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Ehe die Londoner Konferenz begann, hatte der eng lische Schatzkanzler — wie mag er jetzt aufgeatmel haben, daß ihm so etwas wie eine Regelung der Schulden nn Amerika wenigstens für den Augenblick gelang! — «inen Satz über die damals noch bevorstehenden Verhand lungen geprägt, der so außerordentlich vernünftig ist. daß man sich auf der Konferenz sicherlich — nicht danach richten wird! Neville Chamberlain hatte nämlich vor dem Unterhaus geäußert: „Wenn wir nicht einen Teil unserer Vorurteile beiseite st el len können, wenn wir nicht — ein jeder von uns — bereit sind etwas aufzu geben, um zu Übereinkommen mii anderen zu gelangen, wenn, kurz gesagt, diese Konferenz nicht den Zweck erreicht, der sie zusammen gebracht hat, unter den Erwartungen und Hoffnungen der ganzen Welt, dann würdr es tatsächlich gut gewesen sein, wenn die Konferenz nie mals einberufen worden wäre, und wir könnten dann die Hoffnung begraben, noch zu unserer Zeil aus der Depression und der Not herauszukommen." Da wir nun schon einmal beim Zitieren sind — wie würde übrigens ein Satz dieses als Redner unsagbai trockenen Schatzkanzlers wohl ausfallcn, wenn er nicht wie der obige es angeblich ist, „kurz gesagt" sein soll! —, so können wir gleich noch ein zweites Zitat daranschlietzev aus dem Werk eines nicht ganz unbekannten deutscher Dichters, nämlich: „Die Worte hör' ich wohl, Allein mir fehlt der Glaube!" Der fehlt nicht bloß jenen Leuten, die aus den siebenund zwanzig vorhergehenden Wirtschaftskonserenzen der Nach kriegszeit die zur Gewißheit gewordene Erfahrung ent nommen haben, daß bei solch einer Konferenz um sl weniger herauskommt, je größer sie ist, sondern dieser Mangel an Glauben erklärte der englischen Regierung und Herrn Neville Chamberlain ausgerechnet besser Vorgänger im Schatzkanzleramt, Viscount Snowden, der einstige Gewerkschaftsführer und Ministerkolleg« seines damaligen Parteigenossen Macdonald. Auch bei ihm kam, wie bei manchem englischen Staatsmann, bei der Beurteilung der Verhältnisse namentlich in Deutsch land erst dann die Vernunft, als er — politisch bedeu tungslos geworden war. Solange er in der Mach saß, dachte er auf einer solchen Wirtschastskonse- renz — auf jener nämlich, die den Doung-Plan an nehmen und nebenbei angeblich auch noch den Krieg rest los liquidieren sollte — keinen Augenblick daran, „einer Teil der Vorurteile beiseitezustellen", oder daran, „berei! zu sein, etwas aufzugeben, um mit den anderen zu einem Übereinkommen zu gelangen". Sondern er wollte liebe, jene ganze Konferenz in die Luft flieger lassen, ehe er darin einwilligen würde, daß Deutsch land für die völkerrechtswidrige Beschlagnahme, Ver schleuderung und Zerstörung deutschen Privateigen- tumsinEngland während des Krieges nun einiger maßen entschädigt wurde. Das war eine der übelster Kriegs„taten" Englands gewesen, aber noch übler wm die Weigerung Snowdens, jenen Völkerrechtsbruck wenigstens zu einem Teil gutzumachen. Und ganz Eng land billigte damals Snowdens Verhallen. An diesen Ausbruch des sittlich nicht gerade hoch stehenden englischen Egoismus darf man vielleicht er innern, wenn Snowden jetzt gegen die englische Regie rung den zweifellos zutreffenden Vorwurf erhebt, sie vor allem wolle „hinter den Wällen derSchutz- zölle die nationalen Interessen sichern", und aus den Äußerungen Macdonalds schon vor der Konferenz gehe ganz klar hervor, daß die englische Negierung entschlossen sei, ihre auf den Beschlüssen der „Empire"-Konferenz von Ottawa aufgebaute Handels- und Zollpolitik aufrechi- zuerhalten. Etwas bissig fügt Snowden hinzu: „So sieht also in der Praxis die Methode aus, die die bri tische Regierung bei der sogenannten „Neuorientierung des internationalen Handels" anzuwenden gedenkt!" Man muß dies zur Notiz nehmen, auch wenn dieser Hin weis aus dem Munde eines Mannes kommt, der in Opposition zu der gegenwärtigen englischen Regierung und damit auch zum Konferenzpräsidenten steht. Aber England steht mit derartigen handelspolitischen Vorbehalten keineswegs allein auf der Konferenz da. Auch Frankreich, das gerade den Handelsvertrag mit feinem besten Kunden, der Schweiz, gekündigt hat, will sich auf diese Weise von den letzten vertraglichen Zoll bindungen befreien, um an die seit langem sehnlichst gewünschte Neuordnung — lies: Erhöhung — der eigenen Zolltarife heranzugehen. Frankreichs Industrie ist nicht gerade sehr konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt und man strebt daher lieber eine Sicherung des B i n n e n m a r k t e s an, der — und hier liegt die Ähnlichkeit mit dem englischen Vorbehalt — sich ia über ein riesiges Kolonialreich erstreckt; das ist nicht bloß für die „autarke" Erzeugung, sondern auch für den Warenabsatz von größter Bedeutung. Bloß stimmen die hier verfolgten zoll- und handelspolitischen Ziele nicht recht mit denen überein, die als „Zollabbau" und „Reorgani sierung des internationalen Handels" auf dem Pro gramm der Londoner Konferenz stehen! Und Amerika? Dort Hai man an der Belebung des Außenhandels nicht mehr das starke Interesse wie früher, weil man der Ansicht ist, daß — mit Hilfe der Dollarentwertung — der amerikanischen Wirtschaft nur vomJnlandherentscheidendgeholfen wer den könne. Die Jnflationsfurcht hat denn auch schon gewirkt: Die Flucht in die Sachwerte, teilweise bedeu tende Produktionszunahme, Aufschwung des Verkehrs, hier und da über die Dollarentwertung hinaus gesteigerte Preise, kurz alles, was dieJnflalionin einem Volke mit sich bringt, das derartiges nicht kennt, oder — über schätzt. Also von dieser, der Dollarwährungs-Seite her gibt es auch für Amerika auf der Konferenz recht bedeutsame und für die Arbeit nicht gerade förderliche Vorbehalte. StiWand der Konferenzmaschme. Die Londoner Weltwirtschaftskonferenz ist noch keine Woche alt und schon zeigt sich, wie berechtigt die Befürch tungen des englischen Ministerpräsidenten Macdonald, des Vorsitzenden, und anderer Konferenzteilnehmer waren, daß die Massenkonferenz von 66 Staaten nicht einmal die Verlesung auch nur eines Teiles der von den Delega- tionssührern geplanten Einleitungserklärungen vertragen Würde. Die Vertreter von Portugal, China, Kanada, Ir land, der Türkei, Mexiko, Albanien und Peru, die am Donnerstag sprachen, sahen die graugrüne Halle kaum zur Hälfte gefüllt; die Pressebänke waren fast ganz leer. Tatsächlich ist ja auch bis jetzt nichts Posi tives zur Eindämmung der Weltwirtschaftskrise geschehen, mit Ausnahme der Darlegungen des Reichsautzenministers von N e u r a 1 h, der in ruhiger Form die dringlichsten Aufgaben dieser Mammutkonferenz zusammenfaßte. (Wir geben sie nachstehend wieder.) Inzwischen ist der französische Außenminister Paul« Boncour, dessen Geltungsbedürfnis sich allzu lange schon zur Untätigkeit verurteilt fand, in London ein getroffen, wo er sich mit gewohnter Lebhaftigkeit zunächf einmal mit den Engländern allein an einen Tisch setzst und mit ihnen die Genfer Themen französischer Formu lierüng erörterte. Daneben laufen hinter den Kulissen immer noch Ver suche interessierter Mächte, sich in den deutsch-österreichi schen Konflikt „in freundschaftlicher Form", wie man ft sagt, einzumischen. Sollten solche Versuche etwa offi ziell gemacht werden, so würden sie von Deutschland selbstverständlich abgelehnt werden; sie würden auch die „Atmosphäre" dieser überaus schwerfälligen Konferenz nur noch mehr beeinträchtigen als sie es ohnehin schon ist. übrigens hat jetzt der österreichische Bundeskanzlei Dollfuß im Gegensatz zu seinen noch vor weniger Tagen abgegebenen Versicherungen der englischen Press« plötzlich erklärt, er fühle sich nicht in hinreichendem Kon takt mit der österreichischen Regierung und werde dahei nach Wien abreisen. Obwohl er inzwischen er fahren hat, daß die christlichsoziale Landesparteileitung von Salzburg sich hinter den zurückgetretenen Landes hauptmann Dr. Rehel stellt und einen scharfer Protest gegen das Kabinett Dollfuß be schlossen hat, hat es der Bundeskanzler doch nicht so eilig, daß er auf dem schnellsten Wege nach Wien eilt; vielmehr wird er sich volle zwei Tage in — Paris aufhalten. Die Engländer haben in Londoner Konferenzkreisen durchblicken lassen, daß die kleine Abschlagszahlung von zehn Millionen Dollar an Amerika, die ja nur ein Zehntel der am 15. Juni fällig gewesenen Schuldenrate ausmacht, überhaupt die letzte Zahlung sein werde, die Groß-Britannien leiste. Man darf nicht vergessen, daß England selbst mit dieser kleinen Teil zahlung noch insofern ein gutes Geschäft gemacht hat, als es sich infolge der Kursdifferenz zwischen Gold nnd Silber einen kleinen runden „Nebenverdienst" von 2,75 Millionen Dollar verschafft hat, da es ja die Teilzahlung nicht in Gold, sondern in Silber leistet. Das ist ein weiterer Umstand, der die Verstimmung in Amerika gegenüber England verstärkt. Auch das trägt nicht gerade zur Verbefferung der Konferenzatmosphäre in London bei. Deutschlands Forderungen — Londons Aufgaben. Gegenüber den auf der Londoner Weltwirtschafts- konferenz geäußerten Ansichten von Vertretern ver schiedener Regierungen verweist man in Berliner poli- tifchen Kreisen noch einmal nachdrücklich auf die Rede des Reichsaußenministers von Neurath, die ganz bestimmte positive Forderungen stellte, nämlich: 1. Die internationalen Schulden können nnr durch Waren- und Dienstleistungen bezahlt werden. 