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Sonntag. Dit Z-itmrg erscheine mit Ausnahme dt« Montag« täglich und wird Rachmittag« ä Uhr au», gegeben. Prei- für da- Bierteljahr I'/, Thlr. ; jede einzelüe M«m« L'Atz», -- Nr !SV. -— 2 » Mai ISS«. Dciitschk Allgtinciiic Zciüuig. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Scseh!» Zu beziehen durch all» Postämter de« 3»- und Auslände«, sowie durch die Erpedikion in Leipzig tQuerstruße Nr. 8). JnsertionSgebühr für den Naum einer Zeile S Ngr. -Friedrich v. Gagern. (Vgl. den ersten Artikel in Nr-1l3.) — Leipzig, 24. Mai. Wir theilten unlängst die Grundzüge einer Denk- schrift Friedrich'« v^ Gagern au- dem Jahre 182F über den damaligen po litischen Zustand Deutschland« mit. Wir fügen dem heute einige Aus züge aus einee zweittnDinkschrift Desselben aus' des gleichest Zeit bei, worin, die Nbthwtttdkgkeit einer starkem politischen Einheit Deutschlands, die Utbelstände beS Mangel- «iner solchen und die Mittel und Wege, wie dahin zu gelangest, auSeinandergesehr werden. Män wird mit Interesse diese Auseinandersetzungen lesen, welche bereit- so viele Saiten anschlagen, die in unsern Tagen lauter und stärker erklungen sind, man wird leicht herau-finden, was in der allgemeinen Sachlage sich seitdem geändert, welche der hier entwickelten Ansichten da- inzwischen abgelaufene Menschenalter noch mehr bestätigt,, welche dagegen eine längere Erfahrung modificirt haben, und eine Vergleichung jener Vorschläge des jugendlichen Friedlich v. Gagern vor mehr denn 50 Jahren mit den praktischen Bestrebungen nach dem- selben Akele hin, die wir, unter der Führung seine- Bruders- in neuesttr Zeit die ganz« Nation in Bewegung setzen sähen, wird bedeutungsvolle Ein blicke gewähren, wir in die Schwierigkeit dir Ausführung so in die in nere Nolhwcndigkeit und Uüabwei-barkeit desjenigen Mittels der Eitiigung, welcht- chier vorgeschlagen und'seitdem wiederholt, in Wärt und That, er wogen und versucht worden ist. Friedrich v. Gagern beginnt mit einer Darlegung des Grundes und der Berechtigung des Nationalist Gedankens. „Da-'Streben nach politischer Einheit", sagt er, „geht sehr natürlich aus den letzten Erfahrungen und aus der Vergleichung unserer Lage mit der Lage der nachbarlichen Nätionen hervor. Aber er bedroht die Existenz der Fürsten, und sie haben e- unter die Rubrik des JakobiniSmus gebracht, weil sie die Säche nicht zur Sprache bringen wällten. Hätten die Fürstin Viesen Wunsch, der in allen Herzen ist, zur Verabredung kommen lassen, hätten sie Zeil gegeben, ihn von demokratischem Unfug zu unterscheiden, schnell würde sich eine Partei gebildet haben, welcher die jetzige Ordnung der Dinge nicht widerstanden hätte. Und wie kann der jetzige Zustand dauernd sein, da er die Meinung der Richtmäßigkeit nicht für sich hat, da keine schöne Erinnerung, kein patriotisches Gefühl für ihn spricht, da er in dem Interesse der Nation keine Sksitze findet und selbst durch äußern Glanz nicht zu käuschtn vermag? Ein Zustand, der nicht bloS das Wohl, sondern die Existenz dir Nation gefährdet, wie kann er bestehen, wenn DaS, was helfen kann) so nahe liegt? Wir können fast keine politische Saite berüh ren, ohne daß sich der Gedanke aufdringt, es würde bei uns besser sein, wenn Deutschland Ein Staat wäre. Wenn wir die auswärtigen Verhält nisse betrachten, so kann Nieznand leugnen, daß wir als Nation gar nicht zählen, denn im Gebiet der Pdlitik ist Achtung und Einfluß immer nur im Gefolge der Kraft. Im Instern stehen wir in allen Einrichtungen zu rück, welche Uebereiststimmung und Zusammenwirken