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ZchimbniM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mt. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 17. Zuni ^6138. 1382. ^Waldenburg, 16. Juni 1882. Zu Bismarcks Reden. Bei Gelegenheit der Monopoldebatte im deutschen Reichstage hat der Reichskanzler Fürst Bismarck wieder einmal das Wort ergriffen, und einige sehr bedeutungsvolle Reden losgelassen. Der Kanzler hat hierbei unter Anderm Dinge zu Tage gefördert, die dem größten Theile der Bevölkerung sicherlich neu sein dürften; z. B. die Statistik der Steuer- einlreibung durch Executionen in Preußen, welche in einem Jahre bei 5,087,000 Klaffensteuer zahlen den Personen bei 1,059,839 Personen in Anwen dung gebracht werden mußte. 493,073 davon waren erfolgreich, 565,766 fielen fruchtlos aus. Welch Jammer und Elend in diesen Ziffern ruht, kann nur voll und ganz der beurlheilen, der händeringend dem letzten Stücke seines Eigenthums, das der Exe- cutor fortschaffl, nachgesehen hat. Der Abg. Richter meint freilich, daß hinter der indirecten Steuer noch ein schlimmerer Executor stehe, der Hunger, und glaubt, sich mit dieser billigen Phrase über die große Calamität eines Landes hinwegsetzen zu können. Die Reichsregierung hat diese schweren Uebelstände erkannt, sie glaubt im Tabaksmouopol eines der zweckmäßigsten Mittel erkannt zu haben, die drücken den directen Steuern in indirecte zu verwandeln und so den armen Mann zu entlasten. Die Volksver tretung freilich ist in der Mehrzahl anderer Ansicht. Das Interesse des Ganzen hat der Reichstag den Sonderinteiessen hinlangesetzt. Fürst Bismarck hat in seiner Rede am Montag dargelegt, daß er weiß, wo das Volk der Schuh drückt und darum wird auch seine Rede vom Volke in ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt werden trotz der Bestrebungen der fortschrittlichen Blätter, sie als bedeutungslos hinzustellen. Auswärtige Blätter be- urtheilen Bismarcks Reden ganz anders. So sagt die Wiener „Presse" über die Montagsrede: „Bis marcks zweistündige Rede ist eine der bedeutungs vollsten des großen Staatsmannes, weniger in den auf die Finanzpolitik bezüglichen Partien, als in feinen Aeußerungen über oie auswärtige Politik des Deutschen Reiches. Diese Stellen lauten im gegen wärtigen Augenblick geradezu wie ein Manifest an Europa, wie ein» feierliche Kundgebung wider die republikanische Propaganda eines gambeltistischen Frankreich und die destructive eines nihilistischen Rußland. Bismarck sagt, die dynastischen Interessen sichern Deutschland seine Bundesgenoffen. Die Dynastien in Deutschland selbst und außerhalb des selben fänden, Rücken an Rücken, in ihrer Solida rität eine feste Deckung. Mit besonders warmen Worten gedenkt er der Freundschaft mit Oesterreich; die Verbindung zweier Reiche, von der man 1848 und später geträumt, sie bestehe jetzt, und es werde der Glaube an ihre Beständigkeit immer schärfer sich ausprägen und immer deutlicher gestalten; in Mitte von Europa sei nunmehr eine feste Gewalt. Bismarck's Rede klingt in einen Appell an die deutsche Volksvertretung aus, den nationalen Gedan ken leuchten zu lassen und den Fractionsgeist zu beschwören." Interessant sind auch die politischen Streiflichter, an denen es der Reichskanzler nicht hat fehlen lassen. In Bezug auf das Fractionsunwesen sagte er: „Es ist gegenwärtig so weit gekommen, daß die einzelnen Fraktionen nicht prüfen, was dem Reiche, was dem Ganzen zum