2. Es ist zunächst eine Lösung der Finanz- und Kreditfragcn erforderlich, ehe die handelspolitischen Fragen überhaupt behandelt werden können. Die Londoner Konferenz stand zunächst nur unter dem Eindruck der Frage der politischen Schulden der Gläubigerländer gegenüber den Vereinigten Staaten. Nach Ansicht der Reichsregierung ist das eine Angelegen heit, die Amerika mit seinen Schuldnern selbst zu regeln hat; immerhin beträgt aber die Forderung der amerikanischen Regierung an politischen Schulden noch nicht ein Sechstel der weltwirtschaftlichen Verschuldung insgesamt. Gerade diese ungewöhnliche Verfchuldung ist aber die Hauptursache der wirtschaftlichen Weltkrise. Es erscheint daher gänzlich ausgeschlossen, daß die Devisenbeschränkungen, sei es in Deutschland, sei es in anderen Ländern, aufhören können, wenn nicht zuvor diese Frage der weltwirtschaftlichen Verschuldung gelöst ist. Aus diesem Grunde haben die Ausführungen des englischen Schatzkanzlers Neville Chamberlain in Berlin Beachtung gefunden, der nicht weniger als drei mal wiederholt hat, daß der internationale Kredit wiederhcrgestellt werden müsse. Unter keinen Umständen aber wird man im Aus land erwarten können, daß sich die Reichsregierung noch einmal zur Übernahme neuer Schulden Vergeben würde, um auf diese Weise ihre Zahlungsbilanz auszuglcichen. Im engen Zusammenhang mit der gesamten Schul denbereinigung steht übrigens auch die Frage der Währungssthbilifierung. Sie muß zuvor gelöst werden. Dumping, d. h. Schleuderausfuhr infolge des Abgleitens vom Goldstandard, ist das Handels hindernis, um dessen Beseitigung man sich in London bemüht. * Böswillige Schuldner. Frankreich und Polen verweigern wieder die Zahlung. Die französische Negierung hat ihren Botschafter in Washington angewiesen, zu erklären, daß Frankreich die Junirate ebensowenig bezahlen werde wie die Dezemberrate, solange nicht eine Gesamtlösung der Schuldenfrage gefunden sei. Auch Polen hat die Aufforderung Amerikas zur Bezahlung der Kriegsschuldenrate erneut abge lehnt mit der Begründung, weder die Lage vom Dezem ber 1932, wo Polen die damals fällige Zahlung ver weigerte, noch die damals von Polen angeführten Gründe hätten sich inzwischen geändert. Die Zahlungsverweigerungen dieser beiden aus gesprochen böswilligen Schuldner gehen uns inso fern nichts an, als es Amerikas Sache ist, zuzusehen, wie es wieder zu seinem Gelde kommt, das es damals im Kriege mit vollen Händen vor allem an Frankreich gab, um Deutschland auf die Knie zu zwingen. An dreierlei aber mutz man sich in Deutschland angesichts dieser Hal tung der beiden Länder in der Schuldenfrage immer wieder erinnern: erstens handelt es sich bei Frankreich und Polen um Länder, die alljährlich in ständig steigendem Maße den phantastischen Anteil von nicht weniger als 30 bis 40 Prozent ihres gesamten Staats haushaltes allein für die immer größere Auf rüstung ausgeben; beiden Ländern wäre es also ein leichtes, ihre Schulden abzuzahlen, zumal für Frankreich mit seinem aufgestapelten ungeheuren Goldschatz von drei zehn Milliarden Goldfranc. Zweitens hat Deutsch land jahraus, jahrein die unsinnigen Milliarden tribute gezahlt, obwohl es durch den Krieg, die In flation und die tolle Verschwenderwirtschaft seiner mar xistisch beherrschten Regierungen völlig verarmt war; unr es hat diese Milliardentribute gezahlt, obwohl eber diese Regierungen genau wußten, daß die von Deutschlani rücksichtslos erpreßten Tribute in erster Linie zur Auf rüstung der Tributempfänger verwandt wurden. Und drittens stellt diese wiederholte Zahlungsverweigerung einen ständigen Vertragsbruch dar, während es doch gerade Frankreich ist, das bei jeder Gelegenheit von der „Heiligkeit" der Verträge schwatzt, wenn es gilt, den Buchstaben des unsinnigen Diktates von Versailles gegenüber Deutschland durchzusetzen, ohne Rücksicht auf den Frieden, ohne Rücksicht auf die Wirtschaftskrise, ohne Rücksicht auf die 35 Millionen Arbeitsloser in der Welt.