilunfall trug sich wie das „M. T." meldet, am Mittwoch vormittag gegen 11 Uhr hier zu- Auf der Landstraße Meißen—Dresden kam von Meißen her ein größeres Auto in rascher Gangart gefahren. Als es unter der Bahn weggefahren war und kurz vor dem Stand- fußschen Gasthofe die Biegung des Weges nehmen wollte, stürzte es um. Das linke Hinterteil des Wagens wurde vollständig zer trümmert. Die Jnsaßen waren Meißner, dt- fich auf einer Geschäftsreise nach Schlesien be fanden. Schwer verletzt wurde der Besitzer des „Cafä König" in Meißen, Talstrabe, Herr Augst Er saß auf dem zertrümmerten Teile des Wagen«. Der ihm gegenübersitzende Gast wirt Stübner aus Zschella, wie der Führer, Zahntechniker Knoblauch, kamen ohne Schaden lavon. Augst wurde besinnungslos ausgehoben, er war aus dem Wagen geschleudert worden. Ein von Dresden kommendes Automobil nahm den Schwerverletzten auf und fuhr ihn nach Meißen in die Wohnung des vr. meck. Zimmer mann. Hier wurde ihm alle erdenkliche Sorg- alt zuteil. Der Arzt stellte mehrere Rippen brüche fest. Die Rippen waren in die Lunge eingedrungen. Nach fast einstündiger Mühe um den Verletzten, an deßen Aufkommen vor läufig noch gezweifelt wird, brachte man ihn mittelst Krankenwagens ins städtische Kranken haus. Erst am Tage zuvor war seine Gattin nach überstandener Krankheit aus ihm entlaßen worden. Wem die Schuld am Unfall trifft, ist noch nicht festgestellt. Besitzer deS Wagens ist der Mechaniker Schröbler, Bismarckstraße, der selbst nicht an der Fahrt teilnahm. Zeithain. Am Donnerstag war beim Spielen am Dorfteiche das vierjährige Söhnchen der Familie Bergmann hier ins Wasser gefallen und untergesunkcn. Zwei vorübergehende Husaren der 4. Eskadron des Großenhainer Husarenregiments hatten den Unfall bemerkt, sprangen sofort in den Teich und es gelang ihren nach großen Anstrengungen, das bereit- bewußtlose Kind aufs Trockene zu bringen. Die angestellten Wiederbelebungsversuche hatten glücklicherweise Erfolg. Leipzig. Von schwerem Herzeleid betroffen wurde die Familie des Ungerstraße wohnhaften Metalldrückers Adelung. Das vierjährige Söhnchen Kurt Adelung stürzte gestern nachmittag bei einem kurzen Alleinsein au» einem Fenster der im vierten Stock gelegenen elterlichen Wohnung in den Hof hinab. Hierbei fand das arme Kind den Tod. Es hatte wahrscheinlich nach der Mutter sehen wollen und sich zu weit zum Fenster hinausgebeugt. Kurz nachdem di« Mutter zurückgekehrt war, brachte man ihr de» toten Sohn in die Behausung. Buchholz. Der altrenommierte Gasthof Zum sächsischen Hof ist durch Feuer zerstört worden. Bis gegen 1 Uhr waren Gäste im Gastzimmer anwesend, kaum eine halbe Stunde später stand bereits der ganze Dachstuhl in Flammen. Es wird böswillige Brandlegung angenommen, die wahrscheinlich während des noch stattfindenden Verkehrs in der Gaststube vorgenommen worden ist. Während glücklicher weise die Familie des Besitzers, sowie da« Dienstpersonal und die im Gasthofe über nachtenden Fremden gerettet werden konnten, ist am Mobiliar großer Schaden entstanden. Der Gasthof befand sich im Umbau und war zu diesem Zweck noch mit einem Gerüst um geben. — Ein in einer hiesigen Fabrik beschäftigter 15 Jahre alter Arbeiter hatte sich seine Bein kleider mit Terpentin gereinigt. Durch herab tropfenden Siegellack gerieten die Beinkleider sowie die übrigen Kleider in Brand, durch den er derart verletzt wurde, daß er nach mehreren qualvollen Stunden seinen Geist aufgab. Zwickau. Die alte Kirche zu Planitz, welche 400 Jahre alt und seit 30 Jahren nicht mehr in Verwendung ist, sollte abgebrochen werden. Nach neueren Beschlüssen wird sie restauriert, sür gottesdienstliche Zwecke wird sie auch in Zukunft nicht mehr verwendet. Plauen. In einem Abteil des am Mittwoch vom unseren Bahnhof in der Richtung nach Weischlitz fahrenden Schnellzuge entstand zwischen zwei den besseren Ständen angehörenden Reisenden eine wüste Schlägerei. Die beiden, aus Gera bezw. Kaßel gebürtig, waren wegen der Platz frage in Streit geraten, in deßen Verlauf der Kaßele dem Geraer Ohrfeigen versetzte. Eine im selben Abteil sitzende Dame wurde ohnmächtig und erholte sich erst später wieder. Der Zug mußte zum Stehen gebracht werden. Nachdem die Personalien festgestellt worden waren, setzte sich der Zug wieder in Bewegung.