Gedeihen und zur Förderung gereicht, sondern daß sie nur darnach fragen, was das Fractionsinteresse verlangt! Leider hat er nur zu sehr Recht. Der Fractionsgedanke steht weit über dem nationalen Gedanken; die Opposition zeigte denn auch, daß sie sich getroffen fühlte, durch an haltendes Zischen. Früher wurden die deutschen Dynastien als die jenigen Elemente betrachtet, welche an der Zer fahrenheit der deutschen Nation schuld seien; heute setzt der Reichskanzler grade in die deutschen Dy nastien seine Hoffnung, daß die politische Einheit des deutschen Reichs Bestand haben werde, während er in dem früher so sehnlich erwünschten Reichstag den Reichshemmschuh erblickt. Erregte schon dieser dem Reichstag gemachte Vorwurf großes Staunen, so muß es ein noch größeres Erstaunen Hervorrufen, wenn einer der oppositionellen Redner, Herr vr. Bamberger, erklärt, daß er nicht gegen das Monopol sei, der Kampf werde gegen den Kanzler, nicht gegen dessen Vorlagen geführt. Was dem Volke ein solches Gebühren nützen soll, mag sich der Leser selbst beantworten. "Waldenburg, 16. Juni 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat am 15. d. nachmittags beim Fürsten Bismarck dinirt. Der Reichskanzler Fürst Bismarck hatte am 13. abends eine Besprechung mit den Abgeordneten Frei- Herrn zu Franckenstein, Frhrn. v. Minnigerode, v. Bennigsen und v. Kardoff über die geschäft liche Lage des Reichstags. Sämmtliche genannte Herren drückten dem Reichskanzler den Wunsch aus, nicht den Schluß, sondern nur eine Vertagung der Session eintreten zu lassen, damit die überaus fleißigen Arbeiten der Commissionen für die socialpolitischen Gesetze nicht verloren gehen möchten. Die Pause in der gegenwärtigen Geschäftserledigung würde hier nach vermuthlich in den ersten Tagen der nächsten Woche eintreten. Professor Mommsen ist am 15. d. von der An klage der Beleidigung des Fürsten Bismarck von der Strafkammer des Berliner Landgerichts II frei gesprochen worden. Der in der letzten Zeit vielgenannte Hamburgi sche Senatssecrelär, vr. Eckardt, ist aus dem Hamburger Staatsdienst ausgeschieden und hat mit dem Titel eines Geheimen Regierungsraths eine Anstellung in Berlin im literarischen Bureau des Staatsministeriums erhalten. Das Kanonenboot „Habicht" hat Befehl erhalten, sich von Malta nach Alexandrien zu begeben, um dort die deutsche Flagge zu zeigen und event. den deutschen Staatsangehörigen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Ein Zeichen der intimen Beziehungen, welche gegenwärtig zwischen dem Hof des Sultans und der deutschen Politik bestehen, bildet u. A. auch die Verleihung eines der höchsten türkischen Orden, des Großkreuzes des „Medschidje" an drei der höchsten Beamten unseres auswärtigen Amtes. Der Decernent für orientalische Angelegenheiten, Geheim- ralh Busch, der Schwiegersohn des Fürsten Bismarck, Rantzau und der ebenfalls mit orientalischen Ange legenheiten im auswärtigen Amte beschäftigte Graf Radolin-Radolinski haben diese Dekoration erhalten, und es ist jetzt die Genehmigung des Kaisers zur Anlegung derselben ertheilt worden. Zugleich ist dem Grafen Wilhelm Bismarck, dem zweiten Sohn des Reichskanzlers, der Medschidje-Orden zweiter Klaffe verliehen worden. Der Verbandstag der Bäcker des Provinzial- Verbandes „Nordmest," zu welchem sich 350 Theil nehmer in Hildesheim eingefunden hatten, berieth folgende Anträge, welche zu dem nächsten deutschen Delegirtentage in Stuttgart auf die Tagesordnung