erheischen. Wenn man für Deutschland gleiche Gesetzgebung, gleiche Grundsätze und Verwaltung, gleiches Abgabensystem fodert, so hat dies seinen Grund nicht in eitler Sucht nach theoretischer Einförmigkeit und Centralisirung, sondern in den Wichtigsten Interessen des bürgerlichen Leben-,' welche dabei betheiligt sind. Dit kräftigste Widerlegung jenes Einwurfs liegt in der Vergleichung mit Frankreichs Auch dort herrschte sonst groß« Verschiedenheit in den einzel nen Provinzen; aber wem fällt es ein, den alten Zustand in dieser Bezie hung zurückzuwünschen? Bei uns vereiteln Provinzialintercssen, oft auch blos Neid, und Eifersucht, jedes gemeinnützige Unternehmen. Sollest Fe- stungen erbant werden, so verhindert die Furcht vor dem Nachbar, oder auch wol die Absicht, diesem die Kriegskosten aufzuwälzen, die Ausführung Des sen, wa- dem Ganzen frommt. Sollen Straßen angelegt, Flüsse schiffbar gemacht werden, so entscheidet nicht der natürliche Gang des Handels, son dern mast sucht durch mancherlei Zwang und Hindernisse dem Nachbar die VärtheN« desselben zu entreißen und sich zuzuwenden." Er widetlegt sodann die Einwürfe, die man gegen daS Streben nach Einheit und zu Günsten des Pärticulati-mu-, der Vielstaatere!, geltend mache. Wir folgen ihm auf dieses Feld der Betrachtung nicht,' da dieses Thema genugsam durchgesprochen ist und Gründe'Und Gegengründe im All gemeinen damals keine andern waren, al« sie e- heute noch sind. Nur Das glauben wir zum Lobe der Unabhängigkeit des noch ziemlich jugend^ lichen VerfasstrS dieser Denkschrift erwähnen zu müssen- daß' sowol Fichte/ dessen gewaltigen „Reden an di« d«utsche Nation" der zum Jüngling rei- sende Friedrich v. Gagern gelauscht- als auch Frie«, zu dessen Füßen der MS dem BefttiungSkriege Heimgekehrt« ein«n Sommer hindurch in Heidel- H-ig al- eiftiytr Wrer gtsessew Hane, «in große- Gtwicht auf da- Besteh«« LSt" Einztlstaaltüüfst Dtulschland hauptsächlich au- dem Gesichtspunkte der Mannichfaltlgkei» geistiger Eultur legten, wogegen aber Friedrich V. Gagern geltend machtt nicht von den Höfen, von den Universitäten sei in Deutsch land die wahre Bildung ausgegangen, und dies« seien von jeher National- institutegewesen. Dann zu den- Möglichkeiten einer Einigung Deutschland- sich wen dend, weist Friedrich v. Gagern mit Entschiedenheit den Gedanken einer Heg«, monie Oesterreich« über Dmtfchland ab, au« ähnlichen Gründen wie dir, mit welchen denselben neuerdings sein Bruder Heinrich bekämpfte, wobei wir erwähnen müssen, daß Letzterm jene Denkschrift de- ältern Bruder« bis-zum Tode de« Vater«, der sie für sich still aufbewahrt hatte, unbekannt geblieben war. Dann, zu Preußen übergehend, sagt die Denkschrift von diesem: „Von der Weichsel bi- zum Rhein und der Maas besitzt eS 10 Millionen Deut sche; eine ständische Verfassung ist auf dem Punkts sich zu bilden, und Preußen darf nur eine kluge und kühne Politik befolgen, so wird e- von ihm abhängen, Deutschland in Ein Reich zu vereinigen. Dazu wird nur «rsodert, daß cs den preußischen Namen in dem deutschen untergehm lasse, daß «--die Kammern der verschiedenen deutschen Staaten zufammenberufe, au« >dm Mediatifitten in ganz Deutschland eiste Pairskammcr bilde und allen Offizieren der kleinern deutschen Heer« ihren Rang zusichere. Wer an dem Erfolge zweifelt, bedenk«, daß die Sachsen ihre Spaltung schwer ertragen, daß die Hannoveraner über die uttverhältnißmäßige Bevorrrchlung de--Adel- unzufrieden sind, daß die Regenten der meisten übrigen Staaten gehaßt oder geringgeschätzt werdrn, und daß die ganze Nation «insehen ge lernt hat, daß diese Vereinigung der «inzige Schutz gegen das drohende Hereinbrechen fremder Mächte und gegen die Last unerschwinglicher Abgabm ist. Ich will die Mittel näher betrachten, welche Preußen zngebote stehen. Oesterreich hat seine Popularität in Deutschland verloren; nichts ist jetzt da populär als Misbehagen und Unzufriedenheit; Hoffnungen, Wünscht, Zuneigungen schweben in der Luft, eine res nullius, die auf Den wartet, der sie sich zueignen will. Und Preußen kann und muß sie sich-zueign«», weil Ehrgeiz die Bedingung seiner Existenz ist; und sollte auch, um Gro ßes auszuführen/ der jetzige Augenblick nicht günstig erscheinen, jeder ist günstig genug, um Großes vorzubereiten. Wie schwach und klein erscheint jetzt Preußen in allen Staalöhandlungcn, in allen öffentlichen Aeußerungen! DaS wird anders werden, sobald eS den geistigen Keimen, welche dort schlummern, ein Feld der Entwickelung gönnt und die wärmende Sonn« des Tages. Sobald Preußen Reichsstände hat, werden diese wir ein Magnet die übrigen deutschen Kammern anziehen. Ich behaupte, daß di« Opposition bei uns den Grundsatz der Einheit des deutschen StaatskärperS auffassen und dem Jsolirungssystem entgegenstellen muß. Di« Regierungen streben offenbar nach Vereinzelung, aus Eitelkeit oder weil sie ihre Unab hängigkeit so mehr gesichert glauben, oder weil ein streng föderalistische« System mehr Schwierigkeiten darbietet. Dem muß die Opposition- wider streben. Fast alle politischen Fragen sind damit verwandt oder lassen sich damit in Beziehung. se-en. Kein Gegenstand ist populärer,, reichhaltiger, größer. Es ist eine starke und zugleich sehr künstliche Waffe, länger, kür zer, spitz, zweischneidig, nach dem Willen Dessen, der sie führt. Dieser Grundsatz der Einheit ist ein wahrer Proteus; er kann sich nach Umstän den so klein machen, daß er sich unter dem Tisch deS Bundestags verkrie chen, oder so groß und stark, daß er diesen Tisch umwerfen kann. Er kann so leise reden, daß man ihn kaum beschuldigen kann geredet zu haben, oder so laut, daß sein zehnfaches Echo in allen deutschen Kammern und in allen deutsche« Bergen widerhallt. Sollte diese Partei auch anfangs — bei der Timidität der Mehrzahl, welch« leider nicht geleugnet werden kann, nur schwach sein, so wird sie sich doch in den Kammern selbst alsobald verstärken, sobald sie in den auswärtigen Verhältnissen eine Stühe findet. Diese Pattei muß in allen deutschen Kammern Sitz fassen und überall nach Verabredung und in der größten Uebereinstimmung handeln. So kann sie auf die öffentliche Meinung wirken; so kann sie endlich — auf Preu- ßens Ruf — zusammentreten, und ein deutsches Parlament steht da." Friedrich v. Gagern betracht«» hierauf noch einig« andere Faktoren de« deut schen StaatSlebens nach ihrer größern oder geringer» Brauchbarkeit als BundeSgrnossen deS nationalen Gedankens. Zunächst dtn Abel. „Es liegt", sagt er, „in der Natur der Verhältnisse, daß Niemand die Herstellung dr« deutschen Reichs eifriger wünscht als er. Erinnerungen, Hoffnungen, Interesse« und die edlem Gesinnungen r-- Alle- vereinigt sich dazu bei ihm. Die ehemaligen reichsständischea und unmittelbaren Familien werden eS nie vergessen, daß sie einst Gll«d«r «in«S großen Reichs waren. Diese Staudtsherren haben zwar aufgehürt klein« Regenten zu sein, sie sind "aber immer noch zu mächtig geblieben, um al- bloß«, Staatsbürger in -di« tlri- nm Staaten zu passen , di« ähv«m Ehrgeiz keine Aussicht und derrnachge- borenen Söhwem-dieser Familien keine Versorgung darbitten. Wenn diese freiwillig »der > dürch Umstände gezwungen alle Rechte werden aufgegebtu