gesetzt werden sollen: 1) Soll dem Ueberhandueh- men des Haltens von Lehrlingen entgegengetreten werden, so daß ein dem Verbände angehöriger Meister nur zwei Lehrlinge halten darf? 2) Soll eine Petition sämmtlicher dem Centralverbande An gehörigen an den Handelsminister und den Reichstag gerichtet werden, bezweckend die Gleichstellung der Land- und Stadtbäcker in der Heranziehung zur städtischen Gewerbesteuer? Oesterreich. Nach Meldung mehrerer Blätter aus Triest treffen am Sonntag über 1000 flüchtige Europäer aus Alexandrien dort ein. In Alerandrien sind alle Generalconsuln eingeiroffen, ausgenommen der französische, dessen baldige Ankunft erwartet wird. Schweiz. Der schönen Gotlhardfeier ist jetzt der hinkende Bote nachgefolgt — überall schimpft man über die colossalen Kosten, welche die Festlichkeiten und die damit verbundenen Bewirlhungen verursacht haben. So hat die Ausschmückung in Luzern und das dort veranstaltete Feuerwerk die Summe von 14,500 und das Eröffnungs-Essen im Schweizerhof nebst den übrigen Arrangements 26,000 Francs verschlungen. Der Imbiß auf dem Rigi kostete fer ner noch 2000 Francs, was den biederen Schwei zern nun entschieden ein bischen zu viel ist. Italien. Im Quirinal zu Rom herrscht die höchste Be friedigung über den so überaus herzlichen Empfang, welcher dem Prinzen Amadeus, dem Bruder des Königs, am Berliner Hofe zu Theil geworden ist. Es wird zugleich bestätigt, daß König Humbert der an ihn ergangenenen Einladung Anfangs in Person Folge zu leisten beabsichtigte und daß bereits Vor bereitungen für die Abreise des Königs getroffen wurden; dringende Staatsgeschäfte hinderten den König aber im letzten Augenblicke an der Ausführung seiner Absicht. Doch gilt der Besuch des Königs in Berlin nur für aufgeschoben und wird einer all gemein feststehenden Annahme zufolge noch im Laufe dieses Jahres erfolgen. Der Herzog von Aosta war Ueberbringer eigenhändiger Glückwunschschreiben des italienischen Königspaares an die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Hohenzoller'schen Pathenkindes, höchst werthvoller Pathengeschenke, sowie eines präch tigen Brillanlschmuckes für die Frau Prinzessin Wilhelm. Belgien. Die Parlamentswahten in Belgien haben der liberalen Partei die Herrschaft nicht entrissen, son dern ihre Majorität um einige Stimmen vermehrt. Bisher saßen im Senate 35 Liberale und 31 Klerikale. In Gent waren die Sitze der Liberalen am meisten bedroht, indeß haben die liberalen Candidaten (4 Senatoren und 8 Abgeordnete) mit einer kleinen Majorität von 68 Stimmen gesiegt. Rußland. Aus Petersburg kommt über das Befinden der Kaiserin keine gute Nachricht. Dem neugeborenen Kinde geht es wie der Hilfe leistende Arzt vr. Krassowiski in seinem Bulletin sagt, befriedigend, „während die Kaiserin sich etwas angegriffener fühle, als sonst bei dergleichen Veranlassung. „Es muß bei der Gelegenheit erwähnt werden, daß die junge Czarin in letzter Zeit bereits mehrfach Anlaß zu Sorgen um ihre Gesundheit gab. Die dauern den Aufregungen, welche sie am kaiserlichen Hofe heimsuchten, sollen die Befürchtung wach gerufen haben, daß ein Brustleiden den schon zarten Körper der hohen Frau ernsthaft zu schwächen drohe. Aus Petersburg werden von einer eingeweihlen Persönlichkeit allerlei interessante Charaklerzüge von dem gestürzten, allmächtigen Minister, Herrn Jgna- tiew, berichtet. Darunter erscheint für das Aus land besonders einer recht interessant. Herr Jgna-